Eigentlich hat Nils Richard Dawkins neustes Buch schon auf evolvimus besprochen. Da ich die iPad Version gelesen habe und um eine Zweitmeinung anzubieten werde ich dies nun hier nochmals tun. Jegliche Redundanz ist unbeabsichtigt.
Dass ich Dawkins für seine populärwissenschaftlichen Texte bewundere ist vermutlich kein Geheimnis seit meiner Besprechung von “The Greatest Show on Earth”. Als ich las, dass Richard Dawkins ein Jugendbuch geschrieben hat war ich natürlich begeistert. Ich überlegte mir natürlich sofort, ob ich Kinder kenne, die damit beschenkt werden sollten. Leider kenne ich keine englischsprachigen Kinder im richtigen Alter und auf die Übersetzung muss man wohl noch etwas warten. Obwohl ich mich völlig irrational und altmodisch an die Tote-Bäume-Versionen von Publikationen klammere, habe ich mir nun mein erst zweites e-book gekauft und das erste, das ich auch von Anfang bis Ende gelesen habe. Mir selbst gegenüber rechtfertigte ich diese grobe Prinzipienverletzung, weil ich das Buch so immer dabei habe, sollte mir eines dieser, in meinem Umfeld seltenen über 10-Jährigen englischsprachigen Kindern begegnen. Eine populärwissenschaftliche Notapotheke für wissensdurstige Kinder sozusagen. So kann ich auch jederzeit eine ad hoc Übersetzung bieten sollte sich ein nicht anglophones Patenkind für ein Kapitel interessieren. Ach ja, und natürlich konnte ich so ganz uneigennützig das Buch lesen und die Spielereien austesten.
Nils hat in seinem Eintrag schon fast alles geschrieben, was es zum Buch zu sagen gibt. Ich werde mich hier vorwiegend auf jene Dinge zu konzentrieren versuchen, die von ihm noch nicht angesprochen wurden. Das Buch ist eine fantastische Entdeckungsreise von denen nicht nur ein neugieriges Kind profitieren kann. Zumindest habe ich mit meiner naturwissenschaftlichen Halbbildung einige Dinge gelernt.
Eine grosse Stärke des Buches ist, dass Dawkins seine Leserinnen und Leser ernst nimmt. Er verdummt die Themen nicht und sagt wenn er vereinfacht. Wenn er sich auf Autoritäten beruft, macht er das transparent. Er zeichnet nie das Bild einer allwissenden Wissenschaft mit endgültigen Antworten. Gerade letzteres ist vielleicht das beste überhaupt an diesem Buch. Oft sagt er, dass er selbst nicht versteht oder man keine Antworten hat. Aber genau aus diesen Lücken vermittelt er die Begeisterung und eben den noch zu entdeckenden Zauber der Realität.
Vermutlich würde sich auch kaum jemand daran stören, dass er jedem Kapitel Mythen voranstellt. Viele würden einfach die Geschichten vom Chamäleon, dass die Nachricht vom Leben langsamer überbrachte, als die Eidechse jene vom Tod oder von Gottheiten, die die Sonne schlucken/gebären/erschaffen mit einem Schmunzeln lesen. Der Indoktrinationsvowurf basiert wohl weniger auf der Kamäleongeschichte oder jener des Gottes Tezcatlipoca, als wenn Dawkins die Mythen um den “jüdischen Prediger namens Jesus” beschreibt. Aber wäre Dawkins nicht Dawkins und somit der Autor des Gotteswahns, würde vermutlich kaum jemand ausser wörtliche Bibelausleger auf die Idee kommen, dass es Indoktrination sein könnte.
Die iPad Version des Buches hat ein paar Extras, wie Gedankenexperimente die effektiv nachgespielt werden können, kleine diskrete Animationen der schön gemachten Illustrationen und Dawkins Stimme, der kurze Textpassagen liest. Vermutlich eignet sie sich gut für eine punktuelle Lektüre, die schnell zur Hand ist um zum Beispiel einem Kind zu erklären, wie ein Regenbogen zustande kommt oder was bei einem Erdbeben passiert. Ansonsten plädiere ich für die altmodische und teurere Version. Schon alleine weil die Zeichnungen des Künstlers Dave McKean einen dauerhafteren Platz im Bücherregal verdienen.
Ich bin überzeugt, dass die Papierversion auch immer wieder von einem neugierigen Kind vom Bücherregal genommen wird. So wie meine “Was ist Was” Bücher, Kinderatlanten oder andere Jugendsachbücher damals immer und immer wieder gelesen wurden. Es gibt immer etwas neues zu lernen und manche Dinge werden nicht verstanden werden. Aber genau dies wird weitere Neugierde schaffen und vielleicht braucht es manchmal den einen oder anderen Erwachsenen, der es erklären kann und vermutlich auch selbst noch etwas dabei lernen wird. Mehr kann man von einem Sachbuch gar nicht erwarten.
Dawkins befindet sich gerade auf Buchtour in den USA und heute fand sich ein längerer Artikel über ihn in der New York Times. In diesem kurzen Clip plaudert er darüber wie seine Begeisterung für Wissenschaft geweckt wurde (leider fokussieren die Fragen vor allem auf seinen Atheismus). Man darf sich trotzdem anstecken lassen.
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