Normalerweise wenn ich über Währungspolitik blogge, beginne ich mit einer Rechtfertigung, warum die Materie nicht langweilig ist. Heute brauche ich keine solche meinem Post voranzustellen. Vielleicht hat man sogar in Deutschland mitbekommen, dass der Präsident der Schweizer Nationalbank gestern zurückgetreten ist.
Ich erinnere mich an ein Seminar, welches der Ex-Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand mit zwei Professoren meines Instituts anbot, damals noch als “einfaches” Direktionsmitglied. Einmal sinnierte er über die seltsame Perspektive, einen Job zu haben, bei dem es eher typisch ist, ihn auf Lebenszeit auszuüben. Er scheint sich um sonst den Kopf darüber zerbrochen zu haben. Für meine Leserschaft in Deutschland zuerst eine kurze Zusammenfassung was geschah, dass gestern sogar zeitweise die Webseite der Schweizer Nationalbank (SNB) überlastet war (ein Tag an den sich die IT Abteilung bestimmt erinnern wird).
Die Schweizer Exportwirtschaft ächzte in den letzten Monaten unter einem extrem starken Franken. Im Fokus war vor allem der Eurokurs aber auch der Dollar als zweitwichtigste Exportwährung für die Schweiz schafften Probleme. Von den 1.40 für die, die sich erinnern, träumte man nur noch. Die SNB hat eigentlich kein Wechselkursziel, da sie aber das Wohlergehen der Schweizer Wirtschaft im Augen behalten soll, kann man auch Wechselkurinterventionen mit dem Verfassungsauftrag rechtfertigen. Die SNB beschloss dann auch den Kurs auf 1.20 zu stabilisieren (runter ist einfacher als hoch, kann man doch einfach Geld “drucken”, falls nötig) und die Märkte glaubten es.
Was hat das nun mit Hildebrand zu tun? Der Verdacht war nicht etwa, dass er den gleichen Frisör wie Mitt Romney hat, sondern er wurde eines Insider Geschäfts bezichtigt. Am 15. August kaufte seine Frau nämlich ein Päckchen Dollar (400’000 um genau zu sein). Rund einen Monat später kündigte die SNB an, den Franken gegenüber dem Euro auf 1.20 zu halten zu versuchen, was ihn auch gegenüber dem Dollar abwertete. Das bedeutete natürlich auch, dass die 400’000 schlagartig in Schweizer Franken mehr Wert hatten. Es ist nach wie vor unklar, inwiefern Insiderwissen eine Rolle spielte, ob Hildebrand die Transaktion guthiess und wer was zu welchem Zeitpunkt wusste. Täglich gelangen neue Fakten in die Öffentlichkeit und es ist schwer zu sagen, ob es sich um einen Insiderdeal handelte oder nur auf die Naivität des Notenbankchefs zurückzuführen ist. Auf jeden Fall scheint der Handel im Einklang mit den Bestimmungen der SNB gewesen zu sein (was durchaus etwas Kopfkratzen auslösen darf).
Zusätzlich pikant an der ganzen Affäre ist, dass die Aufdeckung der Transaktionen eindeutige Schmauchspuren der Schweizerischen Volkspartei (SVP) aufweist. Die nicht-ganz-so-graue Eminenz Christoph Blocher ist ebenso involviert, wie die beinahe-Prawda der SVP, die Weltwoche. Ein Anwalt und SVP Politiker agierte als Bote und auch der IT zuständige und Ursprung des Lecks bei Hildebrands Bank der Wahl scheint SVP Verbindungen zu haben. Vertreter der vehementesten Verfechterin des Bankgeheimnisses interessieren sich offenbar nur bedingt für den grundlegendsten Datenschutz bei Banken, wenn es ihren Interessen dient. Hildebrand stand schon lange auf der Abschussliste der SVP und mehr denn je seit der letzten Bundestratswahl (= Schweizer Regierung) hegt die damals angeschossene SVP einen Groll gegen die zuständige Ministerin.
Meinen Landleuten denen die Hintergrundsgeschichte bekannt ist, können hier nun wieder einsteigen.
Warum ist das alles ein Problem? Kann man das nicht unter “Mächtige missbrauchen (vielleicht) ihre Position” abbuchen? Für einmal ist der Schaden nicht nur institutionell. Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit sind nämlich die eigentliche Währung in der Geldpolitik. Beide haben in der Schweiz einen grösseren Schaden erlitten.
Der interne Glaubwürdigkeitsverlust von Hildebrand hat ihn wohl zum Rücktritt bewogen. Es wäre wohl schwer gewesen für ihn, die nächste Währungsintervention zu rechtfertigen, ohne dass seine Kollegen sich im Stillen gefragt hätten, ob er sich vielleicht nicht nur um seine persönlichen Euroreserven sorgt. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust wirkt aber auch nach Aussen. Er kann aber durch strengere Auflagen für die Vermögensverwaltung von SNB Entscheidungsträgern vermutlich zumindest teilweise wieder ausgebügelt werden.
Das grösste Problem sehe ich für die Wahrnehmung der Unabhängigkeit. Die Schweizer Nationalbank wird in der Literatur in der Regel als sehr unabhängig eingestuft. Ich hatte da immer gewisse Zweifel ob diese stark institutionelle Sicht nicht ein wenig ein Zerrbild ist. Klar ist das Schweizer System langsam und eine Verfassungsänderung braucht viel Zeit. Der Verdacht ist aber, dass die Kleinräumigkeit und die dichten Netzwerke unter der Decke weniger Unabhängigkeit zulassen, als es eine rein institutionelle Sicht den Anschein erwecken mag. Was die SVP-Leute nun geschafft haben ist, diese Möglichkeit zur Einflussnahme mit einem Fallbeispiel zu beweisen. Politisches Kalkül kann in der Schweiz auch relativ einfach einen Nationalbankpräsidenten zu Fall bringen. Dies entspricht doch eher, man möge mir diese rein aus Empathie entspringende etwas maskuline Metapher verzeihen, einem politischen Tritt ins Gemächte der SNB. Bisher scheint es die Märkte nicht sehr zu kümmern. Der Zeitpunkt die Nationalbank zu schwächen ist sicherlich kaum mit dem sonst immer zur Schau getragenen Patriotismus und Heimatliebe der SVP zu erklären. Die Affäre wird hoffentlich noch etwas mehr Staub aufwirbeln. Fragen bleiben vorläufig noch viele offen.
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