Am 11. Januar 2012 explodierte in Teheran eine unter einem Auto platzierte Bombe. Dabei wurde der 32-jährige Chemieingenieur und Professor Mustafa Achmadi Roschan getötet. Die Urheber des Anschlags sind unbekannt. Da der ermordete Wissenschaftler am vermuteten iranischen Nuklearprogramm mitarbeitete, ist der Hauptverdächtige der israelische Geheimdienst Mossad.
Die Geschichte ist nicht mehr ganz neu und was ich hier schreibe wurde anderswo bestimmt auch schon gesagt. Da der Anschlag aber ausgezeichnet den definitiorischen Doppelstandard was Terrorismus anbelangt illustriert, will ich hier doch ein paar Zeilen dazu loswerden. In der Vergangenheit habe ich immer wieder argumentiert (auch hier aber auch umgekehrt hier), dass der Begriff des Terrorismus im öffentlichen Diskurs primär eine Wertung ist, ein Kampfbegriff dem es an Schärfe fehlt. Terrorismus ist immer nur das, was die Anderen tun.
Da ist zuerst einmal die Frage des Rechtsverständnisses. Die Problematik der extralegalen Tötungen habe ich hier auch schon mehr als einmal diskutiert (typischerweise aus dem US Blickwinkel). Die meines Erachtens äusserst zweifelhafte aber zumindest nachvollziehbare Begründung ist, dass es sich bei den Drohnenattacken um legitime militärische Ziele handelt, um feindliche Truppen in zivil sozusagen. Doch was macht man damit, wenn nun Wissenschaftler zum Ziel werden? Wie nahe muss ein Forscher an einem militärischen Projekt arbeiten um ein legitimes Ziel zu werden?
Die USA haben offiziell primär jegliche Verantwortung von sich gewissen (Hillary Clinton) und eine Sprecherin des Aussendepartements hat gar eine Art Verurteilung des Anschlags zu Protokoll gegeben, wenn auch in einer zweideutigen Formulierung (“jeglichen Mordanschlag oder Angriff auf eine unschuldige Person”) und ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates verurteilte es sogar mit klareren Worten. Es mag einige überraschen, aber dies ist auch offizielle US Politik. 1976 als im Rahmen der Watergate Affäre diverse Machenschaften der CIA ans Tageslicht kamen (unter anderem Mordanschläge auf Fidel Castro), hat der damalige Präsident Ford einen Verordnung erlassen, die politische Morde untersagt (Executive Order 11905, Section 5 (g)):
(g) Prohibition of Assassination. No employee of the United States Government shall engage in, or conspire to engage in, political assassination.
(g) Verbot von Attentaten. Kein Angestellter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika darf politische Morde begehen oder sich an deren Planung beteiligen.
Natürlich ist es offen, inwiefern diese Verordnung befolgt wurde und wie die CIA sie auslegte. Es ist aber klar, dass man ein solches Vorgehen als moralisch verwerflich hält oder zumindest davon ausgeht, dass es viele als dies betrachten. Warum sonst ein Verbot aussprechen?
Das wirft aber die Frage nach der Einordnung des Anschlags auf. Wenn wir uns vorstellen, dass zum Beispiel der Iran einen Anschlag auf einen israelischen Wissenschaftler verübt, der an einem Militärprojekt arbeitet, habe ich keine Zweifel, dass dies umgehend und unisono als Terroranschlag verurteilt und betitelt würde. Ist es nicht diese Form von Handlungen die als Staatsterrorismus bezeichnet wird und eine der Hauptgründe ist, warum man eben nicht will, dass Staaten wie der Iran, sich Nuklearwaffen beschaffen. Dieser Doppelstandard findet man einerseits in Regierungsverlautbarungen, aber auch, und das finde ich noch bedenklicher, in den eigentlich regierungsunabhängigen Medien. Der Anschlag auf Roschan wurde kaum als Terrorakt qualifiziert. Das vermutlich meist verwendete Etikett in den deutschsprachigen Medien war, so mein Eindruck, Attentat.
Die reflexartigen Rufe nach einer Distanzierung bei ähnlichen Anschlägen, die uns allen eintrichtern, dass wer nicht mit “uns” ist, gegen “uns” sein muss oder zumindest unter dem Verdacht steht mit Terroristen zu sympathisieren, werden so als Doppelstandard entlarvt. Die implizierte Definition von Terrorismus ist rein wertend. Terrorismus ist das, was Muslime und nicht-befreundete Staaten begehen. Natürlich kann eine solche rein moralische Einschätzung durchaus als Position eingenommen werden (“wir kämpfen für eine gute Sache”). Das Problem ist aber, dass vorgegaukelt wird, es handle sich um einen objektiven Tatbestand, klar umrissene Handlungen und ein eindeutig definiertes Vorgehen. Wenn dann Gesetze geschaffen werden und Rechte eingeschränkt werden, um spezifisch dieses Phänomen zu bekämpfen, dann werden Prinzipien des Rechtsstaates verletzt, da das zu Grunde liegende Konzept eben willkürlich festgelegt ist. Wenn Terrorismus nur von “den Anderen” begangen werden kann, dann muss Schuld nicht mehr festgestellt werden, denn das Urteil wurde schon gefällt.
Kommentare (52)