Anfangs Januar kam es zu einem antisemtischen Zwischenfall am Flughafen in Tunesien, als eine Gruppe Islamisten den früheren Hamas Premierminister Ismail Haniya mit Sprechchören in Empfang nahmen. “Tötet die Juden” und “Vernichtet die Juden” wurde gemäss Presseberichten skandiert.
Dies ist einerseits ein klares Symptom für den herrschenden Antisemitismus in diesen ultrakonservativen Strömung und anderseits zeigt es wie dieser Antisemtismus direkt mit dem Nahostkonflikt um die besetzten Gebiete in Verbindung steht und dies den Fundamentalisten als Rechtfertigung dient. Aber das ist alles kaum etwas neues.
Wie gross die Gruppe ist, die einen solchen Antisemitismus pflegt, kann aus diesem Vorfall nicht abgeleitet werden. Bemerkenswert finde ich aber, dass die vor kurzem gewählten gemässigten Islamisten (die eigentlich nicht so genannt werden wollen, ich folge hier aber der in den Medien üblichen Einstufung) der Ennhada den Vorfall verurteilt haben und dies auch weitherum Eingang in die Berichterstattung fand. Vielleicht ist das (die Distanzierung und die Berichterstattung) tatsächlich einer der positiven Aspekte, wenn solche Leute Regierungsverantwortung tragen.
Aber warum ich über diese Vorfall berichten wollte war wegen einer weiteren, nicht offiziellen Reaktion. Die Schriftstellerin Hélé Béji hat im Französischen Le Monde einen Brief an das tunesische Volk gerichtet, den ich hier zur Lektüre empfehlen möchte. Da er in seiner Schärfe nicht nur das stille Dulden dieses Antisemitismus in Tunesien veurteilt, sondern gleichzeitig eben auch eine wichtige tunesische Stimme ist. Wem das Schulfranzösisch zum Verstehen des Originaltextes nicht reicht, findet hier eine übersetzte Version auf Englisch bei Informed Comment (ich empfehle jedoch wenn möglich das Original zu lesen).
Béji bezieht darin klar Stellung, dass selbst wenn es sich nur um eine kleine Minderheit handelte, dazu zu schweigen keine Möglichkeit sein darf:
Une infime minorité, me dit-on ? Peut-être, mais je ne veux pas le savoir, je m’en fiche. Vous avez rendu possible l’insoutenable, par la seule idée du meurtre collectif des juifs de Tunis. Cela suffit à nous avilir tous. Vous avez commencé à distiller un poison funèbre dans l’âme crédule d’un peuple débonnaire et bienveillant.
Je ne vous reconnais pas, Tunisiens, je ne vous reconnais plus. (…) Etes-vous les mêmes, Tunisiens ? Etes-vous ceux-là qui criaient en choeur : “Musulmans, juifs, chrétiens, nous sommes tous tunisiens” ?.
Eine winzige Minderheit, sagt man mir? Vielleicht, aber ich will es gar nicht wissen, es ist mir egal. Ihr habt das Ununterstützbare möglich gemacht, nur durch den Gedanken des kollektiven Mordes der Juden in Tunis. Das genügt um uns alle zu degradieren. Ihr habt damit begonnen in der leichtgläubigen Seele eines anständigen und gutmütien Volkes ein dunkles Gift zu destillieren.
Ich erkenne euch nicht, Tunesier, ich erkenne euch nicht mehr. (…) Seid ihr dieselben Tunisier? Seid ihr jene, die im Chor riefen: “Muslime, Juden, Christen, wir sind alle Tunesier”?
Es gibt noch viele andere lesenswerte Passagen ich möchte aber mit einer schliessen, die wir uns alle zu Herzen nehmen sollten. Vor allem jene, die in dem hässlichen Vorfall am Flughafen sich nun selbstgefällig zurücklehnen weil sie alle ihre Vorurteile bestätigt sehen. Im Umgang mit Minderheiten, nicht zuletzt den Muslimen und unserer Demokratie gilt dies für alle, nicht nur die Tunesier.
Vous avez fait tomber un régime, guidés par une inspiration plus haute que l’ethnie, que l’identité, que la religion, que la tribu. Vous vous étiez placés au-dessus du chauvinisme et des préjugés. Votre liberté s’était délivrée de l’identité. Ou plutôt, c’était ça votre identité, s’affranchir des derniers vestiges de la décolonisation. Vous n’avez pas fait votre révolution contre la culture occidentale, contre l’impérialisme, contre le sionisme, contre les infidèles, contre les juifs. Non. Vous vous êtes révoltés contre vous-mêmes.
Et maintenant que faites-vous ?
Kommentare (12)