Ich lese gerade The Black Banners von Ali Soufan. Soufan ist ein ehemaliger FBI Agent der für das FBI auf Al-Kaida angesetzt war, unter anderem die Attacke auf die USS Cole in Yemen untersuchte und über die Jahre mehrere wichtige Verdächtige verhörte. In seinem Buch bin ich über eine Feststellung gestolpert, die ein interessanter Aspekt der Psyche eines Terroristen sein könnte. Soufan schreibt nämlich, dass die von ihm verhörten Terroristen alle irgendwelchen Verschwörungstheorien anhängten.
Ich habe mich kurz im Netz umgesehen, ob es dazu Artikel gibt. Tatsächlich findet man ein ein paar Anhaltspunkte (ich habe es aber nicht vertieft recherchiert), interessanterweise aber nicht zu Islamistischen Terroristen, sondern soweit ich das überblicke primär zur Motivation von rechter Gewalt. Es scheint mir auch durchaus plausibel in Bezug auf andere (nicht islamistische) Beispiele, denkt man unter anderem an rechts und links.
Geht man dann einmal durch, was so eine Verschwörungstheorie für Merkmale aufzeigt, merkt man, dass dies tatsächlich auch sehr gut vermutliche Gedankengänge von Terroristen zutreffen könnte (zum Beispiel anhand dieser “Checkliste”, die ich einmal erstellt habe). Interessant finde ich diesen Aspekt vor allem, weil er in zwei Richtungen funktioniert. Da wären zuerst einmal die dunklen Mächte, die sich gegen die Gruppe, zu der sich der potentielle Terrorist zählt, verschworen haben. Die Bekämpfung dieser ominösen Mächte kann als eine primäre Motivation gesehen werden.
Das zweite Element, das ich nirgendwo explizit erwähnt fand, würde erklären, warum sich diese Leute durch ihre Taten Erfolg versprechen. Wenn andere die Welt so steuern können, muss sie so steuerbar sein. Das kann den Weg vorgeben um die Dinge zu ändern. Ich habe im Zusammenhang mit dem (angeblich) überdurchschnittlichen Anteil an Ingenieuren unter Terroristen über den möglichen Einfluss eines mechanistischen Weltbildes spekuliert. Ein solches steht natürlich hinter jeder Verschwörungstheorie: Die falsche Annahme völliger Lenkbarkeit von extrem komplexen Systemen, und die Vorstellung eine soziale (Ketten-)Reaktion mit einem einzelnen Ereignis auszulösen und gezielt ablaufen lassen zu können. Dieser Planbarkeitswahn muss aus der Sicht dieser Menschen ihre Taten als potentiell viel effektiver erscheinen lassen, als das sie bei einer nüchternen Betrachtung tatsächlich sein können. Weder die USA, noch der Kapitalismus noch der Einfluss der Linken in europäischen Parlamenten wird realistischerweise so beendet werden können, trotzdem sind sie davon überzeugt. Dies ist nicht zuletzt auch die Illusion von wirklicher Macht. Dazu kommen natürlich noch weitere Parallelen, zum Beispiel bezüglich der Sozialisierungsaspekte unter Terroristen, die berühmte Blase, in der man sich nur noch gegenseitig bestätigt und nichts wirklich hinterfragt wird.
Es wäre auf jeden Fall interessant diesem Thema etwas systematischer zu Bearbeiten. Vielleicht kennt ihr auch einen Artikel der sich spezifisch mit dem Thema auseinandersetzt. Es kann gut sein, dass das Schulen kritischen Denkens ein besserer Beitrag im viel bemühten Kampf gegen den Terrorismus ist, als das Beschlagnahmen von Nagelfeilen und Duschgels.
P.S.: Eine Besprechung des Buches wird folgen, wenn ich damit durch bin. Ich bin aber bei Weitem kein Schnellleser wie einige meiner Mit-Blogger hier.
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