Offene Diskussion zu Osteuropäern
Das Thema Osteuropäer wird von Politik und Medien gründlich gemieden, Polenkritiker werden bestenfalls ignoriert, meist aber diffamiert, Osteuropakritik wird pathologisiert und kriminalisiert. Eine argumentative Auseinandersetzung über die Osteuropäer muss endlich stattfinden. In der Politik. In den Medien.
Die meisten werden vermutlich das abgeänderte Zitat erkannt haben. Es ist der Text des Vorschlages für den Bürgermonolog über den ich vor ein paar Tagen gebloggt habe. Ich ziehe diese Parallele wegen dem niederländischen Rechstpopulisten Geert Wilders. Ich konnte die Begeisterung einiger “Gnu Atheists” für ihn nie nachvollziehen, schien mir Wilders doch immer mehr von Vorurteilen als von durchdachten Argumenten getrieben. Nur weil man seine Schlussfolgerungen teilt, heisst das noch lange nicht, dass man mit ihm einer Meinung ist. Der Mann der sich als Islamkritiker versteht, macht nun wieder von sich Reden. Dieses Mal hat er eine Website ins Netz gestellt, auf der man sich anonym über Osteuropäer beklagen kann (“Lärm?” “Trunkenheit?”). Dieser Aufruf zum sinnfreien Denunziantentum wird im Moment natürlich zu Recht breit kritisiert. Es wäre aber gelogen zu behaupten, ich sei von diesem krudem Populismus von Wilders überrascht. Die Website spiegelt den von ihm gepflegten Diskurs zum Islam.
Im Zusammenhang mit Wilders aber auch als Echo der Diskussionen in meinem Blogpost zum Bürgerdialog, stellte ich mir die Frage, welches die Unterscheidungskriterien sind, die fremdenfeindlich motivierte Islamkritik, die ich als “Islamophobie” bezeichnen würde und gegen die ich mich hier immer wieder wehre und legitimer spezifischer Religionskritik (die ich selber auch vorbringe) von einander abzugrenzen. Ich habe keine klare Antworten und verstehe diesen Blogpost eher als eine Art Brainstorming zum Thema. Hier ein paar spontane Gedanken.
- Es wird eine direkte Verbindung zur Migrationsdebatte gezogen (“Wer sich nicht anpasst kann gehen”, “Parallelgesellschaften”, “Demographische Zeitbombe”), etwas, das eine aus sich selbst heraus motivierte Islamkritik nicht nötig hätte.
- “Muslim” wird nicht primär als Religionszugehörigkeit kategorisiert, sondern als eine Art Ethnie. Oft wird es Austauschbar mit “Araber” verwendet, obwohl es auch arabische Christen, Juden und andere Minderheiten gibt, respektive nicht-arabische muslimische Staaten (z.B. Iran, Malaysia, Indonesien). Auch Sarrazins Verbindung, die er zur Intelligenz zieht, spielt mit genau solchen Ideen, nur dass er sich hütet, dies explizit zu machen.
- Es werden Werte ins Feld geführt, die sonst bei vielen dieser Kritiker bestenfalls Desinteresse auslösen. In einem anderen Kontext werden oft sogar konträre Positionen eingenommen. Beispielsweise überrascht mich immer der Eifer, mit welchem plötzlich Frauenrechte, Toleranz und die Diskriminierung von Homosexuellen entdeckt werden. Ein weiteres Beispiel wäre, wenn man in Europa Burka-Verbote einführt, während man die Existenz religiöser Kleidervorschriften im Iran kritisiert.
- Es fehlt an einer Differenzierung, die anderswo gemacht wird. Wenn ein Russisch-Orthodoxer oder ein Gruppe der Armenischen Apostolischen Kirche etwas fordert, wird dies nicht als für das ganze Christentum geltend wahrgenommen. Es ist selbstverständlich, dass viele Ausprägungen des US amerikanischen Protestantismus etwas ganz anders sind, als der Britische Anglikanismus und dass der Papst die Bibel anders auslegt, als der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel. Islam ist hingegen Islam.
- Häufig findet verbal eine Dehumanisierung statt oder zumindest ein Herabwertung der Menschen (Beispiele aus einem zufällig ausgewählten PI Thread: “Ziegenficker”, “Analphabeten”, “Barbaren”, “Abartige Sekte”). Religion wird zur Kultur umdefiniert und die eigene ebenso selektiv beschönigt und überhöht (z.B. “jüdisch-christiliches Erbe”). Dies erlaubt die eigene Überlegenheit zu betonen und “das Andere” zu konstruieren.
- Etwas, das stark dem Populismus des klassischen Anti-Ausländer Diskurs (in der Schweiz) ähnelt, sind wie man die eingeschworene Gruppe mit dem Erwähnen von einzelnen Fällen erreicht. Die Verallgemeinerung muss nicht einmal explizit gemacht werden, sie geschieht im Kopf der Eingeweihten. Wenn Fundamentalisten irgendwo die Einführung der Scharia fordern, wenn von einem Muslim ein “Ehrenmord” begangen wird oder ein Fundamentalist seinem Antisemitismus pflegt, dann sagt das etwas über die Muslime aus. Viele Einträge auf einschlägigen Seiten wie Politically Incorrect oder auch AchGut sind nur das: Anekdoten. Der Rest machen die Vorurteile. Ein positive Geschichte lässt natürlich keine Verallgemeinerung zu, wird nicht erwähnt und ist nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
- Selektive Wahrnehmung spielt auch eine wichtige Rolle und ist nicht ganz vom letzten Punkt zu trennen (aber das ist zugegebenermassen ein sehr allgemeines Problem und hat wohl mehr mit dem Fehlen kritischen Denkens zu tun). Jeder Anschlag beweist die Aggressivität des Islams, Brandanschläge auf Moscheen werden nicht oder kaum wahrgenommen. Jede irrsinnige Fatwa zeigt das “wahre Wesen” dieser Religion, aber wird eine ausgegeben, die sich gegen Gewalt oder zum Beispiel Ehrenmorde wendet, wird dies nicht registriert (oder gilt nicht).
Diese Phänomene gibt es natürlich auch gegen andere Gruppen. Die Gefahr beim Thema Islam im Moment ist, dass es salonfähig wird und dass ein legitimes Mäntelchen gefunden wurde, für ansonsten gesellschaftlich inakzeptable Positionen. Genau darum halte ich es für wichtig zwischen legitimer Islamkritik und schlussendlich fremdenfeindlich motivierter Anti-Islam Positionen zu unterscheiden.
Die Liste können wir in den Kommentaren weiterführen. Es ist mir bewusst, dass es zum Thema vermutlich auch einiges an Forschung schon existiert (Links sind willkommen). Ich habe bewusst auf eine Suche verzichtet um den Ball möglichst unbefangen ins Rollen zu bringen und hoffe auf diese Frage zurückzukommen (und vielleicht sogar die eine oder andere Hypothese zu testen).
Eine kritische Diskussion und weitere Vorschläge sind erwünscht.
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