Es gibt Neuigkeiten aus Seldwyla! Weder provokative Plakatmotive noch ein ausländerfeindlicher Unterton sollte noch überraschen, wenn man auf Seiten der Schweizerischen Volkspartei unterwegs ist. Was aber die SVP des Dorfes Widen aufgeschaltet hat, war doch heftig. Zum Glück stellte sich heraus, es war Satire. Leider hatte es keiner von der SVP gemerkt.
Die Website der SVP Widen sieht zur Zeit leider aus wie Hoth im Schneegestöber. Gemäss Medienberichten hat man dort vor ein paar Tagen Banner gefunden, die mit Schriftgrösse spielten. Slogans wie “Wir machen SAUbere Politik nur gelegentlich TÜRKEN wir ein paar Statistiken um unsere Positionen zu rechtfertigen” sollten wohl klare Positionen vermitteln. Dummerweise stellte sich nun heraus, dass diese flotten Sprüche von der Stupidedia stammen (ich vermute natürlich ohne Quellenangabe). Das ist halt manchmal kompliziert mit Satire.
Bildquelle: stupidedia.org Eintrag Schweiz
Nachdem die Sache von der Gratiszeitung 20 Minuten aufgegriffen wurde (“Die Widener SVP ist offenbar zu blöd, um eine Website richtig zu betreuen”), kamen die Distanzierungen. So sagte gemäss 20 Minuten der zuständige Bezirkspräsident, die Parolen seien “hanebüchen blöd”. Von der SVP Widen gab es gemäss dem selben Artikel keine Stellungnahme. Der stramme SVP Vertreter Glarner verriet der NZZ auch, dass er hart durchgreifen werde:
Glarner plant, die SVP-Mitglieder des Bezirks Bremgarten demnächst zu schulen. “Unsere Leute müssen lernen, was man auf dem Internet zeigen kann und was nicht.”
Sie müssen lernen, “nicht alles” im Internet zu zeigen? Auch das hätte ein Satiriker nicht besser formulieren können.
Nun warum schreibe ich aber darüber? Ein kleines bisschen Schadenfreude spielt wohl mit, auch wenn dies sicherlich nicht das nobelste der Gefühle ist. Doch teilt die SVP selber auch gerne aus und ich habe daher nur beschränkt ein schlechtes Gewissen, mich von ihrer Selbstdemontage unterhalten zu lassen. Das ist aber nicht der Hauptgrund. Es ist auch nicht weil ich selber schon über die Tendenz der SVP geschrieben habe, Statistiken eher kreativ darzustellen. Man könnte fast den Verdacht hegen, das stört die Widener SVPler gar nicht so. Auch habe ich diesen Eintrag nicht geschrieben, weil es doch einiges über die Medienkompetenz der Ortspartei aussagt. Die Intention der verantwortlichen Person ist zwar nicht ganz klar. Aber egal ob leicht humoristisch gemeint oder nicht, ob ungelesen oder halbverstanden, diese Slogans ohne Kommentar und Kontext hochzuladen zeugt von einem totalen Fehlen an Verständnis was noch aktzeptabel ist und was nicht. Von den eigentlichen Aussagen mal ganz abgesehen. Ist es nicht auf pure Dummheit zurückzuführen, kann es eigentlich fast nur mit einer SVP eigenen Filter Blase erklärt werden. Auch das sollte zu denken geben.
Es gibt zwei andere Gründe warum ich dies aufgegriffen habe. Es ist zuerst einmal eine Illustration von “Poes Gesetz“. Dieses stipuliert, dass an den Extremen Satire oft nicht mehr klar von der Realität abgegrenzt werden kann. Die Schwierigkeiten der Widener SVP Satire zu erkennen, ist bei Weitem auch nicht einzigartig. Andere Überpatrioten haben die Geschichte ebenfalls aufgegriffen und scheinen selbst nachdem darüber berichtet wurde, nicht verstanden zu haben, wo das Problem liegt (ich hoffe die verlinkte Seite ist nicht ebenfalls eine Parodie, ich bin mir da nämlich nicht ganz sicher). Sie meinen, da es ja von der Stupidedia kommt, war nicht die SVP Widen rassistisch, sondern bestenfalls die Seite, die die Slogans entworfen hat.
Der zweite Grund ist, weil ich den armen verwirrten SVP Parteisoldaten aus Widen tatsächlich auch Verständnis entgegenbringe. Über Jahre versucht die SVP gezielt mit Plakataktionen zu provozieren. Man bewegt sich bewusst am Rande der Legalität und jenseits der Grenze der Sachlichkeit und des guten Geschmacks. Ich erinnerre mich an eine Abstimmung in Zürich vor vierzehn Jahren, wo die SVP ein Projekt der Stadt Zürich für eine Kontaktnetz für Kosovo-Albaner bekämpfte. Wenn ich mich recht erinnere (es ist aber doch schon eine Weile her), wurde damals gemunkelt, dass der Abstimmungskampf die SVP mehr kostete, als das Kontaktnetz die Stadt gekostet hätte. Doch das interessanteste an der Geschichte ist, das damals ganz satirefrei im Stil der parodierten Slogans geworben wurde (vielleicht diente die Kampagne gar als Inspiration dafür). Die SVP schaltet ein Inserat, welches auch mit Fettdruck eine Botschaft an das Stimmvolk brachte: Kosovo-Albaner NEIN! Ich bin vor kurzem in einem Stapel alter Papiere über genau dieses Inserat gestolpert und möchte es euch nicht vorenthalten. Es scheint der perfekte Moment zu sein, die SVP an ältere Kampagnen zu erinneren (siehe unten).
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