Wikileaks macht wieder Schlagzeilen: Die Seite hat angefangen E-mails vom Analysedienst Stratfor zu veröffentlichen. Dessen angebliche Nähe zu US Geheimdiensten provozierte einiges an Händereiben im Vorfeld der Veröffentlichung. Die Mails von Stratfor wurden gemäss der Angaben der Firma von Hackern entwendet. Doch wenn die Dokumente etwas zeigen, dann dass Stratfor tatsächlich so langweilig ist, wie man bisher glauben musste.
Ich habe schon bei den diplomatischen Depeschen gewisse Zweifel angemeldet, wie viele neue Informationen wirklich ans Tageslicht gezerrt wurden. Das grösste Fragezeichen damals war für mich, dass das meiste im Kontext betrachtet werden muss. Da schreibt immer jemand, der eine eigene Agenda verfolgt und oft ein Soldat in grösseren und kleinen administrativen Grabenkämpfen ist, keine offizielle Position vertritt, sondern eine solche zu formen versucht. Mit Stratfor ist dieses Problem noch um ein vielfaches verschärft: Nun handelt es sich um Möchtegern-Spione mit echten oder vermeintlichen Verbindungen zur Schattenwelt der Geheimdienste, wo echte Information von gezielter Fehlinformation oft nur schwer zu unterscheiden ist. Liest man die Depeschen mit Vorsicht, kann man oft den Informationswert einschätzen. Die Stratfor-Mails bieten nicht einmal mehr das. Sie täuschen durch die Authentizität des Mediums die Authentizität der Information vor. Sie taugen im besten Fall als Fundgrube für Verschwörungstheoretiker.
Die E-mails werden von Wikileaks relativ reisserisch angepriesen:
The emails show Stratfor’s web of informers, pay-off structure, payment laundering techniques and psychological methods.
The E-Mail Nachrichten zeigen Stratfors Informatntennetz, die Struktur von Auszahlungen, die Waschmethoden von Geldern und Stratfors psychologischen Methoden.
Ist da vielleicht ein Privat-Geheimdienst aufgeflogen?
Ich habe einen kurzen Blick in die schon veröffentlichten Mails geworfen und mich umgeschaut, was die verschiedenen Medien so darin gefunden haben. Die Nachrichten scheinen kaum interessant und bestätigen genau das Bild, das ich von Stratfor schon zuvor hatte. Eine Firma, die sich gerne nachreden lässt, wie nahe sie an den diversen Geheimdiensten ist und dass sie sozusagen ein Privatgeheimdienst sei, aber im Grunde eher eine Anstalt für Hobby-Spione ist. An einem guten Tag wurde Stratfor vielleicht von einem US Geheimdienst benutzt um Informationen zu streuen, aber mehr Bedeutung kam ihr kaum jemals zu. Wer nur halbwegs aufmerksam das Weltgeschehe mitfverfolgt, ein gutes Wochenmagazin abonniert hat und im Netz nachliest, weiss mindestens soviel, wenn nicht mehr, als diese “Spione” von Stratfor. Es ist nicht nur keine wirkliche nachrichtendienstliche Arbeit, es ist noch dazu eine nicht sehr gute Informationsquelle. Ich habe Stratfor hier bestimmt auch schon verlinkt, aber wohl mit gutem Grund viel weniger oft als viele andere Medien mit einem internationalen Korrespondentennetz. Beim The Atlantic zitierte Max Fisher einen Freund der meinte: “Stratfor ist einfach The Economist, eine Woche später und ein paar hundert mal teurer” (Stratfor is just The Economist a week later and several hundred times more expensive).
Unbedeutende E-mails und mondänes Bürogeplauder aus dubioser Quelle als Sensation verkaufen? Wenn Wikileaks so weiter macht, wird es sich kaum als Whistleblower Plattform etablieren sondern sich selber in die Bedeutungslosigkeit manövrieren. Stratfor wird wohl weiterhin Firmen finden, die sich vom Auf-die-Brust-Trommeln beeindrucken lassen und zahlen.
Und noch was: Ob Assange die Ironie aufgefallen ist, dass ausgerechnet er die fehlende öffentliche Kontrolle von Sicherheitsfirmen anprangern möchte?
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