Ich habe im Moment nicht sehr viel Zeit zum Bloggen, darum ist es hier eher still, der März verspricht aber Besserung. Ich bin jedoch bei einer Recherche über eine Perle gestolpert, die ich niemandem vorenthalten möchte.

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Ausschnitt aus John Nashs Dissertation, “Non-Cooperative Games”, Princeton, 1950.

John Nash war bei den Scienceblogs schon öfters ein Thema. Thilo hat bei Mathlog schon Interview Clips verlinkt und Ulrich hat auf Kritisch Gedacht Nashs Meinung zu Religion zitiert. Ich habe ihn in meiner Mini-Serie schon erwähnt, als ich in groben Zügen ein paar spieltheoretische Konzepte zu erklären versuchte. Vielleicht kennt ihr ihn auch aus dem Film “A Beautiful Mind” mit Russel Crowe.

Wie auch immer, das berühmte Nash-Gleichgewicht geht auf die Dissertation von John Nash zurück, die er 1950 in Princeton eingereicht hat. Nun bin ich über den Volltext eben dieser Disseration gestolpert. Der Titel ist so schlicht wie der Rest: Non-Cooperative Games, 26 Seiten Fliesstext und eine Bibliographie mit genau zwei Referenzen drin, eine davon von Nash selber. Dass die Formeln von Hand reingeschrieben wurden (Schreibmaschinen, man erinnert sich vielleicht noch…) lässt das ganze noch mehr als Bierdeckelkalkuation erscheinen. Nicht schlecht für eine so bedeutende Idee. Ich war beeindruckt.

P.S.: Vielleicht sind so karge Dissertationen und Bibliographien in der Mathematik (immer noch) üblich und es ist nur mein Sozialwissenschaftsbacksteine gewohntes Auge, das für mich Nashs Dissertation zum Ereignis macht. Vielleicht können mich da Mathematiker aufklären.

Kommentare (9)

  1. #1 MartinB
    März 2, 2012

    Also zumindest in der theoretischen Physik gab’s zu meiner zeit eine Diplomarbeit (Bearbeitungsdauer weit mehr als 1 Jahr) mit 21 Seiten und Note 1,0.

  2. #2 Ludger
    März 2, 2012

    Ich verstehe zwar nichts davon, erinnere mich aber an einen Besuch im ( https://www.deutsches-museum.de/bonn ) Deutschen Museum Bonn. Dort gab es vor Jahren eine Ausstellung mit Werkzeugen von Nobelpreisträgern (leider nicht didaktisch aufgearbeitet). Es wurde u.a. die Sprossenradrechenmaschine von Reinhard Selten ( https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Selten ) gezeigt, der 1994 mit “John Forbes Nash und John Harsanyi den Wirtschaftsnobelpreis für die gemeinsamen Leistungen auf dem Gebiet der Spieltheorie” (Zitat: Wikipedia) bekommen hat. Angeblich hatte er damit die wesentlichen Berechnungen für seine Forschung durchgeführt. Es war eine Walther WSR 16 ( https://www.rechnerlexikon.de/artikel/Walther_WSR_16 ). Es ist immer wieder verblüffend, mit welchen simplen Hilfsmitteln damals Großes geleistet wurde.

  3. #3 BreitSide
    März 2, 2012

    Sehr schön! Den Film muss ich mir mal anschauen.

  4. #4 Armin Wolf
    März 2, 2012

    Das ist Ludwig Wittgensteins gesamte philosophische Dissertation: https://tractatus-online.appspot.com/Tractatus/jonathan/D.html – Nur ein paar Seiten, aber was für Seiten…

  5. #6 I.S.
    März 3, 2012

    Zur Anwendung der Spieltheorie auf biologische Systeme bis hin zu Kooperation in menschlichen Gesellschaften gibt es einen sehr leicht verständlichen neuen Artikel unter http://www.science-blog.at

  6. #7 Arno
    März 3, 2012

    Verglichen mit heutigen Dissertationen in der Mathematik ist die von Nash sicherlich sehr kurz, aber keinesfalls ausserhalb des Spektrums. Meiner Einschaetzung nach entspricht sie auch durchaus dem Idealbild vieler gegenwaertiger Mathematiker.

  7. #8 Ulrich Berger
    März 4, 2012

    @ I.S.:
    Der Artikel meines früheren Lehrers Karl Sigmund verdient einen richtigen link … https://www.science-blog.at/2012/03/die-evolution-der-kooperation/

    @ Arno:
    Zum “Idealbild” gehört auch das Alter, in dem Nash seine DIssertation verfasst hat: 21 Jahre!

  8. #9 r.
    März 4, 2012

    Aus der Biologie:
    Watson und Cricks berühmte Publikation über die Beschaffenheit der Erbsubstanz (1953) umfasste bloss zwei Seiten und 6 Zitate (wobei ein 7. Zitat von Rosalind Franklin eigentlich zwingend gewesen wäre):

    https://www.nature.com/physics/looking-back/crick/index.html

    Watson hatte damals seinen Doktortitel schon, für Cricks war die Publikation aber der Vorläufer seiner eigenen Doktorarbeit – welche erst 1954 abgeschlossen wurde (und inhaltlich bloss die Naturepublikation ausführt).

    Kurz: Für Crick entsprechen die 2 Seiten oben praktisch seiner Dissertation.