Per Zufall bin ich einmal auf eine Publikation gestossen, die zwar nicht in meinem Fachbereich liegt, aber mich schon wegen ihres Titels neugierig machte: The Journal of Popular Culture. Darin habe ich tatsächlich einen Artikel gefunden, der sich sogar mit Internationalen Beziehungen auseinandersetzt. Also eigentlich jenen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich und eigentlich auch das nicht wirklich. Aber wie kann ich einem Kommentar zu einem Artikel zu Antiamerikanismus in Doctor Who denn auch widerstehen?
Diapolo DiPaolo hat für seinen Artikel nicht nur die neue Doctor Who Staffeln angeschaut, die seit 2005 wieder über die Bildschirme flimmern, sondern ging zurück bis zu den Anfängen des Doktors. Ich werde mich aber primär auf die neueren Folgen beziehen in meiner Besprechung des Artikels, da ich mit den alten Folgen nicht vertraute bin (ich vermute alleine für dieses Eingeständnis werde ich geteert und gefedert werden in den Kommentaren).
Die Grundthese von Diapolo DiPaolo ist, dass seit ihren Anfängen die Serie “progressive politische Ideen in eine angeblich sichere und konservative Kindersendung” (progressive political ideas into a supposedly safe and conservative children’s show) geschmuggelt hätte. Sie enthalte
thinly veiled allegories condemning American imperialism and consumer culture, but also as a continuation of a pacifist, intellectual, and iconoclastic ethic
nur leicht verschleierte Allegorien, die US Imperialismus und Konsumkultur veurteilen, und eine fortgesetzte pazifistische, intellektuelle und ikonoklastische Ethik
Mir scheint jedoch, dass er vieles, was er als solche “Allegorien” sieht, eigentlich schlicht nur überinterpretiert. Ecclestones Lederjacke macht ihn gleich zu John Lennons Working Class Hero und die Daleks sind “offensichtlich” Nazis (obwohl sie später gemäss Diapolo DiPaolo plötzlich wieder für die Amerikaner stehen). Man wird das Gefühl nicht los, dass Diapolo DiPaolo oft nur eine einzige Interpretation zulassen möchte. Zum Beispiel sieht er im Multimillionär Henry Van Statton der das Internet besitzt, Area 51 kontrolliert und eine Heilmittel gegen Erkältung zurückhält, weil Symptombekämpfung lukrativer ist, als eines dieser amerikanischen Zerrbilder. Man kann ihn aber genau so gut als eine Parodie auf Verschwörungstheorien lesen.
Die Folge in der Ausserirdische ein Raumschiff in den Big Ben fliegen (Aliens in London, World War III), um den dritten Weltkrieg anzuzetteln (es geht um Treibstoff!) sind hingegen zwar tatsächlich schwer anders zu verstehen, als eine Referenz zu 9/11. Diapolo DiPaolo argumentiert, dies sei jedoch nicht gegen die USA gerichtet sondern “vernünftige Kritik” an US Politik (“reasonable criticism of American public policy”). Auch hier versteht er die Serie meines Erachtens zu oberflächlich. Die Satire beisst genauso gegen Verschwörungstheoretiker, wie sie sich gegen die britische Politik nach 2001 richtet, wo sich Tony Blair (zumindest so sehen es die Kritiker) blind den USA auch in den Irakkrieg folgte, nicht zuletzt auch weil man nicht zurückstehen wollte.
Genau das ist, was ich für eine Stärke der Serie halte. Solche Referenzen sind eben oft nicht eindimensional, sondern lassen vieles offen. Weil Doctor Who so zur Projektionsfläche wird, kann er eben für alle alles sein. Diapolo DiPaolo Verteidigung scheint mir zu oft aus einem etwas sehr einfach gestrickten Weltbild zu entspringen und ich bin mir manchmal nicht sicher, ob er selbst vielleicht eine Tendenz zum Antiamerikanismus hat. Pauschalurteile wie
Admittedly, Americans can be amazingly thin skinned when encountering criticism of their culture and international policies
Zugegeben, Amerikaner können beeindruckend dünnhäutig sein, wenn sie mit Kritik an ihrer Kultur und internationaler Politik konfrontiert werden.
haben einen sehr seltsamen Nachhall. Von der skurilen Verallgemeinerung einmal abgesehen, man nenne mir ein Land in dem man nicht Leute findet, die genau so empfindlich reagieren. Bei meiner zweiten Lektüre des Artikels beschlich mich aber ein anderes Gefühl: Ich glaube Diapolo DiPaolo wollte einen Grund finden, um sich für die Wissenschaft alle Doctor Who Folgen ansehen zu können. Die Hypothese war wohl zweitrangig. DAS hingegen kann ich ihm nicht verübeln.
DIPAOLO, M. (2010). Political Satire and British-American Relations in Five Decades of Doctor Who The Journal of Popular Culture, 43 (5), 964-987 DOI: 10.1111/j.1540-5931.2010.00782.x
P.S.: Heute ist die zweite Runde meines Twitter-Schönheitswettbewerbes. Da ihr letztes Mal sogar 26’000 Followers einer bekannten Princeton Professorin unter den Tisch wählen konntet, sollte es dieses mal um einiges leichter sein. Bitte hier lang um eine Stimme für mich (zoonpolitikon) abzugeben. Herzlichen Dank. Ich habe übrigens meinen Twitter Avatar aus diesem Anlass zum 10. Doctor geändert.
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