Wieder einmal wollte ich eigentlich über etwas ganz anderes bloggen, aber die aktuellen Ereignisse haben mir dann doch eine anderen Artikel in die Tasten gelegt.
Viel wird im Moment geschrieben über die möglichen dschihadistischen Verbindungen, die der mutmassliche Täter von Toulouse eventuell gehabt hat: Seinen allfälligen Aufenthalt im Afghanisch-Pakistanischen Grenzgebiet oder seine Zeit im Gefängnis in Kandahar (hier ein Porträt auf Französisch aus Le Monde und hier eines von SPON). Als ich diesen Eintrag zu schreiben begann, tauchte auch ein unbestätigtes Bekennerschreiben einer Nordafrikanischen Organisation “mit Verbindungen zu Al-Kaida” auf. Im Moment ist noch so wenig bekannt, dass man kaum von den vielen Qualifizierungen wie “vielleicht”, “eventuell” und “mutmasslich” wegkommen kann. Vieles wird wohl erst in den nächsten Tagen bestätigt werden.
Darum schreibe ich jetzt über einen Film. Einen Film, den ich vor ein paar Wochen gesehen habe und der drüben bei Georg im Dezember Thema war: Die Dschihad-Komödie “Four Lions”. Der Film ist absolut sehenswert, da er nicht nur wunderbar die Gratwanderung zwischen Tragik und Komik des Themas schafft, sondern vermutlich auch eine ziemlich realistische Darstellung der möchtegerne und tatsächlichen Gotteskrieger in Europa oder Nordamerika darstellt.
Die Protagonisten manövrieren sich in ein Anschlag-Projekt, das offensichtlich logistisch und technisch weit über ihren Fähigkeiten steht. Ihr Ausbildungslager in Pakistan kann ihnen dabei auch nicht über ihre offensichtlichen intellektuellen Unzulänglichkeiten hinweghelfen. Von ihrer taktischen und strategischen Ahnungslosigkeit gar nicht erst zu sprechen (sie diskutieren zum Beispiel eine Weile eine Moschee in die Luft zu sprengen um die britischen Muslime aufzurütteln). Auch was das religiöse anbelangt, sind die Hauptcharaktere im Film kaum die grossen Denker. Ihre krude Theologie dient vor allem dazu um in ihren Augen knackige Rechtfertigungen zu basteln, welche ein einfaches “uns” gegen “die anderen” zu konstruieren erlaubt. In einer der für mich besten Szenen wird ein (nicht gewalttätiger) Fundamenalist mit der Wasserpistole aus der Wohnung des weniger fundamenalistischen Dschihadisten vertrieben, weil er dessen Frau nicht im gleichen Raum haben will, wogegen sich wiederum der selbsternannte Gotteskämpfer und seine Frau sich wehren.
Ich bin überzeugt, dass man sich “Terroristen” oft so vorstellen muss. Dschihad als eine Selbstlegitimierung und einfache Rechtfertigung, nicht als Teil durchdachter Arm eines grossen Terrorismuskraken. Es handelt sich wohl oft um überforderte junge Männer und wäre ihr Vorhaben nicht so todernst, wären sie schlicht nur lächerlich.
Da sehe ich auch den Zusammenhang mit den Vorgängen in Toulouse. Der vermutliche Täter hat schreckliche Taten begangen und das darf nicht vergessen werden. Die Suche nach Verbindungen zu einem terroristischen Netzwerk, nach einer ideologischen Triebfeder, vernebelt aber vielleicht mehr, als das sie Zusammenhänge erstellt. Am Ende lenkt sie vielleicht sogar von der persönlichen Verantwortung seiner Taten ab. Erst das herstellen der Verbindungen, ob nun existent oder nicht, machen Terrorismus schlussendlich zu dem was es in der kollektiven Wahrnehmung ist. “Four Lions” ist ein guter Beitrag zur Demystifizierung von Terrorismus und es kommt wohl nicht von ungefähr, dass ich beim Verfolgen der Nachrichten heute mich an diesen Film erinnert sah.
Noch ein P.S. in eigener Sache: Ich bin heute als totaler Aussenseiter in einer Twittergegnüberstellung gegen Princeton Professorin Anne-Marie Slaughter und bin darum auf jede Stimme angewiesen. Also, wenn ihr es bis hier geschafft habt, bitte hier eine Stimme für zoonpolitikon abgeben. Ziel ist es, nicht ganz platt aus der Geschichte heraus zu kommen.
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