Manchmal kommt es hier vor, trotz meines Disclaimers in der Kurzbio, dass sich das eine oder andere Sportthema einschleicht. Da gestern zum Abschluss der Olympiade auch der Marathon der Männer stattgefunden hat, gibt es hier ausnahmsweise etwas zum Thema Langestreckenlauf. Eine Art Rätsel dessen Lösung nur ein Mann kennt. Ein Zahnarzt aus Michigan.

Im New Yorker Magazin vom 6. August fand sich ein Artikel über diesen Herren, der irgendwann beschlossen hat, Marathons zu laufen (Paywall, wer den Artikel möchte, kann mir eine Mail schreiben). Der Mann lief gemäss Resultaten ziemlich bald Zeiten unter drei Stunden auf der Marathondistanz (eine Zeit die die meisten Hobbyläuferinnen und -läufer nie erreichen).

Nun fielen einigen Unregelmässigkeiten auf. Nicht zuletzt wegen der wachsenden Popularität von Marathon- und anderen Langestrecken-Rennen werden häufig zwei Zeiten gemessen. Eine individuelle Zeit (mit Chip an verschiedenen Checkpoints gemessen, “Chip-Time”) und die offizielle Startzeit (“Gun time”). So können die Laufenden auch weit hinter der Startlinie starten und immer noch eine Echtzeit-Messungen kriegen. Kip Litton, so der Name des Mannes um den es hier geht, startete immer relativ weit hinter der Startlinie (trotz ausgezeichneten Zeiten) und zeigte dann eindrückliche Tempi. Dies kam jemandem verdächtig vor und tatsächlich schien einiges nicht in Ordnung zu sein bei vielen Läufen von Kip. Es ist kaum anzunehmen, dass er mit einem solchen Rückstand sich im Tempo eines sehr fitten Läufers mit freier Bahn durch die Menschenmassen vor ihm wühlt. In einem Laufforum machten sich diverse kommentierende dann auf die Suche nach Unregelmässigkeiten. Der Monsterthread auf Letsrun.com hat inzwischen über 4700 Posts.

Gewisse Muster schienen sich zu wiederholen: Da war fast immer diese grosse Differenz zwischen indvidueller Zeit und Gun-Time. Fast immer gibt es keine Fotos von Litton während des Rennens sondern nur von ihm beim Zieleinlauf. Er erscheint oft auf den Fotos in einer Art, die ihn schwer erkennbar machen (Nummmer überdeckt, Sonnenbrille, Hut). In diesem Zusammenhang ist auch verdächtig, dass er oft die Kleider oder gar Schuhe zu wechseln scheint, während des Rennens. Es gab mehrere Marathons bei denen er einen ausgezeichneten Rang in den Top 10 erreichte, sich aber einige von ihm geschlagene Läufer sich nicht daran erinnern können überholt worden zu sein. Dazu kommenoft sehr verdächtige bis praktisch unmögliche Temposchwankungen.

Kip Litton wurde dann tatsächlich in mehreren Läufen nachträglich disqualifiziert. Er streitet ab, betrogen zu haben und insistiert offensichtlich, dass es möglich ist, dass er vielleicht manchmal unachtsam war und ihm Fehler unterlaufen seien. Es ist natürlich schwer das Gegenteil zu beweisen. Dass er einen ganzen Marathonlauf erfunden inklusive Website, 28 Konkurrenten und ein Direktor (der West Wyoming Marathon) hilft nicht gerade in vertrauenswürdiger zu machen. Es ist auch schwer erklärbar warum Kip Litton die Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, einfach unter Beobachtung eine unter drei Stunden Zeit (oder einen Marathon überhaupt) zu laufen.

Wie viele andere interessiert mich natürlich wie er es gemacht hat. Da hier viele skeptische Rätselfans mit beeindruckenden Google- und Kombinierfähigkeiten mitlesen, habe ich mir gedacht diese Blogeintrag zu schreiben, um ein wenig darüber zu spekulieren, wie Kip Litton es geschafft hat. Am besten dafür geeignet ist vermutlich der Boston Marathon. Es ist wohl der berühmteste in den USA. Die Strecke ist kein Kreis und alle fünf Kilometer findet eine Zeitmessung statt (5, 10, 15, 20, Halbe Strecke, 25, 30, 35, 40, Ziel). Gemäss den Resultaten lief Litton in 2010 die Strecke in 2:52:12. Wie konnte er an jeder Messung registriert werden, seine Kleider wechseln und trotzdem unter drei Stunden laufen? Dass er bei diesem Lauf betrogen hat wird noch weiter untermauert durch die Existenz einer Foto, welche (vermutlich) ihn bei Kilometer 30 zeigt, ohne Nummer in langen Hosen und langem Oberteil (Foto und Zeiten hier).

Dass das Messsystem gehackt wurde gilt gemäss Veranstaltern als sehr unwahrscheinlich. Wenn wir davon ausgehen, dass er tatsächlich betrogen hat, dann würde und das mit der Möglichkeit lassen, dass er mit dem Fahrrad oder Auto abgekürzt hat. Trotzdem wie kann man das effizient gestalten ohne aufzufallen. Oder gibt es andere Möglichkeiten wie man die Chip-Zeit überlisten könnte? Wer hat sonstige Ideen?

Die andere grosse Frage, die aber auch durch noch soviel Recherche und Spekulation wohl kaum beantwortet werden kann: Warum tut man so was? Läuft man nicht zuerst einmal primär gegen sich selber bei einem Langstreckenlauf? Aber vielleicht schreibt er nach diesem New Yorker Artikel einmal eine Autobiographie. Dann lernen wir vielleicht mehr.

Falls sich jemand noch weiter einlesen und gefundene Lauf-Fotos von Litton studieren möchte, neben dem Artikel im New Yorker und dem endlos Thread bei letsrun.com gibt es auch ein Blog, dass sich mit Litton auseinandersetzt.

Kommentare (29)

  1. #1 liquidat
    August 13, 2012

    Ich würde mich auf Läufe spezialisieren, bei denen es Begleitfahrzeuge gibt, und denen die Chips/den Chip anhängen. Dann ist nur eine Übergabe kurz vor Ende des Laufes notwendig.

    Das erfordert eventuell nicht einmal die Mitarbeit eines Fahrers, die würde es aber einfacher machen.

  2. #2 Spoing
    August 13, 2012

    Ich kenne mich nicht genau mit der Messung aus, aber ich glaube mich zu erinnern, dass der Chip keine neuen Daten an den einzelnen Messtationen speichert, sondern nur von den Stationen registriert wird nachdem er einmal ins System eingelesen wurde. Es wäre somit möglich mehrere identische Chips zu “klonen” (nach der Registrierung) und Komplizen zu verabredeten Zeiten einfach an der entsprechenden Stelle langlaufen zu lassen. Er selbst würde dann einfach am Anfang und ein paar Km vor Ende laufen.
    Wenn mehrere Personen beteiligt sind würde das auch wechselnde Klamotten erklären.

    Wenn der Chip jedoch bei allen Stationen um eine Zufallszahl erweitert wird, welche dann abgeglichen wird dann könnte dies über Funk an die einzelnen Komplizen weitergegeben werden.

    Denn im Prinzip gilt ja, was man lesen kann, kann man auch Kopieren.
    Sich dann zu viert einen Marathon zu teilen und dabei auch noch ein paar KM zu schenken würde das ganze recht simpel machen.

    Sich dann wieder in die Menge zu mogeln ist auch extrem einfach, da er ja aufgrund des späten Starts nie wirklich außerhalb der Masse ist und andauernd Sportler mal kurz “austreten” oder es auch genug Ecken ohne Zuschauer gibt.

    Ist aber alles nur Spekulation.

  3. #3 celsus
    August 13, 2012

    Das Rätsel kann nur Mr. Monk lösen:

    https://monk.wikia.com/wiki/Mr._Monk_and_the_Marathon_Man

    Ein Marathon-Läüfer wird des Mordes verdächtigt, obwohl er zur Tatzeit angeblich am Lauf teilgenommen hat.
    Die Lösung: Er hat den Funkchip an einem Fahrzeug des Filmteams angebracht und ist von der Strecke abgebogen, hat den Mord begangen und ist dann an einem anderen Punkt zurück auf die Strecke und ins Ziel eingelaufen.

  4. #4 Abacus
    August 13, 2012

    Er könnte einen Zwillingsbruder haben, dann muss er nur noch den RFID-Chip kopieren und schon braucht man nur noch zusehen das man auf dem schnellsten Weg zum jeweils übernächsten Checkpunkt kommt. Da die betreffende Stadt an diesem Tag voll mit Leuten in Laufkleidung ist (oft werden ja auch 5, 10 und 20 km Strecken angeboten) sollte das eigentlich unauffällig per Taxi möglich sein.
    In der Nähe von öffentlichen Toiletten sollte man unbemerkt von und auf die Strecke kommen 🙂

  5. #5 cydonia
    August 13, 2012

    Homer Simpson fragen!

  6. #6 Friii Schiegerl
    August 13, 2012

    Ich glaube nicht, dass man so einfach den RFID-Chip klonen kann.
    Man könnte ihn aber per Fahrradkurier zum nächsten Kontrollpunkt bringen. Der läufer selbst läuft einen Teil der Strecke, so dass er sich fotografieren lassen kann und fährt dann selbst mit dem Fahrrad zum Ziel. Er ordnet sich in die Menge ein und lässt das Zielfoto schießen. Falls dessen Zeit mit der des Chips verglichen wird muss er vorher die Schuhe wechseln.

  7. #7 ali
    August 13, 2012

    Ich habe kurz gegoogelt um mehr über die Technologie herauszufinden. Anscheinend wird beim Boston Marathon alle 5 km überprüft. Das macht die Sache noch wesentlich kniffliger.

    Ich habe folgende Links gefunden:

    Hier über die Chips und einige Hersteller.

    Hier das anscheinend in den USA am weitesten verbreitete System, das auch in Boston verwendet wird und von einem deutschen Chiphersteller stammt.

    Und hier eine Alternative.

    Es ist zu vermuten, dass Kip Litton bei einigen Läufen einfach Abkürzungen genommen hat. Dies erklärt die unregelmäsigen Zeiten, einige verpasste Matten und dass er z.B einen vierten Platz einnehmen konnte ohne die Nummer fünf zu überholen. In Boston hat er sich offensichtlich etwas anderes einfallen lassen (falls er tatsächlich betrogen hat).

    Alle 5 km ein Check-in scheint ziemlich schwierig mit einem Hilfsfahrzeug zu bewältigen. Sein Tempo ist durchschnittlich bei etwas über 4 min/km (das ist übrigens ein beeindruckendes Tempo um auch über eine wesentlich kürzere Strecke zu halten). Das heisst er hatte jeweils ca. 20 Minuten zwischen zwei Checkpoints für ab der Strecke, in ein Fahrzeug, 5 km fahren, rein, Checkpoint passieren und das gleiche wieder von vorn (plus irgendwann auch noch Umkleidezeit). Da der Verkehr oft umgeleitet wird und sich nicht jeder Ort zum Ein- und Aussteigen eignet, liegt das Geheimnis vielleicht doch eher beim Chip. Gleichzeitig wäre da die Verkleidung und das Vermeiden von Fotos (falls es sich da wirklich um ihn handelt), das heisst zumindest bei einigen Checkpoints ist er aufgetaucht. Vielleicht doch mehrere Personen?

    Diese Grafik habe ich auch noch gefunden. Interessanterweise scheint er gegen Ende des Rennens schneller bergauf als runter zu laufen. Ich nehme aber an, dass es allen so geht wie mir: Je mehr km man schon hinter sich hat, desto schwieriger wird es eine Steigung zu bewältigen.

  8. #8 Jan Formann
    August 13, 2012

    Aufmerksamkeit will er erreichen. Das Schlimmste ist, wenn man nicht beachtet wird. Dann ist es egal ob man getadelt oder gelobt wird. Hauptsache es wird von mir berichtet und mein Name richtig geschrieben.

  9. #9 Alex
    August 13, 2012

    Die einfachste Möglichkeit, gute Marathonzeiten zu erzielen, ist noch immer, das Ganze als eine Art Marathonstaffel zu laufen. D.h. man teilt sich mit einer Gruppe von Leuten die Strecke in kleine Abschnitte auf und gibt den Chip immer unauffällig weiter. 10-Kilometer-Zeiten unter 40 Minuten wären aber auch dann nicht ohne.

    Abgesehen von dem längeren Intervall rund um den Halbmarathon finde ich die obigen Zwischenzeiten allerdings nicht auffällig, im Gegenteil, die passen eher zu gut. Ein erfahrener Läufer würde zudem bergab eher bremsen, um nicht zu schnell zu werden und in den anaeroben Bereich zu kommen. Außerdem könnte im letzten Intervall auch Müdigkeit oder eine etwas längere Zeit an der Verpflegungsstelle zum Tragen kommen.

  10. #10 Kai
    August 13, 2012

    OT:
    Der Abschluss der Olympiade ist aber schon etwas länger her. Gerade hat ja nun die neue angefangen und wird sich noch die nächsten 4 Jahre hinziehen, bis dann die Olympischen Spiele in Rio 2016 anfangen.

    SCNR

  11. #11 ali
    August 13, 2012

    @Alex

    Stimmt. Zumindest die Splits für die Topläufer zeigen teilweise ähnliches. Ich bin noch nie eine so grosse Distanz gelaufen und konnte mir schlicht nicht vorstellen, da noch mein Tempo zu kontrollieren.

    Zum Thema Chip-Hack:

    Irgendwo im Original-Artikel steht, dass Litton jemanden angestellt hatte, um die Website für seinen erfundenen Marathon zu basteln. Ich spekuliere daher mal, dass er technisch nicht so versiert ist. Aber vielleicht ist es auch ein Trugschluss anzunehmen, dass wer einen solchen Chip manipulieren kann, auch eine einfache Website basteln kann. Es besteht auch immer die Möglichkeit jemanden für eine solche Arbeit zu bezahlen.

  12. #13 roel
    August 13, 2012

    @Ali Arbia Normalerweise wird für Marathon ca. 95% gleichmäßiges Laufen trainiert. Es gibt zwar verschiedene Tempi, die man aus verschiedenen Gründen läuft, aber das fast immer gleichmäßig und evtl. mit einem letzten schnellen Kilometer.

    Ein trainierter Läufer bzw. eine trainierte Läuferin spult dann beim Marathon so weit es geht ein einheitliche Tempo ab. Für die meisten sind Temposchwankungen nicht gut. Bevor jemand widerspricht, es gibt auch LäuferInnen, die genau diese Temposchwankungen trainieren, aber diese laufen dann noch etwas schneller. Daher kommen oft die fast identischen Kilometerzeiten zustande. Die meisten trainieren noch einen letzten schnellen Kilometer, den sie dann auch versuchen im Marathon so zu laufen.

    Ein Unterschied in zwischen der Guntime und der Nettime kommt zustande, wenn man sich beim Marathonstart weiter hinten aufhält. Es gibt Markierungen, an denen man sich orientieren kann (z.B. erwartete Laufzeit 3:00 Stunden) Dort steht dann meistens ein sogenannter Zugläufer, der genau das benötigte Durchschnittstempo läuft. Wenn sich Litton also dort eingeordnet haben sollte, erklärt das seine Zeitdifferenz zwischen Nettime und Guntime. Boston bin ich noch nicht gelaufen, aber bei großen Marathons kann so eine Differenz schon mal problemlos 30 min sein, je nach dem wo man sich einordnet.

    Was ich noch nie gesehen habe, bei einem flachen Lauf, ist dass sich jemand wärmere Sachen während des Laufes anzieht und das scheint Litton zu machen.

    Ungewöhnlich ist auch, dass er den ganzen Fotographen aus dem Weg läuft. Das ist nicht ein einziger Fotograf sondern je nach Lauf und Breite der Strecke vielleicht 6 Fotographen an verschiedenen Punkten (meist u.a. den Zeitnahmen) und die halten auf alles drauf, damit ja kein/e Läufer/in ohne Foto bleibt.

    Wie genau er den Chip weitergibt oder ob es geklonte Chips gibt weiß ich nicht, aber obwohl diese Zeiten so nicht ungewöhnlich sind, die wechselnde Kleidung und die wenigen Fotos sind Anhaltspunkte dafür, dass er betrügt.

  13. #14 roel
    August 13, 2012

    sollte heißen: “… je nach Lauf und Breite der Strecke vielleicht je eine Reihe von 6 Fotographen an verschiedenen Punkten (meist u.a. den Zeitnahmen oder markanten Punkten) und die halten auf alles drauf, damit ja kein/e Läufer/in ohne Foto bleibt.”

  14. #15 ali
    August 13, 2012

    @roel

    Der Artikel benennt es als seltsam, dass die Hügel ab Meile 16 eine grosse Herausforderung seien beim Boston Marathon, er aber bei der vorherigen flacheren Strecke gerade vor der Halbe-Strecke Messung wesentlich langsamer war (tatsächlich ist es interessant, dass sich sein Tempo so verlangsamt gerade dort wo die beiden Messpunkte nahe bei einander lagen). Offensichtlich sind die Boston-Zeiten relativ konsistent im Vergleich zu anderen (in New Hamphsire hatte er sogar eine wesentlich schnellere zweite Hälfte [1:28:13, 1:25:53] obwohl die hügeliger war…).

    Das verdächtige an der Differenz zwischen der Guntime und der Nettime ist bei ihm soweit ich das verstehe, dass sie bei ihm konsistent und oft relativ gross ist. Ich stelle mir die Frage, warum soll ein Läufer mit so guten Zeiten (unter 3 Stunden scheint in meinem Universum eine solche) immer so weit hinten starten, wenn er doch weiter nach vorn darf? Ausserdem sollte es sich doch in seinen Zeiten auf den ersten 5-10 Km bemerkbar machen, wenn er Slalom durch die Massen laufen muss. Will sich das ein Läufer auf diesem Niveau antun (er behauptet er hätte Fundraising-Wetten laufen gehabt, wieviele Leute er überhole)?

    Sehr verdächtig finde ich, dass er sich in Boston nicht mehr hat Blicken lassen obwohl er hätte unter Beaufsichtigung laufen dürfen. Einfacher hätte er die Zweifel nicht aus dem Weg räumen können.

    @Kai

    Dazu gehört natürlich auch meine seltsame Verwendung des Stadtnamens von Marathon. Stellenweise liest sich das wie totaler Nonsense oder?

    Wörter können halt neue Bedeutungen zugewiesen erhalten. Der Duden zumindest anerkennt das. Darum werde ich auch weiterhin Olympiade sagen wenn ich die Olympischen Spiele meine.

  15. #16 Alex
    August 14, 2012

    @roel: Stimmt, bei einem großen Marathon machen drei Minuten zwischen Brutto- und Nettozeit nicht viel aus. Litton soll aber auch bei einem Fünf-Kilometer-Lauf, den er in einer 17-Minuten-Zeit (!) absolviert hat, vier Minuten nach dem Startschuss über die Ziellinie gelaufen sein. Wer mal bei einem Stadtlauf zu spät in die Startaufstellung gekommen ist, weiß, dass dann angesichts des Kinderwagen- und Senioren-Slaloms quer durchs Läuferfeld so eine Zeit kaum machbar ist 😉

  16. #17 schak
    August 14, 2012

    Warum tut man so was? Läuft man nicht zuerst einmal primär gegen sich selber bei einem Langstreckenlauf?

    Als Online Computerspieler der ersten Stunde kann ich nur die Gegenfrage stellen: Warum gibt es Cheater ? Ganz einfach, großes Ego aber dafür viele andere kleine Dinge, kein Skill, ergo muss man schummeln um aufzufallen und sich besser zu fühlen.

    Ich würde meinen Chip einfach einem Bekannten geben der dann mit Auto und/oder Rad zu den jeweiligen Kontrollpunkten hinfährt und den Chip mal schnell ‘durchzieht’. Danach braucht man nur noch kurz einmal abbiegen und woanders wieder eintreten und den Chip wieder übernehmen. Oder ist der angetackert ?

  17. #18 roel
    August 14, 2012

    @Ali Ariba Vorab, ich muss mir noch die Streckenprofile anschauen. Der Hügel in Boston kommt zwar ziemlich spät aber eine große Herausforderung ist der nicht, da wurden trotz Hügel schon Zeiten von 2:03:02 gelaufen was bis dahin die schnellste gemessene Zeit war, allerdings für einen Rekord hat die Strecke ein zu großes Gefälle.

    Also irgendwie, da sind sich anscheinend alle einig, betrügt Litton. Wenn er fund raising macht und möglichst viele überholen will, warum startet er nicht als Letzter und warum verzichtet er auf publicity mittels schöner Streckenfotos? Ich denke es sind 2 oder 3 Läufer, die sich abwechseln. Und ich denke auch, dass er nicht mehr antritt oder weitaus schlechtere Zeiten läuft.

    @Alex bei 5-Kilometerläufen und 17 min startet man vorne, da sind zu viele Senioren, Kinder und Funläufer die einem sonst im Weg rum stehen. Ich hatte gestern diese Ergebnisliste auch gesehen, finde sie jetzt so schnell nicht wieder, da waren einige 17 min Läufer dabei, was ebenfalls verwunderlich ist.

  18. #19 roel
    August 14, 2012

    @Ali ARBIA sorry für den Vertipper. Keine neuen Erkenntnisse nach dem Blick auf die Streckenprofile.

    @schak Der Chip ist unter der Haut implantiert. Nein, im Ernst: Der Chip wird entweder am Schuh mit Hilfe des Schnürbands befestigt oder mit einem elastischen Band knapp oberhalb des Schuhs (siehe z.B. https://www.mikatiming.de/f.01_championchip.htm ). Bei zweiter Version wäre ein Tausch schneller zu vollziehen.

  19. #20 Ber
    August 14, 2012

    Solche Transponder-Chips lassen sich mit etwas technischem Know-How duplizieren. Bei dem ChampionChip System kann man offenbar einen eigenen Transponder kaufen, da hat man dann alle Zeit um entsprechende Duplikate anzufertigen.

    Da die Chips nicht kryptografisch gesichert sind, ist das kein Problem. Die genauen Informationen zur Technik sind ebenfalls frei verfügbar.

    Letztlich enthält der Chip auch nur eine “Startnummer”. Ist fast so, als würde man die Zeitmessung an die Startnummer an der Brust koppeln, und dann laufen vier Leute mit gleicher Nummer jeweils einen Teil des Laufs.

  20. #21 Phil
    August 14, 2012

    Falls es mehrere Läufer sind, stellt sich die Frage wieso, so vermute ich mal, soviel Zeit in die Organisation eines solchen Betrugs gesteckt wird, zumindest muss man ja planen wer wann wo losläuft, aber nicht an die gleiche Kleidung gedacht wird?

  21. #23 Jörg Friedrich
    August 15, 2012

    Das unauffällige Wechseln eines Championchips ist nicht so einfach, man kann ihn nicht einfach in der Hand halten oder in die Tasche stecken, da er nur funktioniert wenn er in Bodennähe über die Matte geführt wird. Deshalb muss er normalerweise am Schuhband befestigt werden, Staffelläufer tragen ihn an einem Klettband am Knöchel.

    Wenn ich so eine Sache planen würde, dann würde ich gar nicht laufen, sondern von Messpunkt zu Messpunkt fahren, den Chip im Socken oder unter einer langen Hose verborgen. Im bereich der Freizeitläufer fällt es überhaupt nicht auf, wenn mal ein Zuschauer über die Straße läuft, oder anfeuernd ein Stück mitläuft, auch über die Messmatte. Deshalb ist es klug, weit hinten zu “starten”, wenn auch im Startbereich schon die allgemeine Auflösung und Volksfeststimmung herrscht. Mit dem Fahrrad erreicht man den jeweils nächsten Messpunkt wahrscheinlich auch rechtzeitig genug (muss allerdings alles gut organisiert sein).

    Bei den letzten Messpunkten ist man dann allerdings im Bereich der 3:15- bis 3:30-Läufer angekommen, das sind in Bosten allerdings immer noch genug damit man nicht zu sehr auffällt.

    Alles in allem auch eine beachtliche logistische Leistung und vielleicht tut der Mann das einfach, um eine besondere Herausforderung zu meistern. Das ist ein anderer Fall als diejenigen, die als Freizeitsportler wirklich abkürzen, verbotene Mittel nehmen o.ä. um sich oder anderen vorzuspielen, wie fit sie sind.

  22. #24 roel
    August 15, 2012

    @Jörg Friedrich Zu Ihrem 1. Absatz siehe hier: https://www.scienceblogs.de/zoonpolitikon/2012/08/ein-ratsel-ohne-antwort-wie-betrugt-man-beim-boston-marathon.php#comment351579

    Ich habe 12 Marathons von Kip Litton ausgewertet bei denen ich die Netto und Bruttozteiten hier https://kiplitton.blogspot.de/2011/01/kip-litton-timeline-v5.html entnommen habe. Die durchschnittliche Differenz ist 3:26 min. Das ist nicht so viel, wie immer behauptet wird. Wenn Sie ihre Zeit von einem “kleinen Marathon” vergleichen, haben Sie auch schon mal 1:53 Differenz. Aber darum gehts mir eigentlich nicht.

    Wenn Sie jetzt die 3:26 min Differenz rechnen und die Durchschnittliche Netto Zeit von 2:53:49 betrachten, lief er im Schnitt immer mit unter 3:00:00 Stundenläufern ins Ziel. Aber das sind in Boston dann auch schon mal über 1500 Läufer/innen. “immer noch genug damit man nicht zu sehr auffällt” da haben Sie Recht.

    Aber warum sollte er, wenn er das ganze mit dem Fahrrad bewerkstelligt seine Kleidung wechseln? Eigentlich spricht andere Kleidung für mehrere Läufer, die natürlich dann auch zur übernächsten Zeitnahme mit dem Rad unterwegs sein können.

  23. #25 Jörg Friedrich
    August 15, 2012

    Lieber roel,

    ich habe im Nachhinein auch gesehen, dass das Meiste, was ich geschrieben habe, schon in den Kommentaren stand, sorry dafür.

    Wenn ein Marathon kein Staffellauf ist, fällt das Wechseln des Klettbandes zwischen Läufern m.E. auf, jedenfalls ist es gefährlich. Dieser Gefahr kann man entgehen, wenn immer der gleiche das Band trägt und mit dem Rad von einem zum anderen Messpunkt fährt.

    Meine Vermutung wäre tatsächlich, dass es zwei Leute sind, einer hat den Chip und erledigt die Messungen, der andere hat die Nummer und lässt sich hier und da fotografieren, vermutlich hat er einen nicht registrierten Chip am Schuh. Vielleicht sind sie Brüder, sehen sich ähnlich – dann hält man den einen auf Fotos manchmal für den anderen.

  24. #26 roel
    August 15, 2012

    @Jörg Friedrich “einer hat den Chip und erledigt die Messungen, der andere hat die Nummer und lässt sich hier und da fotografieren” Das bedeutet, dass beide wenn das Foto bei einer Zeitnahme (Halbmarathonmarke, oft 10 km Marke, etc) zeitgleich auf der Strecke sein müssten. Die Gefahr halte ich nun wieder für sehr groß. Aber ich habe die Lösung zu dem Rätsel auch noch nicht gefunden.

  25. #27 Jörg Friedrich
    August 15, 2012

    In Münster sind die Fotografen unabhängig von den Zeitnahme-Matten, in Boston kenne ich mich natürlich nicht aus. Gibt es ein Foto des Mannes mit Nummer auf einer Messmatte?

  26. #28 roel
    August 15, 2012

    @Jörg Friedrich

    Zu den Bildern, mit Nummer und Matte sieht man Litton, meine ich, nur beim Start und im Zielbereich ansonsten ist die Nummer verdeckt.

    Zu Münster habe ich einige Fotos mit Matten gefunden, aber ich weiß nicht, ob ich darauf verlinken darf. Die meisten Fotos sind allerdings ohne Matte.

  27. #29 BreitSide
    August 16, 2012

    xxx