Um meinen wiedergefundenen Blog-Elan nicht gleich wieder zu verlieren, möchte ich hier einen kurzen Kommentar zu der Abstimmung in der UN von letzter Woche abgeben. Es ist keine Einschätzung der Konsequenzen, noch eine Bewertung der Situation (diese folgt hoffentlich später diese Woche). Es geht mir vor allem darum, mit etwas Hintergrundinformation zwei Missverständnisse zu klären, denen ich in den letzten Tagen öfters in den Medien begegnet bin: Das erste ist die Frage, ob es nun einen Staat “Palästina” gibt oder nicht. Das zweite ist, ob es stimmt, dass die Palästinenser mit ihrem neuen Status  nun Israel vor ein internationales Gericht zerren können.

Die Statusfrage

Worüber wurde  in der UN abgestimmt?

Zur Abstimmung stand eine Aufwertung des Status der Palästinensischen Autonomiebehörde als Beobachter in der UN. Seit 1974 hatten die Palästinenser (repräsentiert durch die PLO) den Status einer Beobachter Einheit (“entity”). Durch die Abstimmung in der UN wurde dies nun zu Beobachter (immer noch nicht-Mitglieds) Staat aufgewertet. Es wurde also nicht in der UN darüber abgestimmt, ob Palästina ein vollwertiger Staat ist.

Wann ist eine Einheit ein Staat?

Es gibt gewisse Attribute über die im Völkerrecht mehr oder weniger Einigkeit herrscht, dass sie zu einem Staat gehören: Ein eigenes Territorium, eine Bevölkerung und eine zentrale Regierung die ihre Souveränität über das Territorium ausübt. Manche führen auch an, dass dieser Staat Beziehungen mit anderen Staaten eingeht.

Ist Palästina jetzt ein eigener Staat?

Jein (ich weiss, man wünscht sich eine klarere Antwort in einem solchen Blogpost). Ich würde sagen die Palästinenser sind formal gesehen einen Schritt näher am Staat-sein (ob dies auch politisch der Fall ist, steht auf einem anderen Blatt). Man könnte sagen, sie erfüllen die Bedingungen oben. Man kann natürlich auch die Position einnehmen, dass weder die souveräne Machtausübung auf dem Territorium gegeben ist, noch dass die Beziehung mit anderen Staat so klar geregelt ist. Dazu kommt, dass diese mit der Anerkennung so eine Sache ist. Die Praxis ist eine wichtiges Element im Völkerrecht und alles hängt davon ab, wie andere Staaten das handhaben und es gibt auch klaren Widerstand von einigen Staaten, allen voran natürlich die Israel und die USA.

Haben Israel und die USA sozusagen ein Vetorecht bei der Anerkennung?

Nein, streng genommen natürlich nicht. Aber es ist auch nicht einfach eine Abstimmung wo die Mehrheit der Staaten den Status bestimmt (das ist bestenfalls ein Element unter vielen). Es kommt auch ein ganz praktischer Aspekt hinzu. “Staat” zu sein heisst ja nichts anderes als gewisse Rechte und Pflichten im internationalen Staatengefüge zu haben. Nun kriegt man die nur im Austausch mit anderen Staaten. Da die USA ein Vetorecht im Sicherheitsrat haben, ist zum Beispiel eine Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen vorläufig unwahrscheinlich. Es ist wie ein Neuzugang in der Schulklasse: Wenn die anderen Kinder nicht bereit sind, diesen aufzunehmen (oder die coolen Kids sie/ihn ausgrenzen) nützt die formale Aufnahme in die Klasse natürlich wenig um eine Statusänderung herbeizuführen. Weil de facto der Neuling nicht in die Strukturen eingebunden ist, hilft die formale Aufnahme wenig. Sie kann aber durchaus einen Schritt in diese Richtung bedeuten.

Internationale Gerichtsbarkeit

Können die Palästinenser nun Israel vor dem Internationale Gerichtshof in Den Haag einklagen?

Nein. Die Unterscheidung zwischen dem Internationalen Gerichtshof (Cour Internationale de Justice, CIJ/International Court of Justice, ICJ) und dem Internationalen Strafgerichtshof (Cour Pénale Internationale, CPI/International Criminal Court, ICC) scheint für einige ebenso schwierig zu sein, wie der Unterschied zwischen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Cour Européenne des Droits de l’Homme, CEDH / European Court of Human Rights, ECHR). Vermutlich habe ich nun die Konfusion sogar noch verschlimmert, weil ich alle vier in einem Absatz erwähne.

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Kommentare (14)

  1. #1 rolak
    Dezember 5, 2012

    Ich werde versuchen

    Sehr löblich – doch dieser post ist auch schon mal ein gute Hinführung zum Überblick.

  2. #2 Fliegenschubser
    Dezember 5, 2012

    Vielen Dank für diesen Post. Klare Worte zu einem komplizierten Thema. Ich freue mich schon auf die folgenden Beiträge

  3. #3 Phero
    Dezember 5, 2012

    Gegenfrage: Kann Israel in diesen Fällen nicht eventuell auch Palästina anklagen?

  4. #4 ali
    Dezember 5, 2012

    @Phero

    Nein. Also beim ICJ geht sowieso nicht, weil beide nicht eingewilligt haben.

    Was den ICC (als den Strafgerichtshof) betrifft, könnte Israel durchaus zum Beispiel die Hamas einklagen, müsste dazu aber das Römer Statut ratifizieren (das heisst Mitgliedsstaat werden), so wie es auch die Palästinenser zuerst werden müssten. Das ist aber sehr unwahrscheinlich.
    Den Unterschied zum ICJ macht das von mir erwähnte Territorialitätsprinzip.

  5. #5 Hans
    Dezember 6, 2012

    Ihr “Jein” ist nicht nachvollziehbar.

    Zitat: ” … eine zentrale Regierung die ihre Souveränität über das Territorium ausübt …”

    Allein diese Bedingung ist für “Palästina” nicht gegeben. Es gibt zwei grundsätzliche “Regierungen”. Den Terroristen der Hamaz im Gaza Streifen und die Fatah, die die Macht in der “Westbank” an sich gerissen hat. Beiden Lagern ist gemein, dass minimale demokratische Regeln, wie Wahlen, nicht eingehalten werden. Wobei dies natürlich kein Kriterium für einen Staat ist. Immerhin besteht die Mehrheit der UN-Mitglieder, die “Palästina” einen Beobachterstatus eingeräumt haben, aus Diktaturen, Monarchien, etc.

    Ansonsten bin ich der Ansicht, dass die Welt nicht noch einen “failed state” braucht.

  6. #6 HT
    Dezember 6, 2012

    Schoener Artikel. Danke!

  7. #7 ali
    Dezember 6, 2012

    @Hans

    Ihr “Jein” ist nicht nachvollziehbar.

    Dann versuche ich mich nochmals etwas genauer auszudrücken:

    Diese Bedingung muss zwar erfüllt sein, ist natürlich nie absolut. Katalonien hat eine Lokalregierung mit gewissen souveränen Aufgaben, trotzdem ist Spanien ein Staat. Georgien hat keine souveräne Kontrolle über Abchasien und Südossetien trotzdem ist es ein Staat (und die Gebiete werden von den meisten Ländern zu dessen Staatsterritorium gezählt), Pakistan hat kaum Kontrolle über gewisse Provinzen, trotzdem ist es ein Staat. So eine klare Linie gibt es nicht und es hängt auch davon ab ob der Staat diese Souveränität beansprucht oder nicht (und nicht nur deren effektiven Ausübung).

    Darum schrieb ich auch im nächsten Abschnitt:

    Man kann natürlich auch die Position einnehmen, dass weder die souveräne Machtausübung auf dem Territorium gegeben ist, noch dass die Beziehung mit anderen Staat so klar geregelt ist.

    Vielleicht ist das nun etwas klarer.

  8. #8 Spoing
    Dezember 6, 2012

    Du hast es nicht nur geschafft, den ICJ, ICC, EuGH und den EGMR in einen Absatz zu schreiben es ist sogar nur ein Satz.

    Während ich das auf europäischer Ebene schon ganz gut unterscheiden kann, kannte ich den genauen Unterschied zwischen ICJ und ICC bisher noch nicht. Wobei es bei letzteren zwar ärgerlich ist, wenn man es vertauscht, es aber wenigstens keinen komplett neuen Sinn ergibt. Denn immerhin ergibt sich dann doch eindeutig aus dem Text wer es jetzt wirklich hätte seien müsste.
    Bei den EuGH und den EGMR sieht das ja schon anders aus, da macht es ja schon einen deutlichen Unterschied wer was gesagt hatte. Aber manche Medien begnügen sich dann ja einfach mit “den Eurokraten” oder “die da in äh… Brüssel” (die Leute von BildBlog können ein Lied darüber singen).

    Was mich noch interessieren würde wäre was für ein ziel Palästina damit eigentlich erreichen will. Aber ich schätze mal, dass das in dem versprochenen Artikel noch angerissen wird. Von daher freue ich mich darauf.

  9. #9 Hans
    Dezember 6, 2012

    @ali

    Ihre Jein-Position ist “klar” genug.

    Zum Ausdruck bringen wollte ich, dass “Palästina” kein Staat ist.

  10. #10 Thomas
    Dezember 6, 2012

    Interessanter Artikel. Man würde sich wünschen, die Presse würde gelegentlich mal ein paar solcher Informationen verbreiten, statt 5 mal täglich im TV und in allen Printmedien die immer gleichen Meldungen wiederzukäuen…

    “Oder ein Staat anerkennt seine automatische Zuständigkeit.”

    Kann man das wirklich so schreiben?

  11. #11 ali
    Dezember 10, 2012

    Ich musste eine Korrektur anbringen. Auch Staaten, die nicht das Römer Statut unterzeichnet haben, können das Gericht anrufen. Das gilt also für Israel sowohl als auch für die Palästinenser. Für letztere ist der Status ob sie nun ein Staat sind oder nicht von zentraler Bedeutung. Israel könnte vermutlich theoretische die Hamas vor den ICC zu zerren versuchen (aber hat kaum ein Interesse daran, da dies sicher auch eine Diskussion über die Besetzung auslösen würde).

    Mea culpa für die falschen Angaben.

  12. […] im Podcast: Zoonpolitikon liefert Hintergrundinformation zum Status von Palästina in den Vereinten Nationen und klärt auf, […]

  13. […] Woche habe ich zu klären versucht, was sich auf dem Papier für die Palästinenser geändert hat und was nicht. Blickt man von diesem […]

  14. #14 Davide
    köln
    Januar 30, 2013

    Eins mus man hierbei beachen. 1947 gab es ein UNO-Resolution die das Land zwischen beiden Nationen teilte, die Israelis haben ihre Staat seit damals und die Plästinenser kämpfen immer noch darum. Wenn die UNO als internationale Organiataions für die Schaffung der Frieden und Konfliktbeilegung zwischen Völker, ist Ihr Versagen im Nah-Ost-Konflikt nur ein Ausdruck der diskrepanz zwischen dem gepredikten Moral und die Machtpolitiischen Interessen der USA