Er tobt wieder, der Streit um was Satire darf und was nicht. Die Politik ist empört, der Karikaturist verschanzt sich hinter der Meinungsfreiheit und die diversen Interessengruppierung veurteilen die Veröffentlichung aufs schärfste. Nur dieses Mal geht es um eine Karikatur des israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu.
Die Karikatur zeigt ihn beim Bau einer Mauer, mit blutrotem Mörtel, beim vermauern von Palästinenserinnen und Palästinenser. Die Kritik liess nicht auf sich warten. Dies sei ein bedienen klassischer antisemtischer Klischees und dass es am Holocaust Gedenktag veröffentlicht wurde belege den kompletten Mangel an Respekt. Rupert Murdoch hat sich inzwischen als Besitzer der Zeitung entschuldigt. Der Karikaturist Gerald Scarfe hat sich damit verteidigt, dass es sein Stil sei (und führt eine wahrhaft garstige Karikatur von Assad als Beleg dafür an).
Nun bin ich bereit ihm zu glauben, dass er keine antisemtischen Absichten hegte. Es gibt ja auch gute Gründe, die dagegen sprechen (wie zum Beispiel ein Kommentar in der Haaretz erklärt). Gleichzeitig halte ich es auch für etwas naiv, so zu tun als ob diese Assoziationen völlig aus der Luft gegriffen wären. Ich habe auch bei der verlinkten Karikatur von Assad sofort an die Ritualmordlegende denken müssen (wohl auch weil er vormals angedeutet hat, tatsächlich an diesen Hetzmythos zu glauben). Nur wenn es um Assad geht, verläuft sich diese Assoziation aufgrund fehlendem historischem Kontext im Sand. Wenn hingegen eine ähnliche Assoziation mit dem Premierminister von Israel auftaucht, liegt es nahe die Karikatur in einem historischen Kontext zu sehen. Das hätte sich der Karikaturist halt auch überlegen müssen, er scheint aber davon eher überrascht worden zu sein.
Aber völlig unabhängig wo man sich nun positioniert, ich schreibe diesen Eintrag weil mir etwas anderes aufgefallen ist (und hier muss ich Kenan Malik für seinen Blogpost danken, der wie so oft, den Finger auf einen wunden Punkt legt): Beim Streit um die Mohammed-Karikaturen in Dänemark und auch später, haben sich viele hinter die Veröffentlichung gestellt. Es dürfe nicht angehen, dass die Meinungsfreiheit beschränkt wird. Ob nun komisch oder nicht, ob gerechtfertigte Kritik oder nicht, Satire müsse unbedingt von der Meinungsfreiheit geschützt werden. Präsidenten und Premiers, Bloggerinnen und Gute Achsen warfen sich mit Vehemenz in die Schlacht zur Verteidigung der Meinungsfreiheit. Ich stimme all jenen in dem Fall auch gerne zu, fühlte mich aber immer etwas unwohl in ihrer Gesellschaft, da ich den Verdacht hegte, dass viele mehr aus Ablehnung gegen den Islam und weniger aus Freiheitsliebe, diesen Standpunkt vertraten.
Heute herrscht aber seltsamerweise Schweigen. Der wahre Test für Meinungsfreiheit kommt dann, wenn die Freiheit jener verteidigt werden muss, die einen Standpunkt vertreten, den wir für wirklich falsch halten und der gegen unsere eigenen Prinzipien geht. Es ist nicht der Doppelstandard der erschreckt. So ist Politik nun mal. Mich erschreckt, wie sehr Meinungsfreiheit ein Gefälligkeitsargument ist. Eigentlich würde ich hoffen, dass sie tiefer verwurzelt ist, als nur ein nützliches Argument, wenn man unterschwellige Ressentiments bedienen möchte.
P.S.: Ich möchte hier betonen, dass mir die historische sensible Natur des Problems hier sehr bewusst ist und ich denke, dass Scarfe sich besser ein anderes Motiv hätte ausdenken sollen. Aber gerade deswegen muss man sich, wie auch bei den Mohammedkarikaturen auf die Seite der Meinungsfreiheit stellen.
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