Trockener könnte man sich ein Thema kaum vorstellen: Das sogenannte “Fünfte Komitee” der Vereinten Nationen. In dessen Aufgabenbereich fallen Budget und Administrative Fragen. Im Paragraph 7, Abschnitt II der Resolution 41/213 vom 19. Dezember 1986 der Generalversammlung ist vorgesehen, dass das Komitee “alle möglichen Anstrengungen im Hinblick auf das Erreichen eines breitmöglichsten Einvernehmens weiterführen soll ” (“should continue to make all possible efforts with a view to establishing the broadest possible agreement”). Doch ganz so trocken scheint die Arbeit dort doch nicht zu sein.Der zuständige US Botschafter hatte nämlich ein ernstes Wort mit seinen Kollegen in der Kommission zu reden (den vollen Wortlaut des Statements findet man hier):
Was die Art der Verhandlungen betrifft, Herr Vorsitzender, möchten wir den bescheidenen Vorschlag machen, dass die Verhandlungsräume rauschfreie Zonen sind. Zwar ist meine Regierung zutiefst dankbar für die strategischen Vorteile, die dies bisherige Praxis eröffnet, doch lasst uns den Champagner für das Anstossen auf ein erfolgreiches Ende der Verhandlungsrunde aufsparen und damit gleichzeitig etwas für die Reputation des fünften Komitees tun. [meine Übersetzung]
As for the conduct of negotiations, Mr. Chairman, we make the modest proposal that the negotiating rooms should in future be an inebriation-free zone. While my government is truly grateful for the strategic opportunities presented by some recent past practices, let’s save the champagne for toasting the successful end of the session, and do some credit to the Fifth Committee’s reputation in the process.
Alkohol ist für die Diplomatie oft, wie das Mehl für die Bäcker. Die zahllose Empfänge und offizielle Essen kommen nicht ohne Toasts aus. So manche Information wurde am Abend an der Hotelbar dank ein paar Gläser Whisky gewonnen. Nicht selten ist das Trinken ein Element von vertrauensbildenden Massnahmen zwischen Mitglieder verschiedener Delegationen. Da die eigentlichen Verhandlungen oft nicht im Plenum abgehalten werden, zeichnete sich schon so mancher Deal erst über einem Glas Champagner am Botschaftsempfang oder späten Cognac oder Vodka nach dem diplomatischen Dinner ab. Alkohol ist im diplomatischen Dienst ist zweifelsohne mehr Feature als Bug (Trunkenheit sollte hingegen aus offensichtlichen taktischen Gründen vermieden werden).
Gleichzeitig ist die Klage von Botschafter Torsella vermutlich nur das Symptom eines grösseren Malaise. Wie Eingangs erwähnt, sollte das “Fifth Committee” mit einem möglichst breiten Konsens entscheiden. Dies ist vor allem auch ein Anliegen der grossen Geldgeber (d.h. im Moment noch vor allem der westlichen Industriestaaten). Schwellenländer hingegen möchten schon lange zu Mehrheitsentscheiden übergehen. Es ist eine ewige Frage in der UN: Soll man aus Pragmatismus den Mächtigen ein Veto zugestehen, um sie an Bord zu behalten, oder soll man sie mit der schieren Masse im Rücken einfach überstimmen. Es ist die Frage von Sicherheitsrat mit Vetomächten oder UN Generalversammlung nach dem Prinzip ein Staat – eine Stimme. Legitimität ist halt mehr als 50% plus 1 Stimme.
Es ist gut möglich, dass einige der Delegierten aus Ländern, deren Stimmen sowieso kaum Gewicht haben, die aber bei den Verhandlungen anwesend sein mussten, beschlossen, das beste aus der Situation zu machen. Marathonsitzungen um Budgetfragen können halt sehr trocken sein. Verhandlungen die einen Konsens bedingen dauern länger und hängen an Details. Vielleicht haben diese Diplomatinnen und Diplomaten einfach beschlossen, sich ihre eigene Sitzungsanwesenheit schön zu trinken.
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