Seit gestern Abend wird nun auch in der Schweizer Politik über die Zulässigkeit oder fehlende Qualität von Doktorarbeiten im Zusammenhang mit der Politik diskutiert. Wie so oft in Helvetien wirkt (zumindest für den Moment) alles etwas kleiner, harmloser und weniger dramatisch. Die Frage ist: Geht es um Politik oder die Qualität von Dissertationen in der Medizin.
Der SVP Nationalrat, Rechtsaussen-Provokateur vom Dienst und potentieller Ex-Titularprofessor der Universität Zürich (das Verfahren ist noch hängig, dies ist aber eine andere Geschichte) Christoph Mörgeli ist unter Beschuss. In einer Sendung des Schweizer Fernsehens wurden gestern Abend Vorwürfe erhoben, er hätte unzulängliche Dissertationen durchgewinkt. Zumindest eine dieser Arbeiten sei eine blosse Übersetzung (oder Transkription, es scheint mir aus der Berichterstattung nicht ganz klar) gewesen.
Die Geschichte gab eine schöne Schlagzeile “Professor Mörgeli vergab Doktortitel fürs Abschreiben”. Die Anlehnung illustriert wie man versucht diesen Sturm in Schweizer Politwasserglas mit den Dissertationsskandale der Politik beim grossen Nachbarn im Norden in Verbindung zu bringen.
Vielleicht findet die nächsten Tage in der Schweiz tatsächlich eine wichtige Diskussion über die Qualität und Anforderungen für den Doktor im Fach Medizin statt. Viele Medien scheinen im Moment auch bemüht, diese Unterscheidung klar zu machen. Dort scheint mir ein wichtiger Teil des Problems zu liegen (im schon verlinkten Artikel der Neuen Zürcher Zeitung wird sogar behauptet, dass man in Zürich für den Dr. med. keine eigenständigen Beitrag zur Forschung erbringen müsse).
Interessant finde ich die Debatte aber vor allem auch deswegen (und darum ist sie hier auch Thema), weil sie in der Schweiz eher quer in der Politlandschaft liegt. Im Gegensatz zu Deutschland ist dies das Land, in dem man als Politikerin oder Politiker den Doktortitel lieber verheimlicht. Unser Republikanismus reagiert auf solche Hierarchisierungen allergisch. So ein “Gstudierter” meint doch sowieso alles besser zu wissen, denkt vielleicht gar sie oder er “sei was Besseres”. Darum eignet sich das Thema relativ schlecht für politische Stimmungsmache im eidgenössischen Kontext. Wird behauptet Doktortitel können leicht erschlichen werden, dann bestätigt die für viele wohl nur das Vorurteil, dass es eben nur um Eitelkeit geht und Qualifikationen irrelevant sind. Leider wird wohl auch vor allem das zurückbleiben. Keine Unterscheidung von verschiedenen Standards, keine Differenzierung zwischen reglementsgerechten aber vielleicht etwas minimalistischen Medizindissertationen und reinen Übersetzungen. Das vorherrschende Misstrauen gegenüber allem, was von den Universitäten her kommt, wird wohl nur noch verstärkt. Dabei wäre es interessant gewesen, für einmal eine wirkliche Diskussion zu führen.
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