Lange habe ich nicht mehr gebloggt. Das hat damit zu tun, dass ich ziemlich viel um die Ohren hatte, viel unterwegs war und versuche herauszufinden, was ich als nächstes mache. Auch diese Zeilen schreibe ich mehrheitlich im Flugzeug. Ich plaudere darum mehr aus meiner Forschungsmottenkiste, als das ich zusätzliches Lesematerial verlinke.
Was liegt da näher, als von meiner langen Liste von Themen, über die ich die letzten Wochen nicht geschrieben habe, jenes zu kommentieren, das am meisten meiner Aufmerksamkeit hatte (wenn wir mal von den Ereignissen der letzten Tage in Ägypten absehen): Das mit Fanfaren angekündigte Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Ich werde darüber sicher noch vertiefter schreiben. Heute möchte ich nur kurz ein paar sehr allgemeine Gedanken zum Kontext loswerden und was die Erfolgsaussichten für den Abschluss eines solchen Abkommens sind. Ich versuche dann noch, in der Hoffnung auf eine angeregte Diskussion, diese Woche einen Eintrag zur politischen Ökonomie von Handelsliberalisierung zu verfassen.
Fangen wir aber zuerst mit dem Kontext an, weil der scheint mir in der Berichterstattung oft etwas zu kurz zu kommen. Betrachtet man das Thema Freihandel aus einer rein theoretischen ökonomischen Sicht, sind Handelseinschränkungen (fast) nie gut. Es ist effizienter, Verliererinnen und Verlierer der Liberalisierung auszuzahlen. Unterm Strich bleibt so mehr Geld. Dies gilt sogar wenn man einfach unilateral die Zölle auf Null setzen würde. Dies ist politisch natürlich fast unmöglich. Darum wäre die Welthandelsorganisation (WTO) das beste Forum für eine multilaterale Handelsliberalisierung. In den letzten Jahren haben aber die meisten Akteure angefangen, unzählige Freihandelsabkommen abzuschliessen, meistens auf bilateraler Basis. Manche meinen, damit werde die WTO zunehmend bedeutungslos, andere sagen, dies sei der Weg zu weiteren Liberalisierungen in der WTO. In diesem Zusammenhang muss man auch die Ankündigung eines Transatlantischen Freihandelsabkommens sehen. Es wäre ein Abkommen zwischen den beiden Handels-Elefanten im Raum, und darum generiert es auch entsprechend Aufmerksamkeit.
Die ersten Nachrichten, die der Ankündigung folgten, stimmen nicht gerade zuversichtlich, dass es schnelle und unkomplizierte Verhandlungen werden könnten. Aber das behauptet auch kaum jemand ausserhalb der Kommunikationsabteilungen der Politikerinnen und Politiker. Da war zuerst einmal Frankreich, das durchgepeitscht hat, dass die Filmindustrie von den Verhandlungen ausgenommen werden soll. Hollywood, dass zum Schutze der exception culturelle draussen bleiben soll, wird bestimmt an die Bürotüren von einigen Mitgliedern des Kongresses klopfen, um seinem Missfallen Ausdruck zu verleihen. Auch von der EU her wurde signalisiert, dass das Thema zwar vom Tisch ist, aber nicht weit davon gelagert wird. Verhandlungstechnisch hat Frankreich nun natürlich einen Chip, den man ihm zuerst wegnehmen muss, was die Sache bestimmt nicht vereinfacht.
Dann kamen die Edward Snowden Enthüllungen, dass die USA offenbar ihre Alliierten und Freunde (hier sich bitte entsetzt an die Perlenkette fassen) ausspioniert hat. Es wurden sogleich Stimmen laut, die damit gedroht haben, die Verhandlungen deswegen abzublasen, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben. Dies ist vermutlich ein noch kleineres Problem. Einerseits ist sehr viel von der Entrüstung vermutlich geheuchelt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Entscheidungsträgerinnen und -träger so naiv sind, dass sie nicht davon ausgegangen wären, dass die USA so etwas tut (und einige behaupten, dass in der EU sowieso kaum Geheimnisse existieren). Ausserdem werden zumindest einige der grösseren EU Länder selber da auch keine zu grossen moralischen Barrieren haben, wenn sie beim Lautsprecher und nicht beim Mikrofon sitzen.
Das grösste Hindernis sehe ich in der zu verhandelnden Substanz selber. Sehr viele Liberalisierungen wurden schon im Rahmen der WTO vorgenommen. Auf dem Verhandlungstisch blieben eigentlich nur die schwierigen Themen. In der WTO sitzt zwar eine grössere Anzahl Länder am Tisch, aber es sind die grossen die klar dominieren. In der WTO wurden viele Kompromisse von den vier Grossen (das sogenannte Quad) ausgehandelt und erst dann den anderen vorgelegt. Das heisst, die USA und die EU diskutieren nun kaum noch über etwas, über das man sich früher schon mal nicht einigen konnte.
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