Wichtiges Update: Nach einer Nachfrage von CMSA in den Kommentaren, habe ich die Zahlen nochmals angeschaut. Leider ist bei meiner Verarbeitung der Zahlen der World Value Survey ist irgendetwas schief gelaufen und es hat mir alles verschoben. Die ursprüngliche Grafik ist darum nicht korrekt. Ich habe die korrekten Zahlen zum gleichen Balkendiagramm verarbeitet und tatsächlich stellt sich heraus, dass die Schweiz (Schwarzer Balken) unter dem Durchschnitt bleibt (grauer Balken). Ich habe die WVS angesteuert, weil ich Zahlen zu MuslimInnen als Nachbarn gesehen habe (dieses Papier, Seite 9), die klare den OECD Zahlen widersprochen haben. Stellt sich heraus, das stimmt für andere Variablen nicht. Hier also die für die Schweiz schmeichelhafteren Zahlen. Grosse Teile der folgenden Analyse in diesem Blogpost verfallen damit natürlich. Ich möchte mich für den Fehler entschuldigen. Die Lektion ist wohl, dass man Fehler weniger schnell sieht, wenn man die Resultate erhält, die man erwartet. Ich kann nicht mehr anbieten, als zum Fehler zu stehen und darauf hinzuweisen, dass ich bevor ich die neue Zahlen gesehen habe, schon auch auf deren Grenzen hingewiesen habe.
Die Schweiz macht gerade mal wieder unschöne Schlagzeilen und hinterlässt den Eindruck, nicht nur Käse und Schokolade zu exportieren, sondern auch Xenophobie. Da wäre einerseits die Einschränkung der Benutzung eines Schwimmbades durch Asylbewerberinnen und Asylbewrber in Bremgarten und anderseits die Geschichte mit dem 30’000 Dollar Handtäschchen von Oprah. Im Tages Anzeiger argumentiert nun der Schweizer Politgeograf Michael Hermann (@mhermann_, auch schon Themengeber hier), dass das Bild einer fremdenfeindlichen Schweiz eigentlich ein Zerrbild sei.
Die These, dass die Schweiz im internationalen Vergleich eigentlich eher tolerant ist, belegt er mit einer OECD Statistik, die zeigt, dass sich im Ausland geborene und in der Schweiz lebende Migrantinnen und Migranten sich im internationalen Vergleich wenig diskriminiert fühlen. Er führt das gegenteilige Image der Schweiz auf das direkt demokratisches System zurück: “Die direkte Demokratie bringt Unbehagen auf den Tisch, das andernorts unter dem Deckel bleibt.” Die Schweiz wird also mit einem schlechten Image gestraft, weil die Politik hier näher an der Bevölkerung gemacht wird.
Als ich auf Twitter auf diesen Artikel hingewiesen wurde, war ich skeptisch. Die OECD ist aber eine seriöse Quelle und offeriert methodisch ziemlich sicher sorgfältig erstellte Statistiken. Das Bild ändert sich ein wenig, betrachtet man nur die Ausländerinnen und Ausländer aus Schwellen- und Entwicklungsländern, aber wie der Artikel korrekt erwähnt, ist die Schweiz immer noch am besseren Ende zu finden im europäischen Vergleich.
Was mich am meisten störte in Bezug auf die angeführten Zahlen war, dass sie sich auf die Eigenwahrnehmung von Diskriminierung stützte. Sie ist somit nur ein indirektes Mass für Diskriminierung. In den Sozialwissenschaften muss man oft mit solchen indirekten Messlatten arbeiten. Aber die Statistik besagt strenggenommen zuerst einmal nur, dass sich Migrantinnen und Migranten in der Schweiz weniger diskriminiert fühlen, als dies anderswo der Fall ist. Aussagen zur effektiven Haltung der Schweizer Bevölkerung können davon nur indirekt abgeleitet werden. Wenn man keine anderen Zahlen zur Verfügung hat, könnte man damit auch leben. Doch in diesem Fall gibt es bestimmt Umfragen, die die “Täter” Perspektive zu ermitteln versuchen.
Das ist mit diversen Problemen verbunden. Wenn es ein gesellschaftliches Tabu gibt, kann es sein, dass die Befragten nicht ehrlich antworten. Dieses Problem ist noch viel grösser stellt man die Frage direkt. Kaum jemand würde sich geradeaus aus “rassistisch” bezeichnen. Auch werden die Begriffe in verschieden Ländern unterschiedliche Bedeutung haben. Während man in den USA für fast jede Treuekarte auf Formularen ein Kreuz für “Rasse” anbringen kann, ist der Begriff auf Deutsch ein absolutes no go. Daher sind entsprechende Umfrageresultate im internationalen Vergleich mit Vorsicht zu geniessen.
Aber es gibt sie. Ich bin zum Beispiel bei der World Value Survey auf eine entsprechende Frage gestossen. Zwischen 2005 und 2008 wurde Menschen in mehreren Ländern unter anderem die folgende Frage gestellt:
On this list are various groups of people. Could you please sort out any that you would not like to have as neighbors?
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