Feindbilder malt man am besten in Schwarz und Weiss. Differenzierungen machen klare Standpunkte schwierig. Wohl auch darum verweigern sich wahre Expertinnen und Experten oft dem hartnäckigen journalistischen Nachfragen nach einem knackigen “so ist es” (leider geben viele auch regelmässig nach).

Islam, arabische Länder und der Nahe Osten werden nicht selten als monolithische Kategorien verwendet. Die meisten Ressentiments getriebenen Argumentationen scheitern sogar daran, diese drei nicht zu vermischen. Eine Kombination von Halbwissen und absoluten Standpunkten sind der Differenzierung halt nicht förderlich. Es gilt allgemein (und da nehme ich mich sicher nicht aus): Je näher man dran ist, desto einfacher differenziert man. So kann es in Berlin durchaus eine Rolle spielen, aus welchem Stadtteil man kommt, man hat aber gleichzeitig kein Problem, einem Viertel der Weltbevölkerung eine ausschliessliche Identität als “Chinesinnen und Chinesen” zuzuschreiben. Humorvoll und entlarvend fand ich darum den Leserbrief, der in der Financial Times veröffentlicht wurde und gestern durch Twitter geisterte. Ich habe ihn hier übersetzt.

Soviel zu “der Islam1″, “die arabische Welt” und “der Nahe Osten”.

 

Von Mr. KN Al-Sabah

Sir,

Iran steht hinter Assad. Die Golfstaaten sind gegen Assad!

Assad ist gegen die Muslimbruderschaft. Die Muslimbrüder und Obama sind gegen General Sisi.

Die Golfstaaten sind aber pro-Sisi! Das bedeutet, dass sie gegen die Muslimbrüder sind!

Iran ist pro-Hamas, aber die Hamas steht hinter der Muslimbruderschaft.

Obama unterstützt die Muslimbrüder, obwohl die Hamas gegen die USA ist!

Die Golfstaaten sind pro-USA. Aber die Türkei ist zusammen mit den Golfstaaten gegen Assad; trotzdem ist die Türkei pro-Muslimbrüderschaft gegen General Sisi. Und General Sisi wird von den Golfstaaten unterstützt!

Willkommen im Nahen Osten und einen schönen Tag noch.

K N Al-Sabah
London EC4, UK1

In dem Sinne: Willkommen in der Welt der internationalen Beziehungen und ein schönes Wochenende.

1 Dass die grössten mehrheitlich muslimischen Länder gar nicht arabischer Kultur sind, ist nochmals ein anderes Thema.

Kommentare (7)

  1. #1 rolak
    August 25, 2013

    hehe, auf diese Übersetzung verweise ich gerne…

  2. #2 Wilhelm Leonhard Schuster
    August 25, 2013

    Ob Diplomaten in dem Chaos noch Frieden
    stiftend wirken können?
    Der Nathan der Weise, äh netan , ja wie heißt der denn ,
    hat sicherlich seine Freude dran.

  3. #3 wereatheist
    August 25, 2013

    Der vorgestellte Leserbrief ist durchaus erhellend, aber vielleicht darf ich das:

    Iran ist pro-Hamas, aber die Hamas steht hinter der Muslimbruderschaft.

    noch ein wenig weiter spinnen.
    Iran ist eine schiitische Theodemokratur (*), die Hamas ist eine radikal sunnitische Gottesstaat-Bewegung. Schiitische & sunnitische Extremisten neigen dazu, Angehörige der anderen Geschmacksrichtung summarisch abzuschlachten.
    Der gemeinsame Nenner von Assad, General Sisi, den Muslimbrüdern, den Golfstaaten, Hamas, der Türkei des MP Erdoĝan und natürlich besonders des Iran ist aber auch klar:
    der “gute alte” Antisemitismus.
    *) Im Iran gibt es Wahlen, die meist halbwegs ‘sauber’ sind, aber wer überhaupt kandidieren darf, entscheiden alte Männer mit langen Bärten.

  4. #4 Dr. Webbaer
    August 25, 2013

    Es gibt zudem in jenen Gesellschaften grundsätzliche Probleme bei der oft notwendigen Konsensfindung, vgl. auch:

    ” Ich gegen meinen Bruder; ich und mein Bruder gegen ”
    ” unsere Vettern; ich, mein Bruder und meine Vettern gegen ”
    ” die, die nicht mit uns verwandt sind; ich, mein Bruder, ”
    ” meine Vettern und Freunde gegen unsere Feinde im Dorf; ”
    ” sie alle und das ganze Dorf gegen das nächste Dorf. ” (Quelle)

    MFG
    Dr. W

  5. #5 ali
    August 25, 2013

    @webbär

    Kernaussage des Posts: Es wird, gerade wenn es um die Politik im Nahen Osten geht, zu oft generalsiert und auf der Basis von Stereotypen argumentiert und die Komplexität auf simplistische Gruppenaussagen reduziert.

    Der Webpetz antwortet mit folgendem Satz:

    Es gibt zudem in jenen Gesellschaften grundsätzliche Probleme bei der oft notwendigen Konsensfindung

    Herzlichen Dank für die Illustration.

  6. #6 Dr. Webbaer
    August 27, 2013

    Das war ein etwas spekulativer Versuch die Diversität in jenen Gesellschaften auf das eigentlich Gemeinsame zurückzuführen – und sollte eher einer Stereotypisierung widersprechen.

    K N Al-Sabah hat natürlich recht.

    MFG
    Dr. W

  7. #7 Ralph
    August 27, 2013

    “Es wird, zu oft generalsiert und auf der Basis von Stereotypen argumentiert und die Komplexität auf simplistische Aussagen reduziert.”

    Bin Stammleser Ihrer Blogbeiträge, da Sie versuchen gegen den Strom zu differenzieren.
    Eigentlich widerspreche und kritisiere ich auch gerne, aber ich komme bei fast allen Themen, die Sie aufgreifen, zu ähnlichen Einschätzungen. Dann sag ich halt meistens nichts.