“Bloggen ist eine Zeitverschwendung und schadet der Karriere.” So zumindest wird in Wissenschaftsblogs oft die Haltung der akademischen Welt gegenüber neuer Medien karikiert. Leider ist diese negative Haltung gegenüber dem Bloggen tatsächlich oft anzutreffen. Um so mehr hat es mich sehr gefreut, dass die Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) ein Forum zur Disziplin und dem Web 2.0 veröffentlichen wollte.
Dieses ist nun erschienen. In Anbetracht des Themas, hat der Verlag hat sich bereit erklärt, alle Forumsbeiträge online zu stellen um so eine breitere Diskussion im Netz zu ermöglichen. Darum habe wir (das Bretterblog, das IR Blog und meine Wenigkeit) beschlossen einen Blogkarneval dazu zu organisieren. Hier werde ich kurz meinen eigenen Beitrag (pdf) zum ZIB Forum zusammenfassen versuchen, um euch die 15 Seite Lektüre zu ersparen, solltet ihr auf das Füllmaterial verzichten wollen. In einem separaten Eintrag hier bei zoon politikon werde ich dann die verschiedenen Beiträge zum Karneval in den nächsten Tagen bei erscheinen sammeln.
Nun also zum eigentlichen Text. Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht mir nicht darum in technophiler Naivität, Bloggen als die einzige Wahrheit zu präsentieren. Ich möchte aber der Tendenz entgegentreten, das Medium pauschal als uninteressant oder nutzlos abzutun. Das allfällige Potential wird so mit Sicherheit nicht genutzt.
Blogs können drei Funktionen wahrnehmen, die zuerst einmal nicht spezifische für die Internationalen Beziehungen oder Poltikwissenschaften sind. Blogs können als Instrument in der Lehre eingesetzt werden, sie können zum Austausch zwischen Forscherinnen und Forschern genutzt werden und sie können zur Kommunikation nach Aussen mit einem interessierten Publikum dienen. In dieser Zusammenfassung werde ich diese drei Funktionen mit Blick auf die Disziplin diskutieren (wer mehr Details möchte oder Hintergrund braucht, muss sich dann wohl doch durch die oben verlinkten 15 Seiten ackern).
Wenn man sich in der IB-Blogosphäre umschaut fällt vor allem etwas auf: Es gibt kaum akademische Blogs zum Thema auf deutsch. Die Naturwissenschaften haben inzwischen doch eine gewisse Blogpräsenz im Netz (auch auf Deutsch, nicht zuletzt dank scilogs.de und scienceblogs.de). Sozial- und Geisteswissenschaftliche Blogs sind schon sehr viel seltener (erwähnen müsste man in diesem Zusammenhang sicher hypotheses.org). Blogs zu Internationalen Beziehungen gibt es im Deutschsprachigen Raum nur sehr wenige (was bestimmt auch mit fehlender Tradition des Fachs hier zu tun hat). Viele davon werden teilweise oder vollständig auf Englisch verfasst. Die meisten findet man in der Blogroll dieses Blogs. Ein Blick auf besagte Blogroll zeigt aber auch, dass auf der anderen Seite des Atlantiks die Präsenz der Disziplin in der Blogwelt viel stärker ist. Da findet man Universitätsblogs, bloggende Professorinnen und Professoren, Gemeinschaftsprojekte und populäre Zeitschriften, die sich ein Aussenpolitik-Blog leisten.
Dieser kulturelle Graben ist ein grosses Problem für die Disziplin, wenn wir über die zwei ersten Funktionen sprechen. Beginnen wir mit dem fehlenden Einsatz in der Lehre: Ganz egal was man vom Web 2.0 hält, es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Form von Vernetzung uns zumindest für eine Weile begleiten wird. Wenn diese Instrumente im Unterricht nicht genutzt werden, signalisiert man jedoch einer ganzen Generation, dass diese für die akademische Arbeit irrelevant sind . Einige Studierende werden den (fachlichen) Umgang damit gar nie lernen. Eine auch kritische Integration in die Forschung wird somit schwer bis unmöglich. Auf einem internationalen akademischen Arbeitsmarkt kann dies später zu einem bedeutenden Nachteil werden. Besonders wenn man bedenkt, wie dominant die USA, wo man weniger Berührungsängste damit zu haben scheint, in unserer Disziplin sind.
Aber auch für den Austausch innerhalb der Disziplin, die zweite von mir erwähnte Funktion, ist die Blogaversion problematisch. Während man auf Englisch Thesen im Netz diskutiert, neue Trends entstehen und Ideen in die Welt entlässt, existiert daneben ein paralleles System offline. Dieses ist langsamer und stark eingeschränkt in seiner Reichweite. Von der verpassten Chance zum Austausch und Diffusion über die Sprachgrenze hinaus gar nicht erst zu reden. Ich habe diesen internen Austausch in meinem letzten Blogpost und dem ZIB Artikel mit einer Neuauflage der Republik der Gelehrten verglichen. Das Fach der Internationalen Beziehungen im deutschsprachigen Raum riskiert im Moment, von dieser Res Publica Literaria ausgeschlossen zu bleiben. Die Folgen könnten desaströs sein.
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