Ich habe eine eigenartige Begeisterung bei vielen festgestellt, als Syriza in Griechenland tatsächlich als Siegerin aus den Wahlen hervorging. Diese war oft von einer guten Portion Schadenfreude getrieben. Schadenfreude darüber, dass die Anti-Sparpolitik Partei gewonnen hat und es nun, so vermute ich, der EU zeigen wird. Die Strasse ist endlich auf die Barrikade gegangen und wird, vermutlich die Marseillaise absingend, Griechenland aus dem Sparsumpf in eine goldene schuldenfreie Zukunft führen.
Ich möchte hier wieder mal meinem Ruf als langweiliger Politik-Buchalter und Enthusiasmusbremse gerecht werden und die Begeisterung etwas dämpfen. Es scheint mir, dass ein kleines Missverständnis vorliegt.
Um dem Argument vorzubeugen, ich hätte ein Problem mit einem demokratischen Entscheid, den es zu akzeptieren gelte: Nein habe ich nicht. Ich halte ihn zwar nicht für sehr weise, aber stelle nicht seine Legitimität in Frage. Man sollte nicht vergessen, dass ein Teil des schlechten Rufes von Politikerinnen und Politikern daher kommt, dass sie während Kampagnen Dinge versprechen, die die Menschen sich wünschen, die aber nicht unbedingt realistisch sind. Gewählt wird, wer erzählt was die Leute hören wollen. Dies überschneidet sich oft nicht mit was machbar oder sinnvoll ist.
Oft wird in der Berichterstattung implizit angedeutet , dass Griechenland sozusagen den Konkurs anmelden könnte (d.h. die Schulden einfach nicht zurückzahlen). Was nicht erwähnt wird ist, dass ein grosser Teil dieser Schulden de facto sowieso abgeschrieben ist. Kaum jemand glaubt an eine volle Auszahlung falls überhaupt zumindest nicht in absehbarer Zeit. Der Kern des Problems ist ein politischer. Das brutale Sparprogramm das Griechenland auferlegt wurde, zielt auf strukturelle Reformen. Diese Reformen sollen eine Sicherheit für eine teilweise Rückzahlung bieten. Sie haben zudem eine Signalwirkung für neue Kreditaufnahmen. Die Frage ist also höchstens noch wie viel der Schulden zurückgezahlt wird und über welchen Zeitraum. Das sind die einzigen Chips, die Griechenland an den Verhandlungstisch mitbringt. Das und die nukleare Option unilateral vorzugehen.
Griechenland sitzt darum inzwischen am kürzeren Hebel. Beim letzten Mal hatte man Angst vor einer Ansteckung von Portugal, Spanien oder vielleicht gar Italien. Italien wäre wohl der Dominostein gewesen, den die EU nicht mehr hätte auffangen können. Dieses Risiko ist inzwischen stark gesunken. Alle diese Länder haben eigene Reformen in Gang gesetzt und die Probleme sind (zumindest so die Wahrnehmung) nun entkoppelt. Es ist also viel schwieriger für Griechenland glaubwürdig zu drohen alle mit sich in den Abgrund zu reissen. Griechenland selber kann aber immer noch über diese Klippe fallen und ist, um dies zu verhindern nach wie vor auf die Hilfe der EU angewiesen. Die Risiken über die ich schon früher geschrieben habe (2010, 2011, 2012 und 2013) werden nun hauptsächlich von Griechenland getragen.
Daraus folgt, dass ganz egal wie wir als beobachtende die schärfe der Sparmassnahmen einschätzen, ganz egal ob wir denken, dass eine lockerer Ausgabenpolitik eventuell die besserer Lösung für eine schnelle Rückzahlung von Schulden wäre: Die Verhandlungsposition von Griechenland ist schwach. Schon alleine falsche Signale können eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Vermutlich nicht zuletzt deswegen hat der neue Ministerpräsident schon an der ersten Kabinettssitzung klargestellt, dass Griechenland verhandeln und nicht einfach die Schuldzahlungen stoppen wird.
In Anbetracht dieser Ausgangslage halte ich es für wahrscheinlich, dass die neue griechische Regierung nur ein paar kosmetische Konzessionen aushandeln wird. Diese werden kaum substantiell sein. Sie werden ihnen besten Falls erlauben das Gesicht gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern zu wahren. Ob das reicht, um wiedergewählt zu werden, ist zweifelhaft. Die Bevölkerung hingegen wird auf absehbare Zeit weiterhin unter prekären wirtschaftlichen Bedingungen weitermachen müssen. Sie werden vermutlich das nächste mal jemand anderes wählen und das Blaue vom Himmel, das ihnen versprochen wurde, wieder nicht erhalten. Grund zur Freude sehe ich zumindest nicht.
Lesetipps im Netz zum Thema mit ähnlicher Stossrichtung: Crooked Timber Greek games and scenarios und bei Krugman Greece: Think Flows, Not Stocks
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