Verletzungsbedingt darf ich im Moment leider kaum laufen. Das ist um so schwieriger, weil ich beim Laufen eigentlich keine Schmerzen habe und mich auch sonst kaum eingeschränkt fühle. Da ich mich aber schon für den ersten Lauf der Saison angemeldet hatte, stand ich am 15 März trotzdem an der Startlinie (mit Erlaubnis meines Arztes, wohlgemerkt).
Es stand ein kleiner 10Km Lauf in einer Gemeinde Namens Presinge am Südufer des Genfersees an. Ich ging letztes Jahr öfters für längere Läufe in diese Region. Es ist ein relativ flaches Hochplateau mit fantastischer Sicht auf die Alpen und den Mont Blanc bei gutem Wetter.
Ich war mir nicht so sicher wie schnell ich das Rennen angehen kann, bin ich doch die vier Wochen davor kaum gelaufen (an ein systematischeres Training war gar nicht zu denken). Wie meistens war ich zu höflich und startete zu weit hinten. Aber man hat sich im überzogenen Tempo der Starthektik zum Glück relativ schnell nach vorne gekämpft. Besonders bei diesem Rennen, dass mit einer Steigung auf den ersten paar hundert Metern beginnt.
Ich war erstaunt wie viele schnelle Läuferinnen und Läufer unterwegs waren. Es ist ein relativ kleines Rennen in einem kleinen Dorf ein gutes Stück ausserhalb von Genf. Darum bin ich davon ausgegangen, dass sich die Anzahl der ganz Schnellen an einer Hand abzählen lassen würde. Wie ich jedoch gleich nach dem Startschuss merkte, war dem nicht so (eine Hand reichte definitiv nicht). Nach den ersten 10 Minuten sah ich den weissen Wagen der die Spitze markierte schon in ziemlicher weiter Ferne. Ich konnte das von mir angeschlagene Tempo trotz Trainingsrückstand dann erstaunlich gut halten. Ich hatte auf den letzten vierhundert Metern sogar noch genug Energie übrig um einen eher überraschten Vordermann noch kurz vor der Ziellinie zu überholen. Das Publikum im Zieleinlauf schien sich über diesen letzten Effort zu freuen (ich hatte den Eindruck dies hatte auch damit zu tun, dass sie im Gegensatz zum verdutzten überholten, sahen was diesem gerade widerfuhr).
Rückblickend fielen mir die Parallelen auf zu was sich vor kurzem am anderen Seeufer des Genfersees abgespielt hat: Das Aushandeln eines Nuklearbakommens mit dem Iran. Mit einer gewissen Faszination habe ich die nahezu Live-Berichterstattung aus Lausanne (und vorher Genf) mitverfolgt. Es ging bei diesem “Finale” ja eigentlich nur um eine von den Verhandelnden sich selbst auferlegte Deadline. Es braucht natürlich diese künstliche Spannung um gute News (will heissen Drama) bieten zu können. Es sind die Menschen im Zieleinlauf, die sich auf den Endspurt fokussieren. Aber ein Langstreckenlauf beginnt lange vorher und gerade in der internationalen Diplomatie ist selbst der Zieleinlauf nur ein sehr vorläufiges Ende. Darum ist es gut nochmals zurückzublicken, wie es dazu kam, statt auf die letzten hundert Meter zu starren. Dies hilft besser zu verstehen wie Diplomatie funktioniert.
Die Gespräche begannen offiziell vor einem Jahr. Man kann diese aber nur im Kontext der vorher (gescheiterten) Versuche sehen, die schon 2002 begonnen haben. Die EU versuchte schon seit einer Weile mit dem Iran ein Abkommen auszuhandeln und wurde dafür oft als zahnlos ausgelacht. Die Mullahs würden nur die Peitsche aber nicht das Zuckerbrot verstehen. Der UN Sicherheitsrat hat ebenfalls Sanktionen verhängt. Darum sassen übrigens auch die P5+1 am Tisch und nicht eine “P6” (die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschland, das “plus 1”). Mit der Wahl von Rohani, der selber schon zwischen 2003 und 2005 Chefunterhändler für das Nukleardossier war, erhielten die Verhandlungen eine neue Dynamik. Abkommen in der Diplomatie ähneln viel mehr einem Ausdauerlauf werden aber oft wie ein 200m Lauf rapportiert. Dies weckt falsche Erwartungen.
Vor allem von rechts wird das Abkommen nun oft scharf kritisiert (ja eigentlich jede Verhandlung mit dem Iran wird in diesen Kreisen als eine Form von Appeasement dargestellt). Das Abkommen, das zwar detaillierter ausgefallen ist als erwartet, aber immer noch nicht bis ins kleinste ausgearbeitet ist, hat bestimmt seine Schwächen. Beide Seiten müssen Konzessionen machen. Das liegt in der Natur einer Verhandlungen. Was aber die ach-so-guten Kritisierenden in Deutschland und republikanischen Falken in den USA nicht zu bieten haben, ist eine brauchbare Alternative. Grosse Worte von scharfen Sheriffs, aber keine praktikable Lösungen. Der Iran ist jetzt eingebunden. Die Sanktionen werden gestaffelt aufgehoben. Das heisst ein Prozess von Dialog und Kontrolle kann wohl über Jahre gesichert werden. Es wird bestimmt immer wieder Probleme geben. Aber es existiert ein Rahmen und ein Kanal um diese zu lösen. Das für sich ist eine grosse Errungenschaft.
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