Im Krieg gibt es Regeln. Diese sind oft für das Völkerrecht ungewöhnlich spezifisch. Die meisten dieser Regeln sind in den berühmten Genfer Konventionen festgeschrieben und kodifiziert (ich habe sie hier einmal vorgestellt). Dass diese Regeln etwas zu regulieren versuchen, das eigentlich ein Ausnahmezustand ist, bei dem fundamentale Grundregeln unseres Zusammenlebens ausser Kraft gesetzt werden (z.B. Tötungsverbot), verschafft ihnen oft einen schlechten Ruf.
Im Krieg können es keine Regeln geben, ist die populäre Wahrnehmung. Die Kriegsparteien machen sowieso was sie wollen und berufen sich nur auf das humanitäre Völkerrecht, wenn es ihnen opportun erscheint. Die Regeln werden aber erstaunlich gut eingehalten. Dies hat verschiedene Gründe: Die Art, wie sie erarbeitet wurden, ihre Tradition, die Gefahr eines Tit-for-Tat und nicht zuletzt auch ein moralischer Druck. Es ist mir bewusst, dass ein so vager Satz nicht reicht, um die skeptischen zu überzeugen (schon zu oft habe ich diese Diskussion geführt), aber die allgemeine Effektivität des humanitären Völkerrecht soll hier nicht das Hauptthema sein.
Um die Einhaltung der Regeln zu garantieren, reicht es natürlich nicht ein internationales Abkommen zu unterschreiben, welches dann irgendwo in Genf hinter einer Glasvitrine verstaubt. Diese Regeln müssen bekannt sein und zwar auf allen Hierarchie-Ebenen. Von der Präsidentin über den General bis zum einfachen Soldaten, von der Rebellenführerin bis zum Scharfschützen einer Widerstandsbewegung braucht es Kenntnisse dieser Regeln. Es reicht auch nicht, wenn diese einfach einmal in der Grundausbildung gehört und dann wieder vergessen werden. Sie sollen eingetrichtert werden. Sie müssten eigentlich so automatisch sein, wie das Nachladen oder der Reflex des Deckungsuchens. Es handelt sich um fundamentale Regeln und man riskiert bei Verletzungen eine Anklage (auf das Befolgen von Befehlen kann man sich nicht berufen).
Das ist ein Grund warum die Vermittlung von den Regeln eine wichtige Aktivität von Organisationen wie dem IKRK ist und warum viele Nichtregierungsorganisationen ebenfalls daran arbeiten. Nur wenn alle Menschen, die in Kampfhandlungen verwickelt sind und/oder Entscheidungen fällen, die Regeln kennen und verinnerlicht haben, können sie auch durchgesetzt werden.
Zu diesem Zweck gibt es nun auch eine App für das Mobiltelefon auf die ich vor kurzem gestossen bin (iTunes and Android). Die App “Fighter not Killer” wurde von Geneva Call lanciert, eine dieser Nichtregierungsorganisationen, dies sich für das humanitäre Völkerrecht einsetzt. Die App ist vom Konzept her sehr simpel: Es ist ein Quiz, durch das man sich klicken kann (mit dem Ziel eine höhere Stufe zu erreichen). Es ist auch interessant für Leute, die eine nur grobe Vorstellung haben vom Humanitären Völkerrecht, um spielerisch einige Regeln kennenzulernen. Oder um zu testen wie viele Regeln man wirklich kennt. Man sollte aber nicht mit einer zu moralischen Brille daran gehen. Es geht darum die Regeln aufzuzeigen, so wie sie sind, nicht so wie man sie vielleicht gerne hätte. Das heisst, dass es manchmal ganz legal ist, jemanden zu erschiessen. Darum wird man auch mit einem entsprechenden Disclaimer begrüsst, wenn man das Programm öffnet.
Die Idee für die App scheint mir gut. Noch besser (weil attraktiver) wäre es natürlich, einen Ego-Shooter mit Kriegsthema zu haben und dort das Humanitäre Völkerrecht zu forcieren. Dass jene, die diese Spiele entwickeln vielleicht auch auf die Regeln im Krieg sensibilisiert werden sollten, ist übrigens durchaus Thema. Auf jeden Fall steht ihnen jetzt auch eine App dafür zur Verfügung.
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