Eine kleine Ankündigung zu einer grossen Frage: Warum gibt es Krieg? Geht es auch ohne und falls ja wie?
Heute werde ich in zum Live-Chat auf Zeit Online darüber diskutieren ob es Weltfrieden überhaupt geben kann und sollte es so sein, was uns bisher den Weg dahin versperrt. Dies hier ist ein Einstiegsbeitrag zu dieser 10 Jahres Jubiläums Aktion der Kolleginnen und Kollegen der SciLogs (Happy Birthday!). Der Post soll in etwa den Rahmen abstecken, in dem ich meinen Diskussionsbeitrag sehe. Er ist mehr eine Auslegeordnung. Die Substanz soll sich dann heute im Gespräch ergeben. Ich bin mir sicher meine beiden Mitdiskutanten von den SciLogs, Thomas Grüter (Gedankenwerkstatt) und Michael Blume (Natur des Glaubens), werden die Frage von anderer Seite her interessant ausleuchten.
Zuerst einmal stellt sich die Frage, was wir unter Weltfrieden eigentlich verstehen. Ist Frieden einfach das Fehlen von Krieg? Das führt nur zum nächsten Definitionsproblem: Was ist Krieg? 2012 habe ich im Zusammenhang mit Syrien darüber geschrieben, wie einige Datenbanken zu Krieg und Frieden diese Definitionen angehen.
Es wird zum Beispiel zwischen “Internationaler Gewalt,” “Internationalen Konflikte,” “Internationalen Unabhängigkeitskriegen,” “Ziviler Gewalt,” “Bürgerkriegen,” “Ethnischer Gewalt” und “Ethnischen Kriegen” unterschieden (international violence, international war, international independence war, civil violence, civil war, ethnic violence, ethnic war). Heisst Weltfrieden vielleicht nur keine zwischenstaatlichen Kriege oder schliesst das auch zum Beispiel Stammeskriege innerhalb von einem Land aus? Wäre ein Welt ohne Kriege zwischen Staaten tatsächlich befriedet, wenn es trotzdem Organisationen wie die RAF, die IRA oder Al-Kaida gäbe? Wie steht es um Gewalt von Gangs und kriminellen Organisationen? Gewalt unter Nachbarn? Abgrenzungen sind schwer und vielleicht nicht immer möglich.
Aber auch Friede ist nicht gleich Friede. Am Anfang der Geschichte der Atomwaffen glaubten nicht wenige, dass dies der Anfang vom Weltfrieden sein muss. Eine Waffe so schrecklich, dass Krieg unmöglich würde. Ist ein Friede, der nur dank einer ständigen Angst vor totaler Vernichtung existiert, ein wirklicher Weltfriede? Oder wie steht es um den Frieden, der von einer dominanten Übermacht allen aufgezwungen wird?
Das Forschungsgebiet der Internationalen Beziehungen wird oft als das Studium von Krieg und Frieden zusammengefasst. Historisch gesehen ist dies auch nicht ganz unwahr. Es gibt verschiedene Denkschulen, die mit verschiedenen Grundannahmen operieren. Dies führt zu anderen Erklärungen für Krieg und Frieden. Hier im Blog habe ich einige Hauptströmungen schon einmal anhand von der Bevölkerung von Mittelerde aus Tolkiens “Herr der Ringe” vorgestellt: Teil I stellte den Realismus (die Alle-Gegen-Alle Philosophie der Orks) und die liberalen und idealistischen Denkschulen (mit den weisen und im Prinzip friedfertigen Elben) vor. Teil II sprach von den verschiedenen sogenannten “rationalistischen” Strömungen: Saruman, der Nutzenmaximierer, Gandalf der nicht nur auf Macht aus ist (warum will er sonst den Ring zerstören?), die auf ihr Überleben fokussierten Menschen als sogenannte Neo-Realisten (die Ringwraiths, oder Ringgeister, repräsentieren die offensive Variante davon) und zu guter letzt die Zwerge, die sich nur für ihren eigenen Wohlstand interessieren (neoliberaler Institutionalismus). Im Teil III dann tauchen die Hobbits (Konstruktivismus) auf. Friedfertig aber auch kampffähig passen sie ihre Wertehaltung einer veränderten Realitätswahrnehmung an. Die Ents stehen für die sogenannte kritische Theorie, die viele mittelerdische Grundannahmen nicht einfach akzeptieren, sondern hinterfragen.
Dies Ladung an Theorie mag als etwas trocken erscheinen, wenn man eigentlich den Weltfrieden möchte. Sie ist aber eigentlich (fast) alles was man braucht um zu verstehen, wie man Krieg oder das Fehlen davon verstehen kann. Die verschiedenen Völker von Mittelerde stehen für verschiedene Sichtweisen und Erklärungsmuster für internationale Beziehungen. Wer will, kann sich mit diesen drei Einträgen relativ gut für die Diskussion heute Mittag wappnen. Ich bin mir sicher, dass nach dem Live Chat die Politik von Mittelerde plötzlich viel klarer erscheint.
Es gab vor allem in der jüngeren Geschichte der Menschheit immer wieder Versuche in Richtung Weltfrieden zu kommen. Da gab es zum Beispiel die Friedensbewegungen im 19. Jahrhundert, die den Grundstein legten für Einschränkungen was man im Krieg darf (siehe zB Haager Landkriegsordnung) oder die Schaffung einer friedlichen internationale Streitschlichtung mit einem Permanenten Schiedsgerichtshof. Nach dem Grauen des ersten Weltkrieges wurde der Völkerbund gegründet. Dieser verhinderte nicht den Ausbruch des zweiten Weltkrieges und man versuchte aus den Fehlern zu lernen und gründete die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation in der Hoffnung, dem Weltfrieden näher zu kommen. Diese Institutionen entwickelten auch das Völkerrecht weiter, welches die Beziehungen zwischen Staaten friedlich regeln soll. Sie trieben Abrüstungsbemühungen voran, dienten als Foren für Konfliktlösung zwischen Staaten und manchmal als Instrument um Frieden mit Gewalt zu erzwingen (ob das vielleicht nicht ein Widerspruch ist, ist natürlich eine andere Diskussion).
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