Blogleser UMa hat mich neulich nach einer Liste der bolometrisch (also über alle Wellenlängen) hellsten Sterne gefragt, und zwar nach der scheinbaren Helligkeit, so, wie sie am Himmel stehen, worauf ich ihm keine Antwort geben konnte. Er hat dann seine eigenen Recherchen angestellt. Weil ich das Ergebnis sehr interessant fand, habe ich ihn ermutigt, einen Artikel darüber zu schreiben, den ich Euch nicht vorenthalten möchte.
 

 

α Ori, Beteigeuze, der hellste Stern im infraroten Licht. https://www.spacetelescope.org/images/opo9604b/ Credit: Andrea Dupree (Harvard-Smithsonian CfA), Ronald Gilliland (STScI), NASA and ESA

α Ori, Beteigeuze, der hellste Stern im infraroten Licht.
https://www.spacetelescope.org/images/opo9604b/
Credit: Andrea Dupree (Harvard-Smithsonian CfA), Ronald Gilliland (STScI), NASA and ESA

 

Welche Sterne am Himmel sind die hellsten? Die Sonne ist natürlich heller als alle anderen Sterne zusammen, wenn es nach der scheinbaren Helligkeit geht.

Ansonsten gibt es im Internet jede Menge Listen in denen die 10, 25 oder hundert hellsten Sterne aufgeführt sind. Z.B. hier in der Wikipedia Liste der hellsten Sterne.
Somit ist die Frage schon beantwortet.

Oder?

All diese Listen, die man findet, stellen die Reihenfolge der Sterne in der V-Helligkeit dar. Das ist ein Farbfilter, der die visuelle Helligkeit, also die Helligkeit, die wir mit dem bloßen Auge wahrnehmen, gut wiedergibt.

Was dieser und die anderen Farbfilter des Johnson-Systems sind, die bolometrische Helligkeit und der Unterschied zwischen scheinbarer und absoluter Helligkeit ist, hat Alderamin in diesem Artikel schon ausführlich erklärt:
Von wahrer und scheinbarer Größe

Aber was ist mit der Helligkeit über das gesamte Spektrum? Nicht nur den Teil, den wir sehen können, sondern auch den infraroten Teil des Lichts, oder den ultravioletten Teil? Oder mit Helligkeiten in einem anderen Farbfilter des Johnson-Systems z.B. U, B, R oder I?
Da die Sterne unterschiedliche Farben haben, sehen wir nur die Sterne besonders hell, die eine mittlere Temperatur ähnlich wie die Sonne haben.

Filtertransmissionskurven für die U, B, V, R, I-Filter. x-Achse: Lichtwellenlänge, y-Achse: Durchlässigkeit in Prozent. Bild: arXiv:1411.3596

Filtertransmissionskurven für die U, B, V, R, I-Filter. x-Achse: Lichtwellenlänge, y-Achse: Durchlässigkeit in Prozent. Bild: arXiv:1411.3596

Sehr kühle Sterne, der Spektralklasse M, die rot erscheinen und den größten Teil des Lichts im Infraroten abstrahlen, sehen wir viel weniger hell. Aber vielleicht sind es gerade diese Sterne, die eigentlich die scheinbar hellsten am Himmel sind? Nur können wir den größten Teil ihres Lichts nicht sehen.

Ebenso ergeht es sehr heißen Sternen, der Spektralklassen O und B. Sie erscheinen blau, aber strahlen einen großen Teil ihres Licht im Ultravioletten aus. Auch sie könnten heller als die sichtbaren Sterne sein, ohne dass sie im sichtbaren Licht besonders hell erscheinen.

 

Scheinbar bolometrisch hellste Sterne

Daher habe ich mich gefragt:
Was sind eigentlich die scheinbar hellsten Sterne am Himmel, ohne dass es dabei auf die Absorption der Erdatmosphäre oder die Empfindlichkeit des menschlichen Auges ankommt? Welche Sterne erscheinen bolometrisch, also in der Energie über den ganzen Spektralbereich am hellsten?

Da ich mir nicht den Aufwand machen wollte, eine solche Liste selbst zu erstellen, habe ich eine gesucht.

Leider brachte die Suche im Internet, weder auf Deutsch noch auf Englisch, ein Ergebnis.

Listen mit den bolometrisch hellsten Sternen, waren immer Listen der absoluten bolometrischen Helligkeit. Scheinbare bolometrische Helligkeiten gab es, bis auf wenige Ausnahmen, wie der Sonne, nicht. Auch Listen der scheinbar hellsten Sterne, in anderen Farbfiltern als V, scheint es nicht zu geben.

Offenbar hatte sich noch niemand damit befasst, oder zumindest war das Ergebnis im Internet nicht zu finden. Was ich nicht glauben wollte.

Daher hatte ich Alderamin gefragt, davon ausgehend, dass er die vermeintlich leichte Frage lösen könnte. Doch die hat sich offenbar als schwieriger herausgestellt, als ich zunächst dachte.

Meine erste Idee war, mir selbst eine solche Liste der scheinbaren bolometrischen Helligkeiten zu erzeugen. Ausgehend von den scheinbar 100 hellsten Sternen nach V-Helligkeit, habe ich mit einer Näherungsformel für die bolometrische Korrektur in Abhängigkeit von der Spektralklasse die scheinbare bolometrische Helligkeit ausgerechnet und die Liste neu sortiert. Dabei ist die bolometrische Korrektur BCV die Differenz zwischen der V-Helligkeit und der bolometrischen Helligkeit. Für Sterne der Spektralklassen A, F und G ist sie klein, wird aber für sehr kühle oder heiße Sterne groß, bis zu 3 oder 4 Größenklassen.

Dabei kam es zu mehreren Problemen:
Erstens wird die Näherungsformel um so ungenauer, je weiter man sie von den mittleren Spektralklassen entfernt anwendet. Das sind aber gerade die interessantesten Sterne, das sie bolometrisch deutlich heller als visuell sind. Zum zweiten sind bolometrisch sehr helle Sterne mit großer bolometrischer Korrektur womöglich gar nicht in der Liste der hellsten Sterne vorhanden.

Dann habe ich versucht, aus den Listen mit den bolometrisch absolut hellsten Sternen, mittels der Entfernung, die scheinbaren Helligkeiten auszurechnen. Das funktionierte aus mehreren Gründen ebenfalls nicht. Erstens ist die Entfernung womöglich nicht die, mit der die absolute bolometrische Helligkeit ausgerechnet wurde. Zweitens sind nähere, aber nicht absolut sondern scheinbar helle Sterne, gar nicht in der Liste. Und drittens gibt es noch die Extinktion. Durch Staub und Gas wird das Licht, vor allem im blauen aber auch im sichtbaren Bereich stark absorbiert, wodurch der entfernte Stern dunkler erscheint, als er es bei freier Sicht wäre.

Das beeinflusst letztlich auch die Berechnung über die bolometrische Korrektur.

Ein weiteres, generelles Problem ist dass viele Sterne, vor allem helle, variabel sind. D.h. die Helligkeit ist mit der Zeit veränderlich.
Und auch, bis zu welchem Abstand man Doppelsterne als einen Stern zusammen zählt.

Bisher bin ich hier leider noch zu keiner Lösung gelangt. Was die scheinbar bolometrisch hellsten Sterne sind, muss also erst mal offen bleiben.

 

Hellste Sterne in den Farbfiltern des Johnson-Systems

Bei der Helligkeit in anderen Farbbereichen als V bin ich weiter gekommen. Zunächst gibt es den Hipparcos Katalog, in dem die Sterne mit ihrer gemessenen Hp-Helligkeit verzeichnet sind. Die ist aber sehr ähnlich zur V-Helligkeit, nur mit einem etwas breiteren Filter.

Und dann gibt es noch SIMBAD. Das ist eine Datenbank, in der viele astronomische Objekte verzeichnet sind. Siehe hier: SIMBAD
Für manche Farbfilter tut er fast das, was ich wollte. So für J, H und K. Man kann z.B. alle Einträge mit Jmag < 1 suchen lassen und dann sortieren.

Super, Problem gelöst!

Nun, teilweise.

Für Umag < 1 sieht es schon schlechter aus.
Erstens sind da alle möglichen Einträge mit drin, die gar keine Sterne sind. Zweitens haben einige helle Sterne für bestimmte Farbfilter, vor allem U, R und I gar keinen Eintrag und fehlen in den entsprechenden Listen.
Außerdem gibt es offenbar noch Einträge wie die Maximalhelligkeiten von Supernovae u.ä. Schlimmer noch sind Fehleinträge, wie wenn 0 für einen fehlenden Wert eingetragen wurde, oder möglicherweise Einsen abgeschnitten wurden und so statt 10.52 0.52 (Bmag bei HD 101847 C), oder vermutlich Farbindizes wie B-V anstelle von z.B. der B-Helligkeit eingetragen wurden. Anders kann ich mir manche Einträge der Listen nicht erklären. Außerdem taucht CoRoT 110778159 trotz 14 mag unter den Sternen heller als 1 mag in V auf!

Nach dem ich zunächst U, B und V probiert hatte, fand ich Simbad für diesem Zweck gar unbrauchbar. Wenn ich dagegen erst die J, H oder K Helligkeiten probiert hätte, wäre die Einschätzung anders ausgefallen.

Also habe ich das alles manuell aussortiert und habe nun wenigstens Listen der hellsten Sterne in den Johnson-Farbfiltern. Aber die Veränderlichkeit von Sternen, besonders Mira Veränderliche wie R Doradus, die großen Helligkeitsschwankungen unterliegen, erschweren eine solche Liste.

Hier sind meine Ergebnisse:

Tabellen der hellste Sterne in den Farbfiltern des Johnson-Systems (und Hipparcos)

Hellste Sterne in der Hipparcos Magnitude Hp

Bezeichnung Name Hp Spektralklasse
α CMa A Sirius A -1,09 A1 V
α Car Canopus -0,55 F0 Ib / A9 II
α Lyr Wega 0,09 A0 Va
α Boo Arktur 0,11 K2 IIIp
α Cen A Alpha Cen A 0,14 G2 V
β Ori Rigel 0,19 B8 Iae
α Aur Capella 0,24 G3 III
α Eri Achernar 0,42 B6 Vpe
α CMi Prokyon 0,46 F5 IV
α Ori Beteigeuze 0,50 M1-2 Ia-ab

Hellste Sterne in U.
Es sind viele Sterne des Spektraltyps B darunter.

Bezeichnung Name U Spektralklasse
α CMa A Sirius A -1,50 A1 V
β Cen Hadar -0,59 B1 III
β Ori Rigel -0,57 B8 Iae
α Cru Acrux -0,52 B0.5 IV + B1 V
α Car Canopus -0,49 F0 Ib / A9 II
α Eri Achernar -0,36 B6 Vpe
α Vir Spica -0,21 B1 IV
β Cru Mimosa 0,02 B0.5 III
α Lyr Wega 0,02 A0 Va
ε CMa Adhara 0,36 B2 II

Hellste Sterne in B.

Bezeichnung Name B Spektralklasse
α CMa A Sirius A -1,45 A1 V
α Car Canopus -0,59 F0 Ib / A9 II
α Lyr Wega 0,03 A0 Va
β Ori Rigel 0,10 B8 Iae
α Eri Achernar 0,30 B6 Vpe
β Cen Hadar 0,39 B1 III
α Cru Acrux 0,51 B0.5 IV + B1 V
α Cen A Alpha Cen A 0,69 G2 V
α Vir Spica 0,72 B1 IV
α CMi Prokyon 0,74 F5 IV

Hellste Sterne in V.
Das ist die übliche Lister der visuell hesten Sterne.

Bezeichnung Name V Spektralklasse
α CMa A Sirius A -1,46 A1 V
α Car Canopus -0,74 F0 Ib / A9 II
α Boo Arktur -0,05 K2 IIIp
α Cen A Alpha Cen A 0,00 G2 V
α Lyr Wega 0,03 A0 Va
α Aur Capella 0,09 G3 III
β Ori Rigel 0,13 B8 Iae
α CMi Prokyon 0,34 F5 IV
α Ori Beteigeuze 0,44 M1-2 Ia-ab
α Eri Achernar 0,46 B6 Vpe

Hellste Sterne in R

Bezeichnung Name R Spektralklasse
α CMa A Sirius A -1,46 A1 V
α Ori Beteigeuze -1,17 M1-2 Ia-ab
α Boo Arktur -1,03 K2 IIIp
α Car Canopus -0,96 F0 Ib / A9 II
α Sco Antares -0,64 M1.5 Iab-b
α Aur Capella -0,52 G3 III
α Cen A Alpha Cen A -0,51 G2 V
α Tau Aldebaran -0,37 K5 III
α CMi Prokyon -0,05 F5 IV
γ Cru Gacrux -0,02 M3.5 III

Hellste Sterne in I.
Jetzt ist Beteigeuze der hellste und nicht mehr Sirius. Es sind einige Sterne der Spektralklassen K und M darunter.

Bezeichnung Name I Spektralklasse
α Ori Beteigeuze -2,45 M1-2 Ia-ab
α Sco Antares -1,87 M1.5 Iab-b
α Boo Arktur -1,68 K2 IIIp
β Gru Tiaki -1,57 M5 III
γ Cru Gacrux -1,44 M3.5 III
α CMa A Sirius A -1,43 A1 V
α Tau Aldebaran -1,31 K5 III
α Her Ras Algethi -1,18 M5 Ib-II
α Car Canopus -1,13 F0 Ib / A9 II
α Aur Capella -0,96 G3 III

Hellste Sterne in J.
Diese und die folgenden Listen können problemlos über Simbad erzeugt werden.

Bezeichnung Name J Spektralklasse
α Ori Beteigeuze -3,00 M1-2 Ia-ab
α Sco Antares -2,73 M1.5 Iab-b
R_Doradus -2,65 M8 III
α Her Ras Algethi -2,26 M5 Ib-II
α Boo Arktur -2,25 K2 IIIp
α Tau Aldebaran -2,10 K5 III
γ Cru Gacrux -1,99 M3.5 III
β Gru Tiaki -1,97 M5 III
W Hydrae -1,59 M7.5-9 IIIe
α CMa A Sirius A -1,36 A1 V

Hellste Sterne in H.

Bezeichnung Name H Spektralklasse
α Ori Beteigeuze -3,73 M1-2 Ia-ab
α Sco Antares -3,49 M1.5 Iab-b
R_Doradus -3,34 M8 III
α Her Ras Algethi -3,22 M5 Ib-II
β Gru Tiaki -3,12 M5 III
γ Cru Gacrux -2,90 M3.5 III
α Boo Arktur -2,81 K2 IIIp
α Tau Aldebaran -2,78 K5 III
W Hydrae -2,56 M7.5-9 IIIe
β Peg Scheat -2,13 M2.5 II-III

Hellste Sterne in K.
Tief im Infraroten sind nur noch rote Riesen und Überriesen darunter, insbesondere variable Sterne vom Mira-Typ. Durch die Veränderlichkeit ist die Reihenfolge natürlich nur noch bedingt aussagekräftig.

Bezeichnung Name K Spektralklasse
α Ori Beteigeuze -4,05 M1-2 Ia-ab
R_Doradus -3,85 M8 III
α Sco Antares -3,79 M1.5 Iab-b
α Her Ras Algethi -3,51 M5 Ib-II
β Gru Tiaki -3,22 M5 III
γ Cru Gacrux -3,12 M3.5 III
W Hydrae -3,05 M7.5-9 IIIe
α Tau Aldebaran -3,04 K5 III
α Boo Arktur -2,91 K2 IIIp
R Hydrae -2,51 M6-9 IIIe

Kommentare (3)

  1. #1 wereatheist
    28. Mai 2018

    Danke für den Arbeitsaufwand.

  2. #2 stone1
    29. Mai 2018

    Es wundert mich dass scheinbar noch niemand auf die Idee gekommen ist, so eine Liste zu machen oder diese zumindest nicht im WWW zu finden ist, also Danke für den interessanten Gastartikel @UMa.

    Aber jetzt muss ich wohl den Artikel über wahre und scheinbare Größe von Alderamin nochmal zum lesen vormerken, da ich das Meiste davon anscheinend schon wieder vergessen habe. Wie war das jetzt nochmal mit absoluter und scheinbarer bolometrischer Helligkeit?
    Und dann gibts auch noch einen neuen Artikel hier über mitbewegte Entfernung und die Dunkle Materie-Diskussion ist auch weitergegangen. Und ich hab mich neulich schon gefreut, endlich die GAIA-Artikel fertig gelesen zu haben… ziemlich fordernd dein neuer Blog ist, wenn man am Ball bleiben will, @Alderamin. ; )

  3. #3 UMa
    29. Mai 2018

    @stone1:
    Ja es wundert mich immer noch, dass es zwar unzählige Listen mit den hellsten Sternen nach V-Magnitude gibt, ich aber keine anderen gefunden habe (Hipparcos ausgenommen). Simbad funktioniert für einige Bänder, aber leidet an Unvollständigkeit, und Fehleinträgen. Vielleicht findet jemand doch noch solche Listen.

    Bolometrisch über das gesamte Spektrum scheint es nichts zu geben. Ich habe mit Alderamin versucht eine solche Liste zu erstellen, aber sie scheitert an der Extinktion. Erstens ist diese nicht gut genug bestimmbar und zweitens hat man dann die absolute bolometrische Helligkeit. Dies wäre ohne Extinktion ausreichend, aber so müsste man sie, nach dem man sie aus der V-Helligkeit raus gerechnet hat in die bolometrische Helligkeit wieder rein rechnen, was nicht gut funktioniert.

    Sterne der Spektralklassen O und B Strahlen im UV-Licht so viel mehr ab, als im sichtbaren. Allerdings ist dort auch die Extinktion besonders stark. M-Sterne sind von der Extinktion weniger betroffen.