Nach dem ich im ersten Teil dieser Beitragsserie schon über die Entstehung des Mondes berichtet habe, möchte ich nun natürlich auch etwas über den Einfluß schreiben, den der Mond auf die Erde ausübt. Und das heisst natürlich, dass man sich mit den Gezeiten beschäftigen muss!
Ludmila hat in ihrem Blog schon vor einiger Zeit etwas über die Gezeiten geschrieben. Mein Erklärungsansatz ist aber ein bisschen anders; ausserdem ist eine Beitragsserie über den Mond ohne Erklärung der Gezeiten ziemlich unvollständig. Ich habe mich daher entschlossen, einen Beitrag aus meinem alten Blog hier nochmal neu zu posten.
Die Gezeiten zu erklären ist ziemlich knifflig. Kaum ein astronomisches Thema ist so verwirrend und schwer zu erklären wie das Zustandekommen von Ebbe und Flut.Gleichzeitig ist es aber sehr wichtig, über die Gezeiten Bescheid zu wissen – denn sie spielen im Leben vieler Menschen (Fischer, Seeleute, …) eine wichtige Rolle.
Was sind Gezeiten?
Unter “Gezeiten” versteht man die periodische Wasserstandsänderung in den großen Gewässern der Erde. Flut (steigendes Wasser) und Ebbe (sinkendes Wasser) wechseln sich etwa alle 12-13 Stunden ab. Diese beiden Bilder von der Bay of Fundy zeigen das eindrucksvoll:
Wodurch werden die Gezeiten verursacht?
Grund für die Gezeiten sind die Anziehungskraft von Sonne und Mond auf die Erde. Das vermutete schon Aristoteles (obwohl er natürlich noch nichts von der Gravitationskraft wusste; er beschrieb die Gezeiten durch eine Anziehung zwischen den Meeren der Erde und Meeren des Mondes). 1687 zeigte der große Isaac Newton als erstes, das die Gezeiten tatsächlich auf die Anziehungskraft der Sonne und des Mondes zurückzuführen sind (und nicht durch Zentrifugalkräfte, wie manche fälschlicherweise vermuteten).
Der Mond zieht also das Wasser der Meere an und erzeugt so einen Flutberg der durch die Erddrehung um die Erde wandert! So lautet eine auch heute noch oft gehörte Erklärung – die leider falsch ist. In Wirklichkeit ist die ganze Angelegenheit ein wenig komplizierter. Das diese Erklärung nicht stimmen kann, sieht man auch, wenn man sich Ebbe und Flut genauer ansieht: es existiert nämlich nicht nur ein Flutberg, sondern zwei! Einer, der auf der dem Mond zugewandten Seite der Erde liegt und einen auf der gegenüberliegende Seite der Erde – also an dem Punkt, der am weitesten vom Mond entfernt liegt!
Um genau zu erklären, wie das abläuft, muss ich zuerst ein paar grundlegende Dinge zur Gravitation und der Bewegung von Erde und Mond erklären.
Gravitation ist eine Kraft, die jeder Körper auf jeden anderen Körper ausübt – je mehr Masse ein Körper hat, desto stärker ist auch seine Gravitationskraft, die er auf andere Objekte ausübt. Außerdem nimmt die Gravitationskraft ab, je weiter zwei Objekte voneinander entfernt sind. Der Zusammenhang ist hier quadratisch – das heißt wenn sich der Abstand zwischen zwei Körper verdoppelt, dann ist die gegenseitige Anziehungskraft viermal so schwach; verdreifacht sich der Abstand, wird die Anziehungskraft neunmal schwächer, usw. Und hier kommen wir zum ersten wichtigen Punkt für die Erklärung der Gezeiten: die Erde ist ein ausgedehnter Körper mit einem Durchmesser von etwa 13000 km. Das heißt, die Anziehungskraft die der Mond auf die ihm zugewandte (nähere) Seite der Erde ausübt ist stärker, als die Anziehungskraft, die er auf die abgewandte (entferntere) Seite ausübt! Die gravitative Kraft, die der Mond auf die Erde ausübt, ist also an verschiedenen Punkte der Erdoberfläche verschieden stark.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die Bewegung von Erde Mond. Normalerweise heißt es ja “Der Mond bewegt sich um die Erde”. Das ist prinzipiell auch richtig – allerdings zieht ja auch der Mond die Erde an und beide Körper bewegen sich um ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt.
Das ist der “Ruhepunkt” des ganzen Systems. Im Falle des Erde-Mond Systems liegt dieser Punkt noch innerhalb der Erde – d.h. der Mond bewegt sich in der Tat um die Erde, während die Erde selbst ein wenig “hin und her wackelt”. Die Animation rechts zeigt, wie das aussieht.
Jetzt muss ich noch einen kleinen Einschub über das Phänomen des “freien Fall” machen. Auch damit hat sich Newton schon beschäftigt. Das Bild unten zeigt eine Zeichnung aus “Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” (Newtons Hauptwerk). Newton überlegte, was passiert, wenn man ein Objekt (zum Beispiel eine Kanonenkugel) mit immer höherer Geschwindigkeit abfeuert. Nun, sie wird immer weiter und weiter fliegen.
Kommentare (60)