In einem Buch bin ich letztens wieder mal auf ein schönes Stück historische Himmelsmechanik gestoßen: die Titius-Bode-Reihe. Lange Zeit dachte man, man könne mit dieser Formel berechnen bzw. vorhersagen, wo sich in unserem Sonnensystem Planeten befinden. Am Ende war es aber dann doch nicht mehr als eine nette Zahlenspielerei.
Die Untersuchung der Bewegung der Planeten im Sonnensystem war schon von Anbegin an eine der wichtigsten Aufgaben der Astronomie. Natürlich haben sich die Astronomen auch Gedanken darüber gemacht, warum sich die Planeten genau dort befinden, wo sie waren.
Johannes Kepler fand als erstes einen entsprechenden Zusammenhang: sein drittes Gesetz erklärte, wie der Abstand eines Planeten von der Sonne mit seiner Umlaufzeit zusammenhing. Aber damit wußte man immer noch nicht, warum die einzelnen Planeten genau die beobachteten Abständen hatten. War es nur Zufall? Oder steckte irgendein (göttlicher) Plan dahinter?
Die Geschichte der berühmten Titius-Bode-Reihe beginnt 1766, als der eher unbekannte Astronom Johann Daniel Titius von der Universität Wittenberg das Buch “Contemplation de la nature” des Schweizers Charles Bonnet übersetzt. In der deutschen Ausgabe des Buchs (“Betrachtung über die Natur“) findet sich folgende zusätzliche Anmerkung von Titius:
Deswegen ist Titius auch überzeugt davon, dass sich zwischen Mars und Jupiter noch ein Planet befinden muss:
“Und der Bauherr sollte diese Raum ledig gelassen haben? Nimmermehr!”
Vermutlich wäre diese Beobachtung des Johann Titius in Vergessenheit geraten, hätte sie nicht der wesentlich bekanntere Astronom Johann Elert Bode, Direktor der Berliner Sternwarte, aufgegriffen. In seinem Buch “Anleitung zur Kenntnis des gestirntes Himmels“ hat er 1772 folgendes geschrieben (dieser Ausschnitt stammt aus einer späteren Ausgabe, die Originalausgabe habe ich nicht gefunden):
Das Uranus so hervorragend in die Reihe von Titius passte, hat viele Astronomen der damaligen Zeit überzeigt, dass sich zwischen Mars und Jupiter doch noch ein Planet befinden muss. Immerhin sagt die Titius-Bode-Reihe einen Planeten bei einem Abstand 28 Teilen voraus.
Man war so überzeugt, dass man 1800, im Zuge des zweiten europäischen Astronomenkongresses in Gotha die “Himmelspolizei” gegründet hat. Unter der Führung des österreichischen Astronomen Franz Xaver von Zach wollte man ein großräumiges Beobachtungsprogram starten, um den Himmel nach dem fehlenden Planeten abzusuchen.
Und man hatte Erfolg! Allerdings entdeckte nicht die “Himmelspolizei” den neuen Planeten, sondern der italienischen Astronom Giuseppe Piazzi (er wäre aber Teil der Himmelspolizei geworden), der eher zufällig auf ein unbekanntes Objekt stieß, dass sich genau dort befand, wo die Titius-Bode-Reihe es vorhersagte! Dieser neue Planet bekam den Namen “Ceres“.
Nun hatte die Formel von Titius schon erfolgreich die Position von 2 neuen Planeten vorhergesagt und man zweifelte kaum mehr an ihrer Gültigkeit (auch wenn immer noch kein Mechanismus bekannt war, der hinter der Formel stand). Selbst als man in den nächsten Jahren herausfand, dass sich bei der besagten Position nicht nur ein Planet – Ceres – sondern noch drei weitere (Pallas, Juno und Vesta) befand, zweifelte man nicht. Man vermutete, dass diese neuen, kleinen Planeten vielleicht Bruchstücke eines größeren Planeten (“Phaeton“) waren, der irgendwann in der Vergangenheit zerstört worden ist.
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