Es ist mal wieder Zeit, über Sterne zu reden. Die sind nicht nur sehr faszinierend und schön sondern auch in den letzten Tagen überall in den Medien präsent. Da wäre einmal die Geschichte von der dunklen Energie die die Sterne verschwinden lässt und die Entdeckung von Sternen, die so kühl sind, wie man es bisher noch nicht gesehen hatte. Beide Entdeckungen haben die Phantasie der Leute anscheinend ordentlich angeregt und es ist angebracht mal zu klären, worum es wirklich geht.
Da wären zuerst einmal die verschwindenen Sterne. Die natürlich nicht wirklich verschwinden, keine Angst. Die Arbeit um die es hier geht, trägt den etwas unspektakulären Titel “Molecular gas in intermediate-redshift ultraluminous infrared galaxies”. Die Forscher um Robert Braun von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) in Australien haben untersucht, wieviel Gas es in diversen, nicht all zu weit entfernten Galaxien gibt. Das klingt erstmal etwas langweilig – ist aber höchst spannend. Denn Sterne entstehen aus großen Gaswolken. Ist in einer Galaxie kein freies Gas mehr übrig, entstehen auch keine neuen Sterne mehr. Die Galaxie wird langsam immer dunkler werden und irgendwann tot sein. Dort wo sich aber viel Gas befindet, können immer wieder neue Sterne entstehen.Sternentstehung ist übrigens eines der wenigen Gebiete in der Astronomie, in der man auch ab und zu auf normale Zahlen trifft. Keine gewaltig unvorstellbaren Werte, sondern Zahlen die wir aus dem Alltag kennen. Zum Beispiel “zehn”. Das ist in etwa die Zahl der neuen Sterne, die in der Milchstrasse pro Jahr entstehen. Im Vergleich mit den hunderten Milliarden Sternen aus denen sie besteht ist das nicht wirklich viel. Die Astronomen wissen zwar, dass früher, kurz nach dem Urknall, viel mehr Sterne entstanden als heute – aber Braun und seine Kollegen wollten genau wissen, wie sich die Sternentstehungsrate im Laufe der Zeit geändert hat. Darum haben sie entfernte Galaxien beobachtet – denn je weiter weg eine Galaxie ist, desto älter jünger ist sie ja auch. Und weil man nun schlecht alle Galaxien ein paar Jahre lang beobachten und die neu entstehenden Sterne zählen kann (dazu müsste man ja erstmal alle Sterne in den Galaxien durchzählen), hat man sich eben die Gaswolken vorgenommen. Je weniger Gas, desto weniger Sterne können dort entstehen.
Große Gaswolken sucht man am besten mit Radioteleskopen. Den die Gaswolken sieht man schwer, aber mit einem Radioteleskop man gut die Signatur von Kohlenmonoxidmolkülen auffangen. Kohlenmonoxid findet sich in fast allen Gaswolken und wenn es durch die Strahlung naher Sterne angeregt wird, strahlt es in Wellenlängen, die Radioteleskope sehen können. Also hat man das 22 Meter große Mopra-Teleskop im australischen Coonabarabran angeworfen und 11 ausgewählte ULIRGS beobachtet. Das sind “ultraluminous infrared galaxies”, also Galaxien, die im infraroten Bereich besonders hell strahlen. Die Galaxien waren zwischen 3 und 5 Milliarden Lichtjahre entfernt – man war also in der Lage zu messen, wie sich die Menge an Gas in den Galaxien in diesem Zeitraum der Vergangenheit geändert hat. Die Daten sahen am Ende so aus:
Neben den Messungen von Braun und seinen Kollegen in schwarz sieht man hier auch Messungen anderer Astronomen die nähere Galaxien untersucht haben. Auf der X-Achse ist der Abstand der Galaxien aufgetragen (in Milliarden Lichtjahren), auf der Y-Achse die Menge an Gas, die darin gefunden wurde. Man sieht, dass die fernen Galaxien mehr Gas enthalten als die nahen. Heute entstehen also weniger Sterne als früher. Als Ursache vermuten Braun und seine Kollegen die Effekte der dunklen Energie. Das habe ich hier schon mal im Detail erklärt. Also die Astronomen Ende der 1998 gemessen hatten, wie sich die Expansionsgeschwindigkeit des Universums im Laufe der Zeit änderte, fanden sie überraschendes: Anstatt sich immer langsamer auszudehnen, wie man erwartet hatte (weil die Gravitationswirkung der Masse im Universum die Expansion langsam bremst), beschleunigt sich die Ausdehnung! Was genau die dunkle Energie ist, hat man noch nicht herausgefunden. Aber Braun meint, dass es für intergalaktisches Gas immer schwieriger wird, in die Galaxien zu gelangen weil das Universum sich immer schneller ausdehnt. Deswegen steht für die jüngeren Galaxien immer weniger Gas für neue Sterne zur Verfügung. Wir müssen uns aber keine Sorgen machen, dass es bei uns jetzt plötzlich finster wird am Himmel. Für die nächsten Jahrmillionen hat die Milchstrasse noch genug Gas für neue Sterne zur Verfügung. Und in ein circa 2 Milliarden Jahren kollidieren wir ja auch mit der Andromedagalaxie. Das ist nicht so schlimm wie es klingt, die beiden Galaxien werden sich glatt durchdringen und es ist unwahrscheinlich das Sterne kollidieren. Aber dabei wird nochmal das ganze Gas ordentlich durchgewirbelt und die Sternentstehungsrate wird drastisch erhöht.
Soviel zu den verschwindenden Sternen. Und wie sieht es mit den “Sternen auf Zimmertemperatur” aus? Hier ist erstmal unklar, ob es wirklich angebracht ist, von Sternen zu sprechen. Die Objekt um die es geht, sind braune Zwerge. Über die hab ich schon öfter geschrieben, zum Beispiel hier. Ein brauner Zwerg ist ein Himmelskörper, der massiver ist als ein typischer Planet aber nicht so massiv ist wie ein typischer Stern. Ob man ihn jetzt als Planet oder Stern bezeichnet, ist Definitionssache. Die meisten Wissenschaftler sehen braune Zwerge als eigene Klasse an. Denn als Sterne versteht man normalerweise alle Objekte, die selbst Energie durch Kernfusion erzeugen können und das für hinreichend lange Zeit. Damit das klappt, muss der Stern aber schwer genug sein, sonst wird es in seinem Inneren nicht heiß genug. Die dazu nötige Masse liegt etwa beim 80fache der Jupitermasse. Objekte die masseärmer sind, können keinen Wasserstoff zu Helium fusionieren. Sie schaffen es höchstens, Deuterium zu fusionieren – aber Deuterium gibt es kaum in den Sternen, die braunen Zwerge leuchten also nur kurz. Wenn man sich darauf einigt, dass alles als “Stern” bezeichnet wird, was wie ein Stern entsteht, dann sind braune Zwerge eben Sterne, die nicht leuchten. Denn sie enstehen – so wie die Sterne auch – durch den Kollaps einer Gaswolke während die Planeten entstehen, weil sich viele kleine Felsbrocken zu einem großen Himmelskörper zusammenballen. Wer mehr zur Geschichte der Entdeckung der braunen Zwerge wissen will, dem kann ich das Buch “Die Jagd nach neuen Planeten” von Ken Croswell empfehlen (das eigentlich von extrasolaren Planeten handelt und generell sehr gut ist).
Die braunen Zwerge leuchten also kaum. Sie erzeugen auch noch ein bisschen Energie, aber nur, weil sie noch immer unter ihrer eigenen Gravitationskraft kollabieren und dabei Gravitationsenergie in Wärme umwandeln und deswegen im Infrarotbereich strahlen. Je nachdem wie heiß so ein brauner Zwerg ist, unterscheidet man verschiedene Typen. Es gibt M, L, T und Y-Zwerge. M-und L-Zwerge sind am heissesten, sie können noch bis zu 2000 Grad heiß werden. T-Zwerge sind noch bis zu ein paar hundert Grad heiß. Y-Zwerge dagegen sind richtig kalt. Sie sind die kleinsten braunen Zwerge und deswegen auch am kühlsten. Sie haben tatsächlich in etwa Zimmertemperatur! Bis jetzt waren sie aber rein hypothetisch – man hatte keine dieser Objekte gesehen. Das war wenig überraschend: sie sind klein, sie sind dunkel und selbst ihre Infrarotstrahlung ist gering. Aber das Infrarotteleskop WISE, dessen Mission seit Dezember letzen Jahres beendet ist und dessen Daten seitdem ausgewertet wurden, konnte nun nicht nur an die hundert neue braune Zwerge in der Milchstrasse finden, sondern auch sechs Y-Zwerge! Hier ist einer davon:
Das kleine grüne Ding in der Mitte des Bildes ist WISE 1828+2650. Und natürlich ist es nicht wirklich grün. Wie gesagt, es handelt sich um eine Infrarotaufnahme und die Farben sind künstlich (blau sind kurze Wellenlängen, rot sind lange Wellenlängen). Der Y-Zwerg ist 9 Lichtjahre weit weg (und damit auf der Liste der nächsten Nachbarn der Sonne auf Platz 7) und tatsächlich nur knapp 25 Grad Celsius heiß! Im Vergleich zu den aktuellen Temperaturen in Deutschland also ein schönes kühles Plätzchen 😉 Die restlichen Y-Zwerge die WISE gefunden hat (alle Details gibts hier) sind bis zu 40 Jahre entfernt. Schade nur, dass man die Dinger noch nicht im optischen Bereich beobachten könnte. Denn vielleicht sind die Y-Zwerge violett 😉 Bei so kalten Objekten können verschiedenste Moleküle – Wasser, Methan, etc – in der Atmosphäre existieren und die absorbieren das Licht auf eine Art und Weise, die den Zwerg violett erscheinen lassen könnte. Cool – ein lila (Pseudo)Stern! Und wer weiß vielleicht finden wir ja auch mal einen Y-Zwerg der noch näher ans uns ist, näher als Proxima Centauri, das bisher am nächsten gelegene stellare Objekt. Und dann könnte man da ja vielleicht eine Raumsonde hinschicken… ein bis 2 Lichtjahre müssen doch irgendwie zu schaffen sein! Meine Enkel können dann vielleicht einmal Nahaufnahmen eines lila braunen Zwergs sehen 😉
Übrigens: Mit Planet X/Nibiru haben die Y-Zwerge nichts zu tun. Absolut nichts. Erstens mal gibt es den nicht. Zweitens ist ein brauner Zwerg kein Planet. Er ist VIEL massiver. Das gilt auch für Y-Zwerge. Und wenn sich so ein massives Objekt im Sonnensystem rumtreiben würde, dann würde es durch seine Gravitationskraft die Bahn der bekannten Planeten so stören, dass sie nicht mehr dort am Himmel zu sehen wäre, wo wir es erwarten würde. Auch ein unsichtbarer Himmelskörper (was auf die Y-Zwerge nicht zutrifft, oben ist ja sogar ein Bild von einem!) fällt auf jeden Fall auf. Abgesehen davon ist ein Y-Zwerg immer noch wärmer und damit inherent heller als z.B. Jupiter oder einer der anderen Gasriesen im Sonnensystem – was aber auch egal ist, weil ein Himmelskörper in der Nähe der Sonne immer das Sonnenlicht reflektiert. Und da ein Y-Zwerg größer ist als alle Planeten des Sonnensystems, reflektiert er auch mehr Licht, ist deutlich heller und besser zu sehen.
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