Nebenan bei den SciLogs wird gerade darüber diskutiert, ob Bloggen und Karriere unvereinbar sind. Es haben sich schon viele Leute zu Wort gemeldet und ich bin einfach mal so frei und mische mich ein 😉 Immerhin hat das Bloggen bei mir dazu geführt, dass ich meine eine “Karriere” beendet und eine neue begonnen habe.
Die SciLoger sind sich größtenteils einig: Bloggen ist gut! (Ok, von Bloggern etwas anderes zu hören wäre auch überraschend). Thomas Grüter wird ganz deutlich:
“Bloggen schadet Ihrer Karriere nicht. Ganz sicher nicht. (…) Man muss nicht darauf schielen, ob irgendeine Lebensäußerung die Karriere behindern könnte. Wer ständig mit stromlinienförmig angelegten Ohren herumläuft und die drei weisen Affen zu seinen wichtigsten Karriereberatern erkoren hat, sollte ohnehin kein Blog schreiben. Er sollte eigentlich auch kein Wissenschaftler werden, denn die lebendige Wissenschaft nährt sich von Kontroversen.”
Trota von Berlin sieht Blogs auch als Möglichkeit, um die Menschen etwas direkter zu beteiligen:
“Ich hoffe, ich kann mit meinen Texten nicht nur aufklären, sondern vor allem zum Nachdenken anregen und zum Mitgestalten motivieren.”
Hussein Hamadan bloggt gerne, allerdings nur als Hobby:
“Wenn ich nun zum Abschluss versuche ein Fazit zu ziehen, dann muss ich als erstes festhalten, dass ich das Bloggen nicht missen möchte. Ich möchte aber auch nicht jeden Tag damit beschäftigt sein. Es ist eine schöne Nebenbeschäftigung, der ich sehr gerne nachgehe”
Sebastian Reusch meint, das Bloggen nicht nur nicht schadet, sondern für Wissenschaftler sogar hilfreich sein kann:
“Wer nämlich über seine Arbeit bloggt oder sich als geschickter Wissenschaftskommunikator beweist, bekommt Aufmerksamkeit und wo Aufmerksamkeit herrscht, könnten auch die Augen von potentiellen Geldgebern landen.”
Einen wichtigen Punkt spricht Anna Rebecca Lohmann im Blog von Judith Schrauf-Papadopoulos an:
“Das Bloggen darüber kann dazu beitragen, dass Wissenschaft in der Gesellschaft wahrgenommen wird, ein Gesicht erhält. Es eröffnet einen Dialog, in dem Vertrauen entstehen und Akzeptanz erreicht werden kann. Denn letztlich entscheidet die Öffentlichkeit mit darüber, woran in Zukunft wie und in welchem Ausmaß geforscht wird.”
Die Vorteile des Bloggens sind also zahlreich: Man kommuniziert direkt mit der Öffentlichkeit. Man erhält als Blogger mehr Aufmerksamkeit. Man kann direkten Lobbyismus für sein Arbeitsgebiet betreiben. Und es ist noch dazu ein nettes Hobby.
Es gibt viele verschiedene Arten, ein Blog zu führen. Und ob das Bloggen für die eigene Karriere schädlich ist oder nicht, hängt davon ab, was genau man mit dem Blog anstellt. Zwei Punkte sind hier logischerweise von Bedeutung. Der Inhalt und die Zeit.
Ein Wissenschaftler, der in seiner Freizeit ein Blog über Gartenarbeit schreibt oder über seine Lieblingsfernsehserie, der wird keine Probleme mit seiner Karriere bekommen. Wissenschaftler sind Menschen und Menschen haben Hobbies. Eine Wissenschaftlerin, die in einem Blog wissenschaftliche Texte veröffentlicht, wird ebenfalls wenig Probleme kommen. Schwieriger wird es, wenn die Themen nicht so klar verteilt sind. Wer – so wie ich – nicht nur über Wissenschaft bloggt, sondern auch über Pseudowissenschaft, Esoterik und andere “Pfui-Themen”, der bekommt dagegen öfter mal zu hören, dass man sich als Wissenschaftler doch mit sowas gar nicht erst beschäftigen soll. Aber so richtig schlimm für die Karriere sollte das eigentlich nicht sein. Solange man keinen kompletten Unsinn in sein Blog schreibt dürfte es da keine Probleme geben.
Wenn ein Blog der Karriere schadet, dann liegt es an der Zeit. Klar, wenn man während der Arbeitszeit andauernd bloggt anstatt zu forschen, dann ist es kein Wunder, wenn man irgendwann rausfliegt. Das ist offensichtlich. Aber wenn man in seiner Freizeit bloggt, dann sollte das doch kein Problem sein, oder? Leider manchmal doch. Mierk Schwabe hat das in ihrem Artikel zum Thema gut beschrieben:
“Ich habe vor einigen Jahres das Nobelpreisträgertreffen in Lindau besucht. Dort hat ein Nobelpreisträger den jungen Leuten die Empfehlung gegeben, tatsächlich quasi jede freie Minute mit der Wissenschaft zu verbringen, inklusive Abenden und Wochenenden.”
Diese Einstellung ist weit verbreitet, nicht nur bei Nobelpreisträgern. Als Wissenschaftler hat man im seltensten Fall geregelte Arbeitszeiten. Forschen kann man nicht auf Kommando und nur zwischen 9 und 17 Uhr. Manchmal macht es ein Experiment nötig, dass man nächtelang im Labor sitzt. Manchmal kommt der Geistesblitz gerade am Wochenende und man verbringt den Sonntag am Schreibtisch. Die Trennung zwischen Freizeit und Arbeit ist in der Wissenschaft sehr schwach ausgeprägt. Viele Leute stört das auch nicht. Wissenschaft macht man normalerweise, weil man es will, weil man begeistert und fasziniert ist, von dem was man tut. Da ist es kein Problem, wenn man auch die “Freizeit” an der Uni verbringt. Darum gibt es auch genügend junge Wissenschaftler, die sich an den Rat des Nobelpreisträgers halten und gerne Abende, Wochenende und Ferien mit Wissenschaft verbringen.
Diese Entwicklung wird auch durch die Hochschulpolitik gefördert. Die Aufstiegschancen für junge Wissenschaftler sind mies, die vorhandenen Stellen fast immer befristet und die Konkurrenz ist groß. Die Karriere eines Wissenschaftlers wird immer noch fast ausschließlich anhand der Anzahl der veröffentlichten Artikel beurteilt. So ein System bringt zwangsläufig junge Wissenschaftler hervor, die jede freie Minute mit Wissenschaft verbringen – ob sie das wollen oder nicht. Wer sich den Luxus eines allzu ausgeprägten Privatlebens gönnt, der ist im Nachteil. Das Problem ist die Zeit: Wer bereit ist, seine Freizeit mit Wissenschaft zu verbringen, kann mehr publizieren und hat bessere Karrierechancen.
Ich weiß, ich übertreibe ein wenig (aber nicht viel). Es gibt durchaus Wissenschaftler, die auch ein Privatleben haben. Aber es verkompliziert die Sache, ganz besonders, wenn man erst noch Karriere machen muss. Alle Aktivitäten, die nicht Wissenschaft sind, sind potentiell geeignet, der Karriere zu schaden. Bloggen gehört natürlich dazu. Wer in der “Freizeit” bloggt, könnte in der Zeit genau so gut ein bisschen Wissenschaft betreiben. Und da es immer Leute gibt, die ihre Freizeit der Wissenschaft opfern, besteht immer die Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten.
Aber selbst wenn nicht, kann einem das Blog indirekt Probleme bereiten. Nämlich dann, wenn man auf Vorgesetzte oder Geldgeber trifft, die so denken wie der Nobelpreisträger aus Mierks Beispiel: “Der bloggt? Der scheint zu viel Freizeit zu haben. Der sollte sich lieber mehr mit Wissenschaft beschäftigen.” Im Gegensatz zu anderen Freizeitbeschäftigen findet das Bloggen eben sehr öffentlich statt und auch die Chefs kriegen es mit… Wie Mierk richtig schreibt, ist es natürlich schwer festzustellen, ob einem das Bloggen auf diese Art wirklich geschadet hat. Im Allgemeinen bekommt man ja nicht gesagt, dass man die Projektgelder oder die Stelle nicht bekommen hat, weil man bloggt. Im Gutachten zu meinem letzten – abgelehnten – Projektantrag hat der Gutachter zwar erwähnt, dass ich Blogger bin. Ob und inwiefern ihn das bei seiner negativen Entscheidung beeinflusst hat, war aus dem Text aber natürlich herauszulesen. Als ich noch Wissenschaftler war, habe ich viele Kollegen und Vorgesetzte getroffen, die es gut fanden, dass ich auch ein Blog schreibe. Ab und zu wurde mir aber auch durch die Blume gesagt, dass ich es im Sinne meiner Karriere besser lassen oder einschränken sollte…
Bloggen wird nicht deswegen zu einem Problem für die wissenschaftliche Karriere, weil es eine Freizeitbeschäftigung ist, die Zeit in Anspruch nimmt, die man besser für Wissenschaft verwenden könnte (nicht nur zumindest). Bloggen wird deswegen zum Problem, weil es öffentlich stattfindet und alle – Kollegen, Chefs, Geldgeber, etc – mitansehen können, dass man in seiner Freizeit Dinge tut, die nicht der Forschung dienen (Wir haben hier im Blog ja schon mal die verwandte Frage diskutiert, ob Öffentlichkeitsarbeit und Medienpräsenz der Karriere schadet).
Trotzdem kann ich allen nur raten, das Bloggen selbst mal auszuprobieren! Einmal, weil ich den Worten von Thomas Grüter nur zustimmen kann – ich wiederhole nochmal was er gesagt hat:
“Man muss nicht darauf schielen, ob irgendeine Lebensäußerung die Karriere behindern könnte. Wer ständig mit stromlinienförmig angelegten Ohren herumläuft und die drei weisen Affen zu seinen wichtigsten Karriereberatern erkoren hat, sollte ohnehin kein Blog schreiben. Er sollte eigentlich auch kein Wissenschaftler werden, denn die lebendige Wissenschaft nährt sich von Kontroversen”
Aber auch, weil Bloggen der Karriere durchaus auch hilfreich sein kann. Vielleicht nicht unbedingt der wissenschaftlichen Karriere. Aber als Blogger lernt man jede Menge Menschen kennen. Man knüpft jede Menge Kontakte und – wenn man es halbwegs gut anstellt – das zu Leuten, die nichts mit dem eigenen Fachgebiet zu tun haben. Als ich angefangen habe zu bloggen, hatte ich auf einmal mit Wissenschaftlern aus allen Bereichen zu tun. Ich habe sehr viele Journalisten kennengelernt. Ich habe Leute getroffen die beim Fernsehen arbeiten oder in Verlagen. All diese Menschen hätte ich als “normaler” Wissenschaftler nie kennengelernt. Und diese Kontakte haben sich dann als sehr hilfreich erwiesen, als ich mich dann doch entschlossen hatte, aus der Wissenschaft auszusteigen.
Ich kann nicht sagen, ob das Bloggen meiner Karriere als Astronom geschadet hat. Aber meiner Karriere als Wissenschaftsautor hat es definitiv geholfen!
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