Es gibt immer noch unterdurchschnittlich viele Frauen, die sich dafür entscheiden, ein naturwissenschaftliches Studium zu absolvieren. Darum ist es auch verständlich, vernünftig und nicht überraschend, wenn die Europäische Kommission diesen Zustand ändern will und dafür die Aktion “Science: It’s a girls thing” ins Leben gerufen hat. Unverständlich und unvernünftig und ganz und gar bescheuert war allerdings der Trailer, mit dem diese Aktion beworben werden sollte.
In dem knapp eine Minute langen Spot sah man einen ernsthaft am Mikroskop arbeitenden Klischeewissenschaftler (Brille, weißer Kittel), der sich plötzlich mit drei heranmarschierenden Models in High-Heels und kurzen Röcken konfrontiert sieht. Die drei Frauen entstammten allerdings nicht seiner Fantasie, sondern sollten wohl die neue Generation der weiblichen Wissenschaftlerinnen darstellen. Danach folgt jede Menge Rosa, Lippenstifte, Make-Up, bunte Kugeln und blubbernde Flüssigkeiten in Glaskolben. Das sollte wohl offensichtlich die Wissenschaft demonstrieren, die für Mädchen interessant ist.
Schon kurz nach der Veröffentlichung des Spots gab es jede Menge negative Kommentare und Kritik – von allem von Frauen, die in der Wissenschaft arbeiten. Man hat mittlerweile reagiert und das Video entfernt. Man findet es aber trotzdem noch im Internet. Hier zum Beispiel.
Besonders interessant ist die Reaktion der Astronomin Meghan Gray von der Uni Nottingham. Sie spricht ausführlich über das Video, das, was ihrer Meinung daran nicht in Ordnung ist und was man wirklich tun sollte, wenn man Frauen in die Wissenschaft bringen will. Daraus entspinnt sich eine spannende Diskussion:
Ich wiederhole nochmal den für mich relevanten Teil:
“Showing real people doing real science and letting them speak about what they are really passionate about (…) would be a better a better way forward than to again present stereotypes that already come from all other sides of young girls lives.
Why brimming them with more high heels and lipsticks and “you must be beautiful and smart”? Why can’t we just say: Be yourself! Find something you are interested in and enjoy it!”
Exakt. Die perfekte Modelfrau springt einen in der Werbung und dem Fernsehen sowieso ständig an. Die Mädchen haben jetzt schon genug Probleme mit diesen unerreichbaren Vorbildern. Warum muss man ihnen nun auch noch einreden, die Frauen in der Wissenschaft wären ebenfalls alle superkluge Supermodels? (Die Studie von der Meghan sprach, die zeigt, dass so etwas eher abschreckend für Mädchen ist, findet man übrigens hier. Ich hab sie allerdings nicht gelesen und weiß nicht, ob sie gut ist oder nicht).
Natürlich stimmt es, dass die Leute, die das Video kritisieren nicht die Zielgruppe sind. Das sind junge Mädchen. Kann gut sein, dass die beeindruckt sind von Models die auf Stöckelschuhen durchs Labor tanzen. Aber ob das dann dazu führt, dass sie sich mehr für Wissenschaft interessieren? Ich bezweifle das irgendwie.
Wenn man Menschen – egal ob Jungen oder Mädchen – für die Wissenschaft begeistern will, dann muss man ihnen zeigen, warum die Wissenschaft so eine faszinierende Beschäftigung ist. Man muss ihnen zeigen, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machen. Man muss ihnen zeigen welche unbeantworteten Fragen sie beantworten und welche Probleme sie lösen können. Man muss ihnen erzählen, was die Forscher dazu gebracht hat, Forscher zu werden. Dann hat man vielleicht eine Chance, jemanden für die Wissenschaft zu interessieren. Eine Frau im kurzen Rock die vor einer rosa Wand herum tanzt hat damit nichts zu tun.
Offenbar hat die Europäische Kommission eingesehen, dass ihr Video Unfug war. Auf der Homepage findet man nun einen anderen Teaser. Darin erzählt eine Wissenschaftlerin, was sie an ihrem Beruf so faszinierend findet:
Geht doch 😉 Der YouTube-Kanal hat noch 11 weitere Videos dieser Art. Das hier gefällt mir gut (klar, geht ja auch um Astronomie 😉 ):
“It is important to pursue what you really enjoy and not listen to everyone around you. You should just go for it. “
Genau so ist es.
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