Was “Gammablitze” sind, habe ich früher schon mal ausführlich beschrieben (Teil 1, Teil 2). Es handelt sich dabei um die größten bekannten Explosionen im Universum; so hell, dass wir sie noch in fernen Galaxien sehen können und so mächtig, dass dort in wenigen Sekunden die Energie frei wird, die unsere Sonne in ein paar Millionen Jahren freisetzt. Es gibt zwei verschiedene Arten von Gammablitzen. Manche leuchten ein paar Minuten lang auch und manche nur wenige Sekunden. Die langen Blitze entstehen beim Kollaps gigantischer Riesensterne; bei einer sogenannten “Hypernova”. Bei den kurzen Gammablitzen war man sich bis jetzt noch nicht wirklich sicher, wodurch sie entstehen. Wissenschaftler aus Großbritannien, den USA und Dänemark haben nun aber eine Beobachtung gemacht, die das Rätsel lösen könnte. Und auch zur Gefahr, die Gammablitze für die Erde darstellen, gibt es neue Erkenntnisse.

Kurze Gammablitze (“Short Gamma Ray Bursts – SGRBs”) leuchten nur ein oder zwei Sekunden am Himmel auf. Man vermutet, dass sie bei der Kollision zweier extrem dichter Objekte entstehen. Also entweder beim Zusammenstoß von zwei Neutronensternen oder bei der Kollision von einem Neutronenstern und einem schwarzen Loch. Normalerweise ist viel zu viel Platz im Weltall als dass zwei Himmelsobjekte kollidieren können. Das passiert nur in den vergleichsweise dicht besiedelten Planetensystemen aber nicht im interstellaren Raum. Aber die Verursacher der SGRBs sind Teil eines Systems. Sie waren früher mal zwei Sterne eines Doppelsternsystems und als die ihren Brennstoff verbraucht hatten, kollabierten sie zu Neutronensternen bzw. schwarzen Löchern, die sich nun ebenso umkreisten wie vorher die Sterne. Im Laufe der Zeit verlieren sie aber durch die Abstrahlung von Gravitationswellen Energie und kommen sich immer näher. Am Ende stoßen sie zusammen, verschmelzen und erzeugen dabei den gewaltigen Gammablitz. So weit zumindest die Hypothese. Ob sie stimmt, weiß man nicht.

Aber man kann es herausfinden. Die verschmelzenden Neutronensterne erzeugen nämlich nicht nur einen kurzen Gammablitz, sondern sollten bei einer Kollision auch jede Menge schwere und radioaktive Elemente ins All schleudern. Diese Materiewolke umgibt die verschmelzenden Sterne und die zerfallenden radioaktiven Elemente geben Energie ins All ab. Die Wolke leuchtet also einerseits; blockiert aber auch andererseits das “Nachglühen” des Gammablitz. Am Ende erwartet man nach der Kollison zweier Neutronensterne ein schwaches Nachglühen im Infrarotbereich. Das “schwach” bezieht sich hier aber nur auf den Vergleich mit dem Gammablitz selbst; es ist immer noch deutlich heller als eine normale Nova; wenn auch ein wenig schwächer als eine typische Supernova. Die Astronomen haben dieses Phänomen “Kilonova” getauft und kürzlich bei einem Gammablitz beobachtet.

Selbst mit Hubble kaum zu sehen - das Nachglühen des Gammablitz.

Selbst mit Hubble kaum zu sehen – das Nachglühen des Gammablitz.

Es handelt sich um den GRB 130603B der am 3. Juni 2013 in einer weit entfernten Galaxie stattfand. Das Swift-Weltraumteleskop registrierte den Blitz und alarmierte die Wissenschaftler, die sofort diverse andere Teleskope in Position brachten, um sich auf die Sache nach dem Leuchten der Kilonova zu machen. Viel Zeit blieb nicht, denn 3 bis 11 Tage nach dem Gammablitz erreicht die Kilonova den Höhepunkt ihrer Helligkeit. Man kann also nicht den üblichen “Dienstweg” gehen und Beobachtungsanträge stellen, die dann erst nach Monaten genehmigt werden. Zum Glück gibt es für genau solche Fälle meistens ein spezielles Kontingent an Beobachtungszeit, das flexibel und schnell verteilt werden kann. So auch in diesem Fall, wo man den SGRB mit dem Hubble-Weltraumteleskop beobachten konnte (“Smoking Gun or Smoldering Embers? A Possible r-process Kilonova Associated with the Short-Hard GRB 130603B”, “A kilonova associated with short-duration gamma-ray burst 130603B (pdf)”).

Hubble war tatsächlich in der Lage, das Nachglühen der Explosion in der fernen Galaxien auszumachen und das, was man beobachten konnte entsprach in etwa dem, was man erwartet hatte. Es scheint sich tatsächlich um eine Kilonova zu handeln und die Hypothese der kollidierenden Neutronensterne korrekt zu sein.

Wenn es um gigantische Explosionen im Weltall geht, dann stellt sich natürlich die Frage, ob das auch für uns auf der Erde irgendwie gefährlich werden kann. Natürlich – so eine große Menge an Energie die in so kurzer Zeit freigesetzt wird, kann der Erde großen Schaden zu fügen oder sie auch ganz zerstören. Aber nur dann, wenn der GRB in unmittelbarer Nähe stattfindet und damit ist nicht zu rechnen. In unserer näheren kosmischen Nachbarschaft gibt es keine Riesensterne, die zum GRB werden können und auch Neutronensterne hat man dort bis jetzt noch nicht gefunden. Die Sterne bewegen sich allerdings durch die Milchstraße und im Laufe der Jahrmillionen kann sich die Situation durchaus ändern. Wenn die Erde von einem Gammablitz getroffen wird, leidet vor allem die Atmosphäre unseres Planeten. Die starke Strahlung zerstört die Ozonschicht und wenn dann die UV-Strahlung der Sonne ungefiltert auf die Erdoberfläche trifft, hilft auch der stärkste Sonnenschutzfaktor nicht mehr. Wir würden zwar nicht alle sterben – aber die Krebsrate würde sich erhöhen und es würde eine Zeitlang ein wenig ungemütlich werden auf der Erde.

Künstlerische Darstellung eines nahen Gammablitz, dessen Strahlung auf die Erde trifft. In der Atmosphäre entsteht Stickstoffoxid (braun), das die Ozonschicht zerstört (Bild: NASA)

Künstlerische Darstellung eines nahen Gammablitz, dessen Strahlung auf die Erde trifft. In der Atmosphäre entsteht Stickstoffoxid (braun), das die Ozonschicht zerstört (Bild: NASA)

Aber wie gesagt – so etwas wird in den nächsten paar hunderttausend Jahren nicht passieren. Es gibt keine passende Sterne in der Nähe der Erde. Aber trotzdem ist es interessant, sich Gedanken darüber zu machen. Zum Beispiel, um herauszufinden, ob die Erde irgendwann in der Vergangenheit mal von einem Gammablitz getroffen worden ist. Dimitra Atri aus Mumbai in Indien und seine Kollegen haben sich überlegt, ob es neben der zerstörten Ozonschicht noch weitere negative Folgen für Leben auf der Erde geben würde. Denn wenn die hochenergetische Strahlung der GRBs auf die Luftmoleküle der Atmosphäre trifft, passiert im Wesentlichen das, was auch in einem Teilchenbeschleuniger passiert. Teilchen kollidieren bei hohen Geschwindigkeiten und erzeugen dabei neue Teilchen. In diesem Fall sind das vor allem hochenergetische Myonen (eine Art schwerer Verwandter des Elektrons). Wir müssen also nach einem GRB am Erdboden nicht nur mit den UV-Photonen der Sonne rechnen sondern auch mit Myonen-Schauern, die ebenfalls Schaden bei Lebewesen anrichten könnten. Wie groß die Gefahr durch die Myonen wirklich ist, haben Atri und seine Kollegen in ihrer Arbeit “Biological radiation dose from secondary particles in a Milky Way gamma ray burst” untersucht. Sie haben die zu erwartenden Myonen-Schauer am Computer simuliert und kamen zu dem Ergebnis, dass ein Lebewesen auf der Erde mit einer zusätzlichen Strahlenbelastung zwischen 0,11 Mikrosievert und 0,3 Millisievert rechnen muss. Das ist vernachlässigbar gering; erst bei ungefähr einem Sievert leiden Menschen unter einer schwachen Strahlenkrankheit und tödlich wird es erst bei 4 bis 5 Sievert. Wir müssen uns also bei einem Gammablitz “nur” sorgen über die UV-Strahlung der Sonne machen; die Auswirkungen der Teilchenschauer können wir getrost ignorieren.

Aber wie gesagt – es besteht in der Hinsicht sowieso keine Gefahr. In unserer Nähe wird es keinen GRB geben. Aber vielleicht haben die Astronomen ja mal Glück und können mal einen Gammablitz beobachten, der sich zumindest in unserer eigenen Galaxie befindet (das war bis jetzt nur einmal der Fall und der befand sich ganz am anderen Ende der Milchstraße) und nicht immer nur Milliarden Lichtjahre weit weg in anderen Galaxien. Dann könnten wir dieses Phänomen endlich mal vernünftig beobachten und würden sowohl die Entstehung der Gammablitze als auch ihre Konsequenzen besser verstehen können.

Kommentare (22)

  1. #1 Franz
    5. August 2013

    Ich verstehe nicht ganz wie radioaktive Kerne entstehen können , wenn Neutronensterne kollidieren ? Wenn die gesamte Masse nur mehr aus Neutronen besteht, woher kommen die Protonen und Elektronen ?

  2. #2 Kallewirsch
    5. August 2013

    ein Neutronenstern besteht ja nicht zu 100% aus Neutronen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Neutronenstern

    und zum anderen sind freie Neutronen instabil. Sie zerfallen in Protonen und Elektronen (und Antineutrino)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Neutron

  3. #3 Bob
    5. August 2013

    Was würde ich bei einem nahen GRB “erleben” ?

    Wie hell wäre ein naher GRB (im sichtbaren Bereich) und wie lang würde er dauern?
    Könnte man erblinden, wenn man in einen nahen GRB schaut?
    Würde ich den Himmel “brennen” sehen?
    Würde es spürbar wärmer werden?

  4. #4 Swage
    Schwetzingen
    5. August 2013

    Hmm… was ich sowieso fragen wollte und in diesem Zusammenhang ganz gut passt… es gibt ja recht unterschiedliche Angaben bezüglich der Ausrichtung der Rotationsachse von WR104 zur Erde. Ich finde Angaben von 16 bis 40 Grad, wissenschaftliche Arbeiten finde ich dazu aber nur von 2009. Gibt es da irgendwie einen aktuellen Stand mit Quellenangabe mit Unsicherheitsfehlerangabe?

  5. #5 Florian Freistetter
    5. August 2013

    @Bob: Ich bin kein Experte für GRBs. Aber du würdest etwas sehen, was im wesentlichen so aussieht wie eine Supernova. Also einen hellen Punkt am Himmel, der auch am Tag sichtbar ist. Erblinden wird man nicht, “brennen” tut auch nichts und wärmer wirds auch nicht werden…

  6. #6 Florian Freistetter
    5. August 2013

    @Swage: Sorry, da kenn ich leider den aktuellen Stand der Literatur nicht. Ich frag aber die Experten, wenn ich demnächst mal wieder jemanden treffe…

  7. #7 Fau
    5. August 2013

    Gibt es noch empfehlenswerte open access Arbeiten zur Untersuchung ob es evtl Massenextinktionsereignisse o.Ä. durch nahe GRB gab? Solch interpliszinäre Themen find ich hochinteressant ^^

  8. #8 Fau
    5. August 2013

    achja und: wie “nah” müsste denn ein GRB minimum sein, um die komplette Ozonschicht wegzureißen?

  9. #9 Florian Freistetter
    5. August 2013

    @Fau: Naja, das hängt von der Stärke ab. Aber innerhalb ein ~1000 Lichtjahre sollte reichen, denke ich.

  10. #10 Swage
    Schwetzingen
    6. August 2013

    Danke

  11. #11 Nikita
    26. Juli 2014

    Der Artikel gefällt mir. Nicht wie die meißten nach denen man ein horrorgefühl kriegen sollte sondern informativ. Auch nicht wie die, die einfach blödsinn erzählen sondern wissenschaflich orientiert.
    Paar stellen die mir besonders gefallen:
    –Aber trotzdem ist es interessant, sich mal darüber Gedanken zu machen–
    –Aber wie gesagt: das wird sich die nächsten paar hunderttausend Jahre nicht ereignen–
    –Und wir können dieses Ereignis vernünftig beobachten–

  12. […] oder Weltraumobservatorien. Observatorien, wie zum Beispiel den Swift-Satelliten, der nach Gammablitzen sucht und seine Augen nach anderen Phänomenen offen hält, bei denen große Menge an Röntgen- und […]

  13. #13 Jost Jahn
    Nebel
    20. Mai 2015

    Zur Blindheit. Der hellste GRB hatte bisher eine absolute Helligekit von -36 https://de.wikipedia.org/wiki/Gammablitz, die Sonne von +4.8. Rechnet man das in Entfernung um, so wäre dieser GRB so hell wie die Sonne, wenn er 1600 Lichtjahre Entfernung hätte. Da diese Helligkeit nur Sekunden gehalten wird, hat man höchstens ein Miniloch in der Netzhaut, wenn man zufällig da hingeschaut hat. Wäre der GRB aber z.B. nur 100 Lichtjahre entfernt, wäre er etwa 100x heller als die Sonne und da würde man nicht nur Netzhautprobleme bekommen, sondern vermutlich alles leicht brennbare Material anfangen zu brennen oder zumindest schwere Verbrennungen davon tragen, wenn man sich dann im Freien aufhielte.

  14. #14 Siegmund Baumgartner
    Wien
    23. Mai 2015

    Gamma-Blitze (vom Röntgenbereich bis manchmal über den sichtbaren Bereich hinaus) bestehen aus einem konzentrischen Doppelkegel in Achsenrichtung des neu entstandenen, rasch rotierenden Objektes. Kann Jemand dessen Entstehung erklären?

  15. #15 Alderamin
    23. Mai 2015

    @Siegmund Baumgartner

    Ja. Innerhalb des Sterns kollabiert der Kern zu einem schwarzen Loch, um das sich mit rasender Geschwindigkeit eine Akkretionsscheibe aus einfallendem Material dreht. Das Material ist ein Plasma und elektrisch leitend, deswegen entsteht ein Magnetfeld, das geladene Teilchen entlang der Drehachse der Akkretionsscheibe nach außen beschleunigt (sogen. “Jets“). Die Teilchen rammen mit hoher Geschwindigkeit in die umgebende Sternmaterie und dabei entsteht “Bremsstrahlung“, die den großen Teil des ursprünglichen Teilchenimpulses (also auch die Bewegungsrichtung) erhält. Somit geht die Strahlung in Richtung der Jets aus dem Stern heraus.

    So ungefähr stellt man sich das vor.

  16. […] beobachtet. Was man über diese größten bekannten Explosionen im Universum weiß, habe ich früher schon erzählt. Und das man etwas weiß, liegt unter anderem an CGRO. Mit seinen Daten hat man herausgefunden, […]

  17. […] an dieser Aufnahme ist. Das worum es hier geht, liegt noch in der Zukunft. Wir sehen hier einen Gammablitz, noch bevor er […]

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