Diesen Text habe ich im Jahr 2011 anlässlich eines Vortrags bei einer interdisziplinären Konferenz in Tübingen veröffentlicht (“Himmel. Wunschbild und Weltverstaendnis (Editors Ernst Seidl, Philip Aumann, Frank Duerr)”, 2011 ISBN 978-3-9812736-2-5). Er enthält keine wesentlich anderen Argumente zur Frage der Gültigkeit der Astrologie als die, die ich beispielsweise schon hier oder hier publiziert habe. Aber er fasst die Sachlage vergleichsweise kurz und übersichtlich zusammen und der leichteren Verweisbarkeit wegen möchte ich ihn gern auch hier im Blog stehen haben.
Wie untersucht man Astrologie am besten? Man kann ihre Entwicklung aus historischer Sicht betrachten. Man kann die Aussagen der Astrologie aus soziologischer, linguistischer oder statistischer Sicht analysieren und so herausfinden ob sie das leistet, was sie verspricht, nämlich verlässliche, reproduzierbare und nachprüfbare Informationen. Man kann die Grundlagen der Astrologie aus naturwissenschaftlicher bzw. astronomischer Perspektive angehen, um festzustellen, ob sie eine logische Grundlage hat oder nicht.
Zweierlei ist einer derartigen Analyse vorwegzuschicken: Astrologie existiert seit langer Zeit, ist ein sehr komplexes Phänomen und kann daher in einem so kurzen Text auch nur unvollständig betrachtet werden. Weiterhin ist die Frage nach der Berechtigung einer kritischen Hinterfragung der Astrologie zu stellen. Ein Vorwurf, den Astrologen gegenüber Kritikern sehr oft äußern ist folgender: Gerade weil die Astrologie so komplex ist, darf sie von jemandem, der kein Astrologe ist, nicht kritisiert werden. Man müsse sich erst jahrelang mit der Astrologie beschäftigen, sonst sei man als unwissender Laie nicht qualifiziert zu beurteilen, ob Astrologie funktioniert oder nicht. Selbstverständlich sollte man ein wenig Ahnung von dem haben, was man kritisieren möchte. Aber man muss nicht jahrelang als Astrologe gearbeitet haben, um feststellen zu können, ob sie funktionieren kann oder nicht. Man muss ja auch kein KFZ-Mechaniker sein, um zu überprüfen, ob das Auto, das man kaputt in die Werkstatt gebracht hat, danach wieder fahrtüchtig ist. Wiederum gestehen Astrologen ihrem Publikum – das im Allgemeinen keine professionellen Astrologen umfasst – zu, sich ein Urteil über ihre Arbeit bilden. Demgemäß kann man auch an dieser Stelle die Astrologie untersuchen und sogar kritisieren, auch wenn man selbst kein Astrologe ist.
Außerdem wird sich dieser Text ganz bewusst mit der Astrologie auf einem sehr allgemeinem Niveau beschäftigen, für das keine astrologischen Spezialkenntnisse nötig sind. Denn die Astrologie gibt es ohnehin nicht. Wenn man etwa die Horoskope in den Zeitungen und Magazinen kritisiert, dann würden die Astrologen sofort dagegen halten, dass es sich dabei um keine echte Astrologie handle. So haben sich im Dezember 2010 die in der österreichischen Wirtschaftskammer organisierten Astrologen von der astrologischen Prophezeiung konkreter Ereignisse distanziert und diese als „unseriös“1 bezeichnet. Würde man etwa die Astrologie der Hamburger Schule2 in Frage stellen, würden sich die Astrologen anderer Schulen nicht angesprochen fühlen. Die Astrologie ist in sich so zersplittert – und das gilt sowohl für die westlich-abendländische Astrologie als auch für die vielen anderen Systeme, so aus Indien oder China – dass die Kritik an einer einzigen Richtung kaum sinnvoll ist. Astrologen können diese Kritik dann immer mit der Variation eines logischen Fehlschlusses vom Typ „No True Scotsman“3 beantworten: „Was kritisiert wird, ist nicht die wahre Astrologie“. Jeder Astrologe macht sich im Prinzip seine eigene Astrologie.
Das ist dann auch schon das erste, was einen bei der Frage nach der Aussagefähigkeit der Astrologie stutzig machen könnte: Wenn die Astrologie so extrem uneinheitlich ist, wie kann man dann überhaupt zu verlässlichem Wissen gelangen? Genau an diesem Punkt will die Erklärung ansetzen: Die Astrologie ist nicht nur in ihrer aktuellen Ausprägung gänzlich heterogen. Schon ihre grundlegenden Annahmen und Aussagen, die allen astrologischen Richtungen gemeinsam sind, sind in sich völlig inkonsistent.
Grundlage jeder Astrologie ist die Behauptung, es gebe einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen den Objekten am Himmel und dem Leben oder dem Schicksal der Menschen. Damit ist nicht unbedingt eine konkrete Kraft gemeint, die Sterne oder Planeten auf Menschen ausüben. Manche Astrologen vertreten zwar auch diese Meinung4 aber da sich relativ leicht beweisen lässt, dass keine der bekannten Kräfte – und auch keine unbekannte Kraft – in der Lage wäre, das von der Astrologie Verlangte zu leisten, ziehen sich viele Astrologen auf den Standpunkt zurück, dass die Dinge am Himmel nur eine Art Metapher für die Vorgänge am Erdboden sind: „Wie oben, so auch unten“. Zwischen Himmel und Erde herrsche eine gewisse Synchronizität, weswegen man das Schicksal der Menschen auch an den Sternen und Planeten ablesen könne.
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