Der internationale Asteroid Day rückt näher – und bevor es am 30. Juni wieder so weit ist, lohnt es sich, nochmal zu schauen, was die aktuelle Forschung zu diesen Himmelskörpern zu sagen hat. Wenig überraschend: Sehr viel und sehr viel cooles! Nehmen wir den Asteroid mit dem schönen Namen 2004 EW95. Der wurde am 14. März (Hey! Der Pi-Tag!) 2004 am Kitt Peak Observatorium in den USA entdeckt. Das Ding hat einen Durchmesser von 291 Kilometer – ist also ein ordentlicher Brocken. Er ist außerdem auch ordentlich weit entfernt: Er befindet sich dort, wo sich auch Pluto befindet; mitten im Kuiper-Asteroidengürtel, der sich im äußeren Sonnensystem hinter der Bahn des Neptun erstreckt. Das ist gut so, denn wo sonst sollten Asteroiden sein, wenn nicht in einem Asteroidengürtel? Asteroiden sind aber nicht einfach nur irgendwelche Felsbrocken. Asteroiden sind vielfältig. Asteroiden haben Eigenschaften in denen sie sich unterscheiden. Und diese Eigenschaften hängen unter anderem davon ab, wo sie entstanden sind und was ihnen im Laufe ihres langen Lebens alles passiert ist. Und 2004 EW95 hat offensichtlich ein sehr aufregendes Leben gehabt!

Künstlerische Darstellung von 2004 EW95 (Bild: ESO/M. Kornmesser)

Künstlerische Darstellung von 2004 EW95 (Bild: ESO/M. Kornmesser)

Als er vor 14 Jahren entdeckt wurde, war er für die Astronomen vorerst nur ein weiterer Lichtpunkt am Himmel; einer von mehr als einer halben Millionen bekannter Asteroiden, die durchs Sonnensystem sausen. Man kannte seine Umlaufbahn und seine ungefähre Größe, aber noch nicht viel mehr. Das hat sich geändert nachdem die großen Teleskope der Europäischen Südsternwarte einen detaillierten Blick auf den Himmelskörper geworfen haben. Tom Seccull von der Universität Belfast und seine Kollegen haben das 8-Meter-Teleskop der Sternwarte auf 2004 EW95 gerichtet um mehr über seine Zusammensetzung herauszufinden (“2004 EW95: A phyllosilicate bearing carbonaceous asteroid in the Kuiper Belt”). Das geht, wenn man das vom Asteroid reflektierte Sonnenlicht in seine Bestandteile aufspaltet. Je nach Zusammensetzung werden manche Teile des Lichts besser oder schlechter reflektiert und wenn man die Beobachtung mit im Labor durchgeführten Messungen vergleicht, kann man daraus ableiten, aus was für einem Material er besteht.

So haben Seccull und seine Kollegen herausgefunden, dass es sich um einen C-Typ-Asteroid handelt. Das ist erst einmal nicht außergewöhnlich für einen Asteroid. Die meisten bekannten Asteroiden sind solche “kohlenstoffreichen Asteroiden”. Wie der Name sagt, bestehen sie aus Gestein, dem viel Kohlenstoff beigemischt ist. Das, was 2004 EW95 so besonders macht, ist die Tatsache, dass man solche Asteroiden eigentlich im Hauptgürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter findet. Im Kuipergürtel haben die Dinger eigentlich nichts zu suchen. Noch interessanter wird die Sache, wenn man sich die Details der Beobachtungen anschaut. Seccull und seine Kollegen haben Hinweise auf die Existenz von Eisenoxid und sogenannte Phyllosilikate gefunden. Die werden auch Schichtsilikate genannt und sie entstehen, wenn das Gestein irgendwann im Laufe der Zeit von flüssigem Wasser beeinflusst und verändert worden ist. Wo aber kriegt man im eisigen Kuipergürtel, hinter der Bahn des Neptuns, flüssiges Wasser her?

Lizardit, ein Schichtsilikat (aber nicht das, das auf dem Asteroid gefunden wurde). (Bild: John Krygier, Public Domain)

Lizardit, ein Schichtsilikat (aber nicht das, das auf dem Asteroid gefunden wurde). (Bild: John Krygier, Public Domain)

Gar nicht – und das bedeutet, dass 2004 EW95 anderswo im Sonnensystem entstanden sein muss. Viel näher an der Sonne und von dort muss er irgendwie auf seine aktuelle Umlaufbahn gelangt sein. Und damit sind wir mitten drin im chaotischen jungen Sonnensystem. Heute geht es bei uns ja recht gesittet zu. Die acht Planeten ziehen ihre Runden um die Sonne, kommen sich nicht in die Quere und bleiben im wesentlichen dort wo sie sind. Ab und zu schert ein Asteroid aus der Reihe und kollidiert mit einem der Planeten, aber das war es auch schon an Unordnung. Früher dagegen war alles viel hektischer und chaotischer. Es gab viel mehr Asteroiden als heute – die Asteroiden sind ja das ursprüngliche Material aus dem die Planeten erst entstanden sind – und all die Begegnungen zwischen Asteroiden und jungen Planeten blieben nicht ohne Folgen. Die Planeten wanderten durch das Sonnensystem. Das nennt man “planetare Migration” und ich habe schon früher mehr davon erzählt. Dank ausführlicher Computersimulationen hat man mittlerweile ein ziemlich genaues Bild von dem, was da abgelaufen sein muss. Im sogenannten Nizza-Modell wird beschrieben, wie Saturn, Uranus und Neptun im jungen Sonnensystem ihre Umlaufbahnen vergrößert haben, während Jupiter ein wenig näher an die Sonne gerückt ist.

Zum Nizza-Modell gibt es aber auch eine Art Prequel und das nennt sich “Grand-Tack-Modell”: Jupiter, der größte Planet des Sonnensystems war auch schon der Planet mit der meisten Masse, als die Planeten gerade erst entstanden sind. Oder anders gesagt: Jupiter war schon ein ernstzunehmender Himmelskörper, als die restlichen Planeten noch gar nicht vernünftig entstanden waren. Damals war die Sonne noch von der großen Scheibe aus Gas und Staub umgeben, aus der Asteroiden und Planeten entstanden sind. Die Wechselwirkung zwischen Proto-Jupiter und Scheibe hat dazu geführt, dass er sehr nahe an die Sonne heran gerückt ist. Er kam bis dahin, wo sich heute der Mars befindet und hat dabei dem inneren Sonnensystem jede Menge Baumaterial aus der Scheibe geklaut. Das erklärt unter anderem die geringe Masse des Mars. Und nach seinem Ausflug in das innere Sonnensystem wanderte Jupiter, jetzt gemeinsam mit den anderen großen Planeten, wieder weiter hinaus bis alle dort angekommen waren, wo wir sie heute beobachten.

Tack (Symboldbild ;) ) (Bild: D.Farr, Public Domain)

Tack (Symboldbild 😉 ) (Bild: D.Farr, Public Domain)

Bei dieser planetaren Wanderung wurden natürlich auch die Asteroiden ordentlich durchgerüttelt. Das Grand-Tack-Modell sagt voraus, dass viele Asteroiden die sich nahe an der Sonne gebildet haben – also hauptsächlich Asteroiden vom C-Typ – durch den gravitativen Einfluss des Jupiters weiter nach außen geschleudert worden sind. Vor allem in die äußeren Bereiche des Hauptgürtels der sich zwischen den heutigen Umlaufbahnen von Mars und Jupiter befindet und genau dort beobachten wir auch die große Mehrheit an C-Typ-Asteroiden. Das Modell sagt aber auch voraus, dass einige C-Typ-Asteroiden noch viel weiter, bis hinter die Bahn des Neptun abgelenkt werden. Dort also, wo wir nun 2004 EW95 entdeckt haben.

Ein einziger Asteroid macht aber natürlich noch keine Theorie. Die Anwesenheit von 2004 EW95 mit seinen Schichtsilikaten ist kein zwingender Belege für die Korrektheit der Grand-Tack-Hypothese. Aber es passt wunderbar zu den Vorhersagen des Modells und es ist absolut plausibel, dass das Chaos im jungen Sonnensystem Himmelskörper an Orte bringt, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Wir werden nicht umhin kommen, die Asteroiden im Sonnensystem intensiver und genauer als bisher zu erforschen. Wir müssen nicht nur mehr von ihnen beobachten sondern sie vor allem auch aus der Nähe beobachten. Wir müssen sie besuchen, sie umkreisen, auf ihnen landen und Proben nehmen. Nicht nur die relativ leicht erreichbaren erdnahen Asteroiden und diejenigen im Hauptgürtel. Sondern auch die im fernen Kuipergürtel. Dort, hinter der Bahn des Neptun, warten die Informationen, die wir brauchen, um die Entstehung des Sonnensystems zu entschlüsseln!

Kommentare (38)

  1. #1 stephan
    22. Mai 2018

    Schichtsilikate sind Erosionsgesteine. Sie entstehen dort, wo es eine Atmosphäre, Wasser, Jahreszeiten und die entsprechende Gravitation gibt. Der Asteroid war also mal oberflächennaher und im Wasser befindlicher Teil eines ausgewachsenen und “lebendigen” Planeten.

  2. #2 Captain E.
    22. Mai 2018

    @stephan:

    Wann und in welchem Abstand von der Sonne könnte das aber gewesen sein? Auf der Erde hat es ziemlich lange kein flüssiges Wasser gegeben, weil es einfach noch viel zu heiß gewesen ist. Also ein kleinerer (Proto-) Planet in größerem Abstand, der sich schneller abkühlen konnte? Einer jener (wie Theia), die später mit größeren kollidiert sind?

  3. #3 stephan
    22. Mai 2018

    @Captain

    Es kann nur im habitablen Abstand gewesen sein. Mir fällt da immer der (angebliche) Phaeton ein.
    Aber- für die Beantwortung dieser Fragen ist FF zuständig. )

  4. #4 Captain E.
    22. Mai 2018

    @stephan:

    Der oder Alderamin!

    Die habitable Zone muss es aber nicht notwendigerweise gewesen sein. Auch dieser Himmelskörper dürfte durch die Art seiner Entstehung heiß gewesen sein, und weiter draußen könnte er schnell genug abgekühlt sein, um flüssiges Wasser zuzulassen. Womöglich hätten sich sonst diese Schichtsilikate gar nicht bilden können, bevor er mit irgendetwas anderem kollidiert ist.

  5. #5 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @stephan: “Der Asteroid war also mal oberflächennaher und im Wasser befindlicher Teil eines ausgewachsenen und “lebendigen” Planeten.”

    Ich bin nicht sicher, ob man diese Aussage in dieser Deutlichkeit wirklich so treffen kann. Im paper steht das jedenfalls nicht…

  6. #6 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @stephan: “Mir fällt da immer der (angebliche) Phaeton ein.”

    Den hat es definitiv nie gegeben…

  7. #7 stephan
    22. Mai 2018

    @Captain
    Nochmal: zur Bildung von Schichtsilikaten (Ton ist z.B. ein Schichtsilikat) sind Atmosphäre, Regen und Jahreszeiten, idealerweise mit Frost, erforderlich. Und eine nicht kleine Gravitation.
    Ich habe keine Ahnung, ob es denkbar ist, daß es einen solchen zusätzlichen Planeten im Sonnensystem gegeben haben könnte.
    Sogar Leben wäre auf ihm möglich gewesen.

  8. #8 Bullet
    22. Mai 2018

    @stephan: Vorsicht.

    Der Asteroid war also mal oberflächennaher

    Warum?

    und im Wasser befindlicher

    Ja.

    Teil eines ausgewachsenen

    Warum?

    und “lebendigen”

    Warum?

    Planeten.

    Warum?

  9. #9 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @stephan: “Sogar Leben wäre auf ihm möglich gewesen.”

    Diese Schlussfolgerung aus der Beobachtung dieses Asteroiden zu ziehen halte ich definitiv für unzulässig! Hast du denn irgendeine Quelle, aus der hervorgeht, dass man Phyllosilikate auf nem Asteroiden AUSSCHLIESSLICH bekommt, wenn dieser Asteroid Teil der Oberfläche eines habitablen Planeten war? Wie gesagt – im paper steht nichts davon und wenn das so wäre, hätte man das dort sicherlich erwähnt.

  10. #10 Captain E.
    22. Mai 2018

    @stephan:

    Nochmal: zur Bildung von Schichtsilikaten (Ton ist z.B. ein Schichtsilikat) sind Atmosphäre, Regen und Jahreszeiten, idealerweise mit Frost, erforderlich. Und eine nicht kleine Gravitation.
    Ich habe keine Ahnung, ob es denkbar ist, daß es einen solchen zusätzlichen Planeten im Sonnensystem gegeben haben könnte.
    Sogar Leben wäre auf ihm möglich gewesen.

    Ich denke, das hatten wir so in etwa verstanden gehabt. Und ich hatte schon geschrieben, dass ein Planet wie Theia, dessen Kollision mit der Ur-Erde zur Bildung des Mondes geführt haben soll, ei brauchbarer Kandidat sein könnte.

    Was sind denn die Bedingungen?

    Es muss sehr früh geschehen sein, da die Phase der Kollisionen von Planeten und Protoplaneten schon seit Milliarden von Jahren vorüber ist. Der Planet wird sich aber auch erst durch Anlagerung und später durch Kollisionen mit kleineren Objekten gebildet haben. Das wird ihn aufgeheizt haben. Er muss also in der Zeit, als er bereits eine hinreichende Größe (wegen der nötigen Gravitation) gehabt hat, soweit abgekühlt haben, dass sich flüssiges Wasser bilden konnte. Meine Vermutung ist daher, dass er nicht allzu groß gewesen ist und sich relativ weit draußen befunden hat. Theia wird es nicht gewesen sein, weil sie zu nah an der Sonne gekreist ist, aber ein vergleichbarer Himmelskörper, so in der Größe des Mars, auf dem es bekanntlich auch einst flüssiges Wasser gegeben hat. Bevor das Wasser aber verdampfen konnte, muss der Planet mit irgendetwas kollidiert sein, vielleicht Saturn oder Jupiter. Diese kurze Zeitspanne mit flüssigem Wasser hat vielleicht nur wenige tausend Jahre betragen.

    Leben hat es also auf diesem Planeten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach nie gegeben.

  11. #11 stephan
    22. Mai 2018

    @ FF

    Das Thema wird interessant. Vielleicht führt es zur Aufklärung der Entstehung des Asteroidengürtels ?!?!
    Mir fällt noch etwas wesentliches zur Bildung von Schichtsilikaten ein: auch großer Druck und Hitze sind dafür erforderlich.

  12. #12 Alderamin
    22. Mai 2018

    Ich hab’ jetzt keine Ahnung von Schichtsilikaten, aber flüssiges Wasser gibt’s an vielen Stellen im Sonnensystem, sogar innerhalb von Pluto wird welches vermutet. Meistens ist eine dicke Eiskruste oben drüber. Ceres, der größte Asteroid, setzt Salz im Occator-Krater frei, da muss wohl auch flüssiges Wasser unter der Oberfläche blubbern.

    Warum braucht es Regen und Erosion? Welche Reaktionen laufen denn dabei ab, die ansonsten nicht möglich sein sollen? Hohen Druck und hohe Temperatur gab’s in allen Himmelskörpern im frühen Sonnensystem. Erosion nur auf wenigen, ganz großen.

  13. #13 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @stephan: “Vielleicht führt es zur Aufklärung der Entstehung des Asteroidengürtels ?!?!”

    Was muss da geklärt werden? Wir wissen, wie der Asteroidengürtel entstanden ist. Und wie er NICHT entstanden ist: Nämlich durch das Auseinanderbrechen eines Planeten… Das ist DEFINITIV wiederlegt und nicht möglich (dafür reicht auch die Masse des Asteroidengürtels nicht). Ich weiß nicht, wo du deine Behauptungen her nimmst. Bist du Geologe oder Planetologe bzw. hast irgendwelche papers, aus denen das stammt? Ich frage, weil mich das wirklich interessiert – denn wenn dieser C-Typ-Asteroid ein Beweis für die Existenz eines nicht mehr vorhandenen habitablen Planeten im Sonnensystem wäre, dann hätte das sicher einer der an der Arbeit beteiligten Forscher erwähnt. Haben sie aber nicht. Weswegen ich davon ausgehe, dass es eben nicht ganz so ist, wie du es darstellst.

  14. #14 Captain E.
    22. Mai 2018

    Rückfrage: Die Prämisse von stephan, dass eine hinreichende Gravitation zur Bildung der Schichtsilikate notwendig wäre, trifft demnach nicht zu?

  15. #15 stephan
    22. Mai 2018

    @FF et all.
    Ich gehe von den Bedingungen auf der Erde aus. Erosion wird benötigt, um Teile aus dem Gesteinsverband zu lösen, Jahreszeiten werden benötigt, um abwechselnd größere und kleine Teile zu erzeugen, die dann mittels Wasser jahreszeitenweise in Schichten in Senken abgelagert werden. Die abgelagerten Schichten werden durch Druck und Hitze verfestigt und “verbacken”, so daß sie einen neuen Gesteinsverband, ein neues Gestein bilden. Ob ohne Wasser, nur durch Hitze(Sonnen)- und eventuell Winderosion (bei Vorhandensein einer Atmosphäre) jahreszeitenabhängige nach Korngrößen differenzierte Schichtungen entstehen können, hab ich noch nicht gehört, hat vielleicht eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent, keine Ahnung. Aber im Artikel schreibt FF ja selbst, daß Entstehung und Vorkommen von Schichtsilikaten an Wasser gebunden sind. Demnach wäre der Ort, wo dieser Brocken entstand, ein habitabler.
    Ob es andere Mechanismen zur Bildung von Schichtsilikaten als die von mir geschilderten gibt, weiß ich nicht und erscheint mir unwahrscheinlich. Ich laß mich nstürlich gern belehren !
    Daß beim Auftreten des Begriffes ” Schichtsilikat” sofort Gedanken in Richtung der meinigen erweckt werden, liegt auf der Hand.
    Warum die Autoren des Papers dies alles nicht ansprechen, wissen nur sie.

  16. #16 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @stephan: “Ob es andere Mechanismen zur Bildung von Schichtsilikaten als die von mir geschilderten gibt, weiß ich nicht und erscheint mir unwahrscheinlich.”

    Ok. Nur weil du keine anderen Mechanismen kennst, heißt das aber nicht, dass es sie nicht gibt. Oder bist du Geologe o.ä. und kennst alle Alternativen?
    Und wie Alderamin schon sagte: Wasser gibt es überall. Asteroiden sind voll davon. Kometen ebenso. Monde. Etc. Das Zeugs gibts überall. Nicht nur auf habitablen Planeten mit Jahreszeiten. Und insbesondere gibt es Wasser auf Asteroiden, die in die Nähe der Sonne kommen. Wie im paper beschrieben.

    “Warum die Autoren des Papers dies alles nicht ansprechen, wissen nur sie.”

    Vielleicht weil es Unsinn ist, aus dieser Beobachtung die Existenz eines habitablen Planeten zu konstruieren?

  17. #17 Stephan
    22. Mai 2018

    #16
    Nein, es ist nicht Unsinn!
    Und ja, ich bin Geologe. Das ist aber nicht wichtig. Wichtig und traurig ist, daß ich Argumente gebracht habe, die einfach übergangen und sogar als Unsinn bezeichnet werden.
    Daß es Wasser “überall” im Weltraum gibt, ist mir durchaus bewußt und das bereits seit einer gewissen Anzahl von Jahrzehnten. Es geht hier aber nicht primär um Wasser, sondern um Schichtsilikate.
    Die Anwesenheit von Schichtsilikaten suggeriert nicht nur einfache Anwesenheit von Wasser wie “überall”, sondern Anwesenheit von fließendem Wasser, Flüssen, größeren Seen oder gar Meeren sowie von Jahreszeiten, also Temperaturen ähnlich der unseren, also potente Gravitation einschließlich Atmosphäre.
    Alles Hinweise für habitable Bedingungen.(ich habe im übrigen mit keiner Silbe angedeutet, daß ich jemandem einreden will, dieser Asteroid sei Teil einer mit Leben ausgestatteten Welt gewesen und insofern Hoheitsrechte in der Beschreibung der Welt verletzen möchte ! Ich bin auch kein Nibiriuaner oder Däkenist oder oder oder. Blöd, daß ich das hier explizit ausführen muß.)
    Falls ich Unrecht habe, bitte meine Gedanken widerlegen und dies begründen.
    Was sagt das Paper über die Natur der Schichtsilikate aus ? Falls es bspw. Glimmer sind, sind zu ihrer Bildung Hitze und Druck erforderlich, wo kommen sie her ? Auf der Erde entstehen sie durch Kontinentaldrift/Magmatismus/Geosynklinalbildungen. Falls es Tone sind, ist dies u. U. nicht nötig.
    Da ich kein Astrogeologe bin, weiß ich nicht, ob und wie sich unter den Bedingungen des Weltraumes Teile von 300 km Größe bilden können, die aus Schichtsilikaten aufgebaut sind. Wer es weiß, möge es uns mitteilen.

  18. #18 Folke Kelm
    22. Mai 2018

    So, dann lasst mal den Geologen ran.
    Schichtsilikate bilden sich nicht nur durch Hydrolyse und Verwitterung. Es gibt eine Menge Schichtsilikate die auch unter ganz anderen Bedingungen gebildet werden, die ganzen Glimmer gehören dazu. Jedes Mineral hat da seine eigenen Bedingungen unter denen es stabil ist.
    Dann ist da auch noch die Frage aus was sich hier Schichtsilikate bilden. Gehen wir einfach mal davon aus, dass eine Menge des Materiales in den Asteroiden primär nicht kristallin ist sondern als Glas vorliegt. Davon können wir ausgehen, wenn wir bedenken, wie wild es da zugegangen ist, mit Kollisionen Aufschmelzungen, Schockabkühlungen und so weiter.
    DAS ist das Materiel, aus dem wir auch unter den schrägsten Bedingungen, ohne Gezeiten, ohne flüssiges Wasser, nur mit dem Zeugs in Poren und Klüften, Schichtsilikate bilden können. Unter kalten Bedingungen wie unter warmen Bedingungen. Die Temperatur steuert hier nur die Zeit die zur Entstehung benötigt wird (da haben wir viel) und die Kristallgrösse.
    Schichtsilikate bilden sich überall, wo ich Material habe welches glasig ist (also nicht kristallin) und wo ich Wasser habe. Solange wir nicht wissen, welche Schichtsilikate da nun genau gemeint sind, können wir ruhig davon ausgehen dass sie genausoviel aussagen wie die Schichtsilikate im inneren von Vulkankegeln, glasig, wasser…Schichtsilikat. Wenn jetzt einer kommt und sagt es wäre Glaukonit….ja dann, dann wärs ein tropischer Lagunenstrand….

  19. #19 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @Stephan: “Wichtig und traurig ist, daß ich Argumente gebracht habe, die einfach übergangen und sogar als Unsinn bezeichnet werden.”

    Ich hab dich mehrmals gebeten, mir Quellen zu nennen und Literatur wo ich das nachlesen kann. Ich weiß nicht, warum du das nicht gemacht hast. Aber deine Aussage erscheint mir einfach zu mächtig, um sie einfach so zu glauben. Wenn du sagst, die Beobachtung von Schichtsilikate erfordert ZWINGEND die Existenz eines (zerstörten) Planeten mit habitablen Bedingungen, dann möchte ich das gerne belegt haben. U.a. weil mich das sehr interessieren würde.

    “Unsinn” ist auf jeden Fall die Sache mit Phaeton oder die Hypothese, der Asteroidengürtel wäre der Überrest eines ehemaligen Planeten. Wenn du da Details wissen willst, dann kann ich dir gerne mehr erzählen.

    “Was sagt das Paper über die Natur der Schichtsilikate aus ?”

    Ich hab den Volltext im Artikel verlinkt. In den Conclusions dort steht: “The presence of a phyllosilicate feature indicates that 2004 EW95 has been subjected to significant heating, either radiogenic (McAdam et al. 2015), from a very large single collision or extensive collisional bombardment (Rubin 1995; McKinnon 2002), or via solar irradiation. The striking similarity between 2004 EW95 and certain C-type asteroids points to the plausible idea that 2004 EW95 shares a common origin with these objects. Taken together, the spectroscopic similarity to C-type asteroids and the orbital properties of 2004 EW95 are consistent with the idea that this object may have formed near Jupiter amongst the primordial C-type asteroids (Walsh et al. 2011) and was subsequently emplaced into the Kuiper Belt by the migrating planets.”

    Der Asteroid enthält also, wie alle anderen Asteroiden, jede Menge Wasser (das hat man auch nachgewiesen). Und muss im Laufe seines Lebens aufgeheizt worden sein.

    “ob und wie sich unter den Bedingungen des Weltraumes Teile von 300 km Größe bilden können, die aus Schichtsilikaten aufgebaut sind.”

    Oha – nirgendwo hab ich gesagt, dass das GANZE Ding aus Schichtsilikaten besteht. Nur das es die dort gibt. Mit Sicherheit besteht der Asteroid NICHT komplett aus Schichtsilikaten!

  20. #20 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @Stephan: Was hältst du von der Idee, den Autoren des Artikels ne Mail zu schreiben? Die sind selbst ja auch keine Geologen. Und finden das, was du sagst, eventuell sehr interessant. Vielleicht ergibt sich daraus eine interessante Kooperation und mich würde sehr interessieren, was da raus kommt.

  21. #21 Dieter
    Cabarete
    22. Mai 2018

    @ Florian
    o.T. zu deiner Serie Sternengeschichten

    Folge 146: Kugel oder Scheibe – Welche Form hat die Erde? verweist auf: Folge 145: Die Hundstage

    Folge 164: Asteroseismologie verweist auf: Folge 161: Die Gezeiten

    Folge 287: Der Virgo-Galaxienhaufen und
    Folge 288: John Tyndall sind nicht auffindbar.

    wäre schön wenn du die Links korrigieren lassen könntest.
    Danke

  22. #22 Folke Kelm
    22. Mai 2018

    Ui, Geosynklinalbildung hab ich schon lange nicht mehr gehört., die ist noch diskutiert worden zu meiner Zeit, mittlerweile aber megaout.
    Stefan, Deine Vorstellung zur Schichtsilikatbildung ist zu eng, die bilden sich auch unter schrägen Bedingungen, vor allem musst Du davon ausgehen, dass wir hier die Bedingungen der Bildung nur bedingt rekonstruieren können, weil wir nicht wissen WAS für Schichtsilikate gemeint sind, dass Du aber aus amorphem Material und Eis bei Temperaturen von saukalt auch Schicktsilikate bekommst kann man experimentell nachprüfen.

  23. #23 PDP10
    22. Mai 2018

    So, dann lasst mal den Geologen ran.

    Ich wollte schon hier rein schreiben: “Wo isn der Folke, wenn man ihn mal braucht …” ;-).

  24. #24 Folke Kelm
    22. Mai 2018

    ich bin ja nicht soooo oft hier dass ich das direkt sehe. ich hab übrigens noch was schönes gefunden
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0016703716302319?via%3Dihub
    Schichtsilikate sind wohl recht normal da oben.

  25. #25 Folke Kelm
    22. Mai 2018

    Amorphous silicates occur in the matrices and fine-grained rims of Y-791198 and Paris, but almost all chondrules in the three meteorites contain phyllosilicates that formed by aqueous alteration of an original glass-dominated mesostasis (Richardson, 1981). Therefore even Y-791198, QUE 97990 and Paris do not preserve the full spectrum of the most reactive and ephemeral nebular components.
    da sieht man mal, ich hatte das auch noch dunkel in erinnerung dass die Chondriten eigentlich immer Schichtsilikate enthalten

  26. #26 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @Dieter: “wäre schön wenn du die Links korrigieren lassen könntest.”

    Das ist keine Firma hier und ich hab keine Angestellten 😉 Alles was hier passiert, muss ich selbst machen. Folge 146 und 164 korrigiere ich. Folgen 287 und 288 erscheinen erst in 2 Wochen – kann sein, dass die Folgen jetzt schon in der Liste stehen, weil ich sie schon vorbereitet habe (d.h. die Transkriptionen im Blog erscheinen dann erst in Zukunft; die Links zu den Podcast-mp3s sollten aber sogar schon funktionieren)

  27. #27 Florian Freistetter
    22. Mai 2018

    @Folke: Danke für die Aufklärung. Geologie ist zwar enorm cool, aber ich selbst weiß leider viel zu wenig darüber, um hier entscheiden zu können, was Sache ist und was nicht.

  28. #28 Folke Kelm
    22. Mai 2018

    @FF
    Da hast du ja im Prinzip deine Leser für. Und was da steht ist ja im prinzip nix neues. Schichtsilikate sind häufig. ich kann mich entsinnen dass wir nebenbei mal Chondrite durch die Röntgendiffraktometrie gejagt haben zwecks quantitativer Mineralanalyse.

  29. #29 Captain E.
    23. Mai 2018

    @Florian Freistetter:

    Danke für die Aufklärung. Geologie ist zwar enorm cool, aber ich selbst weiß leider viel zu wenig darüber, um hier entscheiden zu können, was Sache ist und was nicht.

    Ja, die Geologie! In einer Zeit, als sich die Geologie (und verwandte Bereiche wie Mineralogie und Geophysik) wie auch Physik und Astronomie gerade dabei waren, sich zu dem zu entwickeln, was sie heute sind, haben die Geologen den Physikern ganz kräftig widersprochen – und recht behalten! Waren die Physiker der Meinung, die Sonne könne ihre Energie durch simple Kontraktion gewinnen und somit unvorstellbare 20 Millionen Jahre (oder zumindest etwas in der Größenordnung) alt sein, waren die Geologen bereits der Meinung, dass die Erde wesentlich älter sein müsse, und zwar mehrere Milliarden Jahre, und somit logischerweise die Sonne ebenfalls.

    Wir wissen alle, wie die Sache am Ende ausgegangen ist.

  30. #30 Folke Kelm
    23. Mai 2018

    Captain,

    Die Geologie hat sich aber nicht immer mit Ruhm bekleckert. Im grossen und ganzen war die Geologie bis in die 80er Jahre hinein eine beschreibende Wissenschaft. Wir haben auf die Erdoberfläche geguckt, und manchmal auch ein paar tausend meter reingepiekst und haben dann einfach interpretiert. Mit den Chemikern und Physikern haben die Geologen oft nur ungern gesprochen. Man kann also sagen, dass die Geologen sich ihr eigenes Süppchen gekocht haben, und manche haben sich extrem schwer getan da aus ihrem Stübchen herauszukommen (manche sind sogar immer noch drin)
    In den 80ern und vor allem den 90ern gabs dann einen Umbruch, mehr zu den klassischen Naturwissenschaften hin, und zum experimentellen. Das hat sich auch in den Studienordnungen niedergeschlagen. Meine enthielt noch keine Mathematik. Keiner meiner Profs hatte von Differentialrechnung oder Integralrechnung irgendeine Ahnung, nur die jungen, die dann kamen sprachen auf einmal von Modellierung, Linienintegralen zur Strömungsberechnung und so weiter.
    Heute ist das ganze obligatorisch, die Grenze zur Geophysik und Geochemie verschwimmt. Der Sprung, den die Geologie methodisch gemacht hat ist enorm.

  31. #31 Captain E.
    23. Mai 2018

    @Folke Kelm:

    Welche Wissenschaft hatte nicht solche Phasen, derer man heute nur noch mit Scham gedenkt?

    Aber dass sich die Geowissenschaften erst seit etwa 30 Jahren ernsthaft mit Mathematik beschäftigen, ist schon krass. An meiner Universität teilten sich die GMGs (und wohl auch die Geographie) mit der Mathematik sogar ein Gebäude, was aber nicht heißen muss, dass es damals schon einen Austausch gab.

  32. #32 Folke Kelm
    23. Mai 2018

    Ansätze dazu sich mit den Mathematischen Grundlagen von Modellierung zu beschäftigen gabs schon früher, allerdings hat das lange gebraucht wirklich durchzuschlagen. Genauso hat der Austausch mit der Geophysik und Geochemie erst in den 90ern zu einem ausserordentlichen Fortschritt geführt. Nimmst Du das heutige Geologiestudium und das vor 30 Jahren kennst du nicht mehr vieles wieder.
    Wie langsam sich Erkenntnisse in beschreibenden Wissenschaften durchsetzen siehst Du an Wegener. ich hab 1989 auf einem Kongress noch einen Geologen getroffen, der Plattentektonik kategorisch abgelehnt hat. Stefan hat ebenfalls noch die Geosynklinaltheorie erwähnt, die zu meiner Zeit noch von einem Prof. gelehrt wurde. In unserer “Bibel” waren Alternativen zur Plattentektonik wie Kontraktionshypothese, Expansionshypothese usw. noch durchaus diskussionswürdig erwähnt, und das Buch ist von 1981.
    Mathematik für Naturwissenschaftler wurde an meinem Institut erst mit der Reform der Studienordnung 1990 obligatorisch, da hatte ich aber schon mein Diplom (mit Mathe.).

  33. #33 Dieter
    Cabarete
    24. Mai 2018

    @Florian
    Danke für die schnelle Antwort. Das “lassen” hatte ich zuletzt noch eingefügt, man weiß ja nie…
    Dieter

  34. #34 Dieter
    Cabarete
    24. Mai 2018

    @Florian
    o.T. Ich schon wieder, Sternengeschichten Torrent-Link 117 verzweigt zu 177.
    Gibt es einen andern Link für so etwas um hier nicht zu stören ?

  35. #35 Rolf Grube
    Berlin
    25. Mai 2018

    Hallo zusammen,
    die Diskussion hier im Kopf bin ich über die Süddeutsche („Wie das Wasser auf die Erde kam“) bei folgendem Artikel gelandet:
    The delivery of water by impacts from planetary accretion to present

    R. Terik Daly*,† and Peter H. Schultz
    erschienen in Science Advanced April 2018. Hier wurde Bimsstein mit Antigorit beschossen. Dabei sind unter anderem Schichtsilikate entstanden.

    LG
    R. Grube

  36. #36 René
    30. Mai 2018

    @Captain @Folke…
    Ach daher kommt die ganze Anspielung in BBT (Big Bang Theorie) von Sheldon, der immer rumposaunt, dass Geologie keine richtige Wissenschaft sei. Es gibt also wirklich gewisse Antiphatien zwischen Physikern und Geologen 😉

  37. #37 Captain E.
    30. Mai 2018

    @René:

    Das mag so sein, aber was macht dann eigentlich ein Geophysiker? Geht der zum Psychiater und lässt seine schizophrenen Neigungen therapieren? 😉

  38. #38 Alderamin
    30. Mai 2018

    @Captain E.

    Er wird Astronaut.