Wurmlöcher! Ohne die geht es weder in der Science-Fiction noch in der Sparte der Wissenschaftskommunikation in der durch übermäßigen Einsatz von Science-Fiction-Konzepten die Faszination der Menschen angeregt (oder ausgenutzt?) werden soll. Es klingt ja auch sehr verlockend: Anstatt elendig lange durchs unvorstellbar große Universum zu fliegen, nimmt man einfach eine Abkürzung. Rein in ein schwarzes Loch und quasi im gleichem Moment wieder raus durch ein anderes; irgendwo an einem ganz anderen Ort des Universums (bzw. überhaupt gleich in einem völlig anderen Universum). Was aus dramaturgischen Gründen in der Science Fiction äußerst praktisch ist, ist in der naturwissenschaftlichen Realität ziemlich schwierig.

Dass so ein Wurmloch zumindest in der Theorie aus den Gesetzen der Allgemeinen Relativitätstheorie folgen kann, hat schon Albert Einstein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Aber nur weil etwas theoretisch nicht unmöglich ist, bedeutet das nicht das es in der Realität auch zwingend existieren muss. Das gilt ganz besonders für Wurmlöcher. Bis jetzt gibt es nicht den Anschein eines vagen Hinweises auf ihre Existenz im realen Universum. Die beiden Physiker De-Chang Dai und Dejan Stojkovic wollen nun einen Weg aufzeigen, wie man das ändern könnte (“Observing a wormhole”).

Die Idee ist eigentlich recht simpel: Angenommen, da ist irgendwo ein Wurmloch. Und angenommen, ein Stern bewegt sich um dieses Wurmloch herum. Und noch weiter angenommen, ein Stern befindet sich auch in der Umgebung des anderen Ende des Wurmlochs. Dann kann die Gravitation durch das Wurmloch hindurch wirken. Der Stern am einen Ende des Wurmlochs übt also einen gravitativen Einfluss auf den Stern am anderen Ende aus (und umgekehrt). Man muss jetzt also nur die Bewegung von Sternen beobachten und nachsehen, ob da welche dabei sind, die sich so bewegen, als würden sie von einem anderen Stern beeinflusst der nicht zu sehen ist.

In der Praxis ist das natürlich deutlich schwieriger. Erstens gibt es ziemlich viele Sterne. Man muss sich auf die beschränken, die sich dort bewegen, wo mit dem Auftreten von Wurmlöchern zu rechnen wäre. Also in der Umgebung schwarzer Löcher; in dem Fall am besten in der Umgebung des zentralen schwarzen Lochs das im Zentrum unserer Milchstraße sitzt. Um dieses Loch herum bewegen sich jede Menge Sterne deren Bewegung wir auch schon sehr genau beobachtet haben. Aber leider nicht so genau, wie es nötig wäre um den Einfluss eines Wurmlochs zu identifizieren. Dai und Stojkovic rechnen in ihrer Arbeit aus, dass man die Beschleunigung in der Bewegung eines Sterns mit einer Genauigkeit von einem Millionstel Meter pro Sekunde² messen muss um zu bemerken, falls da irgendwo ein Wurmloch sitzt. Das schaffen wir mit der aktuellen Technik nicht – aber vielleicht mit den Teleskopen der nächsten Generation.

Umlaufbahnen von Sternen um das zentrale schwarze Loch der Milchstraße.  (Bild: ESO/L. Calçada/spaceengine.org)

Umlaufbahnen von Sternen um das zentrale schwarze Loch der Milchstraße. (Bild: ESO/L. Calçada/spaceengine.org)

Und selbst dann ist das Vorhaben eventuell zum Scheitern verurteilt. Serguei Krasnikov von der Sternwarte in St. Petersburg ist der Meinung, dass das, was Dai und Stojkovic meinen messen zu können tatsächlich gar nicht messbar ist (‘Comment on “Observing a wormhole”‘). Und dann bleibt immer noch der Punkt dass die Wurmlöcher bis jetzt nichts weiter sind als ein mathematisches Resultat das nicht von den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie verboten ist. Es gibt keinen naturwissenschaftlich zwingenden Grund von ihre Existenz auszugehen. Was nicht heißt, dass man sich nicht weiterhin überlegen soll, wie man sie vielleicht finden könnte falls es sie doch gibt. Man sollte aber auch nicht allzu traurig sein, wenn sie nie gefunden werden. Und vor allem sollte man nicht damit rechnen, sie als echte Abkürzungen für die Reisen durch den Raum benutzen zu können. Selbst wenn sie irgendwo da draußen sind, sind sie weit, weit entfernt. Und damit man sie irgendwie durchqueren kann, muss man sie stabilisieren. Das geht aber nur, wenn man dafür sogenannte “exotische Materie” benutzt. Das ist Materie mit einer negativen Masse. Mathematisch ist das kein Problem, da hat man dann halt einfach “minus 100 Kilogramm” die man in die Gleichung einsetzt; das funktioniert rechnerisch genau so gut wie “plus 100 Kilogramm”. Aber in der Realität hat niemand auch nur den Ansatz einer Ahnung was Materie mit negativer Masse sein soll, wie sie entstehen sollte und wo man sie finden könnte. Oder, um Dejan Stojkovic zu zitieren: “Um ein wirklich großes, stabiles Wurmloch offen zu halten, braucht es in Wahrheit wohl so etwas wie Magie.”

Kommentare (15)

  1. #1 Harald Milz
    11. November 2019

    “Dann kann die Gravitation durch das Wurmloch hindurch wirken.” Hmmm, woraus geht das hervor?

    Und selbst wenn es in der Nähe des Milchstraßenzentrums ein Wurmloch gäbe, das man irgendwie für einen Transfer von Materie verwenden könnte – wie wollte man steuern, zu welcher Gegenstelle, und wie käme man überhaupt erst mal dort hin? Nach den ganzen Streckenstilllegungen der Deutschen Bahn ist das nämlich nicht so einfach.

  2. #2 Dampier
    11. November 2019

    “Um ein wirklich großes, stabiles Wurmloch offen zu halten, braucht es in Wahrheit wohl so etwas wie Magie.”

    Oder, wenn man Clarkes Drittem Gesetz folgt, eine hinreichend fortgeschrittene Technologie.

  3. #3 Ingo
    12. November 2019

    Igendwie habe ich die Gemoetrie der Wuermloecher noch nicht verstanden.

    Ich war bissher davon ausgegangen, dass sie letztendlich einen aehnlichen Gavitationstrichter bilden, wie normale schwarze Loecher,- nur mit dem Unterschied, dass die beiden Trichterenden schlauchfoermig verbunden sind.

    Das wuerde aber doch bedeuten, dass
    * ein Wurmlocheingang eine Gravitationswirkung hat
    * eventuell sogar einen Horizont
    * nach aussen hin wie ein schwarzes Loch aussehen wuerde.
    * Man in dem “Schlauch” gefangen waere, da man um den Ereignishorizont auf der anderen Seite zu verlassen man auf ueberlichtgeschwindigkeit beschleunigen muesste.

    Hier klingt das Wurmloch aber eher wie ein Portal, wo man ohne Gezeitenspagettifizierung einfach so durch kann.

    Wo genau muesste die negative Masse denn ueberhaupt plaziert werden?

    Masse krümmt den Raum so, dass “mehr dort mehr Raum ist als eigentlich da sein muesste” (Bigger on the inside)
    Wuerde negative Masse dann Raum wegnehmen?

  4. #4 Bjoern
    12. November 2019

    Zumindest zur Spagettifizierung kann ich was sagen, Ingo (#3): die ist bei sehr großen schwarzen Löchern (und um die geht es ja hier) vernachlässigbar klein.

    Beim Rest kenne ich mich nicht so gut aus, aber soweit ich weiß, haben Wurmlocheingänge in der Tat eine Gravitationswirkung und einen Horizont, wirken nach außen also wie schwarze Löcher. Die Ausgänge müssten dagegen ,,weiße Löcher” sein (die bisher rein hypothetisch sind…). Bei denen müsste es so sein, dass sie alles ,,ausspucken” statt alles zu verschlucken (wie schwarze Löcher).

  5. #5 Ingo
    12. November 2019

    @Bjoern #4

    > Die Ausgänge müssten dagegen ,,weiße Löcher” sein

    Dann waere das Wurmloch eine Einbahnstrasse,- da man den Horizont eines weissen Loches nicht ueberschreiten kann.

    Es wuerde aber auch dem Artikel wiedersprechen.
    In dem Artikel wird gesagt, dass Gravitation auch durch ein Wurmloch hindurch wirkt.
    Da sich Gravitation aber nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, koennte auch die Gravitationswirkung nicht in ein weisses Loch eindringen,- und waere damit auch nicht auf der anderen Seite spuerbar.

    Irgendwo ist da noch der Wurm im Wurmloch drin

  6. #6 Wizzy
    12. November 2019

    @Ingo
    Der Horizont eines Loches ist nur von Materie und Strahlung, die sich im Raum bewegt, nicht überschreitbar. Raumkrümmungen (Gravitation) kommen da trotzdem durch. Allerdings eine Gravitationswelle, die so klein ist, dass sie selbst die Raumzeit eines Schwarzen Loches kaum beeinflusst, bleibt im Schwarzen Loch hängen: https://astronomy.stackexchange.com/questions/30579/can-gravitational-waves-pass-through-a-black-hole
    Darauf bezieht sich, soweit ich es verstehe, auch der oben verlinkte kritische Comment von Krasnikov.

  7. #7 Wizzy
    12. November 2019

    Korrektur: Nein, ich verstehe das zwar nicht, aber Krasnikov kritisiert etwas anderes an Dai & Stojkovic.

  8. #8 René
    Halle
    13. November 2019

    “Und dann bleibt immer noch der Punkt dass die Wurmlöcher bis jetzt nichts weiter sind als ein mathematisches Resultat das nicht von den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie verboten ist.”
    Das waren bis vor einigen Jahrzehnten auch schwarze Löcher. Gut ich will jetzt nicht schwarze Löcher mit Wurmlöchern vergleichen, denn bei schwarzen Löchern hatte man zumindest einen logischen realen Ansatz, wie sie entstehen könnten (durch sehr schwere Sternenleichen), aber grundsätzlich war das erstmal kein allzugroßer Unterschied zu Wurmlöchern. Ebenso Gravitationswellen. Die gehen auch aus der ART rechnerisch hervor und es galt lange Zeit als quasi unmöglich sie nachzuweisen. LIGO hat uns dann eines besseren belehrt (und bewiesen damit auch gleich noch zweifelsfrei die Existenz von schwarzen Löchern).
    Was ich halt nur sagen wollte: Nur dieses Argument alleine kann halt nicht ausschließen, dass etwas (so absurd es auch in der Praxis klingen mag) existiert.

    Kurze Frage an die Vorkommentatoren: Ein weißes Loch würde ja abstoßend wirken. Quasi negative Gravitation durch negative Masse. Wäre das Phänomen nicht das Selbe wie dunkle Energie nur auf einen einzelnen Raumpunkt konzentriert? Dunkle Energie wirkt ja ebenso abstoßend. Den Unterschied würde man ja als Beobachter nicht merken oder? Dem Äquivalenzprinzip nach könnte man auch davon ausgehen, dass ein weißes Loch nicht abstoßend sondern ebenso recht hat, wenn man behaupten würde auf der anderen Seite wäre Masse. Und was wäre mit den Dilatationen in der nähe eines weißen Loches? Die Zeit als Beispiel müsste ja trotz das man beschleunigt wird schneller vergehen als bei einem ruhenden Beobachter oder?

  9. #9 MartinB
    13. November 2019

    @Ingo
    Ich verweise mal diskret auf Kap. 18 meines Buches zur ART, da erkläre ich das im Detail. Man kann zumindest in der Theorie ein Wurmloch so konstruieren, dass man beim hindurchfliegen keine “Gravitationswirkung” spürt.

  10. #10 MartinB
    15. November 2019

    Ich habe jetzt eine kleine Einführung zum Thema Wurmlöcher geschrieben:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2019/11/14/wurmloecher-science-oder-fiction

  11. #11 MartinB
    15. November 2019

    @Florian
    Nach einem Blick in das paper glaube ich, dass dein Artikel einen kleinen Fehler enthält: Es geht nicht um Wurmlöcher in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs; vielmehr ist die Annahme, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße ist tatsächlich selbst ein Wurmloch (das sich hinter dem Ereignishorizont befindet) mit der Zusatzannahme, dass Gravitationswirkungen als Signale dieses Wurmloch passieren können.

  12. #12 Wizzy
    15. November 2019

    @MartinB
    Florian hat das mE schon richtig beschrieben. Er referiert auf _Sterne_ in der Umgebung von Schwarzen Löchern , die theoretisch Wurmlöcher sein könnten.
    “[…] Erstens gibt es ziemlich viele Sterne. Man muss sich auf die beschränken, die sich dort bewegen, wo mit dem Auftreten von Wurmlöchern zu rechnen wäre. Also in der Umgebung schwarzer Löcher;[…]”

    Deine Einführung muss ich beizeiten mal noch lesen *neugierig* 🙂

  13. #13 Wizzy
    15. November 2019

    Sprachlich eindeutig: Er referiert auf _Sterne_ in der Umgebung von Schwarzen Löchern, wobei letztere theoretisch Wurmlöcher sein könnten. (Bzw. Eingänge zu Wurmlöcher)

  14. #14 Karl-Heinz
    15. November 2019

    @Wizzy

    In der Praxis ist das natürlich deutlich schwieriger. Erstens gibt es ziemlich viele Sterne. Man muss sich auf die beschränken, die sich dort bewegen, wo mit dem Auftreten von Wurmlöchern zu rechnen wäre. Also in der Umgebung schwarzer Löcher; in dem Fall am besten in der Umgebung des zentralen schwarzen Lochs das im Zentrum unserer Milchstraße sitzt.

    Den Text könnte man auch so lesen, dass sich Wurmlöcher in der Nähe von Schwarzen Löchern befinden. Dass jetzt das Wurmloch im Schwarzen Loch sitzt, geht aus der Textpassage nicht hervor.

  15. #15 MartinB
    15. November 2019

    @Wizzy
    Laut dem Artikel sollen ja nicht die Sterne die Wurmlöcher sein, sondern das SL selbst:
    “we would like to explore perhaps
    the most interesting possibility that Sgr A* might be a
    wormhole.”
    Es geht also nicht darum, dass man in der Nähe des SL vielleicht Wurmlöcher beobachten kann, sondern dass man den Einfluss auf die Sternbewegung beobachten kann, wenn das SL selbst ein Wurmloch wäre, während Florian schreibt
    “wo mit dem Auftreten von Wurmlöchern zu rechnen wäre. Also in der Umgebung schwarzer Löcher”
    Ich lese das jedenfalls so wie Karl-Heinz.