Der Stern Beteigeuze macht derzeit jede Menge Schlagzeilen. Ein “galaktisches Großereignis” stehe bevor; ein “Himmelsspektakel” könne bald beobachtet werden – denn der Stern werde vielleicht demnächst sein Leben in Form einer gewaltigen Supernova-Explosion beenden die auch ohne irgendwelche Hilfsmittel am Himmel der Erde beobachtet werden kann. Ganz so dramatisch stehen die Dinge allerdings nicht – was nicht heißt, dass der Stern sich gerade nicht ziemlich seltsam und sehr interessant verhält.
Beteigeuze ist an sich ja schon ein sehr beeindruckender Stern. Man kann ihn mit bloßem Auge leicht am Himmel sehen; er leuchtet hell und rot als einer der Schultersterne im bekannten Wintersternbild Orion. Er gehört zu den hellsten Sternen am Nachthimmel – bzw. er gehörte dazu. Denn momentan ist er dabei, immer dunkler zu werden. Ich habe Beteigeuze schon früher einmal ausführlich in einer Folge meines Sternengeschichten-Podcast vorgestellt. Damals habe ich geschrieben: ” Noch kann man ihn am Himmel beobachten aber in naher Zukunft könnte Beteigeuze völlig verschwinden. Ein roter Überriese kann nicht dauerhaft überleben. In seinem Kern gibt es nicht genug Helium, Kohlenstoff und andere Atome die er fusionieren kann. Irgendwann ist alles verbraucht und dann hört die Energieproduktion dort auf. Dann wird Beteigeuze tatsächlich unter seiner eigenen Gravitationskraft kollabieren und wegen seiner gewaltigen Masse wird das auch ein gewaltiges Ereignis werden. Eine der kosmischen Explosionen die man “Supernova” nennt. Wenn das passiert, wird der Schulterstern des Orions definitiv unübersehbar sein. Er ist jetzt schon einer der hellsten Sterne am Himmel, aber wenn zur Supernova wird, wird er für einige Zeit so hell leuchten wie der Mond! Man wird ihn nicht nur in der Nacht sehen können, sondern auch am Tag.”
Beteigeuze ist tatsächlich ein Stern, dessen Ende absehbar ist. Er ist mit einem Alter von etwa 10 Millionen Jahren noch recht jung; zumindest verglichen mit anderen Sternen wie unserer Sonne, die ja schon 4,5 Milliarden Jahre alt. Trotzdem wird Beteigeuze nicht mal annähernd so alt werden wie unsere Sonne. Seine Masse ist 20 mal größer als die der Sonne; sein Radius übersteigt den unseres Sterns sogar um das 1000fache. Und früher war Beteigeuze noch größer – so gewaltige Sterne brennen viel heißer als kleine Zwergsterne wie die Sonne und ihnen geht der Wasserstoff für die Kernfusion in ihrem Inneren daher auch viel schneller aus. Dann beginnt so ein Stern sich aufzublähen und das hat Beteigeuze getan. Würde man die Sonne durch Beteigeuze ersetzen, dann würde der Stern den gesamten Raum des Sonnensystems bis hin zur Bahn des Jupiters ausfüllen! Er kühlt dann ein bisschen ab und leuchtet rötlich – die Phase als “Roter Überriese” ist aber nur eine Übergangsphase. Irgendwann kommen auch die letzten Reste der Kernfusion in seinem Inneren zum Erliegen und der Stern fällt in sich zusammen. Dadurch löst er eine gewaltige Explosion aus; das Phänomen das wir “Supernova” nennen.
Ein Stern kann in seiner kurzen Zeit als Supernova heller leuchten als alle anderen Sterne einer gesamten Galaxie zusammen. Würde Beteigeuze zu einer Supernova werden, dann könnten wir das problemlos auch von der Erde aus beobachten. Er wäre ganz ohne Teleskop auch am Taghimmel sichtbar. Wir wissen schon lange, dass Beteigeuze demnächst explodieren wird. Nur dass “demnächst” hier aus astronomischer Sicht zu verstehen ist und “irgendwann in den nächsten paar zehntausend bis hunderttausend Jahren” bedeutet. Irgendwann wird Beteigeuze immer dunkler und dunkler werden und dann explodieren. Für die Astronomie wird das ein großartiges Ereignis werden. Wir warten schon seit Jahrhunderten darauf, dass endlich mal eine Supernova in unserer kosmischen Nachbarschaft stattfindet. In anderen Galaxien beobachten wir diese Phänomene regelmäßig aber das letzte Mal das so etwas in unserer eigenen Milchstraße passiert ist, war zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Damals hatte man noch kaum Ahnung davon wie Sterne funktionieren; es gab keine brauchbaren Teleskope und wie wenig man damals wusste sieht man ja auch an der Bezeichnung die man dem Phänomen gegeben hat: “Supernova”, also “neuer Stern” – genau das Gegenteil von dem was tatsächlich passiert, nämlich dem Verschwinden eines alten Sterns.
Jetzt haben wir nicht nur jede Menge Teleskope sondern hätten auch jede Menge Fragen deren Antworten wir durch die Beobachtung einer nahen Supernova finden könnten. Und Beteigeuze ist tatsächlich nahe: Ein wenig mehr als 600 Lichtjahre von der Erde entfernt, was nahe genug ist um vernünftige Beobachtungen anzustellen und immer noch mehr als ausreichend weit weg so dass wir uns keine Sorgen machen müssten von der Supernovaexplosion irgendwie in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Können wir uns also auf eine baldige Supernova freuen?
Vielleicht. Aber eher nicht. Dass Beteigeuze seine Helligkeit verändert ist nicht ungewöhnlich. Wir wissen schon lange, dass der Stern genau das immer wieder tut und wer mehr darüber wissen will, dem empfehle ich den sehr ausführlichen Artikel von Scienceblogs-Kollege Alderamin zu diesem Thema. Es gibt zwei unterschiedliche Perioden der Helligkeitsänderung von Beteigeuze; eine mit einer Länge von 425 Tagen; die andere dauert circa 6 Jahre. Wenn die Phasen minimaler Helligkeit beider Zyklen zusammenfallen wird der Stern besonders dunkel und es kann sehr gut sein, dass genau das der Fall ist. So schwach wie Beteigeuze zur Zeit leuchtet, hat er schon lange nicht mehr geleuchtet; seit es exakte Aufzeichnungen gibt war er nur 1926/27 ähnlich dunkel.
Wenn sich die aktuelle Verfinsterung von Beteigeuze wirklich durch eine Überlagerung seiner Helligkeitszyklen erklären lässt, dann sollte er in einigen Monaten wieder heller werden. Tut er das nicht, dann könnte dort tatsächlich etwas grundlegenders ablaufen. Dann hat er vielleicht wirklich das ultimative Ende seines Lebens erreicht. Und dann werden die Astronominnen und Astronomen ganz genau hinsehen. Denn wenn der Schulterstern des Orion zuerst als Supernova hell explosiv aufleuchtet und dann für immer verschwindet, wird sich auch der Himmel verändert haben. Ein Stern, der uns von Anbeginn der Menschheit an begeleitet hat; ein Stern der Teil zahlreicher Mythen und Sternengeschichten geworden ist wird dann nicht mehr da sein. Das Vergehen von Beteigeuze wird nicht nur ein wissenschaftliches Großereignis sein sondern auch ein kultureller Einschnitt den wir auf diese Weise noch nie miterlebt haben: Der unveränderlich erscheinende Sternenhimmel wird sich vor unseren Augen verändern.
Wenn Beteigeuze verschwinden sollte ist das aber kein Grund traurig zu sein. Abgesehen von all dem neuen Wissen das uns der Tod des Sterns liefern wird, bleibt er ja – wenn auch ein wenig transfomiert – gewissermaßen erhalten. Nicht mehr als Stern sondern als “Supernovaüberrest”; also als große Wolke aus bunt leuchtenden Gasen – genau die Objekte die wir alle so enorm schön finden wenn wir sie auf den Bildern der großen Weltraumteleskope betrachten. In der Schulter des Orion wird dann kein roter Riesenstern mehr leuchten und mit freiem Auge werden wir dort nichts mehr sehen können. Aber mit den künstlichen Augen der Astronomie werden wir den farbenprächtigen Nebel weiterhin beobachten können. Und wenn wir dann in Zukunft dorthin schauen wo Beteigeuze früher einmal war können wir mit den Augen unseres Geistes dort die Bilder sehen, die von den Teleskopen gemacht worden sind.
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