Ein freundlicher Leser hat mich auf einen Artikel im österreichischen “lebensweise-Magazin” (das schreibt man eigentlich in verschiedenen Farben, damit das Wortspiel lebens-weise auch jedem klar wird) aufmerksam gemacht, in dem es um Quantenheilung geht. Und dort werde als ein “Skeptiker” ich selbst genannt, mit einem Zitat aus diesem Text zur Quantenmechanik.
Der Text ist – das sei ihm zu Gute gehalten – kein Loblied auf die Quantenheilung. Er gibt sich vielmehr große Mühe, “ausgewogen” zu sein. Zuerst wird ein bisschen über Quantenmechanik erzählt, wobei man kleine Schnitzer wie “Werner Schrödinger” sicher verzeihen kann. Etwas seltsam mag bereits anmuten, dass zum Thema “Verschränkung” der
deutsche Allgemeinmediziner und Antroposoph Lothar Hollerbach, der sich medizinisch mit dem Thema beschäftigt
zitiert wird:
Alle Quantenobjekte – d.h. Elektronen, Protonen, Photonen … – die jemals Masse oder Energiekontakt miteinander hatten, sind energetisch und informativ miteinander verbunden.
Hmm, nun ja, ich habe zwar keine Ahnung, was “Masse oder Energiekontakt” bedeutet, aber als ganz grobe Näherung an Quantenverschränkung kann man das ansonsten vielleicht so schreiben.
Danach muss natürlich Anton Zeilinger herhalten und auch das Spin-Experiment von Paul Davies, bei dem angeblich der Experimentator Quantenprozesse beeinflussen konnte (hat jemand dafür eine taugliche Referenz parat?) wird erwähnt. Von da aus geht es dann zum “kollektiven Feld”, Rupert Sheldrake wird erwähnt (obwohl dessen morphisches oder morphogenetisches Feld meines Wissens nie als irgendwie quantenmechanisch basiert angenommen wurde) und auch das kollektive Unterbewusste von C.G. Jung hat seinen Auftritt, das basiert dann wohl auch auf Quantenverschränkung.
Und na klar, es geht nicht ohne Schwingungen:
So können Organe und Gewebe, aber auch Gedanken, Verhaltensweise oder Emotionen als Bündel von Schwingungen betrachtet werden, die in geordneter Form zusammenwirken.
Wohlgemerkt, dieser Satz ist kein Zitat eines Quantenheilers, sondern aus dem Artikel selbst. Was ist eigentlich das Tolle an “Schwingungen”? Ist es die Idee, dass man “Schwingungen” leichter beeinflussen kann als Materie, weil jeder schon mal ein Pendel angestupst hat, während wir Materie als eher unveränderlich empfinden?
Anschließend kommen dann die Quantenheiler selbst zu Wort, mit so tollen Sätzen wie
Diese universell verbreitete Virtualität bezeichne ich als Meer aller Möglichkeiten. Es ist ein riesiges universelles Rauschen, gleichzeitig aber auch eine unvorstellbar exakte Einheit. Dieses Meer aller Möglichkeiten ist überall gleichzeitig an allen erdenklichen Orten. Es ist in jedem von uns, in der Materie der Erde und der Natur und ebenso in der Atmosphäre und im gesamten Kosmos.
(das könnte man ja sogar als küchen-poetische Beschreibung von Quantenfeldern durchgehen lassen, aber als Basis für eine Heilmethode?) oder
Gesundheit ist Ordnung. Je mehr Ordnung wir spiegeln, desto gesünder sind wir
Da würde wohl jeder Biologe oder Komplexitätsforscher widersprechen – perfekte Ordnung hätte man ja z.B. in einem Kristall, aber nicht in einem Lebewesen. Nicht umsonst reden die Komplexitätsforscher von “life at the edge of chaos” (auch wenn das Konzept und seine genaue Anwendbarkeit umstritten ist).
Danach lernen wir einiges über die genaue Vorgehensweise bei der Quantenheilung – man muss den Körper an zwei Punkten berühren (warum überhaupt?, wo doch alles mit allem verbunden ist, fragt man sich), und wir erfahren, dass es sich um eine uralte schamanische Heilmethoden handelt, bei der man die Hände auf “Kraftzentren” legen soll. (Und wieder fragt man sich, wieso eigentlich die ganze Berührerei und die bestimmte Verortung von Kraftzentren? Da doch alles so toll quantenverschränkt ist, müsste es doch reichen, wer der Quantenheiler in Australien nen Grashalm anfasst, der müsste ja auch mit meinem Körper verschränkt sein.)
Dann aber kommen Skeptiker zu Wort – immerhin. Dass die Methode ein Versagen dem Heiler oder Patienten anlastet oder einer Entscheidung des “kosmischen Bewusstseins” wird angeführt, und dann habe auch ich meinen Starauftritt (allerdings ohne Quellenangabe oder Link) mit diesem Zitat:
Um die Verschränkung der Quantenteilchen irgendwie ausnutzen zu können, müssten wir alle anderen Verschränkungen genau kennen und herausrechnen. Gerade weil in dieser Interpretation wirklich alles mit wirklich allem verbunden ist, ist die spezifische Verschränkung zwischen genau zwei Quantenteilchen nicht mehr aus diesem unendlichen Verschränkungswirrwarr herauszufiltern.
Auch Anton Zeilinger wird (aber nach mir, der ist ja auch nicht so wichtig wie ich…) nochmal angeführt. Und danach heißt es
Jedenfalls prallen beim Thema Quantenheilung Weltanschauungen aufeinander und die Diskussionen etwa in Internetforen sind heftig und häufig untergriffig.
Liebe Redaktion von lebensweise, hier irrt ihr euch. Nein, hier prallen keine “zwei Weltanschauungen” aufeinander. Hier prallt Wissenschaft, mit Tausenden und Millionen von nachprüfbaren Experimenten, auf Scharlatanerie, bei der Wortbrocken aus der Physik zu beeindruckend klingendem Unsinn zusammengefügt werden, um dann den Placebo-Effekt auszunutzen.
Ausgewogener Journalismus ist ja eine gute Sache – aber Unsinn darf man auch so nennen. Oder, wie ich es in meinem Kommentar vorhin dort schrieb:
In diesem Zusammenhang als “Skeptiker” bezeichnet zu werden, ist allerdings amüsant – ich bin genauso “Skeptiker”, was z.B. die Idee der flachen Erde angeht, die ist wissenschaftlich ähnlich gut begründet wie die Quantenheilung, nämlich gar nicht.
Immerhin, der Artikel schließt mit einer halbwegs skeptischen Note:
Leider habe sich in den vergangenen Jahren auch ein regelrechter Markt um Quantenheilung entwickelt, und viele der darauf agierenden Heiler seien geschickte Verkäufer
Und immerhin, ich wurde jetzt in einem Atemzug mit Anton Zeilinger genannt und bin jetzt Quantenheilungs-Skeptiker.
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