Nein, auch wenn der Titel vielleicht den Anschein erweckt, ich versuche hier nicht, krampfhaft Aufmerksamkeit mit einer überzogenen Schlagzeile zu erwecken. Ich meine das auch nich tmetaphorisch oder irgendwie verklausuliert, sondern ganz wörtlich: Das “Fließen” der Zeit ist letztlich nur eine Illusion.
Aus unserer Alltagsanschuung und unserer Wahrnehmung der Welt ist eins ganz klar: Es gibt immer einen gegenwärtigen Moment, das “Jetzt”, und ein solcher Moment folgt auf den nächsten. Das ist das, was wir als “Vergehen” der Zeit empfinden. Man könnte das etwa so veranschaulichen
(Ein ähnliches Bild findet sich im Buch “Fabric of Reality” von David Deutsch, der auch ganz ähnlich argumentiert.)
Die “Gegenwart” ist hier mit einem Pfeil gekennzeichnet und dieser Pfeil bewegt sich entlang der Zeitachse. So jedenfalls empfinden wir alle den Verlauf der Zeit (oder nicht?).
Wenn man anfängt, sich zu fragen, wie schnell sich denn der Pfeil bewegt, dann wird es schon schwierig – ich habe schon mehr als einmal die Aussage gehört, die Zeit vergehe mit einer Geschwindigkeit von einer Sekunde pro Sekunde. Schon rein mathematisch sieht man, dass da etwas faul ist – eine Sekunde pro Sekunde lässt sich als Bruch kürzen zu 1. Damit hat das Vergehen der Zeit eine Geschwindigkeit, die keine Einheit hat, was schon mal merkwürdig ist.
Wie merkwürdig diese Vorstellung wirklich ist, kann man auch sehen, wenn man sie von der Zeit auf den Raum überträgt. Man könnte ja genauso gut fragen: Wie weit erstreckt sich der Raum? Und die Antwort wäre dann: Er erstreckt sich mit einem Meter pro Meter. Das erscheint auch wenig sinnvoll – der Abstand zwischen zwei Punkten ist so groß, wie er ist, und wir messen ihn eben in Metern. Das Meter als Längeneinheit erlaubt uns, Längen zu vergleichen (genauso wie die Sekunde es erlaubt, Zeitspannen zu vergleichen). Davon unabhängig noch eine “Erstreckung” definieren zu wollen, würde einen weiteren Raum einführen, in dem der erste Raum eingebettet ist. Das geht beispielsweise bei einer Landkarte, bei der wir sagen “1 cm entspricht 2 km” – aber es ergibt wenig Sinn zu sagen, ein Meter erstreckt sich über einen Meter.
So ist es auch mit der Zeit: Damit der “Jetzt-Pfeil” eine Geschwindigkeit haben kann, bräuchten wir eine zweite, andere Zeit, in der wir die Geschwindigkeit messen könnten. Die gibt es in unserer Welt allerdings nicht. Ein Wesen, das außerhalb unserer Welt steht, könnte eine eigene, unabhängige Zeit haben, und in der würde die Aussage Sinn ergeben. Das könnt ihr euch ganz praktisch anschaulich machen, wenn ihr einen Roman lest – ihr könnt beispielsweise die Reise von Frodo Beutlin vom Auenland nach Mordor lesen, die ziemlich genau ein halbes Jahr gedauert hat. Wenn ihr das Buch in 20 Stunden gelesen habt, dann verging die Zeit in dem Buch für euch mit einer mittleren Geschwindigkeit von 6 Monaten pro 20 Stunden. An einigen Stellen verging sie relativ schnell (Beispielsweise auf der Reise durch das Land Hollin, wo zwei Wochen in nur wenigen Seiten zusammengedrängt sind), an anderen Stellen sehr langsam (beispielsweise beim Rat von Elrond, wo ein Vormittag über viele Seiten beschrieben wird).
Die räumlich Analogie können wir auch anders ausnutzen: Stellen wir uns eine Reihe von Leuten vor, die nebeneinander sitzen. Jeder von ihnen empfindet den Ort, wo er gerade ist, als “Hier”. Außer dem kleinen Monster in der Sesamstraße (“Ich will aber DA sein”) glaubt niemand von uns, dass “Hier” ein besonderer Ort ist oder das es eine “Hierheit” gibt, die Analog zur Gegenwart sagt, wo gerade “Hier” ist. “Hier” ist der Ort, an dem ich mich gerade befinde, und wenn ihr euch “da” befindet, ist für euch “da” “Hier”. Stellt euch wieder die Reihe von Leuten vor, die am Strand sitzt und den Sonnenuntergang betrachtet. Ihr sitzt irgendwo zwischen den Leuten und seht die goldene Straße, die die Sonne auf die Wellen zeichnet und denkt “Ich bin doch ein Glückspilz – von allen Leuten hier habe genau ich den Platz erwischt, wo die Lichtstraße genau auf mich zeigt”.
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