Wissenschaft kann Angst auslösen, weil sie uns Antworten auf die Grundfragen des Lebens liefert, die uns nicht unbedingt gefallen. Heute beschäftigen wir uns mit der zweiten Kantschen Frage.

Sie lautet:

Was soll ich tun?

Die Wissenschaft hat dazu so etwa folgendes zu sagen:

Evolutionär sind wir auf ein Zusammenleben in der Gruppe programmiert, aber auch darauf, andere übertrumpfen und beispielsweise einen hohen Platz in der Rangordnung unserer Gruppe einnehmen zu wollen. Die Wissenschaft kann die Frage untersuchen, wie genau diese Programmierung funktioniert und warum ein bestimmtes Verhalten evolutionär vorteilhaft ist. 

Eine Antwort auf ethische Fragen (was soll ich in einer bestimmten Situation tun, um “richtig” zu handeln) liefert die Wissenschaft aber nicht, ethische Fragen liegen letztlich außerhalb der Wissenschaft. Allenfalls kann Wissenschaft die Frage beantworten, wie ein bestimmtes ethisches Ziel erreicht werden kann.

Diese Antwort auf die zweite Kantsche Frage sorgt zunächst für die Angst, an die man wohl zuerst denkt, wenn von “Angst vor der Wissenschaft” die Rede ist. Die Wissenschaft ist ein mächtiges Werkzeug, das selbst keine ethischen Normen oder Kontrollen enthält. Dieser Gedanke kann sicherlich Angst machen. Es führt zum Zerrbild des Wissenschaftlers, dem es egal ist, ob er mit seiner Forschung die Welt zerstört.  Das ist natürlich deswegen nur ein Zerrbild, das weit von der Realität entfernt ist, weil Wissenschaftler auch Menschen sind und auch auf der Welt leben und leben wollen. (Angeblich soll es sogar Wissenschaftler geben, die Freunde oder eine Familie haben und für diese ganz unwissenschaftliche Gefühle hegen…)

Das Bild des skrupellosen Wissenschaftlers wird oft der verzerrten Darstellung in Medien zugeordnet, aber seinen Ursprung hat es auch in der grundsätzlichen Tatsache, dass die Wissenschaft selbst zwar nicht un-ethisch, wohl aber a-ethisch ist – Wissenschaft und Ethik sind sozusagen orthogonal.

Etwas ähnliches gilt natürlich für alle Werkzeuge, die wir Menschen erfunden haben – es liegt ja gerade in der Natur des Werkzeugs, ein Mittel zu einem Zweck zu sein, also selbst keinen Zweck zu haben (und deswegen auch außerhalb der Ethik zu stehen). Ein Messer kann ich zum Schneiden von Gemüse oder zum Töten von Menschen verwenden; ein Gewehr kann ich zum Morden verwenden oder um einen skrupellosen Angreifer abzuwehren; ein Literat kann seine Fähigkeit im Umgang mit der Sprache einsetzen, um Hassreden zu formulieren oder zu Versöhnung aufzurufen.

Und genauso wie ein Messer oder ein Gewehr Angst machen kann, weil es eben missbraucht werden kann, genauso gilt das auch für die Wissenschaft. (Und historisch in ähnlicher Weise für die Rhetorik – da gab es den Streit zwischen den “Sophisten”, denen genau so etwas vorgeworfen wurde, und anderen Philosophen wie Platon; mehr dazu im Buch “Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten”.) Natürlich macht ein Werkzeug um so mehr Angst, je mächtiger es ist (das Messer in meiner Küchenschublade beunruhigt euch vermutlich nicht, der Weltzerstörinator, den ich im Keller baue, dagegen – äh, vergesst es einfach…), und da die Wissenschaft sich als sehr mächtiges Werkzeug herausgestellt hat, macht sie auch entsprechend viel Angst.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass wir natürlich mehr Angst vor Dingen haben, die wir nicht verstehen – für Außenstehende ist schwer nachvollziehbar, wie groß die Gefahr durch z.B. Radioaktivität tatsächlich ist, sie müssen sich also auf die Äußerungen der Wissenschaftlern verlassen. Und denen wird nicht unbedingt vertraut, denn Wissenschaftler sind Menschen , die auch fehlbar und egoistisch sind und ihre Erkenntnisse nicht immer zum Wohl aller einsetzen oder die die Anwendung ihrer Erkenntnisse nicht mehr selbst kontrollieren können – ich kann eine Motorsäge erfinden, aber nicht darüber bestimmen, ob diese Säge eingesetzt werden soll, um Bäume im Regenwald zu fällen.

Die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse hat uns sicherlich sehr weit gebracht – wir leben länger, sicherer und komfortabler als unsere Vorfahren, aber natürlich hat sie auch ihre Schattenseiten (und Kritiker der Wissenschaft sehen natürlich vor allem diese Schattenseiten, oft ohne zu realisieren, wie sehr sie von den positiven Auswirkungen der Wissenschaft profitieren).

Die Antwort der Wissenschaft auf die zweite Kantsche Frage löst aber noch aus einem weiteren Grund Angst aus: Wenn es keine objektive (=wissenschaftlich begründbare) Ethik gibt – macht sich dann nicht jeder seine Ethik selbst? Das ist ja etwas, das Atheisten gern vorgeworfen wird.  Das macht uns letztlich unmöglich, jemandem, der sich im Recht fühlt, wenn er Menschen quält oder tötet (denkt an Breyvik), argumentativ beizukommen. (Wer glaubt, dass das geht, sollte mal wieder Jack Londons “Seewolf” aus dem Bücherschrank kramen.)  Dabei verletzt dieser Gedanke auch unser Gerechtigkeitsempfinden – wenn es keinen universellen Richter und keinen Schicksalsplan oder so etwas gibt, dann ist es eben durchaus möglich und denkbar, dass ein Verbrecher mit seinen Untaten durchkommt und niemals bestraft wird, während ein tugendhafter Unschuldiger leiden muss, ohne jemals dafür belohnt zu werden. Soll ich dann wirklich “gut” handeln, auch wenn es mir nichts nützt oder gar schadet?

Beruhigender (und einfacher) ist es, sich auf fest vorgefertigte, eindeutige und absolute Antworten zu verlassen. Wer das tut, handelt in der Gewissheit, das Richtige zu tun, und hat damit ethische Fragen ein für alle mal beantwortet. Leider wissen wir alle, dass genau diese Denkweise (egal ob die vorgefertigten Antworten ideologisch oder religiös basiert sind) zu Gräueltaten und dem Verlust von Empathie führen kann.

Alternativ kann man der Anforderung, sich ethischen Fragen zu stellen, auch mit dem “Esoterik”-Trick ausweichen: Wenn sowieso im esoterischen Sinne alles eins ist, dann ist deine Geldbörse ja auch irgendwie meine Geldbörse und dein Partner ja auch irgendwie meiner. (Dass es tatsächlich Leute gibt, die so denken, erzählt Brad Warner in seinem – in weiten Strecken allerdings enttäuschenden – Buch “Zen wrapped in Karma dipped in Cholcolate”).

Auch hier zeigt sich, dass die Antwort der Wissenschaft uns in Unsicherheit stürzt, ähnlich wie bei der Antwort auf die erste Frage.  Wenn es keine absolute Ethik gibt, dann müssen wir ethische Fragen immer wieder neu stellen, beantworten und unsere alten Antworten überprüfen, genau so wie wir unsere Erkenntnisse über die Welt immer wieder neu prüfen müssen. Das bürdet jedem einzelnen von uns eine Verantwortung auf, die einen ängstigen kann

Aber ebenso, wie man die Ungewissheit des Wissens und die Unzuverlässlichkeit unserer Erkenntnis positiv deuten kann, kann man das auch hier tun.  Viele finden es befriedigend, dass man nicht einer “höheren” Macht ausgeliefert ist, die einem sagt, dass man montags keine Paprika essen soll (oder was auch immer es für absurde Nahrungsregeln gibt – vermutlich vor allem, weil man ja täglich was essen muss und deswegen auch ständig an die religiösen Regeln denkt und ein Gehorchen schon mal verinnerlicht, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte). Wenn Maßstäbe nicht absolut sind, dann können wir sie in Einzelfällen anpassen und flexibel auf geänderte Bedingungen reagieren. Niemand muss dann leiden oder sterben, weil irgendjemand vor langer Zeit Regeln festgelegt hat, die heutzutage nicht mehr ohne weiteres anwendbar sind. Wir haben die Freiheit, so mitmenschlich und mitleidvoll zu handeln, wie wir es selbst wollen.

Kommentare (126)

  1. #1 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    Wieder sehr zustimmungsfähig, danke auch für den Verzicht auf den Kategorischen Imperativ. – Angst also vor dem Fehlen einer endgültigen Erklärung von Wissenschaft und Ethik. Oder ist es einfach unbequem fortlaufend bewusst mit Konstrukten zu arbeiten und bewusste Glaubensentscheide (für eine bestimmte Kooperationsform oder Vorgehensweise) zu treffen?

    MFG
    Dr. W (der dem Individuum gerade in ethischen Fragen zumindest vor regelmäßigen Paradigmenwechseln abrät)

  2. #2 Dagda
    25. November 2012

    Gelungener Artikel.

    Ich glaube dass ein Teil des Problems mit der Skrupelosen Wissenschaft auch ist, dass skrupelose Wissenschaftler sichtbarer sind, bzw. in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werden (Beispiel meinetwegen die Menschenversuche während der NS Zeit und die Pamit verbundenen Namen, wie Mengele), während Wissenschaftler die gutes tun, das meistens eher still machen und nicht so bekannt sind oder deren Namen schneller vergessen werden, (Beispiel hier vielleicht Paul Offit, Entwickler eines Rotavirusvaccines).
    EIne Rolle spielt sicherlich auch die weiterentwicklung der Ethik in der Forschung, gerade in der Medizin, etwas was wir heute als unethisch empfinden hat man früher einfach gemacht ohne sich großartig etwas dabei zu denken (die Gefangenenversuche in den USA beispielsweise).

  3. #3 Ludger
    25. November 2012

    Beim Link “leiden” ruft man die Seite https://freethoughtblogs.com/pharyngula/2012/11/15/aaaaaieee-why-did-you-have-to-tell-me-that/ auf, wo es um das geburtshilfliche Thema Symphysiotomie geht. Das ist ein verzweifelter Rettungsversuch, um eine Schnittentbindung bei zu engem Becken zu vermeiden, weil die bis in die 20-er Jahre des letzten Jahrhunderts die Mutter umgebracht hätte. (Grund: Fäden hielten nur 3 Tage, dann Aufplatzen der Gebärmutternaht und Bauchfellentzündung mit unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten und daher tötlichem Ausgang). Die Alternative wäre eine Zerstückelungsoperation des Kindes gewesen. Die Symphysiotomie war zumindest der Versuch Mutter und Kind zu retten. Die Gynaekologen waren schon vor 100 Jahren nicht besonders kirchenhörig. Die zitierte Stelle polemisiert und berücksichtigt die medizinhistorischen Fakten nicht. Zum zweiten Link: Das wäre in unserer Gegend auch in einem katholischen Krankenhaus anders gelaufen, Ob es wirklich so war, wie dargestellt:

    She was clearly miscarrying, she was fully dilated and leaking amniotic fluid, and it was obvious to all, including the doctors at the hospital, that this pregnancy was doomed — there was no hope for the fetus at all. Yet they refused to do the one simple, ethical procedure that would have saved Halappanavar’s life.Because of a simple-minded, naive, stupid attachment to the magical power of twitching cardiac muscle fibers. Because dogma and superstition stayed their hands.
    Because it was a fucking Catholic hospital in a Catholic country.

    Da fehlt mir die medizinische Abwägung. Erstmal: ein Amnioninfektionssyndrom in der 17. SSW ohne spontane Ausstoßung des Feten ist ungewöhnlich, eigentlich nicht zu erwarten. Eine operative Ausräumung bei septischem Abort- egal von oben oder unten ist extrem lebensgefährlich für die Mutter. Das war entweder extrem schlechte Medizin, extremes Unglück oder ein zusätzliches unbekanntes Problem. Große Worte sollte man erst spucken, wenn man den Obduktionsbericht hat. Hier passten die großen Worte aus anderen Gründen ins Konzept.Die Frage Mutter oder Kind – wie in dem Film “Der Kardinal” thematisiert – stellt sich heute zum Glück nicht mehr, weil wir haltbares Nahtmaterial, eine anatomisch bessere Schnittführung (parallel zum Gebärmutterfaserverlauf Uterotomie unten quer), Antibiotika und Intensivmedizin haben. Für die Schwangeren hat sich die heutige Geburtshilfe als Segen erwiesen verglichen mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Indikationen (Was soll ich tun?) sind relativ klar. Und die Angst?

  4. #4 Ludger
    25. November 2012

    Zum Schluss sollte nur das “oder” fett geschrieben werden. Wo bleibt die Editfunktion für die erste Stunde oder die Vorschaufunktion?

  5. #5 Ludger
    25. November 2012

    Nachtrag: ( https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCttersterblichkeit )
    Die Müttersterblichkeitsrate (Zahl der Todesfälle pro 100.000 Lebendgeburten) wird als Kriterium für die Qualität der Geburtshilfe in einem Land herangezogen. In den Industrienationen ist die Müttersterblichkeitsrate aufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung seit Beginn des 20. Jahrhunderts von 300 auf etwa 8-12 gesunken.

  6. #6 Dagda
    25. November 2012

    @ Ludger

    Ihr medizinischer Sachverstand in allen Eren, aber das Grundproblem bei diesem Fall ist doch, dass hier eine Abtreibung des Kindes von einfach ausgeschlossen wurde, weil und ich zitiere: “This is a catholic country”; danach ist dann eine Frau gestorben, die vielleicht nach einer Abtreibung noch am leben gewesen wäre.

  7. #7 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    (…) das Grundproblem bei diesem Fall ist doch, dass hier eine Abtreibung des Kindes von einfach ausgeschlossen wurde, weil und ich zitiere: “This is a catholic country” (…)

    Auch wenn’s vom Thema ein wenig weggeht, dieser Sachverhalt ist d-sprachig und echotisch hier verwurstet worden.

    MFG
    Dr. W (der immer anrät es sich bei ethischen Fragen nicht billig zu machen – was jetzt natürlich nicht heißen muss, dass das jemand getan hätte und Agitation vorliegen würde)

  8. #8 Ludger
    25. November 2012

    @Dagda
    Zweifellos laufen in Irland viele Dinge anders als z.B. bei uns. Kirchliche Verbote gibt es viele, aber es hält sich niemand dran. Bevor ich ein (privates) “Urteil” fällen kann, muss ich aber mehr wissen, Obduktionsbericht, konservative Therapiebemühungen, Begleiterkrankungen. Bei einem septischen Abort in der 17. SSW ist eine frühe operative Ausräumung jedenfalls nicht die Option der ersten Wahl. Als Spätmaßnahme ist die operative Entfernung der gesamten wegen Perperalsepsis entzündeten Gebärmutter als vielleicht lebensrettende Maßnahme nicht zu umgehen. In diesem Fall wundert es mich, dass es trotz Amnioninfektionssyndrom in der 17.SSW nicht zur zügigen Spontanausstoßung gekommen ist. Das würde ich bei einer langsam aufsteigenden Infektion erwarten. Es stellt sich z.B.die Frage,ob die angesetzte konservative Therapie umfangreich genug war ( mehrere Antibiotika gleichzeitig parenteral hoch dosiert, Infusionsprogramm, Einfuhr-Ausfuhrkontrolle, Heparin, kurzfristige Blutwertkontrollen, intensivmedizinische Behandlung mit den angezeigten Maßnahmen bei Multiorganversagen …) Gleichwohl bin ich mit Ihnen (wahrscheinlich) einer Meinung, dass ein funktionierendes Abtreibungsrecht in einem Land Frauenleben rettet, und sich die Kirche mit ihrer Fundamentalopposition nicht mit Ruhm bekleckert. Sie kann halt aus ihrer Haut nicht heraus. Zum Glück haben wir bei uns die (weitgehende) Trennung von Kirche und Staat.
    Zurück zum Thema: Die rabiaten Methoden der Medizin vor 100 Jahren, um lebensgefährliche Notsituationen zu behandeln, wie Amputationen, Symphysiotomie und intrauterine Zerstückelungen sind zum Glück weitgehend verlassen. Eignen sie sich deshalb, um Angst vor Wissenschaft zu begründen? Oder sind diese Dinge noch in den Ängsten der Leute vorhanden?

  9. #9 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    (…) und sich die Kirche mit ihrer Fundamentalopposition nicht mit Ruhm bekleckert. Sie kann halt aus ihrer Haut nicht heraus.

    Hören wir hierzu “Radio Vatikan”:

    Medikamente oder Behandlungen, die das Leben der Mutter retten, aber das Leben des Kindes aufs Spiel setzen könnten, seien unter den Voraussetzung erlaubt, dass die Ärzte alles in ihrer Macht stehende tun würden, das Leben beider zu retten. (Quelle)

    Die Abtreibungsproblematik ist sicherlich interessant, wir vergleichen auch mit den (medizinisch oft unnötigen) Fällen in D und der Fertilitätsrate oder dem Anteil der dortigen Lebendgeburten von ca. 8 auf 1.000 p.a.; aber dieses sehr spezifische Problem darf auch gerne in dieser konzentrierten (und anklägerischen) Form anderswo behandelt werden.

    MFG
    Dr. W

  10. #10 Dagda
    25. November 2012

    @ Ludger
    Mehr Informationen:
    https://www.irishtimes.com/newspaper/frontpage/2012/1114/1224326575203.html

    Ich glaube schon dass die ethisch fragwürdigen Entscheidungen von Wissenschaftlern eher im Gedächtnis hängen bleiben als das gute was Wissenschaftler tun.
    Die Psychiatrie hat sich ja auch immer noch nicht von dem Film “Einer flog über das Kuckucksnest” erholt

  11. #11 MartinB
    25. November 2012

    @Ludger
    Bei dem Link zur Sympnisiotomie geht es darum, dass diese Operation an Frauen ohne deren Einwilligung durchgeführt wurde. Ich zitiere mal aus dem dahinterstehenden Link:
    “Group members, many of whom are in their 70s and 80s, say that the operations were carried out without the women’s consent “mainly for religious reasons, by obstetricians who were opposed to family planning.” ”
    Ich denke, das pasts als ein beliebiges Beispiel für die Folgen einer starren “Ethik” ganz gut.
    Als Notfallmaßnahme ist diese Operation gerechtfertigt, wenn ein Kaiserschnitt nicht in Frage kommt. (z.B. auch heute noch in Ländern mit sehr schlechter Gesundheitsversorgung). Ich empfehle, die Kommentare zum Phyryngula-Artikel zu lesen, da wird das noch deutlicher erklärt.

  12. #12 MartinB
    25. November 2012

    Nachtrag: Siehe auch diesen taz-Artikel
    https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/01/08/a0129

    “Eignen sie sich deshalb, um Angst vor Wissenschaft zu begründen?”
    Ich nehme diese rabiaten Methoden ja, nicht, um die Angst vor der Wissenschaft zu begründen. Ich zitiere dieses Beispiel (vor allem, weil es aktuell ist) um zu demonstrieren, wohin eine rigorose “Ich-habe-recht”-Ethik führen kann.

  13. #13 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    @MartinB
    Zum Thema zurückkommend: Das Problem ist ja nicht eine “Ich-habe-recht”-Ethik, wie rigoros diese auch sein mag, zu rechtfertigen, sondern eine angemessene Ethik zu finden.

    Und hier kann die (“moderne”, “westliche”, “aufgeklärte”) Wissenschaft, natürlich hauptsächlich die Philosophie, einladen, angemessen argumentieren, gerne auch wissenschaftliche (oft sind es spieltheoretische oder sozialwissenschaftliche oder historisch-empirische) Erkenntnisse einbringen, aber eben nicht forcieren.

    Eine einmal gefundene angemessene Ethik darf aber dann im kulturellen Kontext wieder als “Ich-habe-recht”-Ethik gepflegt und verteidigt werden. – Wie es ja auch geschieht, “ethnozentrisch”, “fundamentalaufklärisch” und “kulturalistisch”, wie die Relativisten finden, lol.

    Anders klappt das aber mit den Menschenrechten und so nicht.

    MFG
    Dr. W

  14. #14 Ludger
    25. November 2012

    @ Dagda aus Ihrem Link

    When the consultant came on the ward rounds on Monday morning Savita asked if they could not save the baby could they induce to end the pregnancy. The consultant said, ‘As long as there is a foetal heartbeat we can’t do anything’.
    “Again on Tuesday morning, the ward rounds and the same discussion. The consultant said it was the law, that this is a Catholic country. Savita [a Hindu] said: ‘I am neither Irish nor Catholic’ but they said there was nothing they could do.

    Das ist allerdings starker Tabak und wohl eine irisch-katholische Besonderheit. Ich hoffe und gehe davon aus, dass hierzulande Prozess und Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge oder wegen eines Tötungsdeliktes folgen würde. (Das deliktische der Unterlassung ist im Strafrecht schwierig mit hinreichender Sicherheit nachzuweisen). Oder besser: ich kann mir eine ähnliche Indikationsstellung im Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht vorstellen.
    @ MartinB Die o.a. Behauptung habe ich gelesen, halte sie aber nur dann für glaubwürdig, wenn es die Situation bis ca 1930 beschreibt, in abgelegenen Gegenden vielleicht auch länger. Die oben von mir beschriebene Indikation habe ich aus einem alten geburtshilflichen Lehrbuch von ca. 1920 (von Döderlein oder von Bumm). Darin kann man die große Entscheidungsnot der beteiligten Mediziner nachempfinden, sich zwischen Zerstückelung, Schnittentbindung oder Symphysiotomie entscheiden zu müssen. – Mit der Aufklärung unter der Geburt ist das so eine Sache. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Kreissende unter der Geburt nämlich nur eingeschränkt einwilligungsfähig. Ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit Abwägen aller Möglichkeiten, damit sich die mündige Patientin nach reiflicher Überlegung für eine dieser Möglichkeiten entscheidet, ist von der Situation meistens gar nicht möglich (anders als bei einer aufschiebbaren z.B. Schulteroperation). Außerdem gingen die Ärzte mit dieser Aufklärungspflicht vor 50 Jahren nicht sorgfältig um (sinngemäß aus dem Sauerbruchfilm: ” Sauerbruch: “Ich werde morgen eine in der Welt noch nie dagewesene Operation bei Ihnen vornehmen.” Patient: “Welche denn?” Sauerbruch: “Das verstehen Sie sowieso nicht.” Patient: “Danke Herr Professor!”.) Man darf eine Situation von vor 50 Jahren nicht mit heutiger Elle messen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Verhältnisse in Deutschland und die Verurteilungen von Dr. Dohrn wegen wunschgemäßer, nach Aufklärung und Einverständnis operativ korrekt durchgeführter Sterilisation von Frauen : https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43159755.html und https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46176213.html Das war 1963 in Niedersachsen, katholische Diaspora und in Deutschland..

  15. #15 Ludger
    25. November 2012

    @ MartinB
    aus dem verlinkten Artikel:

    Erst Mitte der Sechzigerjahre ging die Zahl der Symphysiotomien zurück.

    Das ist nicht mehr durch rein medizinische Gründe zu erklären. Damals waren Nahtmaterial, Operationstechnik etc. schon so leistungsfähig, dass man nicht mehr auf diese Methode angewiesen war. Möglicherweise gab es in Irland damals noch mehr verschleppte protrahierte Hausgeburten und in Deutschland wurden die Frauen vergleichsweise früher stationär eingewiesen. Irland war damals noch richtig arm! Aber auch in Deutschland hat sich was geändert (siehe Links oben), nur ist es kaum jemandem bewusst.

  16. #16 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    @Dagda, Ludger
    Vorsichtshalber wiederholend: Sie dürfen dieses Thema auch innerzirkulär bearbeiten, das Monothematische Ihrer Nachrichten bleibt natürlich weiterhin geschätzt…

  17. #17 MartinB
    25. November 2012

    @Ludger
    Da die Patientinnen, die jetzt auf Schadensersatz verklagen, in den 50ern und 60ern operiert wurden, ist das wohl dem medizinischen Standard nicht angemessen; soweit ich weiß, war der damals in Irland nicht wesentlich anders als in England, wo diese Praxis nicht in dieser Häufigkeit angewandt wurde (siehe die angegebenen Quellen). Dass es sich um verschleppte hausgeburten handeln könnte, steht jedenfalls in keiner Quelle.

  18. #18 Bell
    25. November 2012

    Angst vor der Physik
    Du schreibst eingangs Deines 1. Teiles “Zudem wird den Wissenschaftlern dabei oft auch noch Skrupellosigkeit, Dogmatismus und eine Abschottungsmentalität zugesprochen.

    Ich denke aber dies ist keine Zutat, wie Du mit Deinem zudem suggerierst, sondern darin liegt die eigentliche Angst begründet. Es handelt sich m.A. also nicht um eine Angst vor der Wissenschaft, sondern um eine Angst vor den Leuten, die Physik (bzw. Wissenschaft, siehe Tierexperimente) betreiben. Hier im 2. Teil näherst Du Dich zwar argumentativ meiner These an, magst sie aber scheinbar nicht übernehmen, sondern beharrst darauf, dass es die Angst vor der Wissenschaft sei.

    Als Indiz für meine These, möchte ich Deinen diesjährigen Aprilscherz anführen, den ich als objektive Meldung aus der Wissenschaft ins Mahag eingebracht hatte. Highway antwortet darauf:

    Manchen Physikern sollte man mächtig auf’s Maul hauen damit die mal langsam wieder zur Besinnung kommen.
    (…)
    Wollen wir wetten, dass jetzt bestimmt auch schon ein paar Arschlöcher in den Startlöchern stehen und sich so ein schwarzes Loch als Waffe vorstellen können?

    Im Wissen darum, dass es sich um einen Aprilscherz handelte, kann man sich über die Antwort natürlich köstlich amüsieren … aber darum geht es mir nicht, sondern darum zu zeigen, dass es sich um eine tiefsitzende Angst vor den Wissenschaftlern (und nicht etwa der Wissenschaft handelt). Beim Nachlesen Deines Scherzes, fällt mir dann auch noch die Leserin “Titijana” ins Auge, die ja nicht glauben wollte, dass es sich überhaupt um einen Scherz handelt.

    Dein Vergleich mit dem Messer, mit dem man sowohl friedlich Gemüse schneiden als auch Menschen umbringen könne … geht meiner Ansicht nach fehl, weil es die Dinge völlig verharmlost.

    Ich bin mir zutiefst sicher, dass diese tiefe Mißtrauen gegenüber den Physikern in der Hiroshimabombe begründet liegt, die ja tatsächlich von den bedeutendsten Physikern, die die Welt damals besaß, hellbegeistert entwickelt wurde. Und dafür möchte ich Feynman in Feld führen, der, auf seinen Anteil daran in einem Interview angesprochen, folgendes sagte:

    Nach der Explosion der Bombe waren in Los Alamos alle ungeheuer aufgeregt. Überall fanden Parties statt, alle rannten durch die Gegend. Ich saß auf der Kühlerhaube eines Jeeps und bearbeitete eine Trommel und so weiter. Nur einer machte nicht mit, und an den Mann kann ich mich ganz genau erinnern. Es war Bob Wilson, der mich überhaupt erst dazu gebracht hatte, bei dem Unternehmen mitzumachen. Der saß da und blies Trübsal.

    Ich fragte ihn: »Warum läßt du denn den Kopf hängen?«
    Er antwortete: »Wir haben da etwas ganz Schreckliches angerichtet.«

    Das wollte mir nicht so recht in den Kopf: »Aber du hast doch das Ganze ins Rollen gebracht, du hast uns dazu überredet.«

    Verstehen Sie, mir ist nämlich das gleiche passiert wie allen anderen: Wir hatten mit dem Projekt aus einem guten Grund begonnen. Doch wenn man sehr intensiv an etwas arbeitet, es unbedingt schaffen will, dann macht das Spaß, es ist aufregend. Und plötzlich hört man auf nachzudenken, verstehen Sie, das Denken schaltet einfach ab. Nachdem man sich am Anfang den Kopf darüber zerbrochen hat, hört man plötzlich auf nachzudenken. Er war der einzige, der sich nach wie vor Gedanken machte, genau in dem Augenblick.

    Dazu muß man wissen, dass Feynman wegen Deutschlands (und eben der Gefahr, dass dort zuerst die Atombombe entwickelt wird) mitgemacht hat. Aber Deutschland hat kapituliert bevor die Bombe fertig war.

    Es kommt natürlich hinzu, dass Physiker i.A. tatsächlich recht intelligente Menschen sind, die sich aufs Argumentieren ganz hervorragend verstehen und schlichte Gemüter, wie etwa Lieschen Müller oder meinereiner, einfach an die Wand diskutieren. Aber bezüglich ethischer Fragen haben sie ganz offensichtlich keinerlei ‘Mehrintelligenz’.

  19. #19 Ludger
    25. November 2012

    @ Dr. Webbaer

    Sie dürfen dieses Thema auch innerzirkulär bearbeiten …

    Danke, Sie sind so gut zu uns! Es geht hier um die Frage: “Was sollen wir tun?” und um Angstauslösung. Wenn Sie ein passenders Beispiel haben, bittesehr!

  20. #20 Dr. Webbaer
    25. November 2012

    @Ludger
    Schaun’S, das Thema soll ja gerne am Rande einfließen, aber wer Ihre und Dagda’s Neigung zum Medizinischen kennt, wird sicherlich nicht unfroh um des Webbaeren Bitte gewesen sein.

    Schreiben Sie doch mal alternativ etwas zu der ‘Angst’, die hier mehrfach angeführt wird, um die Ablehnung moderner “westlicher” Wissenschaftlichkeit allgemein zu begründen: Ist es Angst?

    MFG + GN
    Dr. W (der sich bis auf Weiteres ausklinkt, aber spätestens Mitte nächster Woche noch mal reinschaut – Ihnen zuliebe)

  21. #21 Physiker
    25. November 2012

    Man kann den tragischen Fall in Irland auch nüchterner betrachten, d.h. ohne Hass zu schüren wie im verlinkten Artikel (“Monsters, every one of them.”). Aber der Sündenbock “Kirche” ist ja auch viel zu schnell gefunden (auch wenn laut offizieller Position der katholischen Kirche ein Schwangerschaftsabbruch bei Lebensgefahr für die Mutter sehrwohl erlaubt wäre) – und soll nur vom Versagen der Politik ablenken (keine Rechtssicherheit für die Ärzte hergestellt zu haben).

  22. #22 Dagda
    25. November 2012

    @ Bell

    Aber warum sollte man den Angst vor den Wissenschaftlern haben, wenn man nicht auch Angst vor der Wissenschaft selber hat?

  23. #23 MartinB
    25. November 2012

    @Bell
    Was Hiroshima angeht – ganz so simpel sehe ich das nicht. Schätzungen für eine konventionelle Invasion sprachen immerhin von bis zu einer halben Million getöteter amerikanischer Soldaten. Viele der beteiligten Wissenschaftler hatten sicherlich Freunde und Verwandte unter den Soldaten und waren froh, wenn diese so gerettet wurden. Feynman hat zwar recht, dass eine neue Abwägung notwendig war und bei einigen unterblieben ist – wie diese Abwägung ausgehen würde, scheint mir aber nicht so klar.

    Und ich glaube, die Angst vor “den Wissenschaftlern” spielt zwar eine Rolle, aber dahinter steckt eben die Angst vor der abstrakten Macht Wissenschaft – sonst müsste jeder, der halbwegs denken kann, sich darüber klar werden, dass Wissenschaftler nebenbei auch Menschen sind und auch nichts davon haben, wenn die Welt zerstört wird. Dass da natürlich auch Feindbilder aufgebaut werden, ist klar – meine These ist ja gerade, dass die wahren Ursachen der Angst vor der Wissenschaft viel tiefer liegen.

    @Physiker
    Dann zitiere ich mal aus dem verlinkten Artikel:
    “Eine menschliche Tragödie auf vielen Ebenen.”
    Tja, und wodurch wurde diese Tragödie verursacht? Nicht vielleicht durch die Lehre der Kirche, dass ungeborenes Leben als vollwertiges Leben zu schützen ist? Nein? Wodurch dann?
    Wer genau wie viel Schuld an diesem konkreten Fall trägt, ist für die Tatsache unerheblich, dass die Grundursache des ganzen eine apodiktische EInstellung zu bestimmten ethischen Fragen ist, und darum ging es ja.

  24. #24 Physiker
    25. November 2012

    Ups… also wenn “apodiktische” Einstellungen zu bestimmten ethischen Fragen die Wurzel allen Übels sind, dann sollten wir die Menschenrechte ja möglichst schnell über Bord werfen.

    Tja, und wodurch wurde diese Tragödie verursacht? Nicht vielleicht durch die Lehre der Kirche, dass ungeborenes Leben als vollwertiges Leben zu schützen ist? Nein? Wodurch dann?

    Krass. Selbst wenn also die kath. Kirche in dem speziellen Fall (Lebensgefahr für die Mutter) grünes Licht für eine Abtreibung gibt, ist sie trotzdem Schuld (pardon: grundursächlich verantwortlich), weil sie ja so radikal lebensbejahend ist. Tja, hätte die Kirche mal besser keine offizielle Lehrmeinung gehabt.

    Wer genau wie viel Schuld an diesem konkreten Fall trägt, ist für die Tatsache unerheblich, dass die Grundursache des ganzen eine apodiktische EInstellung zu bestimmten ethischen Fragen ist, und darum ging es ja.

    So, so, eine Schuldzuweisung wollen Sie also nicht treffen, trotzdem ist es klar wo die “Grundursache” zu suchen ist? Sorry, aber wie blöd muss man denn sein, um diesen rhetorischen Kunstgriff nicht zu durchschauen. Frei nach dem Motto: Ich will denen ja keine Schuld zuweisen, aber die Grundursache ist doch eindeutig bei denen zu suchen.

  25. #25 Niels
    25. November 2012

    @Physiker

    Sorry, aber wie blöd muss man denn sein, um diesen rhetorischen Kunstgriff nicht zu durchschauen.

    Und wer ist deiner Meinung nach so blöd, dass er die vielen Strohmänner nicht erkennt, die du andauernd aufstellst?
    Dieser rhetorische Kunstgriff existiert schließlich nur als von dir aufgestellte Unterstellung.

    @MartinB @Bell

    Und ich glaube, die Angst vor “den Wissenschaftlern” spielt zwar eine Rolle, aber dahinter steckt eben die Angst vor der abstrakten Macht Wissenschaft […] meine These ist ja gerade, dass die wahren Ursachen der Angst vor der Wissenschaft viel tiefer liegen.

    Hm, ich finde die von Bell aufgeworfene These gar nicht so uninteressant.

    Im 19. Jahrhundert und auch noch in großen Teilen des 20. Jahrhunderts gab es doch eine echte Wissenschafts- und Fortschritts-Begeisterung. Damals ging die absolute Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass man irgendwann alle Probleme mit Hilfe der Wissenschaften lösen würde, dass Wissenschaft und Fortschritt prinzipiell positiv wären und dass wissenschaftliche Erkenntnisse immer enorm viel mehr Gutes als Schlechtes hervorbringen würden.
    Wenn man darüber heutzutage eine Umfrage durchführt, sieht das Meinungsbild dagegen völlig anders aus.

    Wissenschaftlich gebildeter war der Durchschnittsbürger damals aber doch auch nicht, was die Wissenschaftler da eigentlich machten verstand er vielleicht wahrscheinlich sogar eher noch weniger.
    Dass die Menschen sich damals weniger auf fest vorgefertigte, eindeutige und absolute Antworten verließen, passt doch irgendwie auch nicht.
    Diese Wissenschaftseuphorie war also auch nicht rationaler durchdacht als die heute weit verbreitete Wissenschaftsskepsis/Wissenschaftsfeindlichkeit.

    Die Frage ist jetzt, wodurch das Vertrauen in Wissenschaft und Fortschritt erschüttert wurde.
    Ist das allgemein eine Entwicklung im Zuge der Moderne, während der sich Traditionen im Umbruch befanden und das Vertrauen in alle Institutionen und den Nationalstaat abhanden kam?
    Liegt das nicht doch auch mindestens zu einem Teil daran, dass durch den Zweiten Weltkrieg, die Entwicklung der Atombombe und die Gefahr des Weltuntergangs durch die Möglichkeit des atomaren dritten Weltkrieges das Urvertrauen in die Wissenschaftler selbst als Autoritäten verloren ging? Einen derart offensichtlichen “Sündenfall”, an dem auch noch die Elite der Wissenschaftswelt beteiligt war, hatte es zuvor schließlich noch nie gegeben.
    Oder schwächte dies nur den Glauben an die die überwiegende “Gutartigkeit” der Wissenschaft selbst? Oder beides?
    (Ob der Abwurf der Atombomben auf Japan ethisch gerechtfertigt werden könnte spielte meiner Meinung nach für die öffentliche Wahrnehmung kaum eine Rolle.)

    Bei der Berufsgruppe der Ärzte war es ins Sachen Autorität früher doch ganz ähnlich:
    Dass Ärzte auch Menschen und damit genau so fehlbar und egoistisch sind wie alle anderen und dass sie ihre Erkenntnisse nicht immer zum Wohl aller einsetzen, müsste ebenfalls schon immer jedem Menschen klar gewesen sein. Trotzdem galt das Wort eines Arztes zu seinem medizinischen Fachgebiet früher (und gilt teilweise heute immer noch) etwas ganz anderes als das Wort eines Handwerksmeisters zu seinem Handwerk.
    Irgendeine spezielle Ursache für diese Vertrauensverlust fällt mir hier aber nicht ein. Vielleicht darf man sich deswegen auch bei den Wissenschaftlern nicht auf Einzelaspekte konzentrieren, sondern muss sich die Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen im Großen anschauen.

    @MartinB
    Warum spielt die A-Ethik der Wissenschaften heute also eine bedeutende Rolle, obwohl sie das früher überhaupt nicht tat?
    Obwohl die Menschen damals gläubiger waren?

    War die Tatsache der A-Ethik früheren Generationen einfach nicht bewusst?
    Oder ist deine These, dass viele Menschen in der heutigen komplizierteren und noch undurchschaubareren Welt stärker auf dogmatische Wahrheiten angewiesen ist, das wissenschaftliche Weltbild für sie als eine größer Bedrohung darstellt, als das früher der Fall war?
    Oder nochmal ganz was anders?

  26. #26 Gustav
    26. November 2012

    @Physiker: “Krass. Selbst wenn also die kath. Kirche in dem speziellen Fall (Lebensgefahr für die Mutter) grünes Licht für eine Abtreibung gibt, ist sie trotzdem Schuld (pardon: grundursächlich verantwortlich), weil sie ja so radikal lebensbejahend ist. Tja, hätte die Kirche mal besser keine offizielle Lehrmeinung gehabt.”

    Genau deswegen ist das ja ein Problem. Die Kirche fordert (und durch deren ehemaligen Macht hat sich das auch in den Gesetzen niedergeschlagen und durch deen jetzigen Macht versucht sie die Gesetze zu “konservieren”), dass nur dann eine Abtreibung durchgeführt werden darf, wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht. Es besteht also Lebensgefahr. Die Kirche verlangt also, dass Menschen nahe an den Tod gebracht werden. Das soll nicht das Problem sein?

    Abgesehen davon, dass diese Forderung natürlich ÄrztInnen in eine Zwangslage bringt. Er uss sich davür hüten zu früh einer Abtreibung zuzustimmen, macht er das, macht er sich strafbar.

    “Ups… also wenn “apodiktische” Einstellungen zu bestimmten ethischen Fragen die Wurzel allen Übels sind, dann sollten wir die Menschenrechte ja möglichst schnell über Bord werfen.”

    Menschenrechte im naturrechtlichen Sinn sind nicht dogmatisch bestimmt. Ganz im Gegenteil, Menschenrechte im rechtspositivistischen Sinn sind dogamtisch bestimmt. Naturrechte ändern sich mit fortlaufender Erkenntnis, rechtspositivistische Gesetze werden bestimmt.

  27. #27 glaubinet
    26. November 2012

    Zurück zu den Wurzelbehauptungen des Artikels

    “Wissenschaft kann Angst auslösen, weil sie uns Antworten auf die Grundfragen des Lebens liefert, die uns nicht unbedingt gefallen.”

    Seit wann können Aussagen von Deppen uns Angst einflösen? Wer glaubt, daß man von Deppen richtige Antwort bekommen wird?

    Allerhöchstens Deppen können zu solchen Vermutungen gelangen. Wissenschaft ist selbstverständlich die geistige Krönung. Aber doch nicht das, was uns heutzutage als Wissenschaft von den Volldeppen verkauft wird! Das ist blankes unlogisches Gebrabbel!

    “Die Wissenschaft hat dazu so etwa folgendes zu sagen:
    Evolutionär sind wir auf ein Zusammenleben in der Gruppe programmiert,,,geblubbt”

    Schon wieder solch ein unerhörter Anspruch eines Pseudowissenschaftlers! Weder gab es eine Evolution noch sind wir programmiert. Und daß man in einer Gruppe zusammenlebt ist logische Folge des Lebens, welches sich nun mal fortpflanzen wird, um zu Überleben und deshalb kommen automatisch Gruppen zustande. Man nennt sie in größerer Anzahl auch Volk.

    Die Pseudowissenschaft versucht die banalsten Dinge als neueste wissenschaftliche Erkenntnisse hinzustellen, welche jedem normalen Menschen seit Jahrtausenden bereits klar sind.

    Es fiel auch der Begriff “Ethik”. In der Wissenschaft gibt es diesen Begriff überhaupt nicht. Weil die Wissenschaft sich um die Gesetzmäßigkeiten der Natur zu kümmern und verständlich zu machen hat und dies basiert ausschleißlich auf elementarer Logik und Experiment und damit Wahrheit. Aber nicht auf schwammigen Begriffen wie “Ethik”, welche man wohl jedem um die Ohren hauen möchte, der solch einen Begriff auszusprechen wagt!

    Zu den skrupellosen Wissenschaftlern auch noch ein Wort: Ein Wissenschaftler ist entweder ein solcher oder skrupellos. Dazwischen gibt es nichts.

    Heute gibt es daher keine Wissenschaftler mehr.

  28. #28 MartinB
    26. November 2012

    @Physiker
    “dann sollten wir die Menschenrechte ja möglichst schnell über Bord werfen.”
    Falls jemand z.B. sagt “Es ist unter allen Umständen immer falsch, andere Menschen zu töten”, dann sollte man solche Regeln in der Tat über Bord werfen – man kann immer einen Fall konstruieren, in dem jede starre Regel nicht funktioniert. Jeder mit einem Funken Fantasie kann Szenarien konstruieren, in der furchtbare taten gerechtfertigt sind, weil die Alternative noch schlimmer wäre.

    Ansonsten schrieb ich klar, dass ich keine Schuldaufteilung in diesem speziellen Fall durchgeführt habe (ich habe also nicht gesagt, dass nur die Ärzte oder vor allem die Politiker oder insbesondere die Bischöfe schuld sind). Dass aber ohne einen katholischen Hintergrund im Land und bei den Ärzten die Frau noch leben würde, ist wohl hoffentlich unbestritten.

    @Niels
    “Obwohl die Menschen damals gläubiger waren? ”
    Du wirst lachen, aber ich glaube, es ist teilweise genau, weil die Menschen damals gläubiger waren. Sie gingen deshalb davon aus, dass Fortschritt und Wandel automatisch (weil gottgewollt) zum Guten führen würden.
    Natürlich hat die Atombombe für alle ganz augenfällig gemacht, dass die Wissenschaft auch Schaden anrichten kann – trotzdem gab es auch in den 50ern noch viele Leute, die in Atomkraft die größte Segnung der Menschheit sahen. (Und zumindest in den USA gab es meines Wissens nur wenige, die den Atombombenabwurf nicht gutgeheißen haben.)
    Die große Wissenschaftsablehnung kam meines Erachtens etwas später (z.B. mit der Umweltbewegung und den Grenzen des Wachstums).
    So oder so ist meine These aber ja letztlich, dass das alles Dinge sind, die an der Oberfläche liegen und dass unter diesen Ängsten vor der Wissenschaft/den Wissenschaftlern fundamentalere Ängste liegen.

  29. #29 Dagmar Landsberger
    Heidelberg
    26. November 2012

    Erfreulicherweise haben viele Menschen Vertrauen zu Ärzten, selbst wenn sie ansonsten eher wissenschaftsfern leben. Fast jeder Mensch findet einen Arzt seines Vertrauens.

    Und ich kenne eine Menge begabte Ärzte, die auch zu Menschen die regelrecht wissenschaftsfeindlich eingestellt sind eine gute Arzt-Patienten-Interaktion herstellen können. Wo Patienten die ihnen verschriebenen Medikamente auch einnehmen, weil sie merken dass ihr Arzt ehrlich zu ihnen ist, und dann nicht unbedingt überlegen, ob die Studien die hinter den Informationen des Arztes stehen für sie glaubwürdig wären. Ihnen genügt das Vertrauen zu ihrem Arzt.

    Das schreckliche, was ich an dem irischen Fall wahrnehme, ist dass hier die Angst einer Patientin nicht ernst genommen wurde.

    Es ist ja nicht alltäglich dass eine Mutter die ein Kind eigentlich bekommen möchte, plötzlich um eine Abtreibung bittet. Regelrecht darum streitet, über einen Zeitraum von mehr als einer Woche, mit der Nennung von Religionszugehörigkeit und Staatsagehörigkeit. Hier hätte es sich gelohnt näher zu untersuchen, nachzufragen warum!

    Diese Frau hatte offensichtlich schwere Bedenken, die nicht ernster genommen wurden als die Angst des Arztes/ der Ärzte vor Konsequenzen die ihnen selbst drohen könnten.

    Und das bedeutet: hier hat eine Angst des Arztes ihn gehindert die Angst der Patientin wahrzunehmen und ernstzunehmen. D.h. die Patienten-interaktion war schwer gestört.
    Da sowohl Arzt als auch Patientin die katholische Kirche ansprachen, kam die Hemmung, die Patientin in ihren Bedenken ernst zu nehmen, nicht vom Arzt selber oder durch medizinische Gründe.

    Es hat hier also eine durch die katholische Kirche angeregte gesetzliche Regelung zu einer Verunsicherung von Ärzten geführt, diese führte zu einer Störung einer Arzt-Patienten- Interaktion worauf diese mit dem Tod der Patientin endete.

    Aber die katholische Kirche ist mit Ärzten sowieso nicht immer gnädig:

    https://www.berliner-zeitung.de/archiv/eine-katholische-zeitschrift-veroeffentlicht-berichte-vor-allem-aus-afrika-ueber-vergewaltigungen-und-abtreibungen-priester-und-bischoefe-missbrauchen-nonnen-sexuell,10810590,9887572.html

    ….”Der Fall steht nicht allein: Der Bericht zitiert Ärzte von katholischen Spitälern, die von Priestern unter Druck gesetzt wurden, um Abtreibungen an Nonnen vorzunehmen….”

    Oder wenn man den Fall eines Kindes in Brasilien betrachtet, dass vom Vater vergewaltigt schwanger war:

    https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/brasilien-abtreibung-bei-neunjaehriger-mutter-und-aerzte-exkommuniziert/1466230.html

    “…..Das “Gottes Gesetz” stehe über den Gesetzen der Menschen. Das kleine Mädchen aus dem Bundesstaat Pernambuco war von seinem Stiefvater geschwängert worden und bereits im vierten Monat mit Zwillingen schwanger. Ärzten zufolge hätte die Schwangerschaft das zierliche Mädchen in Lebensgefahr bringen können….”

    Das Kind, die Ärzte und die Mutter die dem Abbruch zugestimmt hatte wurden exkommuniziert, weil sie Schaden von dem Kind abgewandt haben.
    Der Vater wurde nicht exkommuniziert.

    Hat jemand von uns eine Ahnung wie es einem Arzt in Brasilien geht, wenn er von der katholischen Kirche “verstoßen” wird?

    In Irland gibt es wohl eine, geschichtlich bedingte, enge Bindung an die katholische Kirche. Auch hier wird es einen Arzt nicht vollkommen kalt lassen, sich eventuell mit einer Institution anzulegen, die, nun sagen wir mal, nicht besonders verständnisvoll für medizinische Belange ist….

    Gerade Ärzte sind die wichtigsten/häufigsten und emotional bedeutende Schnittstellen zwischen Bevölkerung und Wissenschaft.
    Mit Feingefühl, etwas psychologischem Geschick und aktuellem Wisssenstand wecken sie in ihren Patienten das Gefühl, dass die Wissenschaft fühlbare Vorteile für sie erarbeitet.

    Dient die ärztliche Kunst anderen Interessen als der Gesundheit des Patienten, dann liegen die Dinge natürlich ganz anders, dann sind Ärzte, die im Kommunismus andersdenkende in die Psychiatrien senden, in China Zwangsabtreibungen vornehmen oder überall in der Welt Studien fälschen um finanzielle Vorteile zu erlangen diejenigen die ganz handfest auch das Vertrauen in die Wissenschaft schädigen.

    Leider ist Vertrauen aufbauen immer schwieriger wenn es einmal enttäuscht worden ist.

    Es sollte jedem politisch aktiven Menschen klar sein wie wichtig es ist, die Ärzte in ihren Entscheidungen vor schädlichen Fremdeinflüssen wie z.B. Kirchendoktrinen oder auch finanziellen Interessen von industrieller Seite zu schützen.

    Nicht nur in Irland.

  30. #30 Spoing
    26. November 2012

    Glaube das wurde in den Kommentaren noch nicht angesprochen, aber meiner Meinung nach nimmt auch die Angst “vor denen da Oben” zu. (Kann auch sein dass die Spinner im Internetzeitalter nur auffälliger sind.)

    Aber für viele sind Wissenschaftler keine normalen Menschen, sondern die Elite oder was auch immer.
    Was mich auch mal interessieren würde wären die Auswirkungen von Filmen auf unser denken. Anfangs waren ja auch Bücher sehr verpönt weil sie ja die Fantasie anregten und das Teilweise auch komische Auswüchse angenommen hatte. Die Darstellung von Wissenschaftlern im Fernsehen ist ja oft etwas realitätsfern.
    Aber die Wahrnehmung der “Wissenschaft” in der Öffentlichkeit ist ja noch mal ein Kapitel für sich.
    Da wird ein neues Iphone als technische Meisterleistung gefeiert obwohl nur ein paar bunte Bildchen anders sind und die Technik die gleiche geblieben ist.
    Erinnert mich immer ein Bischen an: “Was für ein Auto fährst du?” Aw: “Ein rotes”

  31. #31 MartinB
    26. November 2012

    @Spoing
    “meiner Meinung nach nimmt auch die Angst “vor denen da Oben” zu.”
    Das mag sicher mit genereller Politikverdrossenheit und einem Gefühl der machtlosigkeit im Globalisierungszeitalter zu tun haben. Das Gefühl, dass DAX-Unternehmen sich weniger um ihre Mitarbeiter sorgen als Familienbetriebe trägt sicher auch dazu bei etc. Dann wären Wissenschaftler nur sozusagen ein “Kollateralschaden”.
    “Die Darstellung von Wissenschaftlern im Fernsehen ist ja oft etwas realitätsfern.”
    Dazu habe ich ja oben einen passenden Link 😉

  32. #32 Dr. Webbaer
    26. November 2012

    @MartinB

    Und ich glaube, die Angst vor “den Wissenschaftlern” spielt zwar eine Rolle, aber dahinter steckt eben die Angst vor der abstrakten Macht Wissenschaft – sonst müsste jeder, der halbwegs denken kann, sich darüber klar werden, dass Wissenschaftler nebenbei auch Menschen sind und auch nichts davon haben, wenn die Welt zerstört wird. Dass da natürlich auch Feindbilder aufgebaut werden, ist klar – meine These ist ja gerade, dass die wahren Ursachen der Angst vor der Wissenschaft viel tiefer liegen.

    Nehmen wir einmal an, dass die Ablehnung der modernen Wissenschaftlichkeit angsthafter Natur ist, wie entstehen diese Ängste, wie sind sie grundiert? – Ist es die fehlende, aber für viele gewünschte, Einfachheit?

    Ist die Moderne Wissenschaftlichkeit nicht einfach? – Gerade auch verglichen mit anderen Konstrukten, die viele Voraussetzungen benötigen, gar Machtbezüge?

    MFG
    Dr. W

  33. #33 Physiker
    26. November 2012

    @MartinB:

    Falls jemand z.B. sagt “Es ist unter allen Umständen immer falsch, andere Menschen zu töten”, dann sollte man solche Regeln in der Tat über Bord werfen – man kann immer einen Fall konstruieren, in dem jede starre Regel nicht funktioniert. Jeder mit einem Funken Fantasie kann Szenarien konstruieren, in der furchtbare taten gerechtfertigt sind, weil die Alternative noch schlimmer wäre.

    Genau deshalb erlaubt ja die kath. Kirche in dem speziellen Fall die Abtreibung. Und deshalb ist dieses Beispiel schlecht gewählt, denn es demonstriert in diesem Punkt gerade keine apodiktische Einstellung. Autsch, ganz schön bitter, wenn das eigene Beispiel tatsächlich ein Gegenbeispiel ist.

    Dass aber ohne einen katholischen Hintergrund im Land und bei den Ärzten die Frau noch leben würde, ist wohl hoffentlich unbestritten.

    Das sind rein hypothetische Überlegungen – nicht umsonst geht man in den Geschichtswissenschaften davon aus, dass die Beantwortung solcher hypothetischer Fragen genauso offen ist wie ein Blick in die Zukunft. Woher wollen Sie wissen, wie die Gesetzeslage in einem Irland ohne kath. Hintergrund aussehen würde? Es gibt viele mehrheitlich kath. oder nicht kath. Länder mit unterschiedlichster Rechtssprechung. Und wie ein Land ganz ohne religiösem Hintergrund aussehen würde, wissen wir auch nicht, denn es gibt kein solches Land. Aber angenommen, solche hypothetischen Fragestellungen wären sinnvoll und nicht nur rein rhetorisch: massen Sie sich seit neuestem dann auch medizinische Ferndiagnosen an?
    Anscheinend schon, denn der Zweck heiligt ja schliesslich die Mittel. Oder warum sonst verlinken Sie auf einen Artikel der dazu aufruft die kath. Kirche zu plündern, ihre Hierarchie aufzulösen und die Kirchenbänke zu leeren:

    Fuck the Catholic church. Empty every pew, loot every coffer, disband every level of the hierarchy, take all their property […]

    Kommen Ihnen solche Aufrufe wirklich nicht bekannt vor?
    Also manchmal wünschte ich wirklich, die Menschenrechte wären apodiktisch.

  34. #34 Dr. Webbaer
    26. November 2012

    Oder warum sonst verlinken Sie auf einen Artikel der dazu aufruft die kath. Kirche zu plündern, ihre Hierarchie aufzulösen und die Kirchenbänke zu leeren:/blockquote>Offensichtlich ein Faux-Pas und sicherlich nichts Wesentliches die eigentliche Thematik berührend. – Das es Szientisten gibt, die das Sollen betreffend hauptsächlich antichristlich unterwegs sind, ist ja kein Geheimnis.

    MFG
    Dr. W

  35. #35 Dr. Webbaer
    26. November 2012

    Hrgg, v2:

    Oder warum sonst verlinken Sie auf einen Artikel der dazu aufruft die kath. Kirche zu plündern, ihre Hierarchie aufzulösen und die Kirchenbänke zu leeren:

    Offensichtlich ein Faux-Pas und sicherlich nichts Wesentliches die eigentliche Thematik berührend. – Das es Szientisten gibt, die das Sollen betreffend hauptsächlich antichristlich unterwegs sind, ist ja kein Geheimnis.

    MFG
    Dr. W

  36. #36 MartinB
    26. November 2012

    @Physiker
    Nein, ganz schön bitter, wenn man ein Argument nicht versteht.
    Noch mal für gaaanz langsame Denker:
    – Katholische Kirche lässt Abtreibungen nur in ganz speziellen Fällen zu.
    – Rechtslage in Irland spiegelt das wider.
    – Ärzte in Irland sind deshalb zögerlich, zu früh abzutreiben und glauben (eventuell auch irrtümlich), erst abtreiben zu dürfen, wenn der Embryo definitiv tot ist.
    Merken Sie was? Wenn man den ersten Satz weglässt, fallen auch die Folgerungen daraus weg. Toll, wie Logik funktioniert…

    “Das sind rein hypothetische Überlegungen”
    schreibt der Mensch, der es total plausibel fand, dass man vor 3000 jahren die beschenidung aus medizinischen gründen wegen der langzeitvorteile eingeführt hat. Das ist schon Realsatire…

    Im übrigen muss ich mit der Meinung eines Artikels nicht konform gehen, nur weil ich auf ihn wegen der dort beschriebenen Fakten verweise. (Komischerweise haben Sie sogar wörtlich aus einem Artikel zitiert und dann gesagt, damit würden sie sich den Inhalt des Zitates nicht zu eigen machen. Sie sind schon wirklich ein lustiger Troll mit kurzem Gedächtnis…)

  37. #37 Dr. Webbaer
    26. November 2012

    @MartinB
    Es tut so einer Diskussion halt nicht gut, wenn Sie gegen des Ende des Artikels am Rande ungünstig wie folgt verweisen:
    -> https://freethoughtblogs.com/pharyngula/2012/11/15/aaaaaieee-why-did-you-have-to-tell-me-that/
    -> https://freethoughtblogs.com/pharyngula/2012/11/14/its-time-to-abort-the-catholic-church/

    KA, warum Sie das getan haben, der Schreiber dieser Zeilen, Ihr Webbaer, versucht denn auch das Wesentliche zu referenzieren. (Probebohrungen waren gestern!, sollten diese Sie gestört haben, bittet der Schreiber dieser Zeilen um Nachsicht, es war nicht bös gemeint und hauptsächlich der Neugierde geschuldet. – Das Mini-Projekt “Beforschung d-sprachiger wissenschaftsnaher Blogger” hat längst ein Ende gefunden.)

    MFG
    Dr. W

  38. #38 Ludger
    26. November 2012

    Physiker26. November 2012 @MartinB:[…]
    Genau deshalb erlaubt ja die kath. Kirche in dem speziellen Fall die Abtreibung.

    Das glaube ich nicht. Der von WB verlinkte Satz aus Radio Vatikan :

    Es gebe klare ethische Richtlinien der Bischofskonferenz für den Fall, dass das Leben der Mutter in der Schwangerschaft gefährdet sei. Medikamente oder Behandlungen, die das Leben der Mutter retten, aber das Leben des Kindes aufs Spiel setzen könnten, seien unter den Voraussetzung erlaubt, dass die Ärzte alles in ihrer Macht stehende tun würden, das Leben beider zu retten. https://de.radiovaticana.va/Articolo.asp?c=640585

    gibt eben kein grünes Licht für bestimmte Maßnahmen, bei denen das Kind “geopfert” wird. Die sicherste Methode, das Leben der Mutter zu retten, wäre eine frühzeitige operative vollständige Entfernung der entzündeten, schwangern Gebärmutter gewesen. So eine Gebärmutter ist matschig weich, verletzlich, mit infizierten Thromben in der Gebärmutterwand, die zum Streuen von septischen Metastasen neigt. Ein instrumentelles Ausräumen wäre eine hochgefährliche Sache gewesen. Wer aber will einer so jungen Frau in einer solchen Situation die Gebärmutter entfernen und damit die Fortpflanzungsfähigkeit rauben – ganz unabhängig von der religiösen Ausrichtungder Beteiligten. Und wenn man zu lange hofft und zaudert, ist der Zug hin zur gramnegativen Sepsis mit disseminierter intravasaler Gerinnung und Multiorganversagen abgefahren. Bei beiden Verfahren handelt es sich nicht um das Bemühen, Mutter und Kind zu retten. Für die katholische Kirche ist ein Kind vor und nach der Geburt gleichermaßen ein Mensch. Wir sollten das der Kirche auch zugestehen und dabei bedenken, dass sie als höchste moralische Instanz das Gewissen der Beteiligten respektiert. Für die Katholische Kirche ist die Diskussion darüber, ob ein Mensch geopfert werden darf (Fet), um einen anderen zu retten (Mutter), dieselbe Diskussion, die wir hier in Deutschland hatten im Zusammenhang mit der Frage, ob ein gekapertes Verkehrsflugzeug durch die Bundeswehr abgeschossen werden darf, wenn man dadurch wesentlich mehr Menschen am Boden retten kann als durch den Abschuss verloren gehen.

    Darüber hinaus sei §
    14 Abs. 3 LuftSiG mit dem Grundrecht auf Leben und mit der
    Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes nicht vereinbar, soweit von dem Einsatz der Waffengewalt tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden. Diese würden dadurch, dass der Staat ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt, als bloße Objekte behandelt; ihnen werde dadurch der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt. https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg06-011.html

    Der Unterschied in der Auffassung zur Menschenwürde zwischen Bundesverfassungsgericht und Katholischer Kirche besteht nur darin, dass die Katholische Kirche dem Nasciturus und sogar der Zygote die volle Menschenwürde zuerkennt, das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland aber erst dam schon geborenen Menschen. Unter deutschen Gynaekologen besteht übrigens weitgehend Einigkeit, dass die Mutter im Zweifelsfall vorgeht, und sie werden entsprechend pragmatisch handeln. Das sauber philosophisch zu begründen, ist schon schwerer.

  39. #39 MartinB
    27. November 2012

    @Ludger
    “Das sauber philosophisch zu begründen, ist schon schwerer.”
    Warum? Solange es kein gesetz gibt, dass dich – wenn jemand anderes darauf angewiesen ist zwingt, Blut oder Knochenmark zu spenden, so lange kann man wohl kaum von einer schwangeren Frau verlangen, dass sie ihr Leben aufs spiel setzt, um einen Embryo zu retten.

  40. #40 Dagmar Landsberger
    27. November 2012

    @Ludger
    “Unter deutschen Gynaekologen besteht übrigens weitgehend Einigkeit, dass die Mutter im Zweifelsfall vorgeht, und sie werden entsprechend pragmatisch handeln. Das sauber philosophisch zu begründen, ist schon schwerer.”
    Muss man das wirklich “sauber” begründen können?
    Die Mutter ist die Patientin mit der man spricht, deren Schmerzen und Sorgen man sieht, hört, mitempfindet. Dass man zunächst darauf reagiert, was hier als Interaktion stattfindet, ist doch wohl nachzuvollziehen. Andersherum wäre es das sicher nicht!

    Zudem ist zumeist die Mutter oft diejenige, die viel weiter gehten würde als der Arzt, wenn es darum geht wieviel Risiko man der Mutter zumuten will um das werdende Leben zu retten.

    Wer schon einmal einer werdenden Mutter mitteilen mußte, dass eine Schwangerschaft beendet werden muss um sie selber zu retten, der weiss das!

    Und wieviel Sinn läge darin beide Leben zu verlieren?

    Arzt zu sein und Entscheidungen treffen zu müssen (übrigens gemeinsam mit dem Patienten), für Leben und Unversehrtheit des Patienten verantwortlich zu sein, ist sicher schwer genug, auch ohne schwammige Rechtsverhältnisse.
    Hatten die Ärzte in Irland überhaupt eine Rechtssicherheit?

    https://www.scilogs.de/wblogs/blog/die-sankore-schriften/medizin/2012-11-17/dies-ist-ein-katholisches-land.

    …..”2009 klagten drei Frauen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das irische Schwangerschaftsabbruchverbot. Das Gericht gab ihnen Recht und trug der irischen Regierung auf, ein Gesetz zu verabschieden, in dem die Bedingungen für einen Schwangerschaftsabbruch rechtlich festgelegt sind. Bislang ist das nicht geschehen und ich weiß nicht ob der irischen Regierung eine Frist gesetzt wurde…..”

    In Irland hatte man also seit Jahren den Klärungsprozess, der rechtlichen Regelungen der Problematik unter welchen Unmständen Ärzte welche Maßnahmen ergreifen können,vor sich her geschoben.

    Ich denke es steckt Feigheit dahinter, denn es ist in Irland etwas ganz anderes für einen Politiker sich bei der katholischen Kirche missliebig zu machen als in anderen Ländern.
    Das bedeutet, dass hier alles recht hübsch in der Schwebe gehalten wurde. Genau diese Rechtsunsicherheit ist der Boden auf dem eine Verunsicherung oder Fehlinterpretation von rechtlichen Möglichkeiten wachsen kann.

    Die irische Regierung muß sich hier einen schweren Vorwurf gefallen lassen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht umgesetzt zu haben.

    Was macht den Menschen Angst vor Wissenschaft?
    Schlagzeilen wie die folgende hier, und das was dort beschrieben wird.

    https://www.washingtonpost.com/business/economy/as-drug-industrys-influence-over-research-grows-so-does-the-potential-for-bias/2012/11/24/bb64d596-1264-11e2-be82-c3411b7680a9_story.html

    “Unfortunately, the entire evidence base has been perverted,” said Joseph Ross, a professor at Yale Medical School who has studied the issue.

    Aber das macht ja auch einem Teil der Wissenschaftlern schon lange Angst. Und Wissenschaftler die Bedenken haben teilen diese durchaus nicht nur anderen Wissenschaftlern mit…..

    Nein ich glaube keineswegs dass hier einfach eine diffuse Angst “vor denen da oben” wirksam wird.

    Wissenschaftler sind nicht “die da oben”, dafür sind sie (so sie sich nicht “verkaufen”) viel zu schlecht bezahlt.

    Wer klinische Studien in bestimmten Bereichen macht, der kann unter Umständen Millionen verdienen. Aber in vielen anderen wissenschaftlichen Bereichen ist der Verdienst eher mager und die Beschäftigungsverhältnisse höchst unsicher. Feste Anstellungen selten.

    Die meisten Wissenschaftler sind menschlich gut im unteren bis mittleren Mittelstand verankert, sozusagen “welche von uns”.
    Vergleichbar mit Lehrern, die man auch nicht als “die da oben” sieht.

  41. #41 Dr. Webbaer
    27. November 2012

    @Ludger
    Die Katholische Kirche “opfert” auch das Leben des Kindes, aber unter Risikoabwägungen, die sich von denen anderer unterscheiden. Zynisch formuliert hat das Leben des ungeborenen Kindes in der Katholischen Kirche noch eine Lobby.

    Der Vergleich mit terroristisch gekaperten “Märtyrerflugzeugen” bzw. deren Abschuss ist stimmig, jeweils sind komplexe ethische Entscheidungen zu treffen.

    Wenn Sie gerade schon so schön beitragen, was begründet I. E. die Ablehnung moderner Wissenschaftlichkeit? Angst?

    MFG
    Dr. W

  42. #42 frantischek
    27. November 2012

    Offtopic, aber ich möchte einmal bemerken das dieser mittlerweile mein Lieblingsblog auf SB geworden ist.

  43. #43 Ludger
    27. November 2012

    @ MartinB:
    Der Hinweis auf Inkongruenzen ersetzt keine philosophische Deduktion. Es geht letztlich darum, wann der Nasciturus die volle Menschenwürde besitzt. Und die Herleitung, dass er sie in der 17. SSW noch nicht besitzt, ist eben schwieriger als eine pragmatische Entscheidung. Zur Menschenwürde habe ich mich übrigens schon ausführlich geäussert: https://scienceblogs.de/bloodnacid/2011/11/11/eine-zygote-ist-keine-person/ (systematische Zusammenfassung im ersten Beitrag vom 23/11/2011 ). Die Evolution hat übrigens in solchen Fällen eine klare Antwort: Der weibliche Organismus stößt bei einem Amnioninfektionssyndrom meistens relativ schnell den Feten aus und schützt dadurch die Mutter.
    @ Dagmar Landsberger
    Ich widerspreche Ihnen nicht. Wenn ich versuche, die Motivation und Gedankenwelt der irischen Ärzte nachzuvollziehen, muss ich nicht deren Ansichten teilen. Danke für den Link zur Washington Post. Ja, sowas macht Angst. Dabei beteiligen sich die Wissenschaftler als Handlanger und machen sich dadurch mitschuldig.
    @ WB:
    Wissenschaft sagt uns nicht, was wir tun sollen, sondern mit welcher Wahrscheinlichkeit wir vielleicht was erreichen können, wenn wir uns so oder anders entscheiden. Das erzeugt Ambivalenzen und damit Angst.

  44. #44 MartinB
    27. November 2012

    @frantischek
    Das macht nichts 😉

    @Ludger
    “Es geht letztlich darum, wann der Nasciturus die volle Menschenwürde besitzt.”
    Nein, meiner Ansicht nach nicht.
    Selbst wenn ein Embryo die volle menschenwürde besäße, würde uns das nicht das Recht geben, einen anderen Menschen seinetwegen zu gefährden, wenn dieser andere Mensch diese Gefahr nicht in Kauf nimmt.
    Sonst müssten wir nämlich doch Zwangs-Organspenden einführen, wenn du zwei funktionierende Nieren hast und ich keine. Um das besondere Recht des Embryos gegenüber der Mutter abzuleiten, musst du erklären, warum die Mutter für die Gesundheit des Embryos im Zweifel mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit einstehen soll.

  45. #45 Physiker
    27. November 2012

    @MartinB:

    – Katholische Kirche lässt Abtreibungen nur in ganz speziellen Fällen zu.
    – Rechtslage in Irland spiegelt das wider.

    Eben nicht. Wenn man den Recherchen von Joe Dramiga im verlinkten Blog-Artikel glauben schenkt, dann spiegelt die Rechtslage in Irland eben gerade nicht die Lehrmeinung der kath. Kirche wieder, denn:
    “Schwangerschaftsabbruch ist im katholisch geprägten Irland grundsätzlich verboten. Allerdings hatte 1992 das höchste irische Gericht in einem Grundsatzurteil festgelegt, dass im Falle von Lebensgefahr für die werdende Mutter ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist. Allerdings wurde die Rechtsprechung nie in einen Gesetzestext gegossen. Ein Verfassungszusatz von 1983 hält fest, dass der Embryo vom Zeitpunkt seiner Zeugung an ein irischer Bürger mit allen Rechten ist.”

    Merken Sie was?

    Ja, dass Sie den verlinkten Artikel nicht gelesen haben und sich deshalb für den schnelleren/überlegeneren Denker halten.

    “Das sind rein hypothetische Überlegungen”
    schreibt der Mensch, der es total plausibel fand, dass man vor 3000 jahren die beschenidung aus medizinischen gründen wegen der langzeitvorteile eingeführt hat.

    Oh mein Gott, wie kindisch ist denn dieses Tu quoque, das gleichzeitig auch noch auf einen Strohmann aufgebaut ist? Nur zur Info – ich hielt das nicht für “total plausibel” sondern nur für “nicht ausgeschlossen” (und das auf Grundlage von 3 Fachpublikationen). In dem dortigen Thread kritisierte ich ja gerade dass Ihre Argumentation auf reine Spekulation aufbaute.

    Im übrigen muss ich mit der Meinung eines Artikels nicht konform gehen, nur weil ich auf ihn wegen der dort beschriebenen Fakten verweise.

    Sicher. Stellen Sie sich vor, Sie können sich sogar auf die Meinungsfreiheit berufen. Meinungen sind auch im verlinkten Artikel “geringfügig” prominenter vertreten als Fakten – ober zählen Sie auch den eröffnenden Aufruf “Shut ‘em down” (dt. Knallt sie ab) zu den Fakten?

    Sie sind schon wirklich ein lustiger Troll mit kurzem Gedächtnis…

    Ich finde es nicht lustig, wenn auf diesem Portal auf Artikel verlinkt wird, die Reichskristallnachts-ähnliche Aufrufe (diesmal gegen die kath. Kirche) enthalten, und die die These stützen sollen, dass damit kirchlich verursachtes Leiden/Sterben aufhören würde. Wenn Sie solche Anmerkungen für trollig halten, dann respektiere ich das natürlich und Sie dürfen sich auf meinen Abschied aus diesem Thread freuen.

  46. #46 MartinB
    27. November 2012

    @Physiker
    Für trollig halte ich nur Ihre Art der Diskussion, die – wie ja auch neulich schon mehrfach bemerkt – in ihrer Einseitigkeit Klimawandelleugnern nichts nachsteht. Dass das Gesetz in Irland auf Grund der Lehren der katholischen Kirche so ist, wie es ist, kann man wohl wirklich kaum ernsthaft leugnen, auch wenn das Gesetz nicht exakt den lehren der katholischen Kirche entspricht.
    ich habe auf den pharyngula-Artikel verwiesen, weil ich den Sachverhalt dort zuerst gelesen habe und man sich von dort aus mühelos weitere Quellen besorgen kann.
    “Shut down” mit “abknallen” übersetzen ist auch schon eigenwillig….

  47. #47 Dr. Webbaer
    27. November 2012

    @Ludger

    Wissenschaft sagt uns nicht, was wir tun sollen, sondern mit welcher Wahrscheinlichkeit wir vielleicht was erreichen können, wenn wir uns so oder anders entscheiden. Das erzeugt Ambivalenzen und damit Angst.

    Das mit der Wahrscheinlichkeit fand der Schreiber dieser Zeilen jetzt nicht so präzise formuliert, ersetzen wir gedanklich vielleicht einfach ‘mit welcher Wahrscheinlichkeit’ durch ‘wie’.

    Und dann bliebe noch die Frage warum anderes, was auch Angst macht, nicht zur Ablehnung führt. Achterbahnfahren oder diese Veranstaltungen mit der Hölle (“Höllenangst”) beispielsweise…

    MFG
    Dr. W

  48. #48 Niels
    27. November 2012

    @MartinB

    Du wirst lachen, aber ich glaube, es ist teilweise genau, weil die Menschen damals gläubiger waren. Sie gingen deshalb davon aus, dass Fortschritt und Wandel automatisch (weil gottgewollt) zum Guten führen würden.

    Hm. Bin mir nicht sicher, ob es so einfach ist.
    Zur Strenggläubigkeit passt Konservatismus doch irgendwie immer besser als Fortschrittsgläubigkeit.
    “Wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch fliegt, dann hätte er ihm Flügel gegeben.”
    Soweit ich weiß, war das auch früher nicht anders und der Fortschritt wurde mehrheitlich gerade von den weniger Religiösen und Liberalen getragen und eingefordert, gerade auch gegen den Widerstand der Strenggläubigen.

    So oder so ist meine These aber ja letztlich, dass das alles Dinge sind, die an der Oberfläche liegen und dass unter diesen Ängsten vor der Wissenschaft/den Wissenschaftlern fundamentalere Ängste liegen.

    Keine Frage, da sind wir einer Meinung.

    Um der Sache auf den Grund zu gehen, halte ich es aber für sehr sinnvoll, verschiedene Zeiträume miteinander zu vergleichen und zu untersuchen, warum und wie sich die “Angst vor der Wissenschaft” verändert und entwickelt hat.

    Vielleicht ist diese “Angst vor der Wissenschaft” auch gar kein Phänomen, das man singulär betrachtet verstehen kann.
    Das halte ich durchaus für diskussionswert.
    Denn auch alle anderen gesellschaftlichen Institutionen haben relativ zeitgleich ebenfalls in erheblichem Umfang Vertrauen eingebüßt.
    Es gibt doch schließlich mittlerweile noch eine Vielzahl anderer Ängste, die früher praktisch unbekannt waren, mittlerweile aber teilweise sehr weit verbreitet sind.
    “Angst vor der Politik”, “Angst vor der Polizei/der Justiz”, “Angst vor der Presse”, “Angst vor den Eliten”, “Angst vor der Wirtschaft”, ja sogar eine “Angst vor der Kirche”.
    Das eine wachsende Anzahl von Menschen an Verschwörungstheorien glaubt, hängt vermutlich auch irgendwie mit diesem Komplex zusammen.

  49. #49 MartinB
    27. November 2012

    @Niels
    “Zur Strenggläubigkeit passt Konservatismus doch irgendwie immer besser als Fortschrittsgläubigkeit.”
    Du hast sicher recht, dass man das historisch sauber vergleichen müsste. Zumindest so in der Mitte des 20. Jh waren es aber ja oft die Konservativen, die fortschrittsgläubig waren und die weniger Konservativen (“linken” – sollte ich vielleicht nicht schreiben, sonst gibt’s wieder Sinnloses vom Webbären), die den Fortschritt anzweifelten. Auch heute sind es doch eher die “Konservativen”, die Probleme vor allem mit mehr Technik lösen wollen, oder?

    “…auch gar kein Phänomen, das man singulär betrachtet verstehen kann.”
    Meine These ist ja, dass die Angst vor der Wissenschaft teilweise anders gelagert ist – die anderen Dinge, die du aufführst, sind solche die unmittelbar gesellschaftliche Macht haben; bei der Wissenschaft ist das nur indirekt der Fall. Es spielt sicher eine Rolle – davon handelt ja auch dieser zweite Teil ein wenig, aber ich denke, da ist noch mehr. Zwei Aspekte (Angst vor dem Verlust “sicheren Wissens” und Angst vor dem Verlust einer verlässlichen absoluten Ethik) habe ich ja schon angeführt, weitere Aspekte kommen dann in Teil 3 und 4.

  50. #50 Ludger
    27. November 2012

    @ MartinB
    Die Geburt als Zäsur ist sicherlich kulturell begründet und juristisch so festgelegt. In den Kulturen gibt es jedenfalls dazu sehr unterschiedliche Ansichten: https://www.ethikrat.org/dateien/pdf/ner-infobrief_02-04.pdf Vielleicht gibt es gar keine saubere philosophische Begründung, weil die Prämissen dafür religiös/kulturell bestimmt sind und die Folgerung Was soll ich tun durch die Prämissen festgelegt ist.

  51. #51 MartinB
    27. November 2012

    @Ludger
    Ich denke, dass die Geburt als Zäsur auch deswegen sinnvoll ist, weil man arge Probleme bekäme, wenn man dem Neugeborenen keine vollen Menschenrechte zugestehen würde – dann könnte ich es ja z.B. als Organspender verwenden. Solange der Embryo aber auf ein anderes menschliches Leben angewiesen ist und dieses in Gefahr bringt, muss dieses andere Leben in meinen Augen Vorrang haben.

  52. #52 Ludger
    27. November 2012

    @ WB

    Wissenschaft sagt uns nicht, was wir tun sollen, sondern mit welcher Wahrscheinlichkeit wir vielleicht was erreichen können, wenn wir uns so oder anders entscheiden.

    Doch, das meine ich genau so. Beispiel: Entscheidung Statintherapie ob oder ob nicht, Abwägung des Nutzen und der Risiken. Wie groß ist in den verschiedenen Studien die “number needed to treat” im Verhältnis zur “number needed to harm ” unter Berücksichtigung der Tabelle bei https://de.wikipedia.org/wiki/Statin#Risikoreduktion_durch_die_Gabe_von_Statinen . Solche Angaben findet man auch bei der Wettervorhersage wie beim Aktienkaufund sonstwo.

  53. #53 Ludger
    27. November 2012

    @MartinB

    […]dass die Geburt als Zäsur auch deswegen sinnvoll ist, weil man arge Probleme bekäme, […]

    Utilitarist !

  54. #54 Dr. Webbaer
    27. November 2012

    @Ludger
    Aha, Sie meinen tatsächlich, dass das Näherungshafte und Probabilistische wissenschaftlicher Bemühung beim Abnehmer Unsicherheit erzeugt, und es so zur Ablehnung kommt. Mit dem Zwischenresultat Angst.

    MFG
    Dr. W (dem zum Titel dieser kleinen Serie ‘X vor der Wissenschaft’ bisher auch nichts Besseres als ‘Angst’ eingefallen ist für das X – aber es ist wohl nicht die Angst)

  55. #55 MartinB
    27. November 2012

    @Ludger
    Nur bedingt – sonst müsste ich es doch gerade o.k. finden, ein Baby zu schlachten um 10 oder 20 leute mit Organen zu versorgen. Nein, ich habe kein Problem damit, klar zu sagen, dass Ethik nicht vollkommen rational begründbar ist (deswegen auch der Hinweis auf den Seewolf…).

  56. #56 roel
    *****
    27. November 2012

    @Niels “Denn auch alle anderen gesellschaftlichen Institutionen haben relativ zeitgleich ebenfalls in erheblichem Umfang Vertrauen eingebüßt.
    Es gibt doch schließlich mittlerweile noch eine Vielzahl anderer Ängste, die früher praktisch unbekannt waren, mittlerweile aber teilweise sehr weit verbreitet sind.
    “Angst vor der Politik”, “Angst vor der Polizei/der Justiz”, “Angst vor der Presse”, “Angst vor den Eliten”, “Angst vor der Wirtschaft”, ja sogar eine “Angst vor der Kirche”.”
    Das sind alles keine neuen Ängste, die gibt es seitdem es den entsprechenden Missbrauch gibt.

    @MartinB Es gibt die Angst vor dem Neuen, vor der Veränderung und ich denke Wissenschaft ist die Wegbereiterin für Neues und für die Veränderung.

  57. #57 georg
    28. November 2012

    @MartinB
    27. November 2012 @Physiker

    Du solltest mal dabei zusehen, wie der seinen Computer runterfährt 😉

    Physikers Auftritt war diesmal aber überraschend kurz und der Abgang mit dem Reichskristallnachstrohmann auch nicht gerade überzeugend.

    mfg georg

  58. #58 georg
    28. November 2012

    Nach den ‘…’ sollte eigentlich noch das:
    ‘“Shut down” mit “abknallen” übersetzen ist auch schon eigenwillig….’
    erscheinen.

  59. #59 Adent
    28. November 2012

    @georg
    Kein Angst der Physiker wir schon wieder auftauchen, er hat nämlich ein einziges riesiges Problem und das ist, er hat immer Recht. Solange man ihm widerspricht wird er wieder auftauchen, selbst bei dem absurden Thema der hygienischen Gründe für die Einführung der Beschneidung vor x-tausend Jahren hat er nicht zugegeben falsch zu liegen. Auffällig ist auch, daß er immer nur auf ausgewählte Fragen antwortet, alles wo er auch nur ansatzweise falsch liegen könnte ignoriert er. Er ist in meinen Augen einer diesen typischen Besserwisser-Cranks.

  60. #60 MartinB
    28. November 2012

    @georg
    Danke für den zweiten Kommentar, den ersten fand ich etwas kryptisch.

  61. #61 Dagmar Landsberger
    @roel
    28. November 2012

    “Das sind alles keine neuen Ängste, die gibt es seitdem es den entsprechenden Missbrauch gibt.”

    Exakt!

    Da sehe ich den Schwerpunkt der Bemühungen zu erkennen was man gegen die “Angst vor Wissenschaft” tun kann.

    Die nicht selten vorhandene Angst von Afroamerikanern vor medizinischen Maßnahmen läßt sich sicher leichter verstehen wenn man von Tuskeegee weiss.

    Die Abscheu von Eltern autistischer Kinder gegenüber tiefenpsychologisch orientierten Psychiatern läßt sich sicher leichter verstehen wenn man weiß dass Bruno Bettelheim Kunsthistoriker war, der sich als Psychologe ausgab und leider über Jahrzehnte mit vollkommen unwissenschaftlichen Thesen die Therapie von Autisten in aller Welt zum Terrorprogramm gegen Eltern machte. In Frankreich ist es bis Heute so, siehe “the wall”

    https://autisteenfrance.over-blog.com/pages/About_the_film_the_wall_psychoanalysis_put_to_the_test_for_autism-5974163.html

    Bei mir hat sich da keine Angst vor Wissenschaft eingestellt, eher im Gegenteil, denn gerade die Bemühungen von ehrlichen Wissenschaftlern ist es zu verdanken dass die Geschehnisse von Tuskeegee aufgedeckt wurden, oder der Mythos von der Kühlschrankmutter in den meisten Ländern als Mythos entlarvt ist.

    Ich glaube fest daran dass wir an Prozessen arbeiten können die Fälschungen, Betrug und Missbrauch von Macht in der Wissenschaft zurückdrängen können.

    Dazu müssen wir aber bereit sein diese Mißstände wahrzunehmen, zu untersuchen und die Bedingungen unter denen wir sie eindämmen können, herzustellen.

    Nicht derjenige der an wissenschaftlichen Prozessen kritisiert ist der Feind, sondern der der Mißstände zu leugnen versucht, wenn sie vorhanden sind.

    Zu unterstellen dass “die ungebildete Masse” Wissenschaft einfach aus frei flotierenden Ängsten ablehnt ,ist kontraproduktiv. Führt nicht dazu die eigene Verantwortung für das Machbare zu sehen.

  62. #62 roel
    *****
    28. November 2012

    @MartinB Aus PZ Myers Blogeintrag, auf den du verweist:

    “Fuck the Catholic church. Empty every pew, loot every coffer, disband every level of the hierarchy, take all their property and turn it over to secular authorities to be managed ethically and rationally.”

    Ich denke mal das war gemeint. Solche Worte an eine aufgebrachte Menge gerichtet. “Leert jede Kirchenbank”, “plündert ihre Kassen”, “zerstört jede Ebene ihrer Hierarchie”, “nehmt ihren ganzen Besitz…”

  63. #63 roel
    *****
    28. November 2012

    @Dagmar Landgrebe “Nicht derjenige der an wissenschaftlichen Prozessen kritisiert ist der Feind, sondern der der Mißstände zu leugnen versucht, wenn sie vorhanden sind.” Das ist klar, berechtigte Kritik sollte immer positiv aufgenommen werden und nicht mundtot gemacht werden. Aber es geht um die, die wissenschaftliche Ergebnisse nicht anerkennen, ablehnen oder deren Aussage verfälschen aus Angstgefühlen, so verstehe ich es jedenfalls. Nur, ich sehe die Angst nicht vor der Wissenschaft oder den Ergebnissen sondern die Angst davor, dass eine eigene Meinung, Annahme, ein eigenes Weltbild zerstört wird.

  64. #64 Dagmar Landsberger
    28. November 2012

    @roel

    “Das ist klar, berechtigte Kritik sollte immer positiv aufgenommen werden und nicht mundtot gemacht werden.”

    Klar doch. Ich erinnere mich an die Erzählung eines Pädiaters der aus einem Seminar vor 25 Jahren in Norwegen hinuasflog, weil er äußerte dass ihm die Vorgestellte “Kühlschrankmutter” ganz normal und warmherzig vorgekommen sei.

    An fehlgeleiteten Weltbildern können auch Wissenschaftler leiden und manchmal auch ganze Fachgebiete ;))

    Es tut mir leid, aber so viele “zugenagelte” Menschen mit Weltbildern die sich nicht mehr entwickeln kenne ich nicht.

    Ich erlebe die Menschen heute aufgeschlossener gegenüber wissenschaftlichen Themen als jemals zuvor.
    Es könnte aber auch daran liegen, dass ich konfessionell nicht gebunden bin und religiöse Fanatiker meide.

  65. #65 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    @Roel
    Zudem PZ ja auch anders kann, wenn andere betroffen sind; eine gewisse Sensivität und Ausgewogenheit durchaus kann.

  66. #66 Freawaru
    28. November 2012

    Guter Artikel, interessante Diskussion.

    Ich denke, dass Kontrollverlust die Ursache der Angst vor Wissenschaft und Wissenschaftlern ist. Welche Art von Kontrollverlust den Einzelnen am meisten Angst macht ist vielleicht abhängig von der Persönlichkeit. Manche sehen ihre Ideale gefährdet, andere fühlen sich vielleicht durch höhere Intelligenz anderer persönlich bedroht. Macht wird ja generell nur solange als gut empfunden, solange man selber die Hand am Drücker hat. Sei es persönlich oder durch Ideale oder Institutionen zu denen man sich zugehörig fühlt.

  67. #67 MartinB
    28. November 2012

    @roel
    Ja, ich weiß, ich habe den verlinkten Text von myers duchaus gelesen (und kann den Zorn nachempfinden, auch wenn ich selbst einen solchen Aufruf so nicht schreiben würde).
    Von da zur Unterstellung, Myers würde zum Mord aufrufen (des Physikers eigenwillige Interpretation von “shut them down”) ist es schon noch ein weiter Weg – Myers ist eigentlich dafür bekannt, dass er bei aller Härte nicht zu Gewalt aufruft.

    @Dagmar
    Die Beispiele beziehen sich ja alle auf die Medizin – meiner Ansicht nach ist das nur ein teil der Wahrheit, weil Menschen eben auch Angst vor Dingen haben, die ihr tägliches Leben gar nicht betreffen (wie Evolution oder SRT).

  68. #68 MartinB
    28. November 2012

    @Freawaru
    Kontrollverlust wird im 3. teil ein Thema sein.

  69. #69 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    Ich denke, dass Kontrollverlust die Ursache der Angst vor Wissenschaft und Wissenschaftlern ist.

    Konservativ Religiöse sind aber gerade die Nicht-Kontrolle gewohnt, sie übernehmen Sichten und haben kein Kontrollbedürfnis. – Vielleicht ist es also auch gerade die notwendig gewordene (politische) Kontrolle Moderner Wissenschaftlichkeit, gerne auch Hand in Hand gehend mit den Leistenden, die die Angst auslöst? Die Angst mündig zu werden und sich seines Verstandes zu bedienen.

    MFG
    Dr. W (der bei dem ‘X vor der Wissenschaft’, die die Artikelserie überschriftet, keine entscheidenden Probleme mit dem “X=Angst” hat, auch weil Angst vglw. unproblematisch zu unterstellen ist, also keine Ressentiments und keine Wut benötigt)

  70. #70 roel
    *****
    28. November 2012

    @MartinB ich denke mal da ist Physiker einer Wortverwechselung aufgesessen. Shut und shoot. Nichts desto trotz ist PZ Meyrs Abschluss in dem Blogbeitrag mit “Leert jede Kirchenbank”, “plündert ihre Kassen”, “zerstört jede Ebene ihrer Hierarchie”, “nehmt ihren ganzen Besitz…” vollkommen daneben und als Gewaltaufruf mehr als tauglich. So etwas kenne ich nur aus Hassreden.

  71. #71 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    @Roel
    PZ ist jedenfalls Hardcore – und ruft schon deshalb nicht zur Gewalt auf, weil derartige Aufrufe nicht mehr durch die Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt sind, auch in den Staaten nicht.

    Ob PZ Hate Speech betreibt, ist eine andere Frage, der Schreiber dieser Zeilen lehnt diesen Begriff, der anscheinend dazu dienen soll später bedarfsweise dem First Amendment vorzubeugen bzw. dieses umzubeugen, natürlich ab.

    Die teilnehmenden Diskutanten bleiben eingeladen diesem Randthema weniger Bedeutung zuzumessen und sich weiterhin bei der versuchten Erörterung ethischer Fragen zu bemühen – auch die Moderne Wissenschaftlichkeit betreffend.

    MFG
    Dr. W

  72. #72 Niels
    28. November 2012

    @MartinB

    Zumindest so in der Mitte des 20. Jh waren es aber ja oft die Konservativen, die fortschrittsgläubig waren und die weniger Konservativen […], die den Fortschritt anzweifelten. Auch heute sind es doch eher die “Konservativen”, die Probleme vor allem mit mehr Technik lösen wollen, oder?

    Da begeben wir uns jetzt ins Minenfeld der politischen Definitionen. 😉
    So wie ich den Begriff konservativ verstehe, wollen Konservative im Wesentlichen, dass alles bleibt wie es ist.
    Deswegen ist Fortschritt höchstens nur in kleinen Häppchen drin, bestehende Strukturen und Werte dürfen sich dadurch nicht verändern.
    Echte technische und wissenschaftliche Innovationen, die nicht einfach nur schon Bestehendes optimieren, verursachen allerdings gerade deswegen bei Konservativen besonders viel Angst.

    “Links” wäre dazu aber eher kein passender Gegensatz, zumindest nicht so, wie dieser Begriff in Deutschland üblicherweise verwendet wird.
    Einen passenden Gegensatzbegriff kenne ich ehrlich gesagt nicht. Progressivismus würde passen, wenn dieser Begriff nicht schon durch die “Progressive Party” Roosevelts anders besetzt worden wäre. (Oder passt das doch?)
    Soweit ich das weiß gibt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern gar keine Partei, die besonders wissenschafts- und fortschrittsfreundlich ist.
    Es gibt nicht mal eine, die mit diesen Eigenschaften um Wähler wirbt.
    Oder doch?

    Meine These ist ja, dass die Angst vor der Wissenschaft teilweise anders gelagert ist

    Da stimme ich doch zu. Mir geht es darum, dieses „teilweise“ irgendwie quantitativ zu erfassen.
    Wissenschaft kann Angst auslösen, weil sie uns Antworten auf die Grundfragen des Lebens liefert, die uns nicht unbedingt gefallen.
    kann ich voll unterschreiben.
    Natürlich ist die Erkenntnis fehlenden “sicheren Wissens” und einer “absoluten Ethik” etwas, das zusätzlich zur “Angst vor der Wissenschaft” beiträgt bzw. beitragen kann.

    Mir geht es darum, wie viel dies überhaupt zur allgemeinen “Wissenschaftsangst” beiträgt. Vielleicht ist der Beitrag riesig, vielleicht spielt er aber auch nur eine kleinere Rolle und die Angst wird doch eher durch andere Dinge verursacht.
    Um das abzuwägen, erscheint es mir nützlich, die historische Entwicklung zu betrachten.
    Zum einen ist das mit dem Wissen und der Ethik ja schon sehr lange bekannt. Trotzdem hat das anscheinend eine gewisse Zeit lang keine große Rolle gespielt.
    Zum anderen haben eben auch viele andere Ängste sehr stark zugenommen, ganz ohne “wissenschaftsspezifische” Gründe.
    (Das sind allerdings auch erst mal nur Thesen, vielleicht liege ich ja schon bei diesen Ausgangspunkten falsch.)

    Mir ist jedenfalls überhaupt nicht klar, in welchem Umfang die “Wissenschaftsangst” durch ausschließlich wissenschaftsintrinische Gründe (also deiner These zufolge durch die Teilantworten der Wissenschaft auf die vier großen Fragen) verursacht wird und in welchen Umfang eben doch “nur” von genau den Ursachen und Entwicklungen, die auch die anderen “Ängste” ausgelöst und verstärkt haben.
    Möglicherweise ist “Wissenschaftsangst” doch nichts besonderes und bedarf keiner anderen Erklärung als andere Ängste.

    Für eine Antwort auf diese Fragen fehlen mir bei weitem die Kenntnisse, deswegen der Aufruf zur Diskussion.

    Vielleicht gibt es dazu auch schon Untersuchungen, zum Beispiel mit Hilfe von Umfragen?
    Oder man müsste sich mal die Forschung über Verschwörungstheorien anschauen, vielleicht findet man dort Ansätze. Das gehört ja oft zusammen, beispielsweise um zu erklären, warum zehntausende Wissenschaftler schon Jahrzehnte lang offensichtlichen Unsinn verbreiten.
    Auch ein Ländervergleich kann nützlich sein, die Wissenschaftsablehung in verschiedenen Staaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Zumindest erinnere ich mich so an das Ergebnis irgendeiner EU-Umfrage. Da gibt es dann wahrscheinlich auch Erklärungsversuche.

    Ich glaube jedenfalls nicht, dass man einfach von vornherein davon ausgehen darf, dass es für die “Wissenschaftsangst” ganz besonderer Gründe bedarf.

    Ich hoffe, ich konnte jetzt klarer machen, worum es mir geht?

    @roel

    Es gibt die Angst vor dem Neuen, vor der Veränderung und ich denke Wissenschaft ist die Wegbereiterin für Neues und für die Veränderung.

    Die Angst vor Neuem ist aber doch auch nichts Neues, genau so wenig wie die Wissenschaft als Wegbereiterin des Neuen.

    @roel @Dagmar Landsberger

    Das sind alles keine neuen Ängste, die gibt es seitdem es den entsprechenden Missbrauch gibt.

    Ihr meint, die Angst vor der Wissenschaft wäre eine ganz neue Angst? Richtig? Weil es in diesem Bereich früher keinen Missbrauch gab oder dieser nicht bekannt wurde, oder wie ist dieser Satz zu verstehen?

  73. #73 roel
    *****
    28. November 2012

    @Niels Das ist alles nicht neu. “Ihr meint, die Angst vor der Wissenschaft wäre eine ganz neue Angst? Richtig?” Ich meine, das ist nicht die Angst vor Wissenschaft, sondern eine Angst vor Neuem und vor Veränderung und in keinem Fall neu.

  74. #74 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    Ich glaube jedenfalls nicht, dass man einfach von vornherein davon ausgehen darf, dass es für die “Wissenschaftsangst” ganz besonderer Gründe bedarf.

    Ich hoffe, ich konnte jetzt klarer machen, worum es mir geht?

    Onkel Webbaer kann jedenfalls folgen, auch deshalb, weil er diese Sicht teilt.

    Es gibt eine Unmenge von (konsistent erscheinenden) Sichten, die die Ablehnung der Modernen Wissenschaftlichkeit erklären helfen. Insgesamt ist es aber wohl eine unscharf umgrenzte Menge aus individuellem Bedürfnis und Unkenntnis wie Vertrauen in Ungünstiges, das zur Ablehnung führt.

    ‘Angst’ als Arbeitstitel bleibt nicht schlecht, aber auch nicht gänzlich überzeugend.

    BTW: Konservative nehmen Neues zögernd und erst lange prüfend an, während Progressive Neues nur zögernd und lange prüfend ablehnen, lol.

    MFG
    Dr. W

  75. #75 roel
    *****
    28. November 2012

    @Webbaer Ich hatte PZ nur zitiert, weil diese Aufrufe im entsprechendem Rahmen entsprechende Wirkung entfalten können.

    Ich hatte Ihre Einladung bisher noch gar nicht wahrgenommen.

  76. #76 Freawaru
    28. November 2012

    @Dr. Webbaer

    “Konservativ Religiöse sind aber gerade die Nicht-Kontrolle gewohnt, sie übernehmen Sichten und haben kein Kontrollbedürfnis.”

    Ich denke, das ist nicht richtig. Auch Religiöse Menschen haben ein Kontrol- und Machtbedürfnis. Es ist nur so groß, dass es von ihnen allein nicht befriedigt wird. Sie übertragen es somit auf etwas größeres, auf eine Institution oder “höhere Macht” und identifizieren sich dann damit. Es ist nicht irgendein Gott, der die Zügel in der Hand hällt, sondern der eigene. Nicht irgendeine Institution oder Kirche ist die mächtigste im ganzen Land, sondern die eigene. Das menschliche ich-empfinden ist sehr variabel und kann durchaus auf eine Idee, Institution oder ein ganzes Volk übertragen werden.

    ” – Vielleicht ist es also auch gerade die notwendig gewordene (politische) Kontrolle Moderner Wissenschaftlichkeit, gerne auch Hand in Hand gehend mit den Leistenden, die die Angst auslöst? Die Angst mündig zu werden und sich seines Verstandes zu bedienen.”

    Das schließt das, was ich meine, nicht aus. Je stärker das eigene Machtsteben bei gleichzeitigem Eindruck machtlos zu sein, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir unser Selbstbild auf etwas anderes übertragen und uns dann damit identifizieren. Ich schätze, es ist einfach ein Weg um die Angst zu kontrollieren.

    Die Angst vor der Verantwortung, die Sie erwähnen, kommt dann noch hinzu. Wir sehen unserer eigenen Fehlbarkeit nicht gern ins Auge. Wenn wir nur Sklaven sind und tun was andere (Mensch, Ideal oder Gottheit) uns sagen sind wir aus dem Schneider.

  77. #77 MartinB
    28. November 2012

    @Niels
    O.k., dann habe ich politisch zu simpel gedacht – ich assoziiere in D die CDU/CSU mit Konservativ, und die haben sich in der Vergangenheit meist eher als technikfreundlich gezeigt (Kernkraft, Gentechnik etc.), während die “linken” eher kritisch waren.
    “Mir geht es darum, wie viel dies überhaupt zur allgemeinen “Wissenschaftsangst” beiträgt. ”
    Das ist natrülich schwer zu sagen, zumal Angst vermutlich auch keine extesive Größe ist – verschiedene Angstaspekte können sich gegenseitig verstärken etc. Mir ist ja hier erst mal wichtig zu sagen, dass das, was man allgemein als Angst-Ursache meint (Angst vor technikfolgen), nur ein Aspekt von vielen ist.

    “Möglicherweise ist “Wissenschaftsangst” doch nichts besonderes und bedarf keiner anderen Erklärung als andere Ängste.”
    Das würde aber eben solche Dinge wie die Ablehnung der SRT nicht erklären – das wäre was die Relevanz für’s tägliche Leben angeht so, als würde man sich über Feinheiten der Dreifaltigkeitslehre streiten (obwohl, wer weiß, wenn es vor 400 Jahren schon Internet gegeben hätte…)

    “zum Beispiel mit Hilfe von Umfragen?”
    Das würde meiner Ansicht nach wenig helfen, weil diese Ängste ja nicht bewusst sein müssen.

    “Ich glaube jedenfalls nicht, dass man einfach von vornherein davon ausgehen darf, dass es für die “Wissenschaftsangst” ganz besonderer Gründe bedarf.”
    Wenn ich aber zeigen kann, dass es sehr plausible Gründe gibt, warum Menschen gerade vor Wissenschaft Angst haben können, dann ist das zumindest ein Hinweis, dass es solche besonderen Gründe geben kann. Und mir geht es ja letztlich darum, zu verstehen, wie es sein kann, das Menschen Dinge wie Evolution oder die SRT ablehnen oder an Homöopathie glauben. Und das verstehe ich nachdem ich diese Serie geschrieben habe meiner Ansicht nach jetzt besser.

  78. #78 MartinB
    28. November 2012

    @Freawaru
    Und Religionen geben ja auch dem einzelnen immer ein wenig Macht – ich kann beten, Sachen opfern etc. und so Kontrolle über die Welt erlangen. Das kommt dann wie gesagt in Teil 3.

  79. #79 Dr. Webbaer
    28. November 2012

    @Freawaru

    Auch Religiöse Menschen haben ein Kontrol- und Machtbedürfnis.

    Das aber delegiert wird, ein ga-anz wichtiger Punkt, und nicht mehr unter Beruf auf die Eigenerkenntnis erfolgt. – Apropos Eigenerkenntnis; Ein wissenschaftlich Nicht-Folgender muss kein Leugner sein.

    MFG
    Dr. W

  80. #80 roel
    *****
    28. November 2012

    @MartinB du schreibst des öfteren Ablehnung der SRT. Ich denke eine Ablehnung ist nicht unbedingt angsthafter Natur. Vielleicht ist es nur mangelndes Vorstellungsvermögen?

  81. #81 Freawaru
    28. November 2012

    @MartinB

    Okay, okay. 😉

    “oder an Homöopathie glauben.”

    Also, das verstehe ich immer noch nicht…

  82. #82 MartinB
    28. November 2012

    @roel
    Ich habe ja im ersten Teil ziemlich ausführlich begründet, warum ich das zumindest für plausibel halte.

    @Freawaru
    Vielleicht wird’s dann ja in Teil 3 klarer.

  83. #83 Alderamin
    28. November 2012

    Interessante Diskussion, mische ich mich auch mal ein…

    @Niels

    Da begeben wir uns jetzt ins Minenfeld der politischen Definitionen. 😉
    So wie ich den Begriff konservativ verstehe, wollen Konservative im Wesentlichen, dass alles bleibt wie es ist.
    Deswegen ist Fortschritt höchstens nur in kleinen Häppchen drin, bestehende Strukturen und Werte dürfen sich dadurch nicht verändern.
    Echte technische und wissenschaftliche Innovationen, die nicht einfach nur schon Bestehendes optimieren, verursachen allerdings gerade deswegen bei Konservativen besonders viel Angst.

    “Konservativ” heißt politisch doch “wertkonservativ”, das hat erst mal mit wissenschaftlicher Innovation nichts zu tun solange diese am bestehenden System und seinen Werten (Ethik, traditionelle Rollen, Religiösität) nichts ändert. Die Amerikaner sind ja bekanntlich im Schnitt eher konservativ (auch die Demokraten) und gleichzeitig auch sehr innovativ. Technische Gimmicks sind willkommen. Nur unangenehme Wahrheiten wie der Klimawandel sind es nicht.

    Ich teile Martins Eindruck, dass es eher die Linken sind, die Angst vor der Wissenschaft haben, und ich habe in meinem 48 Jahre währenden Leben auch miterlebt, wie dieser Trend sich entwickelte. Er kam aus der Umwelt- und Firedensbewegung, die wiederum aus den 68ern und der Vietnam-Zeit entsprang.

    Wir hatten damals stinkende Flüsse, in den man besser nicht schwimmen sollte. Wir hatten rauchende Schlote und Smog. Und die Politik verordneten den Bürgern Atomkraftwerke, die nicht alle begrüßten. Und natürlich den kalten Krieg, wobei die Kontrahenten sich zur mehrfachen Weltzerstörungskraft hochgerüstet hatten und sich die Spirale stetig weiter drehte. In Vietnam hatten die Amerikaner Agent Orange zur Waldentlaubung gesprüht, das zu Fehlbildungen bei Kindern führte. Später hatten wir Umweltkatastrophen wie Bopal und Seveso.

    Während die Mehrzahl der Bürger noch Apollo zujubelten, gab es auch schon Aktivisten, vorwiegend in der linken Szene, die das etablierte System ablehnten; die Abrüstung, Umweltschutz und Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie forderten. Und genau diese trugen auch dazu bei, die Wissenschaft zum Feindbild zu erklären und statt dessen nach esoterischen oder grün-idealisierten Lebensweisen, “zurück zur Natur”, zu suchen. Wissenschaft wurde gleich gesetzt mit dem System, das sich die Bombe zugelegt hatte, rücksichtslos die Natur ausbeutete und gesundheitsgefährdendes DDT in die Umwelt sprühte (in den 60ern hatte es noch die Contergan-Katastrophe gegeben, die in den 70ern aufgrund der behinderten Kinder sehr präsent war).

    Diese Ideen fanden immer mehr Anhänger und heute haben wir ja bekanntlich eine grüne Landesregierung in Baden-Würtemberg und einen grünen Bürgermeister in Stuttgart. Obwohl der Rhein mittlerweile wieder so sauber ist, dass die Lachse zurückkehren (was ein Verdienst der Umweltaktivisten, aber auch der Wissenschaft ist), die Ursache der Zerstörung der Ozonschicht ausfindig gemacht und beseitigt wurde und heute von der Wissenschaft vor dem Klimawandel gewarnt wird. Und es werden auch keine Atomraketen mehr in Europa stationiert. Aber die Ablehnung der Wissenschaft ist in den Köpfen der 68er und der nachfolgenden Generationen hängen geblieben.

    Verspieltes Vertrauen ist nur schwer zurück zu gewinnen. Tschernobyl, Fukushima und die BP-Ölkatastrophe halten die Erinnerung wach – auch wenn diese eigentlich der Industrie und nicht der Wissenschaft zuzuschreiben sind, das wird nicht differenziert. Nur das Finanzsystem macht den Leute heute noch mehr Angst.

  84. #84 Niels
    28. November 2012

    @MartinB

    Das ist natrülich schwer zu sagen, zumal Angst vermutlich auch keine extesive Größe ist

    Da hast du mit Sicherheit recht.

    “zum Beispiel mit Hilfe von Umfragen?”
    Das würde meiner Ansicht nach wenig helfen, weil diese Ängste ja nicht bewusst sein müssen.

    Damit ebenfalls, aber das könnte man vielleicht durch ein geschicktes Studiendesign zum Teil umgehen.

    “Möglicherweise ist “Wissenschaftsangst” doch nichts besonderes und bedarf keiner anderen Erklärung als andere Ängste.”
    Das würde aber eben solche Dinge wie die Ablehnung der SRT nicht erklären – das wäre was die Relevanz für’s tägliche Leben angeht so, als würde man sich über Feinheiten der Dreifaltigkeitslehre streiten

    Die SRT-Leugner sind aber doch eine absolut winzige Gruppe ohne den geringsten gesellschaftliche Einfluss.
    Vor einiger Zeit haben wir uns in unserer Forschungsgruppe mal über SRT-Leugner unterhalten, die Allermeisten wussten nicht einmal, dass es heutzutage überhaupt noch so etwas gibt. Ich habe dann mal aus Neugier Freunde gefragt, die beruflich nichts mit Wissenschaft zu tun haben. Da kannte niemand dieses Phänomen.
    Durch das Führen eines Physikblogs hast du da vielleicht einen falschen Eindruck bekommen.
    Einige wenige Wiederholungstäter haben offenbar nicht viel anderes zu tun, als in mehreren wissenschaftlichen Plattformen unter jeden Beitrag, in dem auch nur irgendwann das Wort SRT auftaucht, einen Haufen zu setzen und dann in mehreren Folgekommentaren mit Beleidigungen um sich zu werfen.

    Es glauben ja beinahe genau so viele Menschen, dass alle Politiker verkleidete Echsenmenschen sind.
    Nichts ist so verrückt, dass man keine kleine Gruppe von Menschen findet, die nicht trotzdem daran glaubt. Nichts ist so vernünftig und logisch, dass es nicht immer auch Menschen gibt, die es trotzdem nicht glauben und nicht verstehen wollen. Eine Relevanz fürs tägliche Leben spielt da doch ebenfalls häufig überhaupt keine Rolle.
    Ob solche Überzeugungen immer durch Angst verursacht sein müssen ist auch wieder eine andere Frage.

    In diesen Fällen bedarf es doch auch nicht jeweils einer besonderen Erklärung, oder?
    Warum sollte es im Sonderfall der SRT-Leugner grundlegend anders sein? Warum ist die Nullhypothese, dass dieser Fall etwas besonderes ist?
    Nur weil uns in diesem Fall schnell eine plausible Erklärung einfällt, in den anderen Fällen dagegen nicht?

    Wenn ich aber zeigen kann, dass es sehr plausible Gründe gibt, warum Menschen gerade vor Wissenschaft Angst haben können, dann ist das zumindest ein Hinweis, dass es solche besonderen Gründe geben kann. Und mir geht es ja letztlich darum, zu verstehen, wie es sein kann, das Menschen Dinge wie Evolution oder die SRT ablehnen oder an Homöopathie glauben. Und das verstehe ich nachdem ich diese Serie geschrieben habe meiner Ansicht nach jetzt besser.

    Klar, dass Dinge können Wissenschaftsangst auslösen, da stimme ich wie gesagt zu.
    Du verstehst Evolutions-Gegner und Homöopathie-Anhänger aber auch nicht besser, wenn ihr Überzeugungen eigentlich doch andere Gründe haben. Du hast ihr Verhalten dann zwar für dich selbst rationalisiert, mit den tatsächlichen Empfinden dieser Menschen hat das aber vielleicht gar nicht mehr viel zu tun.
    Ein wie großer Prozentsatz der Bevölkerung weiß denn überhaupt, wodurch sich Wissenschaft eigentlich genau von Pseudo-Wissenschaft unterscheidet? Sind diese Dinge wirklich den meisten Menschen bewusst oder unbewusst klar?
    Da habe ich meine Zweifel.

    Das ist aber alles überhaupt keine Kritik an deiner Serie. Die ist sehr schön und klar geschrieben. Ich sehe auch ein, dass das sehr weit ins Offtopic führt, finde es aber trotzdem interessant. 😉
    Wenn du auf diesen Nebenzweig aber keine Lust hast, kann ich das verstehen.

    @roel

    @Niels “Denn auch alle anderen gesellschaftlichen Institutionen haben relativ zeitgleich ebenfalls in erheblichem Umfang Vertrauen eingebüßt.
    Es gibt doch schließlich mittlerweile noch eine Vielzahl anderer Ängste, die früher praktisch unbekannt waren, mittlerweile aber teilweise sehr weit verbreitet sind.
    “Angst vor der Politik”, “Angst vor der Polizei/der Justiz”, “Angst vor der Presse”, “Angst vor den Eliten”, “Angst vor der Wirtschaft”, ja sogar eine “Angst vor der Kirche”.”
    Das sind alles keine neuen Ängste, die gibt es seitdem es den entsprechenden Missbrauch gibt.

    Vielleicht steh ich auf dem Schlauch, aber ich kann diesen Antwortsatz immer noch nicht richtig einordnen, sorry.
    Stimmst du meiner These nicht zu, dass auch viele andere Ängste sehr stark zugenommen, ganz ohne “wissenschaftsspezifische” Gründe?
    Oder findest du nicht einmal, dass die Wissenschaftsangst zugenommen hat?
    Oder beides?
    Oder doch was anderes?

  85. #85 MartinB
    28. November 2012

    @Niels
    Klar, die SRT-Leugner sind wenige – sooo wenige aber auch nicht. Immerhin (Warnung: Anekdote als Beweis…) stand schon zu meinen Studienzeiten immer einer vorm Physikhörsaal und verteilte Blätter mit “Widerlegungen” der SRT (bei den Mathematen stand auch einer, der beweisen wollte, dass pi rational ist). Das Phänomen ist also schon ziemlich dauerhaft (siehe auch “100 gegen Einstein”).
    Es mag sein, dass meine Erklärungen nur Rationalisierungen von “ganz normalen” Absurditäten sind, aber mein Eindruck beim Lesen von SRT-Leugnern ist schon, dass denen genau die “widersinnigkeit” der SRT arge Probleme bereitet, und meine Idee erklärt eigentlich ganz nett, warum das so ist.

  86. #86 Niels
    28. November 2012

    @Alderamin
    Danke für den ausführlichen Kommentar.
    Ich bin mit Sicherheit nicht besonders fitt, was die politischen Definition von Konservatismus betrifft.
    Das Beispiel Amerika finde ich aber ziemlich überzeugend, da werde ich nochmal drüber nachdenken.

    Ich teile Martins Eindruck, dass es eher die Linken sind, die Angst vor der Wissenschaft haben, und ich habe in meinem 48 Jahre währenden Leben auch miterlebt, wie dieser Trend sich entwickelte. Er kam aus der Umwelt- und Firedensbewegung, die wiederum aus den 68ern und der Vietnam-Zeit entsprang.
    […]
    heute haben wir ja bekanntlich eine grüne Landesregierung in Baden-Würtemberg und einen grünen Bürgermeister in Stuttgart. Obwohl der Rhein mittlerweile wieder so sauber ist[…]

    Na ja, deswegen hab ich bisher die heutigen Grünen ja auch als eher konservative Partei eingestuft. 😉

    auch wenn diese eigentlich der Industrie und nicht der Wissenschaft zuzuschreiben sind, das wird nicht differenziert. Nur das Finanzsystem macht den Leute heute noch mehr Angst.

    Dann bist du der Ansicht, dass die von MartinB aufgezählten “wissenschaftsspezifischen” Gründe eher keine so große Rolle bei der heutigen “Wissenschaftsangst” spielen?

  87. #87 Alderamin
    28. November 2012

    @Niels

    Dann bist du der Ansicht, dass die von MartinB aufgezählten “wissenschaftsspezifischen” Gründe eher keine so große Rolle bei der heutigen “Wissenschaftsangst” spielen?

    Ich will Martin in seinem Text oben gar nicht widersprechen, dass Wissenschaft und Ethik orthogonal sind und die Menschen vielleicht vermissen, dass die Wissenschaft ihnen keinen ethischen Halt gibt und unethisch wirkt, obwohl sie a-ethisch ist. Aber die Wissenschaftsangst ist m.E. eher eine Angst vor dem Ausgeliefertsein an das “System”, was wahlweise die Regierung, die Industrie und ihre Lobby, die Militärs (Pink Floyd, “The Dogs of War”) oder dergleichen sein kann, und zwar aufgrund von negativen Erfahrungen vor allem in den 60ern und 70ern, die viele Menschen geprägt haben, und was sie auch an ihre Kinder weiter geben. Sie haben die negativen Seiten des Fortschritts miterlebt. Es ist das in dieser Zeit verspielte Vertrauen.

    Dass Wissenschaft auch noch kompliziert ist, nicht verstanden und schlecht kommuniziert wird, sind da nur Faktoren, die die augenblickliche Situation zementieren. Klar, nur was wir kennen, lieben wir. Elfenbeintürme liebt niemand (aus denen, die vermeintlich drinnen sitzen).

    Es müsste irgendwie vermittelt werden, dass Wissenschaft vor allem den Menschen nützt. So in etwa wie hier bei Zinkoxid 😉 Na ja, so ähnlich…

  88. #88 MartinB
    28. November 2012

    Offtopic, nur zur Info: Irische Bischöfe haben jetzt ein statement zum Tod von Savita Halappanavar abgegeben. Den Text findet man hier:
    https://www.firstthings.com/blogs/firstthoughts/2012/11/25/irish-bishops-issue-statement-on-death-of-savita-halappanavar/
    Dieser Satz allein dürfte ausreichen, um klarzumachen, dass hier ein Problem besteht:
    “Whereas abortion is the direct and intentional destruction of an unborn baby and is gravely immoral in all circumstances, this is different from medical treatments which do not directly and intentionally seek to end the life of the unborn baby.”
    Und wenn tatsächlich ein
    “equal and inalienable right to life of a mother and her unborn child ”
    besteht, weil beide Menschen sind, warum habe ich dann nicht im Zweifel das recht, dass mir ein katholischer Bischof eine Niere spendet, wenn ich eine zum Überleben brauche?

    Wie üblich habe ich den Link von Pharyngula
    https://freethoughtblogs.com/pharyngula/2012/11/28/catholic-priests-shut-up/

  89. #89 Niels
    28. November 2012

    @MartinB
    Im Hörsaalgebäude der Physik wurden bei uns immer hunderte Ausgaben des “Hanf-Journal – Das Cannabis Magazin” ausgelegt. (Bei den anderen Studiengängen dagegen nie.)
    Für was ist das der anekdotische Beweis? 😉

    Das Phänomen ist also schon ziemlich dauerhaft (siehe auch “100 gegen Einstein”).

    Zwischen “Hundert Autoren gegen Einstein” von 1931 und heute klafft aber eine ganz schöne Lücke, da müsste man erst einmal eine Kontinuität zeigen.
    Keine Ahnung, wie viele SRT-Leugner es wirklich gibt. Im Internet begegnen einem aber immer die selben Gestalten, jedenfalls habe ich diesen Eindruck.
    An solche Dinge wie die “Kommissarische Reichsregierung”, Chemtrials, die Phantomzeit, die gefakte Monlandung oder Ähnliches haben allerdings eine im Vergleich viel beeindruckendere Anhängerschaft, von Massen-Phänomenen wie dem “9/11”-“Skeptizismus” mal ganz abgesehen.

    @Alderamin
    Es gibt aus dieser Zeit einen fast noch schöneren Werbefilm über die Atomkraft, kennst du den? Muss mal bei Gelegenheit suchen, ob ich den wiederfinde.

    Ich will Martin in seinem Text oben gar nicht widersprechen, dass Wissenschaft und Ethik orthogonal sind und die Menschen vielleicht vermissen, dass die Wissenschaft ihnen keinen ethischen Halt gibt und unethisch wirkt, obwohl sie a-ethisch ist. Aber die Wissenschaftsangst ist m.E. eher eine Angst vor dem Ausgeliefertsein an das “System”

    Da stimme ich dir voll zu, das halte ich wie geschrieben ebenfalls für eine Möglichkeit, sogar für die Wahrscheinlichere.
    Das ist bei mir aber nur ein Eindruck, ich wüsste nicht, wie man das belegen könnte.
    Hast du eine Idee?

    und zwar aufgrund von negativen Erfahrungen vor allem in den 60ern und 70ern

    Hm, die Angst hat aber seither sogar noch weiter zugenommen, oder? Woran könnte das liegen?

  90. #90 MartinB
    28. November 2012

    “Für was ist das der anekdotische Beweis?”
    Ihr wart alle Kiffer?
    ” da müsste man erst einmal eine Kontinuität zeigen.”
    Zumindest passen einige der Texte bei 100 gegen Einstein ganz gut zu meiner These, weil sie genau die gleiche “widersinnigkeit” aufs korn nehmen, sprich, den Widerspruch zum “gesunden Menschenverstand”.
    Zumindest einige der heutigen SRT-Leugner verbreiten ja soweit ich weiß auch antisemitische Gedanken, da ist also eine gewisse Kontinuität da.

    Natürlich gibt es noch jede Menge anderer abstruser Verschwörungsideen – aber ich finde es schon interessant, dass es eben die SRT ist, die die Leugner anscheinend mehr anzieht als die QM oder andere physikalische Theorien. Zumindest dafür liefert meine Idee eine Erklärung. Ob diese am Ende nur 2% ausmacht und die anderen 98% durch allgemeine Durchgeknalltheit erklärt werden können, traue ich mich nicht zu beurteilen.

  91. #91 rolak
    28. November 2012

    “Für was ist das der anekdotische Beweis?” Ihr wart alle Kiffer?

    uh-oh, da lockte der honeypot wohl zu stark 😉 Imho nur der anekdotische Beweis, daß sich die Zielrichtung evtl vorhandener Aktivisten von Uni zu Uni unterscheiden kann.

    Ich mußte Anfang der 80er mit Unmengen von Traktaten des RFS auskommen, da lesen sich selbst ähnlich orientierte Einstein-Leugner-Text geradezu harmlos gegen… btw: Damals schon hatte ich das extreme Mißvergnügen, den jetzigen pro-Köln/NRW-Vorsitzenden kennenzulernen *würg*

  92. #92 Ludger
    28. November 2012

    @Niels @Alderamin

    @Alderamin
    Es gibt aus dieser Zeit einen fast noch schöneren Werbefilm über die Atomkraft, kennst du den? Muss mal bei Gelegenheit suchen, ob ich den wiederfinde.

  93. #93 MartinB
    28. November 2012

    Und die Kühe und die Menschen die wollen jetzt alle ein Atomkraftwerk…

  94. #94 Alderamin
    28. November 2012

    @Niels

    Hm, die Angst hat aber seither sogar noch weiter zugenommen, oder? Woran könnte das liegen?

    Ich weiß nicht, zugenommen hat vielleicht nicht die Angst, sondern nur die Zahl derjenigen, die sich ängstigen. Einfach, weil diese Einstellung sich ausgebreitet hat. Wir haben ja auch viel mehr Grünen-Wähler als früher und die SPD ist auch mehr in die Grün-Alternative Richtung gerückt als zu Schmidts und zuletzt noch Schröders Zeiten.

    Diese “grüne” Lebenseinstellung hat ja eine gewisse Attraktivität. Bioladen, Biogemüse, Tierschutz, Umweltschutz, die sind ja alle positiv besetzt. Da bleibt für die Wissenschaft am Ende nur der Buhmann. Gentechnik, embryonale Stammzellen. Milliardenteuere Beschleuniger oder Weltraummissionen. Und das Wetter sagen sie dann auch wieder mal falsch voraus.

    Die Wissenschaft sagt, Mobilfunk- oder Elektromasten sind ungefährlich, aber das Bauchgefühl sagt was anderes. Da braucht dann nur irgendein Gerücht oder eine mangelhaft druchgeführte Untersuchung durch die Presse zu gehen (gleich nach dem letzten Lebensmittel- oder Arzneimittelskandal), dann wird das begierig aufgenommen. Das ist eine Art kollektive Selbsthilfegruppe, in der sich alle mit ihren Anekdötchen im Bekanntenkreis gegenseitig bestärken. Das hat eine ähnliche Anziehungskraft wie Aberglaube und Religion. Und die Medien und Verlage machen fleißig mit, weil die Anhängerschaft so groß ist, dass man gut daran verdienen kann.

    Wenn so was einmal in der Welt ist, dann bleibt es lange erhalten und wächst sogar noch.

    Ich weiß nicht, wie es in anderen Ländern ist, aber die grüne Bewegung ist vermutlich nirgends so groß geworden wie im deutschsprachigen Raum. Bei den Amerikanern nennt man die wenigen verächtlich “tree huggers”.

    Ich finde es eigentlich gut, dass es die Grünen gibt. Ohne ihre Initiativen wären die Flüsse nicht sauber geworden, hätten wir nicht das Netz mit dem größten Anteil erneuerbarer Energien. Aber die unreflektierte Technikfeindlichkeit, z.B. gegen Forschung an Kernfusion und Gentechnik, die werfe ich ihnen vor.

  95. #95 Alderamin
    28. November 2012

    @MartinB

    Und die Kühe und die Menschen die wollen jetzt alle ein Atomkraftwerk…

    Genau. Und dann macht es Puff! 🙂

  96. #96 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Ich finde es eigentlich gut, dass es die Grünen gibt. Ohne ihre Initiativen wären die Flüsse nicht sauber geworden, hätten wir nicht das Netz mit dem größten Anteil erneuerbarer Energien.

    Eijeijei, die FDP hat das Bundesumweltministerium gegründet und wann waren die Grünen auf Bundesebene dran? Korrekt: 1998-2005 als Junior

    Das Grüne Probleme mit der Technik, Wirtschaft & Wissenschaft haben, ist bekannt, aber wissenschaftsfeindlich sind die nur punktuell.

    Was es wohl gibt, sind zunehmende Aversionen in der Bevölkerung gegenüber politisch gewordenen Wissenschaftlern, denen nicht mehr so recht geglaubt wird und vielleicht auch nicht mehr werden kann.

    MFG
    Dr. W

  97. #97 Alderamin
    29. November 2012

    @Dr. Webbaer

    Die Regierungsparteien haben aber oft genug auf die Stimmungen im Volk reagiert, wenn diese sich neue Parteien suchten. Sieht man heute auch ein wenig bei den Piraten und Internetthemen. Wenn die FDP (was ich nicht mehr in Erinnerung habe) das erste Umweltministerium eingeführt hat, dann ist das nicht alleine deren Verdienst. Auch die Opposition hat ihre Wirkung auf die politischen Entscheidungen.

  98. #98 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Genschman kam bereits Anfang der Siebziger mit dem Vorgänger des Bundesumweltministeriums (*1986):
    https://de.wikipedia.org/wiki/Umweltpolitik#Entwicklung_in_Deutschland

    MFG + GN
    Dr. W

  99. #99 Alderamin
    29. November 2012

    @Dr. Webbaer

    Auf jeden Fall wurden und werden die Liberalen nicht gerade als die Partei wahrgenommen, die für den Umweltschutz steht. Vor allem nicht, wenn Brüderle vor Industrievertretern erzählt, das mit dem Atomausstieg sei ja so ernst gar nicht gemeint gewesen. Ähnlich clever wie Romneys 40%.

  100. #100 ares
    29. November 2012

    Dr. Webbaer
    29. November 2012:
    Eijeijei, die FDP hat das Bundesumweltministerium gegründet und wann waren die Grünen auf Bundesebene dran

    das Einzige was bei der FDP grün war und ist , ist die Hoffung möglichst mehr wie 5% zu erreichen…. lol

  101. #101 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Es gibt halt Umweltschutz und Ökologismus.


    Zurück zum Thema: Onkel Webbaer hat den “Wie ist Ihr Verhältnis zur Modernen Wissenschaftlichkeit?-Schnell-Und-Selbsttest” entwickelt: Vier Fragen, die erste Frage klärt, ob es sich lohnt weiter zu fragen.

    1.) Haben Sie grundsätzliche Einwände zur wissenschaftlichen Methode (Theorien als Provisorium, T. gerne auch empirisch adäquat, T. gerne auch falsifizierbar, “Versuch und Irrtum”, keine Bezüge zur pol./rel. Macht in der W. – etc.)?

    2.) Falls nein, welche Fachgebiete / Theorien lehnen Sie ab?

    3.) Warum lehnen Sie diese Fachgebiete / Theorien ab?

    4.) Welche einzelnen Wissenschaftler lehnen Sie aus welchen Gründen ab?

    Und da kam, hörhö!, bei Onkel Webbaer doch erstaunlicherweise einiges zusammen. – Wobei allerdings die Human- oder Sozialstudien als Wissenschaft aufgefasst worden sind und jeder Klops zählte.

    MFG
    Dr. W

  102. #102 Freawaru
    29. November 2012

    @Alderamin

    Ja, ich denke auch, dass die Presse an der Verbreitung der Wissenschaftsfeindlichkeit stark beteiligt ist. Sie will verdienen und mit der Verbreitung von Angst verdient man nun mal am meisten.

  103. #103 Alderamin
    29. November 2012

    @Niels

    Das ist bei mir aber nur ein Eindruck, ich wüsste nicht, wie man das belegen könnte.
    Hast du eine Idee?

    Eine Umfrage wäre eine Möglichkeit, birgt aber die Gefahr, dass die Fragen zu suggestiv sind und das erwartete Ergebnis vorwegnehmen.

    Man kann sich aber z.B. mal in Blogs und Foren (nicht nur Scienceblogs, auch Spiegel Online und dergleichen) umschauen, was den Wissenschaften so vorgeworfen wird. Der immer wieder zu hörenden größte Vorwurf ist m.E., dass Wissenschaftler sich für allwissend und allmächtig hielten. Da schwingt doch schon die Angst vor dem Ausgeliefertsein mit. Was die Wissenschaftler konkret beschäftigt, ist da überhaupt nicht das Thema, das durchblicken die meisten Kritiker gar nicht. Es sind eher solche, die im Physik-Leistungskurs auf dem Gymnasium oder (oft) im Ingenieursstudium ein klein wenig Wissen aufgeschnappt haben, die konkrete Theorien wie die Relativitiätstheorie oder die Urknalltheorie angreifen, die aber an sich gar nicht naturwissenschaftsfeindlich oder ängstlich sind, sondern eher die jüngere Naturwissenschaft kritisieren, weil sie ihrer Meinung nach auf einem Irrweg sei.

    Und das als besserwisserisch empfundene Ablehnen von Aberglaube, UFOs, Esoterik, Astrologie und neuerdings auch Religion stößt vielen Menschen auf, wie man ebenfalls an Kommentaren in Foren und Blogs zu entsprechenden Themen sieht. Diese Dinge werden von vielen Menschen aufgrund anekdotischer Erfahrungen und selektiver Wahrnehmung für aus eigener Erfahrung wahr befunden, also muss die Naturwissenschaft irren und wenn sie bei solchen Dingen irrt, warum sollte sie dann anderswo richtig liegen?

    Florian hat mal einen Artikel darüber geschrieben, wie Kinder Naturwissenschaftler vor und nach dem persönlichen Kennenlernen charakterisierten, und da findet man die Stereotypen wieder, die von Medien vermittelt werden. Die Medien reflektieren wiederum das, was die Autoren und damit die Erwachsenenwelt an den Wissenschaftlern für charakteristisch halten (wenn auch oft in karikaturistisch-überzogener Form). Und da stehen Irrsinn und Allmachtsphantasien ganz oben. Man denke z.B. an Peter Sellers als Dr. Seltsam. Klassisch.

  104. #104 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Und das als besserwisserisch empfundene Ablehnen von Aberglaube, UFOs, Esoterik, Astrologie und neuerdings auch Religion stößt vielen Menschen auf, wie man ebenfalls an Kommentaren in Foren und Blogs zu entsprechenden Themen sieht.

    Es ist ja so, dass die UFOlogie, die Astrologie, die Esoterik allgemein und, wenn es bspw. Richtung Kreationismus geht, auch die Religionen, oft Wissenschaft zu betreiben suchen – und das ist nun einmal streng zurückzuweisen.

    Richtig natürlich, dass man den Glauben selbst wissenschaftlich nicht angreifen darf, hier irren einige Szientisten.
    Diesen Szientismus, verbunden auch oft mit Pseudo-Skeptizismus [1], lehnt der Schreiber dieser Zeilen also ebenfalls streng ab.

    MFG
    Dr. W

    [1] ‘Pseudoskeptizismus’ ist hier das Fachwort.

  105. #105 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    Ergänzend:

    Irgendwo gab es kürzlich sowas zu lesen:

    Und welchen Anspruch haben Europäer (oder Menschen, die in einer post-industrialisierten säkularen gesellschaftlichen Ordnung verankert sind) die Wissenschaft, wie sie sie verstehen, auf andere Weltanschauungen zu übertragen?

    und

    Aber in wie weit ist es legitim, eine Medizinform als Esoterik zu bezeichnen, wenn sie nicht in unsere Weltanschauung passt? Ist es nicht ethnozentrisch, andere Verständnisse von Gesundheit, Krankheit und Heilung als minderwertig zu betrachten, nur weil sie anders als die eigenen sind?

    Wenn sowas in wissenschaftsnahen Blogs Fuß fasst, und das ist der Fall, dann kann man schon ein wenig grau werden, oder?

    MFG
    Dr. W

  106. #106 Niels
    29. November 2012

    @Ludger
    Danke.
    Der ist im Original 50 Minuten lang?
    Dann kenne ich nur eine auf etwa zehn Minuten geschnittene Version. Die ist wahrscheinlich auf die skurrilsten Stellen beschränkt. Muss ich mir bei Gelegenheit mal komplett anschauen, vielleicht relativiert das meinen Eindruck.

    @MartinB

    Zumindest dafür liefert meine Idee eine Erklärung. Ob diese am Ende nur 2% ausmacht und die anderen 98% durch allgemeine Durchgeknalltheit erklärt werden können, traue ich mich nicht zu beurteilen.

    Wie geschrieben, ich lehne deine Idee gar nicht ab und das wird mit Sicherheit einen gewissen Einfluss haben.
    Zumindest wenn man etwas gegen Wissenschaftsangst unternehmen will, wäre es aber schon wichtig zu wissen, ob man sich gerade mit den 2% oder mit den 98% als Ursache befasst.
    (Wobei du natürlich recht hast, Ängste multiplizieren und wechselwirken miteinander, so einfach ist es dann eben doch nicht.)

    Kann aber natürlich auch sein, dass ich einfach arrogant den typischen wissenschaftlichen Bildungsgrad der Normalbürgers ziemlich stark unterschätze, wenn ich andere Ursachen für bedeutender halte. Keine Ahnung.

    aber ich finde es schon interessant, dass es eben die SRT ist, die die Leugner anscheinend mehr anzieht als die QM oder andere physikalische Theorien.

    Stimmt, der Vergleich bei der Ablehnung von QM und SRT macht nachdenklich, da funktioniert deine Erklärung für die unterschiedliche Anziehungskraft sehr gut.
    Bei der SRT ist sofort klar ersichtlich, dass sie “gegen den gesunden Menschenverstand” verstößt und das Weltbild erschüttert.
    Dass die QM das Weltbild genauso grundlegend verändert, ist dagegen sehr viel schwerer zu verstehen
    Siehe etwas Florian Aigner von nebenan:
    Die Quantentheorie ist sicher ein ganz besonders faszinierendes Gebiet. Den Ruf, etwas philosophisch ganz grundlegend Neues zu sein, hat sie aus meiner Sicht aber zu unrecht.

    Beim Vergleich von Urknall-Leugnern und SRT-Leugnern funktioniert es dann aber schon nicht mehr richtig, finde ich.
    Das ist nämlich meiner Meinung nach die physikalische Theorie, die bei weitem am meisten Leugner anzieht.
    Mir ist aber bisher noch kein einziger Urknall-Leugner begegnen, der auch nur ansatzweise verstanden hat, was dieses Urknall-Modell, dass er so entschieden ablehnt, eigentlich überhaupt aussieht.
    Das alte Urknall-Modell wohlgemerkt, von Dingen wie beschleunigter Expansion, dunkler Energie oder gar Inflation ist da noch lange keine Rede. Da wird dann ohne die allergeringste Ahnung fabuliert.
    Mittlerweile sind wir aber doch alle mit dem Urknall aufgewachsen, jeder Mensch wurde doch bei weitem stärker mit dieser Idee sozialisiert als mit den Paradoxa der SRT.
    Wie passt es dann, dass der Urknall trotzdem stärker häufiger wird?

    Allerdings haben wir bisher nur über rein physikalische Theorien gesprochen. Die paar Menschen, die nicht an die QM, die SRT oder andere physikalische Theorien glauben wollen, sind aber doch überhaupt nicht das Problem.
    Das ist doch nicht das Massenphänomen, dass wir mit dem Begriff Wissenschaftsangst/Wissenschaftsfeindlichkeit beschreiben.
    Bei den Klimawandel-Skeptikern, den Aids-Leugnern und allen anderen Fällen, wenn typischerweise Wissenschaft abgelehnt wird und Wissenschaftsangst besteht, spielen die wissenschaftlichen Antworten auf die vier kantischen Fragen meiner Ansicht nach nur eine sehr keine Rolle.
    Da erscheint mir Alderamins Idee mit dem verspielten Vertrauen und der “Angst vor dem Ausgeliefertsein” als plausiblere Hauptursache.

    @Alderamin
    Volle Zustimmung und auch noch besser und klarer formuliert, als mir das mit meinen ähnlich gehenden Gedanken gelungen wäre.

    Vor allem dieser Aspekt scheint mir noch ziemlich wichtig zu sein:

    Diese Dinge werden von vielen Menschen aufgrund anekdotischer Erfahrungen und selektiver Wahrnehmung für aus eigener Erfahrung wahr befunden, also muss die Naturwissenschaft irren und wenn sie bei solchen Dingen irrt, warum sollte sie dann anderswo richtig liegen?

    Das ist schließlich das Hauptfundament, auf dem die Homöopathie und alle anderen Formen der Komplementärmedizin ruhen.

  107. #107 Alderamin
    29. November 2012

    @Niels

    Stimmt, der Vergleich bei der Ablehnung von QM und SRT macht nachdenklich, da funktioniert deine Erklärung für die unterschiedliche Anziehungskraft sehr gut.
    Bei der SRT ist sofort klar ersichtlich, dass sie “gegen den gesunden Menschenverstand” verstößt und das Weltbild erschüttert.
    Dass die QM das Weltbild genauso grundlegend verändert, ist dagegen sehr viel schwerer zu verstehen

    Bei der SRT haben vielleicht einfach mehr Leute verstanden, was überhaupt ihre Aussage ist, die lässt sich schön verbildlichen und den Lorentzfaktor kann auch ein Mittelstufenschüler ausrechnen (wie gesagt, ich denke dass die Kritiker der SRT oft Leute mit einem soliden Halbwissen sind, die meinen, weil sie ein bisschen was verstanden hätten, könnten sie jetzt mitreden).

    Die QM ist hingegen viel komplizierter, Schrödinger-Gleichung etc. sind schon gewisse Sicherheitsschlösser. Und wo da die eigentlichen Seltsamkeiten liegen, ist vielen gar nicht so bekannt. Nur von der “Quantenteleportation” haben viele mal gehört und sie als Materietransport missverstanden. Wenn ich mal so das Spiegel-Online-Forum als Maßstab nehme.

    Auch die ART ist komplizierter als die SRT. Ist es nicht auch so, dass die ART weniger angegriffen wird, als die SRT? Das würde meine Vermutung bestätigen.

    Bei der Urknalltheorie wird vielleicht meist gar nicht wahrgenommen, dass es Einsteinsche Feldgleichungen und eine Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik gibt. Da ist das Wissen eher auf populärwissenschaftliche Darstellungen beschränkt und Dunning-Kruger hat freie Fahrt.

  108. #108 MartinB
    29. November 2012

    Und es kommt eben der Aspekt hinzu, dass die Qm mit ihrem scheinbar mystischen Charakter vielen Leuten in das Weltbild passt (siehe Quantenheilung, Capra etc.)
    Der urknall rührt natürlich (genau wie die Evolutionstheorie) direkt an unserem Welt- und vor allem Selbstverständnis: Ein Universum, das durch Urknall entstanden ist und in dem wir uns per Zufall entwickelt haben, ist eins, dem wir ziemlich egal sind. Dazu gibt’s dann gleich Teil 3.

  109. #109 Dr. Webbaer
    29. November 2012

    @Niels

    Bei den Klimawandel-Skeptikern

    Hier fehlt ein ‘Leugner’, es musste ‘Klimawandel-Leugner’ heißen, Sie wollen doch nicht noch sympathisch werden?! Hier zeigt Martin, wie man’s richtig macht.

  110. #110 Niels
    29. November 2012

    @Alderamin
    Die ART wird weniger angegriffen, soweit ich das überblicke.
    Ich teile deine Ansicht, die MartinB auch genau so schon im ersten Teil geäußert hat.

    Mein Argument beruht ja sogar darauf. Das Urknallmodell ist weniger von 1. betroffen ist als die SRT, wird aber trotzdem häufiger abgelehnt. Das spielt aber keine Rolle und zeigt überhaupt nichts, weil ich 3. als zusätzliche Einfluss übersehen habe. 3. ist für die SRT unwichtig, spielt aber bei der Ablehnung des Urknallmodell eine große Rolle.

    @MartinB
    Die Möglichkeit, die QM mystisch zu vereinnahmen, erklärt sich meiner Meinung nach größtenteils gerade durch das fehlende Verständnis, ist also nicht wirklich ein weiterer, unabhängiger Aspekt.

  111. #111 MartinB
    29. November 2012

    Natürlich kann man die QM nicht mehr so schick mystisch missbrauchen, wenn man sie versteht, das ist sicher richtig. Aber dass sie sich eben in dieser Weise missbrauchen lässt, führt dazu, dass sie nicht so hinterfragt wird.

    Ob wirklich sooo viele Leute die SRT verstanden haben, wage ich übrigens zu bezweifeln…
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/07/08/eine-relativistische-knobelei/

  112. #112 Freawaru
    29. November 2012

    @Alderamin

    “Bei der SRT haben vielleicht einfach mehr Leute verstanden, was überhaupt ihre Aussage ist, die lässt sich schön verbildlichen und den Lorentzfaktor kann auch ein Mittelstufenschüler ausrechnen (wie gesagt, ich denke dass die Kritiker der SRT oft Leute mit einem soliden Halbwissen sind, die meinen, weil sie ein bisschen was verstanden hätten, könnten sie jetzt mitreden). ”

    Wird aber höchstens in der Oberstufe gelehrt. Was vielleicht zum Problem beiträgt.

  113. #113 Alderamin
    29. November 2012

    @Freawaru

    Ich hab’ schon in der Mittelstufe populärwissenschaftliche Bücher zum Thema gelesen, mit den Formeln gespielt und bin dem Physik-/Klassenlehrer mit meinen “Theorien” auf den Wecker gefallen… 🙂

  114. #114 MartinB
    29. November 2012

    @Alderamin
    Haben wir das nicht alle…?

  115. #115 Silvia
    30. November 2012

    @ Ludger

    [quote]Es gibt aus dieser Zeit einen fast noch schöneren Werbefilm über die Atomkraft, kennst du den?[/quote]

    gail, den Film kannte ich nicht.

    Wird Kindern so Wissenschaft und ihre Geschichte erklärt, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß diese Kinder als Erwachsene Angst vor Wissenschaft haben.

    Wenn ich da an meine Schulzeit zurückdenke, boa welch Unterschied. Wir mußten seinerzeit irgendwelche trockenen, öden Fakten auswendig lernen, haben sie weder in zeitlichem noch gesellschaftlichem Zusammenhang erklärt bekommen.

  116. #116 Silvia
    30. November 2012

    Huch, quoten geht nicht. Is ja doof…

  117. #117 Alderamin
    30. November 2012

    @Silvia

    Quoten geht schon, nur anders.

    <blockquote>Zitat</blockquote> ergibt

    Zitat

  118. #118 Stefan W.
    4. Dezember 2012

    So lange läuft die Disskussion schon, und jetzt erst nehme ich sie wahr!

    Zu vielem gesagtem würde ich ja auch noch gerne was sagen, aber, bevor es untergeht, will ich das m.E. Entscheidende aufgreifen:

    Eine Antwort auf ethische Fragen (was soll ich in einer bestimmten Situation tun, um “richtig” zu handeln) liefert die Wissenschaft aber nicht, ethische Fragen liegen letztlich außerhalb der Wissenschaft.

    Wenn dem so ist – muss das so sein? Wenn wir uns teilweise einig sind, dass die Fragen nicht der Religion überlassen gehört – wer sonst wäre zuständig sie zu beantworten?

    Was hindert die Wissenschaft daran Antworten zu geben?

    Wenn man mit wissenschaftlichen Methoden erforschte, was die Ethik heute ist, welche Funktionen sie erfüllt, und welche Funktionen sie erfüllen kann, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sie funktioniert – sind dann wissenschaftliche Antworten dennoch für alle Zukunft ausgeschlossen?

    Ist das ein Dogma?

    Ich denke wenn man auf transzendentale Ewigkeitsansprüche verzichtet, dann ist analysierbar und interpolierbar, dann wird in naher Zukunft ein Computerprogramm ethische Antworten liefern können.

    Aber ein wenig muss ich doch im Klein-Klein rumstochern.

    Also angefangen damit, dass ich nicht glaube, dass es eine generelle Wissenschaftsangst gibt, die von Geologie über Sportwissenschaft, von Jura zu VWL, von Mathe über Physik und Chemie zu Literaturwissenschaft, Psychologie und Soziologie überall gleichermaßen ängstlich ist, ist es doch immer wieder Angst vor Technik die beschrieben wird, vor einem unvorsichtigem oder bösartigem Einsatz wissenschaftlicher Erkenntnisse meist außerhalb der Wissenschaft.

    Die Leute sind gegen Kernkraftwerke auf die Straße gegangen – kaum gegen Forschungsreaktoren.

    Und die Angst vor Radioaktivität ist ja gestützt auf wissenschaftliche Forschung zu den Folgen von Hiroshima und Nagasaki. Wahrscheinlich findet man auch einen oder zwei grüne Ortsverbände, die Angst vor Mobilfunkstrahlen haben – dass die Grünen insgesamt als Partei dagegen eintreten habe ich noch nicht gehört.

    Natürlich haben die Grünen sich nicht abgegrenzt von Bürgern, die gegen das lokale AKW waren, aber gegen entfernt gebaute AKW nichts gehabt hätten. Esoteriker haben auch bei den Grünen mitgemacht und machen noch mit.

    Ich bin aber skeptisch, ob es überhaupt eine Zunahme an Wissenschaftsskeptikern gibt. Wie misst man das? Wer hat es gemessen? Wo und wann? Verglichen mit wann?

    Neues Thema: Wertkonservativismus. Wenn ich das schon höre! Fragt mal einen, der sich als solcher vermarktet, was das heißt, welche Werte er denn meint. Da kommt i.d.R. nix. Im Sinne von garnix. Also nicht ein einziger Wert kann benannt werden. Dann kommen die Geistesgrößen mit Familie. Nur dass Familie natürlich kein Wert ist, sondern vielleicht ein Gut. Oder es kommen Werte, aber was soll da kommen? Es kommen Werte denen jeder zustimmt. Es ist ein Blähwort, aufgeblähte warme Luft fraglicher Provenienz.

    Wertkonservativ! Haha!

    Psychologie, Soziologie, Pädagogik – das sind glaube ich Wissenschaften, die bei Linken hoch im Kurs stehen.

    Architektur, Musikwissenschaft, Malerei, …?

    Erforscht ist, dass gebildete Menschen verstärkt Links wählen. Aber was ist heute noch Links? Eine rote Fahne im Parteiwappen?

  119. #119 Dr. Webbaer
    4. Dezember 2012

    Wenn wir uns teilweise einig sind, dass die Fragen [die Ethik betreffend] nicht der Religion überlassen gehört – wer sonst wäre zuständig sie zu beantworten?

    Dafür sind in aufgeklärten Gesellschaften areligiöse Ideenleehren zuständig, gerne auch aufklärerische.

    Was hindert die Wissenschaft daran Antworten zu geben?

    Sie könnte – aber Einerseits waren und sind die Erfahrungen nicht gut, andererseits scheint die ethische Frage zu komplex und benötigt anscheinend die Schwarmintelligenz, also Mann und Maus. Zudem ist sie ein Prozess, also kein Projekt.

    Erforscht ist, dass gebildete Menschen verstärkt Links wählen. Aber was ist heute noch Links? Eine rote Fahne im Parteiwappen?

    ‘Links’ meint die eher kollektivistische (vs. libertäre, freiheitliche, gar anarchistische ) politische Sicht, am Rand den internationalen Sozialismus. Was am linken Rand die FDGO abschaffen will, ist aber meist verboten oder zumindest ‘beobachtet’ (radikale politische Meinung ist ja grundsätzlich nicht strafbewehrt).

    MFG
    Dr. W

  120. #120 MartinB
    4. Dezember 2012

    @Stefan
    “Was hindert die Wissenschaft daran Antworten zu geben?”
    Dass man der Wissenschaft ein klare Frage stellen muss. Man könnte die Wissenschaft beispielsweise verwenden um herauszufinden, wie man möglichst vielen Menschen ein zufriedenes leben verschaffen kann. Aber dass genau ein solches zufriedenes Leben das Ziel sein soll, dazu kann die Wissenschaft nichts sagen.

  121. #121 Dr. Webbaer
    5. Dezember 2012

    Man könnte die Wissenschaft beispielsweise verwenden um herauszufinden, wie man möglichst vielen Menschen ein zufriedenes leben verschaffen kann.

    Nachdem man “der Wissenschaft” gesagt hat, was ein zufriedenes Leben sein soll. Man könnte stattdessen “die Wissenschaft” fragen, wie ein ‘zufriedenes Leben’ zweckmäßiger Weise aussehen könnte, ein ‘zufriedenes Leben’ könnte so entwickelt werden. – Tut man ja auch, zumindest indirekt, aber die Antworten aus dem Bereich der Sozialfroscher (“Armutsforscher” etc.) sind denn leider regelmäßig biased bis unter dem Verdacht stehend eine (hidden) agenda zu verfolgen.

    Wenn man den “SozPäd-Bereich” dagegen ausklammert und den Wirtschaftswissenschaftlern vertraut, was vernünftiger wäre, bliebe dennoch das Weiche an diesen Studien.

    MFG
    Dr. Webbaer

  122. #122 Stefan W.
    7. Dezember 2012

    @MartinB:

    Aber dass genau ein solches zufriedenes Leben das Ziel sein soll, dazu kann die Wissenschaft nichts sagen.

    Das klingt nach Max Webers Wertfreiheit d. Wissenschaft. –

    Die Wissenschaft ist ein mächtiges Werkzeug, das selbst keine ethischen Normen oder Kontrollen enthält

    Wenn ethische Normen nicht objektiv sind – sind sie dann überhaupt sinnvoll? Ist es nicht die Aufgabe der Wissenschaft ethische Normen, die es gibt, zu definieren, zu kategorisieren, voneinander abzugrenzen, deren Genese aufzuzeigen, sie aufzulisten, sie mit den Methoden der Wissenschaft zu beobachten wie alles andere auch?

    Wenn ich eine ernsthafte Frage habe, dann will ich doch die bestmögliche Antwort, und nicht ein tradiertes, unhinterfragtes Etwas. Wenn die Wissenschaft keine Antwort geben will, dann vielleicht, weil es keine Antwort gibt, aber ist dann nicht die Frage falsch, im Sinne von: Unbeantwortbar?

    Ich will Max Weber nicht geringschätzen, aber seine Idee stammt aus einer Zeit der getrennten Sphären mit jeweiligen Zuständigkeiten: Arbeit, Familie, Wirtschaft, Justiz, Wissenscchaft usw. Heute ist die Gesellschaft nicht weniger fragmentiert, sondern die Fragmentierung ist total geworden. Alle sind in Nieschen spezialisiert, aber ein übergreifendes Ganzes ist nicht mehr zu sehen. Es gibt nicht 2 Religionen sondern 2000 Religionen – es gibt keine Nation mehr, an die wir glauben, sondern wir sollen an Nation, Europa, Regionen und das globale zugleich denken. Und es bleibt uns auch gar nichts weiter übrig.

    Wir wissen oder ahnen doch zumindest, dass wir eine endgültige Moral nicht eulenspiegelartig am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Beliebigen herausziehen können. Wenn wir aber auf Moral oder Ethik oder etwas ähnliches nicht völlig verzichten können oder wollen, dann ist es vielleicht sinnvoll die ganze Angelegenheit eine Etage tiefer zu hängen, in einen nicht prinzipiell unerreichbaren Raum, und zu sehen, wie die Frage neu gestellt werden kann.

    Um es mit einem Beispiel nochmal anders zu sagen: Manche Religionen sprachen Jahrtausende lang von einer Seele. Teils machte man sich auf die Suche nach dieser im menschlichen Körper, ein Amerikaner wollte gar das Gewicht ermittelt haben. Etwas übergreifendes wie Gefühl und Gedankenwelt, Traum, Verstand und soziales Wesen war damit gemeint. Bis heute ist der Begriff nicht aufgegeben. Aber dass da etwas über unseren Tod hinaus existiert, dass bezweifelt inzwischen bei uns etwa jeder zweite.

    Und damit ist der Begriff irgendwie kaputt, aber die Theaterstücke, die ihn thematisieren verstehen wir trotzdem – es ist aber im Hirn immer eine Art Analyse nötig. Die Psychologie beschäftigt sich mit einem Großteil dessen, was einst Seele meinte, aber noch früher wohl schon mal Psyche hieß. Aber es passt nicht genau – die Abgrenzungen nehmen wir anders vor.

    Die Seele ist ein Teil eines Weltbildes, das unrestaurierbar kaputt ist. Das moderne Weltbild hat andere Fragen und Modelle, und dafür eigene, neue Bilder.

    Wenn wir den Begriff “Ethik” nicht in einer handhabbaren Weise mehr verwenden können, weil er nicht mehr in unser Weltbild passt, und auch nicht reparierbar ist, dann brauchen wir neue Begriffe, die die Grenzen anders ziehen, die andere Perspektiven auf die Welt haben.

    Vielleicht ist deutlich geworeden, was ich meine, und was undeutlich ist. 🙂

    Wenn man eine Frage nicht beantworten kann, dann vielleicht, weil die Frage zu groß ist, oder es fehlt an Informationen, sie zu beantworten. Vielleicht kann man sie aber in 2 Teile aufteilen – einen, den man heute schon beantworten kann, und einen, den man nicht beantworten kann, den man aber morgen weiter aufteilen kann. In 30 Jahren hat man dann vielleicht eine Antwort, die aber dann niemand mehr sucht.

    Eine brennende Frage der frühen 40er Jahre war für ein paar dt. Soldaten, ob man den Eid brechen, und den Tyrannen ermorden darf. Gibt es heute noch Leute, die sich diese alte Frage stellen?

  123. #123 MartinB
    7. Dezember 2012

    @StefanW
    Ethische Normen sind deshalb sinnvoll, weil ohne sie ein Zusammenleben in einer gesellschaft kaum möglich wäre – beispiel Menschenrechte.
    Mir ist nicht klar, was du mit der wissenschaftlichen Untersuchung erreichen willst – wenn wir am Ende eine Liste aller möglichen ethischen Normen haben und deren Konsequenzen kennen, was machen wir dann damit im Hinblick auf unsere Gesellschaft oder Rechtssprechung?

  124. #124 Stefan W.
    18:57 Uhr
    8. Dezember 2012

    Dir scheint eine willkürliche Liste vorzuschweben, wonach wir dies tun könnten, oder jenes und dabei die Freiheit einer Roulettekugel hätten in eines von vielen Fächern zu fallen.

    Ich halte das nicht für plausibel. Die Menschenrechte sind m.E. keine willkürliche Festlegung, die man auch ganz anders definieren könnte, sondern sie scheinen mir eine Entdeckung dessen, was wir wollen und wollen müssen, so wir frei sind.

    Dass wir Schmerz und Qual vermeiden, wenn es geht, und ablehnen, das ist m.E. keine willkürliche Entscheidung, und dass wir Empathie empfinden ist auch nichts, was wir uns aussuchen, sondern es ist einfach da.

    Unsere Ethik ist, meine ich, etwas was wir finden, nicht festlegen, und wir werden sie umso besser entdecken und definieren können, je mehr wir uns über ihre Bedingtheit bewusstwerden.

    Wenn wir unsere Ethik kennen, dann richten wir unsere Gesetze danach aus – etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.

  125. #125 MartinB
    8. Dezember 2012

    @StefanW
    Ich glaube, wir sind gar nicht weit voneinander weg:
    “Unsere Ethik ist, meine ich, etwas was wir finden”
    Dem stimme ich auch vollkommen zu – ich glaube nur nicht, dass wir sie auf rationalem Weg finden können. Dinge wie Empathie sind uns (sicherlich auch evolutionär) eingeprägt.

    Insofern hilft ein ewissenschaftliche Untersuchung meines Erachtens wenig – genauso wie die einen aus der Bibel herauslesen, dass sie ihr letztes Geld an Arme verschenken und die anderen, dass sie Menschen versklaven dürfen, genauso werden auch unterschiedliche Menschen aus den wissenschaftlichen Ergebnissen unterschiedliche Verhaltensregeln für sich ableiten.

    Oder, wie Spock mal irgendwann sagte “Manchmal ist es logisch, unlogisch zu handeln.”

  126. #126 Stefan W.
    8. Dezember 2012

    Was uns evolutionär eingeprägt ist, das lässt sich nicht wissenschaftlich untersuchen?

    Vor wenigen Monaten habe ich irgendwo bei den SBs gelesen von einem internationalen Experiment mit Schienen, Weichen, Leuten auf den Gleisen, einem herannahenden Zug, und verschiedenen Settings mit Alternativen, die meist für einen oder mehrere Menschen tödlich waren.

    Und die interessante Konsequenz war, dass, kulturübergreifend, die Leute ähnlich entscheiden würden – in China, Afrika, Europa und Südamerika. Atheisten, Christen, Moslems, Hindus.

    Wenn wir sie nicht rational finden – wie denn? Im Traum? Tanzend? Mit Drogenkonsum?