Letztes Jahr war es noch die Sensation – inzwischen ist es den meisten Medien keine müde Randnotiz mehr wert: das Higgs-Teilchen.

Am CERN wurde ja letztes Jahr die vermutliche Entdeckung des Higgs-Teilchens verkündet. (Mehr über das Higgs-Teilchen habe ich hier, hier und hier geschrieben.) Man hatte ein neues Teilchen gefunden, das eine Masse von 125 GeV besitzt (das ist eine Spezialeinheit der Physik, zum Vergleich: Ein Proton hat eine Masse von knapp 1 GeV (wer’s genau wissen will: eigentlich ist eV eine Energieeinheit, aber mit E=mc² kann man Energien in Massen umrechnen)) und das sich in etwa so verhält, wie es das Higgs-Teilchen tun sollte. Die experimentellen Daten waren gut genug, um definitiv zu sagen, dass es ein neues Teilchen ist; aber es war im letzten Sommer noch nicht so klar, ob das Teilchen wirklich das Higgs-Teilchen ist oder doch etwas anderes. Insbesondere gab es eine kleine Abweichung bei der Zahl der Prozesse, bei denen das neue Teilchen in zwei Photonen zerfällt – die schienen etwas zu häufig stattzufinden. Unklar war auch, ob das neue Teilchen tatsächlich – wie von der Theorie gefordert – den Spinwert Null hat, also keinen Eigendrehimpuls besitzt.

Inzwischen sind die Experimente und vor allem auch die Auswertungen weitergegangen. In der aktuellen Nature-Ausgabe berichtet Nobelpreisträger Frank Wilczek (dessen Buch “The Lightness of Being” sehr zu empfehlen ist und der uns neulich auch beim Thema “Zeitkristalle” begegnet ist) über den aktuellen Stand der Experimente (für nur 16 Euro kann man auch ein pdf des Artikels kaufen – die Politik vom Wissenschaftsmedien ist schon seltsam…). Es zeigt sich, dass die genaue Auswertung der Teilchenreaktionen bisher alle Erwartungen bestätigt: Der Zwei-Photonen-Zerfall ist doch nicht ganz so häufig wie ursprünglich angenommen und seine Rate liegt noch innerhalb dessen, was die Theorie hergibt. Und auch der Spin des Teilchens ist aller Wahrscheinlichkeit nach gleich Null, so wie die Theorie es verlangt. Es spricht also alles dafür, dass das neue Teilchen tatsächlich das Higgs-Teilchen ist. Einerseits natürlich ein Triumph für die Teilchenphysik, andererseits aber auch schade – ein ganz neues unerwartetes Teilchen hätte eigentlich doch mehr Spaß gemacht und alle TeilchenphysikerInnen mächtig ins Grübeln gebracht. So aber können wir das Higgs-Teilchen nun wohl endgültig im Teilchenzoo begrüßen (ob es dann diesen Herbst einen Nobelpreis dafür geben wird? Scheint mir nicht unwahrscheinlich.). Also:

Herzlich willkommen, Higgs-Teilchen!

                          

Particle physics: Minimalism triumphant

Frank Wilczek

Nature 496,439–441(25 April 2013) doi:10.1038/496439a

Kommentare (8)

  1. #1 Bjoern
    28. April 2013

    Ich habe offen gesagt keine Lust, die 16 € zu zahlen, also frage ich einfach dich ;): Passen die Ergebnisse nur zum Standard-Modell-Higgs, oder ist auch die Möglichkeit noch drin, dass es eins der 5 vom MSSM vorhergesagten Higgs-Teilchen ist?

  2. #2 MartinB
    28. April 2013

    Dazu schreibt der Artikel:

    Models that postulate
    several main ingredients to the cosmic mate-
    rial (for example, multi-Higgs models), or that
    postulate complex dynamics to explain the W
    and Z boson masses (such as Technicolor,
    extra-dimension and brane-world models)
    seem less credible, as simplicity and minimal-
    ism carry the day.

    Das mit den multi-Higgs-Modellen spricht also wohl eher dagegen – der Artikel ist aber recht vage (und ein echtes paper zu den Ergebnissen gibt es anscheinend nicht, der Artikel verweist nur auf die Auflistung der experimentellen Ergebnisse auf den CERN-Seiten.

  3. #3 JaJoHa
    29. April 2013

    Vieleicht hätte man zur Masse noch das \frac{1}{c^2} schreiben sollen, falls man das gerne in Gramm hätte 😉
    Die Konvention h=c=1 ist ja außerhalb der Physik eher selten zu finden.

  4. #4 MartinB
    29. April 2013

    @JaJoHa
    Deswegen habe ich ja die GeV einfach als Einheit eingeführt und zum Vergleich die Protonmasse angegeben – ein Wert von 10 hoch minus 25 Gramm oder so ist jetzt auch nicht wirklich anschaulich, oder?

  5. #5 JaJoHa
    29. April 2013

    @MartinB
    Ja, das stimmt schon. Ich dachte vorallem, das es verwirrend sein kann, wenn Masse, Energie und Impuls alle in eV angegeben werden und man das c² braucht, wenn man auf Gramm kommen will

  6. #6 MartinB
    29. April 2013

    @JaJoHa
    Und ich dachte, derjenige, der weiß, dass GeV eine Energieeinheit ist (ich hab ja diesmal extra nur von Spezialeinheit gesprochen), der weiß auch, dass er ein c² ergänzen muss…

  7. #7 JaJoHa
    29. April 2013

    @MartinB
    Das war auch nicht als Kritik gemeint.
    Ich dachte, Schüler kennen eV nur für die Energie und wenn das plötzlich als Masse auftritt könnte das verwirrend sein.

  8. #8 MartinB
    29. April 2013

    @JoJoHa
    Lernt man eV jetzt in der Schule? Cool….
    Dann baue ich mal eine Ergänzung ein.