Die Horndinosaurier gehören sicher zu den spektakulärsten Dinos überhaupt (hmmm – eigentlich ja sind alle Dinos spektakulär). Inzwischen kennt man ziemlich viele verschiedene Arten, die alle einen sehr ähnlichen, ziemlich massiven Körper besitzen, sich aber in der Form der Hörner und des Knochenschilds deutlich unterscheiden.

Der bekannteste Horndino ist sicher der Triceratops – ein Kampf zwischen einem Triceratops und einem Tyrannosaurus rex gehört quasi zum Kanon jedes Dino-Buchs. Hier eine moderne Rekonstruktion:

Triceratops by Tom Patker-01.jpg
Triceratops by Tom Patker-01” by Tom Patker – File:Triceratops by Tom Patker.png. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.

Und hier mal ein Überblick über ein paar Horndinosaurier (Pachyrhinosaurus, Centrosaurus, Albertaceratops, Pentaceratops, Anchiceratops, Styracosaurus, Triceratops, Torosaurus, Chasmosaurus.):

Ceratopsidae-BW-002.png
Ceratopsidae-BW-002” by MathKnightOwn work based on drawning by Nobu Tamura , as follows: File:Pachyrhinosaurus BW.jpg, File:Centrosaurus BW.jpg, File:Albertaceratops BW.jpg, File:Pentaceratops BW.jpg, File:Anchiceratops BW.jpg, File:Styracosaurus BW.jpg, File:Triceratops BW.jpg, File:Torosaurus BW.jpg, File:Chasmosaurus BW.jpg. Licensed under CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons.

Die Horndinosaurier (Hinweis für die Expertinnen: Ich beschränke mich hier auf die “echten” Horndinosaurier, also die “Ceratopsidae”, die anderen Horndinos wie Protoceratops oder Zuniceratops lasse ich mal außen vor) – also: Die Horndinosaurier zerfallen in zwei Gruppen: Die Chasmosaurier-Gruppe und die Centrosaurier-Gruppe. (Achtung: Der Horndinosaurier Centrosaurus sollte nicht mit dem Panzerdinosaurier Kentrosaurus verwechselt werden, der ein naher Verwandter des Stegosaurus ist. Zwischenzeitig hat man mal den Kentrosaurus in “Kentrurosaurus” umbenannt, um Verwechslungen zu vermeiden, aber da das den international anerkannten Regeln für die Dino-Nomenklatur widerspricht, ist der Name Kentrurosaurus nicht mehr in Gebrauch. Ein schönes Skelett des Kentrosaurus könnt ihr übrigens im Naturkundemuseum in Berlin sehen.)

Ähh – wo war ich noch gleich? Ach ja: Die Horndinos zerfallen also in die Chasmosaurierartigen (Chasmosaurinae) und die Centrosaurierartigen (Centrosaurinae). Triceratops und Chasmosaurus selbst gehören zu den Chasmosaurinae – die haben eher lange Knochenschilde und ausgeprägte Hörner über den Augen. Die Centrosaurinae dagegen haben eher kleine Hörner über den Augen, dafür aber ausgeprägte Nasalhörner und einen meist etwas runderen Knochenschild, der dafür mit mehr oder weniger spektakulären Vorsprüngen oder Hörnern versehen ist, wie beispielsweise beim Styracosaurus.

Ein neuer Fossilfund bringt diese einfache Ordnung der Horndinos aber etwas durcheinander. Das hier ist Regaliceratops peterhewsi, “Peter Hews’ königlicher Horndino” (Peter Hews ist die Entdeckerin des Fossils) (Anmerkung, für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Ja, ich verwende immer noch ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen, unabhängig vom Geschlecht. Heult hier, wenn ihr müsst.):

regaliceratops

Aus Brown&Henderson, s.u.

Bevor wir uns das anschauen, hier ein Video, das das Fossil zeigt und in dem Caleb Brown (eine der Autorinnen) ein bisschen was allgemeines zum Fund erzählt – eine hübsche Rekonstruktion des Tiers gibt es auch zu sehen:

So, jetzt schauen wir noch einmal auf die Bilder des Schädels oben. Ihr seht den Schädel eines Horndinos mit schön ausgeprägtem Nasalhorn, kleinen Hörnern über den Augen und einem ziemlich schicken Knochenkragen mit hübscher Ornamentierung. Nach dem eben gesagten wäre es also wenig verwunderlich, wenn ihr ihn in eine Gruppe mit dem Styracosaurus und den anderen Centrosaurinae stecken würdet.

Dort gehört er aber nicht hin. Eine kladistische Analyse (also ein Vergleich zahlreicher Merkmale des Fossils, mit dem man herausfinden kann, welches Tier evolutionär wie mit welchem anderen verwandt ist – guckt hier für Details) zeigt, dass Regaliceratops zu den Chasmosaurinae gehört, also eher in die Verwandtschaft des Triceratops. Die Autorinnen haben das sehr schön in diesem “Graphischen Abstract” zum Ausdruck gebracht (graphische abstracts sind eine ziemlich neue Idee – man soll den Kerninhalt einer Veröffentlichung in einem einzigen Bild zum Ausdruck bringen; die Idee ist, dass man Leute auf die Weise eher dazu bekommt, in ein paper reinzuschauen):

regaliceratops2

Aus Brown&Henderson, s.u.

Das – etwas schematische – Kladogramm ist hier so sortiert, dass die Dinos mit großem Nasenhorn und kleinen Hörnern über den Augen ganz links stehen (eben die typischen Centrosaurier), die mit den großen Augen-Hörnern wie Triceratops rechts. Regaliceratops fällt aber deutlich aus der Reihe – evolutionsbiologisch gehört er nach rechts, vom Aussehen her sitzt er aber ganz weit links.

Natürlich beschränkt man sich in einer wissenschaftlichen Arbeit (anders als in einem Blogartikel) nicht darauf, einfach bloß hinzugucken und das Magengrubengefühl sprechen zu lassen, um das Aussehen eines Dinos zu beurteilen. Stattdessen trägt man die bekannten Dinos hübsch in eine Grafik ein, in der die Größe der Hörner aufgetragen ist:

regaliceratops3

Aus Brown&Henderson, s.u.

In Rot sind die Centrosaurinae aufgezeichnet, in blau die Chasmosaurier. Die beiden unterschiedlichen Blautöne kennzeichnen die Zeit, zu der die jeweiligen Centrosaurier gelebt haben: hellblau ist das etwas ältere “Campanium”, dunkelblau das zeitlich jüngere “Maastrichtium” (an dessen Ende die Dinos – mit Ausnahme der Vögel – ausstarben). Ihr erkennt, dass die Chasmosaurier eine deutliche Entwiclung hin zu längeren Augen-Hörnern und verkürzten Nasenhörnern machten (die Skala auf den Achsen ist logarithmisch, die Hörner oben in der Grafik sind also viiiieeel länger als die unten). Regaliceratops (der blaue Stern) fällt aber deutlich aus dem Rahmen: Sein Nasenhorn ist lang, seine Augen-Hörner sind für einen Chamsosaurier aus dem Maaastrichtium deutlich zu kurz.

Was kann man aus diesem neuen Fossil lernen? Zunächst einmal gibt es genauere Aufschlüsse über die Evolution der Knochenkragen – die deutlich ausgeprägten Verzierungen (vornehm “epiparietal”) am Knochenkragen können mit denen anderer Horndinos verglichen werden. (O.k., das ist schon ziemlich speziell – so speziell, dass die Autorinnen die detaillierte Diskussion in das “supplementary material” verbannt haben. Ich finde es trotzdem interessant). Dieses Bild zeigt die Knochenkragen (oder ist der Plural “Knochenkrägen”?) von Triceratops, Regaliceratops, Anchiceratops und Pentaceratops:

regaliceratops4

Aus Brown&Henderson, s.u.

Ihr seht, dass Triceratops ein Epiparietal genau auf der Mittelachse sitzen hatte, während das bei Anchiceratops und Pentaceratops nicht der Fall war. Bisher war man davon ausgegangen, dass diese beiden das mittlere Epiparietal eben einfach nicht hatten und hat das jeweils erste rechts und links von der Mitte mit dem entsprechenden beim Triceratops identifiziert. Diese Einteilung seht ihr links als “klassisches Homologie-Schema”. Mit Regaliceratops in der Analyse zeigt sich jedoch, dass man mit deutlich weniger Evolutionsschritten auskommt, wenn man stattdessen annimmt, dass das jeweils erste Ornament rechts und links der Mitte äquivalent zum mittleren Ornament beim Triceratops und Regaliceratops ist. Falls ihr euch jetzt fragt, wozu das wichtig sein soll: Wenn man die Verwandtschaft von Dinos analysieren will, dann muss man natürlich die richtigen Strukturen vergleichen. Stellt euch vor, ihr findet einen Dinos mit ungewöhnlichen Strukturen an einem der Ornamente. Um den richtig mit den anderen in Beziehung zu setzen, muss man eben wissen, welches Ornament bei anderen Dinos diesem neuen ungewöhnlichem Teil entspricht (diese Entsprechung von Körperteilen bei unterschiedlichen Arten nennt man “Homologie”). Insofern ist zumindest für die Fachleute diese neue Einteilung der Knochenornamente durchaus wichtig.

Besonders interessant ist natürlich die Frage, warum Regaliceratops generell eher so aussah, wie wir es von Centrosauriern kennen. Zur zeit als Regaliceratops lebte, gab es keine Centrosaurier mehr (die starben am Ende des Campaniums aus – deswegen gab es für die oben auch nur eine Farbe im Bild). Regaliceratops entwickelte also ein ähnliches Aussehen wie die Centrosaurier. Das legt die Vermutung nahe, dass irgendetwas beim Regaliceratops – beispielsweise beim Sozialverhalten – eher den Centrosauriern als den Chasmosauriern ähnelte und dass die Evolution deshalb in die gleiche Richtung ging. Was genau das war, wissen wir nicht, weil wir nicht genau verstehen, welche Funktion die Hörner hatten – waren es vor allem Signale innerhalb der Art, mit denen z.B. Männchen die Weibchen beeindruckt haben, waren es Signale, die die Unterscheidung zwischen den Arten erleichtern sollten, dienten sie tatsächlich zum Kämpfen innerhalb der Art? Bei Säugetieren weiß man, dass ähnliche Hornformen auf ähnliches Verhalten zum Beispiel bei Kämpfen hindeuten; das mag bei den Horndinos ähnlich gewesen sein.

Wie so oft zeigt sich, dass die interessantesten Fragen am schwersten zu beantworten sind.

Hier der versprochene Bonus: Das paper zeichnet sich noch durch eine andere Besonderheit aus: Die Danksagung. Hier steht normalerweise, wer alles irgendwie mitgeholfen hat, wer vielleicht kluge Ratschläge zur Arbeit gegeben hat usw. So etwas steht auch in dieser Danksagung, aber sie endet mit diesen Worten:

C.M.B. would specifically like to highlight the ongoing and unwavering sup-
port of Lorna O’Brien. Lorna, will you marry me?

(Der Antrag wurde übrigens angenommen.)

                   

Brown and Henderson, A New Horned Dinosaur Reveals Convergent Evolution in Cranial Ornamentation inCeratopsidae, Current Biology (2015), https://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.04.041

Kommentare (5)

  1. #1 Artur57
    7. Juni 2015

    Nun ist das Nackenschild ja ziemlich schwer und es muss oder sollte ja zumindest irgend einen Zweck haben. Den cw-Wert bessert es nicht, zur Kühlung wäre der Aufwand auch nicht in angemessenem Verhältnis zum Ertrag.

    Ja, was denn? Also meiner Meinung nach dient es zur Abwehr des Tyrannosaurus Rex, der wohl seine Opfer bis dahin stets mit Nackenbiss tötete. Dabei ist ihm nun das Nackenhorn gewaltig im Wege. Weiter hinten kann er nur schlecht zubeißen, weil der Triceratops hinten zu breit ist.
    Wobei, wie man sieht, der Nackenkragen zulasten des Nasenhorns ging, also der Offensivwaffe des Tiers.

    Habe eben nachgesehen, zeitlich würde es passen. Der T-Rex gehörte zu den letzten nicht-fliegenden Sauriern, die am Ende des Maastrichtium ausgestorben sind.

    Mal als These. Florian verdächtigt mich ja immer, die Wissenschaft komplett in zum Einsturz bringen zu wollen. Nein, es ist dies eine eindeutig als solche gekennzeichnete Privattheorie.

    Eine recht ausgefallene Art des Anbaggerns, muss man ja sagen. Aber der Wissenschaft wie auch der Partnerwahl dienlich. Nun ja, als Archäologe ist er ja in Übung, denn seine Dinos muss er ja auch zuerst einmal – anbaggern.

  2. #2 MartinB
    7. Juni 2015

    @Artur57
    Ja, das ist eine These, die es in der Vergangenheit öfters gegeben hat. Es scheint auch nicht unwahrscheinlich, dass der Schild beim Kampf gegen einen T. rex tatsächlich nützlich war – als einzige Funktion ist das für so einen Schild aber eher unwahrscheinlich, der hat sich ja bei kleinen Dinos wie dem protoceratops oder dem Leptoceratops entwickelt, wo er auch noch nicht so ausgeprägt war.
    Bei Säugetieren erfüllen solche Strukturen wie Hörner etc. immer auch einen Zweck im Sozialverhalten, insofern ist es durchaus plausibel, dass das auch bei Dinos galt.

  3. #3 Artur57
    7. Juni 2015

    Nun habe ich diesen protoceratops gegoogelt und lese bei Wikipedia:

    “Ein außergewöhnlicher Fund aus dem Jahr 1971 zeigt einen Protoceratops und einen Velociraptor, ein theropoder Raubdinosaurier, die im Kampf umgekommen sind. Beide Tiere starben dabei, vermutlich wurden sie von Sand begraben, etwa bei einem Sandsturm. Der Fund lässt Rückschlüsse auf die Fressfeinde von Protoceratops zu”

    Der war dem T-Rex zwar etwas zu klein, aber dem Velociraptor nicht. Das ist ja auch einer von der beißenden Sorte.

    Eigentlich haben wir mit dem Übergang zu den Säugetieren den weitgehenden Wegfall von Panzerungen. Wollte ich eben als Tatsache hinschreiben, als meiner Frau eine Ausnahme einfiel: das Gürteltier. Natürlich.

    Aber überwiegend haben Säugetiere nur offensive Bewaffnung, die Defensive besteht in der Flucht. Das war wohl der Beginn der heute stets beklagten Schnelllebigkeit. Wäre die von Vielen gewünschte Entschleunigung durch Anlegen eines Panzers zu erreichen? Man sieht, auch Entschleunigung hätte ihren Preis.

    Eins muss ich noch loswerden: endlich haben wir Maschinenbauer einen eigenen Saurier, den atlascopcosaurus. Kein Scherz:

    https://everythingdinosaurs.weebly.com/atlascopcosaurus.html

    Ein friedliches und ästhetisches Tier, wie es sich gehört. Es wurde so benannt, weil Atlas Copco das Gerät zu seiner Freilegung gespendet hatte. Das Equipment zum Anbaggern eben.

  4. #4 MartinB
    7. Juni 2015

    @Artur
    Das berühmte Velociraptor/Protoceratops-Fossil ist arg umstritten. Es ist nicht klar, dass der Velociraptor tatasächlich versucht hat, den protoceratops als Beutetier zu greifen – normalerweise vermeiden Raubtiere es ja (auch wenn das in Filmen oft anders aussieht) Beute zu greifen, die ihnen ernsthaft gefährlich werden kann (und das war hier offensichtlich der Fall).

    “das Gürteltier.”
    Oder auch das Schuppentier. Auch die sehr dichten Haare einiger Säugetiere haben eine Schutzwirkung. Von Igeln und Stachelschweinen etc. gar nicht zu reden… (Vielleicht ist der Weg von haaren zu Stacheln evolutionär leichter als von Haaren zu Panzern, deswegen gibt es mehr stachelige Säuger, aber von denen gibt es ne Menge.)

  5. […] Bäker schreibt über einen Horndino und erwähnt dabei einen “Graphischen […]