In der Schweiz steht eine Abstimmung zur Verankerung der Komplementärmedizin in der Verfassung an, aber es gibt kaum eine Debatte. Es gibt nicht einmal ein Gegenkomitee (ich habe schon darüber berichtet). Ich kriege noch graue Haare von diesen Homöopathie Diskussionen. Vielleicht sollten wir einfach aufgeben und die weisse Fahne schwenken.
Die Abstimmung findet am 17. Mai statt und mehr als ein paar Internetdiskussionen (wie zum Beispiel hier oder zuletzt bei der GWUP) scheint nicht stattzufinden. Nicht nur, dass man das Gefühl hat, gegen Wände zu reden und immer wieder die gleichen haltlosen Argumente zu widerlegen, man muss sich auch auf eine gute Dosis Beschimpfungen in orwellscher Verdrehung gefasst machen. Hat man Glück, ist es nur ‘Wisseschaftsgläubigkeit’, ‘Fundamentalismus’ und ein Mangel an ‘Offenheit’ der den Skeptikern vorgeworfen wird. Es können aber auch durchaus Nazivergleiche aus der untersten Schublade geholt werden (wie der Diskussionsverlauf bei der GWUP demonstriert).
Es ist wahrlich zum Verzweifeln. Mich erinnert die Diskussion an die Kreationismusdebatten in den USA: Inhaltlich wird nicht auf Argumente eingegangen, man erwidert nur vorgefertigte, sich nie ändernde Plattitüden ab Stange. Diese werden immer wieder hervorgeholt und gipfeln in der Alternativmedizindebatte dann meistens in einem “Wer heilt hat Recht” (oder einer Abwandlung davon). Es scheint, dass gegen solche Realitätsverweigerung kein Kraut gewachsen ist. Wer etwas glauben will, wird dies auch glauben und nichts wird sie oder ihn davon abbringen.
Darum kapituliere ich. Wer heilt hat Recht. Meinetwegen. Damit aber die Rechtsgleichheit gewährt bleibt, möchte ich, dass folgende Leistungen in Zukunft auch von der Krankenkasse übernommen werden sollen, da sie ebenfalls ‘Komplementär’ sind und Heilungserfolge auszuweisen haben:
- Das elterliche Pusten auf Verletzungen und Prellungen jeglicher Art. Ein so effektives Schmerzmittel muss in den Leistungskatalog aufgenommen werden.1
- Medikamente (auch von der verhassten Pharmaindustrie), die sich in einer Doppelblindstudie als einem Plazebo nicht überlegen erwiesen haben, sollen trotz dem negativen Studienergebnis alle in den Katalog aufgenommen werden. Schliesslich haben sie gewirkt und man kann ja nicht wissen welche Mechanismen dahinter stecken. Wer heilt…
- Voodoo-Puppen müssen unbedingt über die Kassen finanziert werden. Tausende von Geheilten in der Menschheitsgeschichte können nicht falsch liegen.
- Die Kirchensteuer für die Katholische Kirche und Spenden an andere religiöse Gemeinschaften die auch heilen, müssen über die Krankenkassen finanziert werden. Jedes Krankenhaus sollte übrigens um die Gesundheitskosten zu senken (die im Moment wohl nur vom Teufel kontrolliert sein können) einen Exorzisten haben. Natürlich wird auch der nächste Urlaub in Lourdes bezahlt.
- Meine persönliche Gurgel-Therapie (man gurgelt mit einer Mischung von Weih- und Genferseewasser). Die Therapie hilft gegen alles, von eingewachsenen Zehennägel bis zu Migräne. Ich vergebe Lizenzen für deren Anwendung, Rechnungen bitte direkt an die Kasse weiterleiten.
Wenn ihr das jetzt aber für Blödsinn haltet, vergesst bitte nicht: Wer heilt hat Recht!
P.S.: Leider ist die Gegenposition viel zu unpopulär, dass sich jemand wirklich trauen würde gross dagegen anzuschreiben und falls doch, dann meist nur mit einem Kostenargument. Eigentlich geht es aber um das Festschreiben von Volksnaivität in der Verfassung. Falls sich jemand das bisschen Debatte, das existiert, mitverfolgen möchte, die NZZ lässt einen Gegner und eine Befürworter auf NZZ Votum in die Tastaturen hauen. Beda Stadler, der gegen die Vorlage anschreibt, scheint auch vor allem ein Problem mit der Unwissenschaftlichkeit zu haben. Auch Andreas Kyriacou hat das Thema auf seinem Blog aufgenommen und wird hoffentlich noch mehr dazu schreiben. Ich habe auch nicht das letzte mal dazu geschrieben. Weitere Links (und natürlich Ideen) sind willkommen.
1 Ein Plazeboeffekt kann ausgeschlossen werden, da es vor allem bei Kindern wirkt.
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