Jahrtausende lang konnten die Menschen die Sterne nur als Punkte am Himmel beobachten, chancenlos ihnen näher oder auf die Spur ihrer Natur zu kommen. Sie wurden zu Projektionsobjekten von Mythen und wurden als verlässlicher Kalender genutzt. Aber der Schlüssel, ihre Rätsel zu lösen, lag darin, ihre Örter genau zu messen – und das ist kein Grammatikfehler – in der Astronomie ist der Plural von (Stern-)Ort nicht Orte, sondern Örter. Die systematische Positionsmessung offenbarte im 16. Jahrhundert, dass die Erde und die anderen Planeten die Sonne umkreisen und im 19., dass die Sterne ferne Sonnen sind.
Horizont- oder Azimutalsystem
Wie gibt man die Position eines Sterns an? Im einfachsten Fall anhand der Himmelsrichtung und der Höhe über dem Horizont. Auf diese Weise habe ich Euch im letzten Artikel die Position von Venus und Merkur angegeben. Da die Himmelsrichtung keine besonders präzise Angabe ist und für die Höhe keine Streckenangabe sinnvoll sein kann – man kennt ja zunächst nicht die Entfernung des Sterns – verwendet man Winkelangaben, auch Polarkoordinaten genannt. Anstelle der Himmelsrichtung tritt dann der Azimut-Winkel (oder kurz Azimut), also der Winkel der Richtung am Horizont, über der man den Stern vorfindet. Jeder Winkel braucht eine Bezugslinie, von welcher er gezählt wird. In der Geodäsie ist es beim Azimut die Nordrichtung. In der Astronomie ist es hingegen üblicherweise die Südrichtung, wo nicht nur die Sonne, sondern auch die Sterne auf ihrem scheinbaren Lauf über den Himmel ihren höchsten Stand (Kulmination) erreichen und wo aus Sicht eine Nordhalbkuglers die spannendere Himmelshälfte liegt. Man kann den Azimut entweder von 0° bis 360° zählen, wobei er von Süden nach Westen hin wächst, oder man zählt ihn bis +180° in Richtung Westen und bis -180° in Richtung Osten.
Die Höhe über dem Horizont, meist eben einfach Höhe genannt, oder falls man Eindruck schinden will, auch lateinisiert als Elevation (“Erhebung”) bezeichnet, wird vom Horizont senkrecht nach oben bis zum Stern gemessen. Das folgende Bildchen verdeutlicht die Lage und Zählrichtung der Winkel:
Der Punkt senkrecht über dem Beobachter heißt Zenit, und manchmal wird der Winkel vom Zenit aus bis zu Stern, die Zenitdistanz verwendet. Der Großkreisbogen[1], der von der Südrichtung durch den Zenit bis zur Nordrichtung reicht, heißt Meridian (von lat. meridies = Mittag, denn auf dieser Linie steht die Sonne zur lokalen Mittagszeit).
Dieses Koordinatensystem wird als azimutales Koordinatensystem, Azimutalsystem, Horizontsystem oder Alt-Az-System (vom englischen altitude für die Höhe) bezeichnet. Seine Verwendung ist immer dann sinnvoll, wenn man Positionsangaben aus der Sicht eines Beobachters machen möchte. Jedes gute Planetariumsprogramm kann die Position von Sternen und Planeten als Azimut und Elevation ausgeben. Wenn man sich von der Webseite Heavens-Above.com die Vorhersage einer Satellitenbahn oder der ISS ausgeben lässt, kann man anhand der Azimut-Angabe sofort die Himmelsrichtung ablesen, wo der Satellit auftauchen wird und anhand der maximalen Elevation abschätzen, ob er hoch über den Beobachter fliegt oder nur über den Horizont krebst.
Mit der Hand bei ausgestrecktem Arm kann man Winkel ganz gut schätzen: Fingernagel des kleinen Fingers: ca. 0,5°, Zeige-/Mittel-/Ringfingerkuppe ca. 1°, Daumenkuppe knapp 2°, fünf Finger gut 5°, Handspanne inkl. Fingerlänge ca. 15°. Im Azimut kann man rechte Winkel zwischen benachbarten Kardinalhimmelsrichtungen (Nord, West, Süd, Ost) gut halbieren oder dritteln und somit eine Alt-Az-Angabe auch ohne Hilfsmittel am Himmel aufspüren. Wenn man es genauer wissen will, kann man einen Kompass für den Azimut (oder für die Generationen Y/Z: eine Kompass-App) und einen selbstgebastelten Quadranten mit Lot für die Höhe verwenden (… oder eine Wasserwaagen-App).
Äquatoriales Koordinatensystem
Für die Angabe von Sternörtern taugt das Azimutalsystem jedoch nicht besonders, denn es ist orts- und zeitabhängig. Die Sterne stehen verschieden hoch, je nachdem ob man sich auf der Erde weiter nördlich oder südlich befindet, und sie ziehen schräge Bögen über den Himmel, während die Zeit vergeht. Alt-Az-Angaben sind immer nur Momentaufnahmen.
Ein zur Angabe von Sternpositionen wesentlich geeigneteres Koordinatensystem ist das äquatoriale Koordinatensystem, das sich am System der Breiten- und Längengrade der Erde orientiert. Es gibt einen Himmelsnordpol, in dem die Längengrade sich schneiden, und einen Himmelsäquator, zu dem die Breitengrade parallel verlaufen. Der Himmelsnordpol liegt in Richtung einer Achse parallel zur Erdachse durch den Standort des Beobachters. Er weist ungefähr in Richtung des Polarsterns (Polaris im Kleinen Bären). Der Himmelsäquator ist ein Großkreis senkrecht zu dieser Achse, der den Ost- und Westpunkt am Horizont schneidet. Die Polhöhe entspricht dabei genau der geographischen Breite β (Beta). Dies machten sich die Seefahrer vergangener Jahrhunderte zu Nutze, um ihre geographische Breite zu bestimmen. Sie brauchten lediglich die Höhe des Polarsterns über dem Horizont zu messen.
In den folgenden Grafiken sind äquatoriale Systeme für mehrere geographische Breiten dargestellt. Zuerst das Bild, das in etwa dem Anblick des Himmels von Europa aus entspricht. Während die Erde sich dreht, ziehen die Sterne Bahnen parallel zu den Breitenkreisen des äquatorialen Systems. Einige Sterne, die weniger Abstand als die Polhöhe vom Himmelsnordpol haben, gehen nie unter, man nennt sie Zirkumpolarsterne, sie kreisen über dem Horizont um den Himmelspol. Dafür gehen die Sterne in einer gleich großen Umgebung um den Südpol nie auf, man kann nur Sterne nördlich eines Breitengrads von β-90° sehen, also von Deutschland aus (β≈50°) Sterne nördlich -40° Breite.
Am Nordpol fällt das Äquatorialsystem mit dem Horizontsystem zusammen. Aber auch hier folgen die Sterne den Breitenkreisen. Sie umkreisen den im Zenit befindlichen Himmelsnordpol und sind alle zirkumpolar. Man kann von hier aus nur die Sterne nördlich des Himmelsäquators sehen.
Am Äquator sieht man sowohl den Himmelsnord- als auch -südpol am Horizont liegend und die Breitenkreise verlaufen senkrecht zum Horizont. Der Himmelsäquator verläuft von Ost nach West durch den Zenit. Im Laufe einer Erddrehung kann man den gesamten Himmel sehen. Kein Stern ist zirkumpolar.
Schließlich die Situation für einen Ort am Südhimmel: hier nimmt der Himmelssüdpol die Rolle des Nordpols bei uns ein, aber es gibt keinen hellen Südpolarstern, nur das Kreuz des Südens, das in Richtung des Südpols zeigt. Der Himmelsäquator verläuft nördlich des Zenits, die Sonne kulminiert hier im Norden und die uns vertrauten Sternbilder, die dort sichtbar sind, stehen auf dem Kopf. Die Sternbilder im Umkreis des Nordpols gehen hier nie auf, die in Südpolnähe sind zirkumpolar.
Die “Höhe” eines Sterns wird gemäß des Breitengrads am Himmel als Winkelabstand vom Himmelsäquator gemessen. Dieser Winkel wird Deklination (lat. für Beugung) genannt, mit δ abgekürzt (kleiner griechischer Buchstabe Delta) und in Grad von 0° bis 90° auf der nördlichen Himmelshälfte, bzw. 0° bis -90° auf der südlichen Hälfte gezählt. Zur genaueren Angabe wird das Grad weiter in 60 Bogenminuten zu 60 Bogensekunden unterteilt; 30 Bogenminuten entsprechen in etwa dem Durchmesser der Sonnen- oder Mondscheibe. Die Deklination eines Sterns ändert sich nicht, wenn die Erde sich dreht, denn die scheinbare Drehung des Himmelsgewölbes erfolgt ja parallel zum Himmelsäquator entlang der Deklinationskreise.
Die Längenkoordinate wird entsprechend entlang des Himmelsäquators gemessen. Aber auf welchen Null-Längengrad bezieht man sich? Im einfachsten Fall (ortsfestes Äquatorialsystem) wieder auf den Meridian. Der entsprechende Winkel heißt dann Stundenwinkel. Der Stundenwinkel wird nicht in Grad, sondern (wen hätte es gewundert?) in Stunden gemessen, von 0h bis 24h mit weiterer Unterteilung in Minuten und Sekunden. Der Name drückt allerdings schon aus, dass er sich mit der Zeit ändert, denn natürlich wandern die Sterne aufgrund der Erddrehung genau wie im Horizontsystem von Ost nach West. Pro Stunde wächst der Stundenwinkel um eine Stunde.
Allerdings nicht pro gewöhnlicher Sonnenzeitstunde. Die Erde dreht sich nämlich nicht etwa in 24h einmal um sich selbst, sondern einmal in 23h 56m 4,1s (= 86164,091 s), dem Sterntag oder siderischen Tag (lat. sidus: das Gestirn; sideris: des Gestirns). [2]
Der Stundenwinkel ist außerdem ortsabhängig. Auf einem Längengrad 15° weiter östlich ist der Stundenwinkel eines Sterns 1h größer – er hat den Meridian schon eine Stunde früher überschritten, und auch die Sternzeit ist dort eine Stunde weiter, sie gilt nur lokal auf einem Längengrad der Erde – Zeitzonen wie bei der Sonnenzeit gibt es nicht. Dennoch haben wir eine Möglichkeit, aus dem Stundenwinkel eine feste Koordinate abzuleiten. Zu einer bestimmten Sternzeit hat ein Stern einen ganz bestimmten Stundenwinkel, und das gilt überall. Oder anders gesagt, die Sternzeit θ (Theta) minus dem Stundenwinkel t ist konstant.
Aber worauf beziehen wir die Sternzeit? Wann sind es 0:00 h? Man könnte versucht sein, einen Stern am Himmel festzulegen, und wenn dieser kulminiert, startet der Sterntag. Das ist aber keine gute Wahl, denn unser schönes Koordinatensystem hat einen kleinen Nachteil: es bewegt sich gegenüber dem Sternenhimmel. Und zwar nicht nur aufgrund der täglichen Drehung, die wir durch die Sternzeit und den Stundenwinkel in den Griff bekommen, sondern aufgrund einer Taumelbewegung der Erdachse. Wie jeder Kreisel auf dem Tisch vollführt auch der Kreisel Erde eine Präzessionsdrehung. Das heißt, der Himmelspol zeigt nicht für alle Ewigkeiten auf den Polarstern, das tut er nur zufällig im Augenblick (um genau zu sein liegt er derzeit ein 3/4 Grad neben dem Polarstern). Er kreist mit der Zeit um den Pol der Ekliptik, also den Ort am Himmel, der senkrecht über der Ebene der Erdbahn steht.
Die Präzessionsdrehung der Erde dauert allerdings 25800 Jahre, so dass wir nicht viel davon bemerken. Erst über Jahrtausende verändert sich die Lage des Himmelspols und damit auch des Äquators merklich relativ zum Sternenhimmel. In ca. 12000 Jahren wird der helle Stern Wega, der hellste Stern nördlich des Himmelsäquators, ein sehr viel beeindruckender Polarstern sein, wenn auch nicht so nahe am Himmelspol, wie Polaris es heute ist (und Alderamin wird auch einmal der Polarstern sein 🙂 )
In unserem Koordinatensystem bedeutet das, dass die Sterne ebenfalls eine Taumelbewegung am Himmel durchführen, was keine gute Wahl für einen Nullpunkt der Längenzählung ist. Statt dessen verwendet man als Nullpunkt einen der Schnittpunkte des Himmelsäquators mit der scheinbaren Bahn der Sonne um die Erde, der Ekliptik, besser als Tierkreis bekannt, und nichts anderes als die Ebene der Erdbahn um die Sonne. Es gibt zwei solche Schnittpunkte. In dem einen wandert die Sonne von Süden nach Norden über den Himmelsäquator. Genau dann beginnt der Frühling, also heißt der Ort standesgemäß Frühlingspunkt. Im zweiten Punkt wandert die Sonne wieder von Norden nach Süden, das tut sie zum Herbstanfang im Herbstpunkt. Der Frühlingspunkt ist derjenige, der den Nullpunkt der Sternzeit und damit auch des Längengradwinkels eines Sterns bestimmt. Wenn der Frühlingspunkt kulminiert, also den Meridian überschreitet, dann sind es exakt 0:00h Sternzeit. Oder anders gesagt, für einen gegebenen Ort auf der Erde ist die Sternzeit gleich dem Stundenwinkel des Frühlingspunkts.
Und so erhalten wir unseren Bezugspunkt: Wir haben vorhin gelernt, dass θ-t für jeden Ort konstant sind. Diesen Wert nennt man Rektaszension und kürzt ihn mit α (Alpha) ab, der wie alle Längenwinkel am Himmel in Stunden, Minuten und Sekunden gemessen wird. Dieser geheimnisvolle Winkel ist nichts anderes als der Winkelabstand des Längengrads des Gestirns vom Frühlingspunkt. Kleiner Check: Wenn der Frühlingspunkt vor einer Stunde kulminierte, ist es am betreffenden Ort 1h Sternzeit. Dann beträgt der Stundenwinkel des Frühlingspunkts 1h. Sternzeit minus Stundenwinkel sind also 1h – 1h = 0h. Der Frühlingspunkt hat folglich eine Rektaszension von 0h (und das gilt natürlich für jeden Stundenwinkel und jeden Ort, die Größe α ist ja konstant). Er definiert folglich den nullten Längengrad.
Ein Gestirn, das um 2h Sternzeit kulminiert, hat gerade einen Stundenwinkel von 0h. Sternzeit minus Stundenwinkel sind dann 2h – 0h = 2h. Und das ist der Abstand vom Längengrad des Frühlingspunkts, der um 2h einen Stundenwinkel von 2h hat (Definition der Sternzeit). Die Sternzeit, zu der ein Stern kulminiert, entspricht seiner Rektaszension.
Damit haben wir Koordinaten festgelegt, mit denen der Ort eines Sterns weltweit gültig eindeutig definiert werden kann: sein Breitengrad ist die Deklination δ, gemessen als Winkel über dem Himmelsäquator (oder negativ darunter), und sein Längengrad ist seine Rektaszension α, gemessen als Winkelabstand vom Längengrad durch den Frühlingspunkt, aufsteigend von West nach Ost. Diese System rotiert mit den Sternen und heißt rotierendes Äquatorialsystem. Wenn man die Sternzeit kennt (dafür hat jede gute Sternwarte eine Uhr), dann weiß man anhand der Differenz zwischen Sternzeit und Rektaszension sofort den Stundenwinkel und ob das Objekt somit am Himmel zu sehen sein sollte, oder sich unter dem Horizont befindet. Man sieht, das ganze hat System.
Die Epoche
Der Frühlingspunkt rotiert mit konstanter Geschwindigkeit in 25800 Jahren einmal um den Tierkreis herum. Damit verschieben sich die Koordinaten aller Sterne permanent, wenn auch nur geringfügig in einem Menschenleben, aber man möchte ja exakte Messungen machen können. Daher muss man bei der Angabe der Koordinaten eines Sterns angeben, auf welchen Frühlingspunkt man sich bezieht. Dies tut man durch Angabe einer Epoche, die einen exakten Zeitpunkt festlegt, dessen Frühlingspunkt zu verwenden ist (auf die Epoche werden auch z.B. die Bahnelemente der Planeten bezogen). Seit 1984 bezieht man sich dabei auf das Julianische Datum, einer fortlaufenden Tageszählung seit einem bestimmten Startdatum, die das Rechnen mit Zeitdifferenzen erleichtert. Die mit J2000.0 bezeichnete Epoche bezieht sich auf das Julianische Datum 2451545,0, welches dem 1. Januar 2000, 11:58:55,816 Uhr Weltzeit (UTC) entspricht.[3]
Standardepochen für die äquatorialen Koordinaten werden üblicherweise auf volle 50 Jahre festgelegt (es gilt hier die einfache alte julianische Schaltregel mit einer Jahreslänge von exakt 365,25 Tagen und somit einem Schaltjahr alle 4 Jahre). Derzeit verwenden wir also Koordinaten der Epoche J2000.0. Eine andere verbreitete Bezeichnung der Epoche ist “Äquinoktium J2000.0”. Äquinoktium ist lateinisch für die Tag- und Nachtgleiche, also den Zeitpunkt, wenn Tag und Nacht gleich lang sind, und das ist der Fall, wenn die Sonne im Frühlingspunkt steht. Ab dem Jahr 2025 wird man auf die Epoche J2050.0 wechseln, da sie die Sternörter der tatsächlichen aktuellen Position des Frühlingspunkts von diesem Zeitpunkt an besser annähern wird, als die dann weiter zurück liegende Epoche zuvor.
Bis 1984 galt noch eine andere Definition der Epochen, die auf den Astronomen Friedrich Bessel zurück geht. Das Besselsche Jahr verwendet die Jahreslänge des auch für uns Normalbürger gültigen gregorianischen Kalenders von 365,2425 Tagen mit der entsprechenden Schaltjahresregel “Schaltjahre sind durch 4 teilbar, aber nicht durch 100, jedoch durch 400”.
Das Besseljahr beginnt der Definition nach genau dann, wenn die “mittlere Sonne” einen Winkelabstand vom Frühlingspunkt von 280° hat. Die mittlere Sonne bezeichnet eine fiktive Position am Himmel, welche innerhalb eines gregoriansichen Jahres mit konstanter Geschwindigkeit einmal um die Ekliptik läuft. Die wahre Sonne bewegt sich nämlich nicht gleichmäßig schnell durch die Ekliptik, da die Erdbahn eine Ellipse ist, auf der die Erde schneller um die Sonne läuft, wenn sie der Sonne näher ist. Der Winkel von 280° ist nicht ganz zufällig gewählt, sondern fällt in die Nähe des ersten Januars, was aufgrund der Schaltjahresregel von Jahr zu Jahr ein wenig variiert. Eine Bessel-Epoche beginnt zu Beginn eines Besseljahres und wird mit einem führenden B gekennzeichnet. Da auch Bessel-Standardepochen 50 Jahre lang sind, hieß die letzte von ihnen B1950.0.
Weitere Koordinatensysteme
Neben den vorgestellten Koordinatensystemen sind noch zwei weitere gebräuchlich, das ekliptikale Koordinatensystem und das galaktische Koordinatensystem.
Beim ekliptikalen System bildet die Ebene der Erdbahn, die Ekliptik, die Grundebene, welche die Funktion des Äquators erfüllt, und die Pole der Ekliptik sind die zugehörigen Himmelspole. Der Nordpol der Ekliptik befindet sich im Sternbild des Drachen, 23,44° vom Himmelspol entfernt (was der Schiefe der Erdachse entspricht). Der Süpol liegt am Südhimmel im Sternbild Schwertfisch. Als Nullpunkt der Länge gilt auch hier der Frühlingspunkt für eine gegebene Epoche. Im ekliptikalen System verwendet man die ekliptikale Breite β (Beta) und Länge λ (Lambda) als Koordinaten, die in Grad, Minuten und Sekunden oder dezimalen Grad gemessen werden. Die Länge wird dabei vom Frühlingspunkt ausgehend in östlicher Richtung hochgezählt. Das System ist immer dann interessant, wenn Angaben über das Sonnensystem gemacht werden. Beispielsweise werden bei der Angabe von Parametern der Planetenbahnen wie zum Beispiel die Richtung des sonnennächsten Punkts oder der Schnittlinie der Bahn mit der Ekliptik ekliptikale Koordinaten verwendet.
Das galaktische System orientiert sich hingegen an unserer Milchstraße, der Spiralgalaxie, in der wir uns befinden. Die Grundebene ist hier die zentrale Ebene der Milchstraße, galaktische Ebene oder galaktischer Äquator genannt, die durch die Definition des galaktischen Nordpols eindeutig festgelegt ist; dieser wurde 1958 auf α = 12h 49min Rektaszension und δ = +27,40° Deklination festgelegt. Das galaktische Zentrum sollte als Nullpunkt der Längengrade definiert sein und wurde auf α = 17h 42,4min und δ = -28,92° bezogen auf die Epoche B1950.0 festgelegt, ein Ort, der sich im Sternbild Schütze befindet. Später zeigte sich, dass das damals noch nicht bekannte supermassive schwarze Loch Sagittarius A* im exakten Zentrum der Milchstraße ca. 4 Bogenminuten von dieser Koordinate entfernt liegt, aber man behielt das Koordinatensystem trotzdem unverändert bei. Im galaktischen System verwendet man die galaktische Breite b als Winkelabstand über der galaktischen Ebene und die galaktische Länge l als Längengrad relativ zum wie oben definierten galaktischen Zentrum, aufsteigend von West nach Ost. Galaktische Koordinaten sind dann sinnvoll, wenn man Objekte innerhalb der Milchstraße beschreiben möchte.
Zusammenfassung
Wir haben im vorliegenden Artikel eine Menge neuer Begriffe kennengelernt, die ich hier noch einmal mit ihrer Definition übersichtlich zusammenfassen möchte, so dass ich mich später auf diesen Grundlagenartikel beziehen kann. Hoffe, Ihr habt die Druckbetankung gut überstanden…
- Alt-Az-System
alternative Bezeichnung für das azimutale Koordinatensystem
- Äquatoriales Koordinatensystem
Koordinatensystem beruhend auf dem Himmelsäquator als Grundebene mit der Deklination δ in Winkelgrad als Angabe der Breite; in der ortsfesten Variante bildet der Meridian die Längenreferenz und die Länge wird als Stundenwinkel aufsteigend nach Westen in Stunden, Minuten und Sekunden angegeben; in der rotierenden Variante bildet ein Großkreis durch den Frühlingspunkt und die Himmelspole die Längenreferenz, und die Länge wird als Rektaszension α aufsteigend nach Osten in Stunden, Minuten und Sekunden angegeben
- Äquinoktium
Datum einer Tag- und Nachtgleiche; auch ein alternativer Begriff für die Epoche, die sich auf den Frühlingspunkt eines angegebenen Jahres bezieht.
- Azimut
Winkel entlang des Horizonts, gezählt vom Meridian an in westlicher Richtung. In der Astronomie wird traditionsgemäß der südliche Meridian als 0° gezählt, in der Geodäsie die Nordrichtung.
- Azimutales Koordinatensystem
beobachterbezogenes Koordinatensystem beruhend auf dem Horizont als Grundebene, dem Meridian als Längenreferenz mit den Koordinaten Azimut und Höhe in Winkelgraden.
- Deklination δ
Breitenkoordinate des äquatorialen Koordinatensystems, gemessen als Winkelabstand eines Gestirns in Grad, Minuten und Sekunden vom Himmelsäquator in Richtung des Himmelspols (positiv in Richtung Nordpol, negativ in Richtung Südpol)
- Ekliptik/Tierkreis
Scheinbare jährliche Bahn der Sonne über den Sternenhimmel, verursacht durch den Umlauf der Erde um die Sonne, auch als Tierkreis bekannt; identisch mit der Ebene der Erdbahn um die Sonne; Referenzebene im ekliptikalen Koordinatensystem und für die Definition des Frühlingspunkts
- Elevation/Höhe h
Breitenkoordinate im azimutalen Koordinatensystem, gemessen in Winkelgrad aufsteigend in senkrechter Richtung vom Horizont zum Zenit.
- Epoche, Standardepoche
Bezugsjahr für die Position des Frühlingspunkts, auf den sich ekliptikale und äquatoriale Koordinaten oder Bahnelement der Planeten beziehen; Epochen wurden bis 1984 in Besseljahren und werden seitdem in julianischen Jahren gemessen (gekennzeichnet durch führendes B oder J) und gelten für die jeweiligen Jahresanfänge; Standardepochen werden im allgemeinen in 50 Jahresschritten festgelegt (Beispiel: J2000.0); meist wird die dem wahren Frühlingspunkt zeitlich nächstgelegene Epoche bei der Angabe von Koordinaten verwendet
- Frühlingspunkt
Schnittpunkt des Himmelsäquators mit der Ekliptik, an welchem die Sonne den Himmelsäquator von Süden nach Norden überschreitet; bildet den Längenreferenzpunkt für das rotierende äquatoriale und das ekliptikale Koordinatensystem
- Himmelsäquator
Projektion des Erdäquators auf die Himmelskugel; der Himmelsäquator schneidet im Ost- und Westpunkt den Horizont und erreicht im Meridian seine maximale Höhe; er bildet die Ebene senkrecht zur Polachse durch Himmelsnord- und Südpol; er dient als Breitenreferenz im äquatorialen Koordinatensystem und zur Definition des Frühlingspunkts
- Himmelspol
Projektion der Erdachse auf die Himmelskugel; der Himmelsnordpol befindet sich in der Nähe des Polarsterns Polaris im Kleinen Bären, der Himmelssüdpol am gegenüberliegenden Punkt des Himmels im Sternbild Oktant, das von Europa aus nicht zu sehen ist; an den Himmelspolen schneiden sich die Längenkreise des Äquatorialsystems
- Horizontsystem
alternative Bezeichnung für das azimutale Koordinatensystem
- Kulmination
Extremstand eines Gestirns beim Erreichen des Meridians; man unterscheidet zwischen oberer und unterer Kulmination (Höchststand, maximale Elevation bzw. Tiefststand, minimale Elevation); da der Tiefststand außer bei zirkumpolaren Sternen unsichtbar unter der Horizontlinie stattfindet, bezieht sich der Begriff Kulmination im allgemeinen auf den Höchststand eines Gestirns.
- Meridian
Großkreis durch die Nord- und Südrichtung und den Zenit, in welchem Gestirne kulminieren
- Polhöhe
Elevation des Himmelspols; entspricht der geographischen Breite des Beobachtungsorts
- Präzession des Frühlingspunkts
Rotation des Frühlingspunkts um die Ekliptik verursacht durch die Taumelbewegung (Präzession) der Erdachse; ein Umlauf dauert 25800 Jahre; bedingt die Definition von Epochen für die Gültigkeit von Koordinatenangaben, die sich auf den Frühlingspunkt beziehen
- Rektaszension α
Längenkoordinate des rotierenden äquatorialen Systems, gemessen entlang des Himmelsäquators in Stunden, Minuten und Sekunden, aufsteigend von West nach Ost, mit dem Frühlingspunkt als Nullreferenz
- Sternzeit θ
Stundenwinkel des Frühlingspunkts für einen gegebenen Ort; dient zur Berechnung der Kulminationszeit eines Gestirns; es gilt Θ-t=α (Sternzeit – Stundenwinkel = Rektaszension)
- Stundenwinkel
Längenkoordinate des ortsfesten äquatorialen Systems, gemessen entlang des Himmelsäquators in Stunden, Minuten und Sekunden, aufsteigend von Ost nach West, mit dem Süd-Meridian als Nullreferenz
- Zenit
Koordinatenort senkrecht über dem Beobachter
- Zenitdistanz
Winkelabstand einer Koordinatenorts vom Zenit = 90°-Elevation
- Zirkumpolarsterne
Sterne, deren Winkelabstand vom Himmelspol geringer ist als dessen Polhöhe über den Horizont und die demgemäß niemals den Horizont unterschreiten; abhängig vom Breitengrad des Beobachterstandorts auf der Erde
[1] Ein Großkreis auf einer oder um eine Kugel ist ein Kreis, der den Mittelpunkt der Kugel im Zentrum hat, wie etwa die Längengrade oder der Äquator; Breitengrade verschieden vom Äquator sind hingegen keine Großkreise.
[2] Dass der Sonnentag rund 4 Minuten länger als der Sterntag ist, liegt daran, dass die Sonne einmal im Jahr rund um den ganzen Himmel zu wandern scheint (in Wahrheit wird sie natürlich von der Erde umkreist), was einer Verschiebung von fast exakt einem Grad (0,9856°) pro Tag nach Osten entspricht (360°/365,2422 Tage). Diesen Winkel muss sich die Erde am Ende eines Sterntags weiter drehen, um die Sonne wieder in derselben Richtung zu sehen – etwa von Mittag zu Mittag über dem gleichen Längengrad. 86164s/360° · 0,9856° entsprechen 235,909 s = 3 Minuten 55,909 s. Um diesen Betrag ist der Sonnentag länger als der Sterntag, und wir richten unser Leben natürlich nach dem Tageslicht und nicht etwa nach dem Aufgang des Sirius. Deshalb ist unser bürgerlicher Tag 24h = 86400s lang.
[3] Der krumme Wert ergibt sich aus den angehäuften Schaltsekunden des bürgerlichen Gregorianischen Kalenders, die eingeführt wurden, um Veränderungen der Erdrotation aus dem Kalender zu tilgen – etwas was man bei einem für Himmelsereignisse verwendeten Kalender nicht tun möchte. Deswegen läuft das Julianische Datum stur weiter, gezählt in Tagen seit dem 1. Januar −4712 (4713 v. Chr.) 12:00h Weltzeit.
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