Orion (nicht betont auf dem O, sondern auf der zweiten Silbe: O’rion) ist vielleicht das markanteste Sternbild überhaupt. Aber es sieht nicht nur beeindruckend aus, es ist tatsächlich ein Sternbild voller Superlative.
Blick in einen Spiralarm
Die hellsten Sterne im Orion sind überwiegend junge blau-weiße Riesensterne in sehr großen Entfernungen, die trotzdem zu den hellsten Sternen des Himmels gehören. Sie verschleudern ihren Brennstoff geradezu und leben nur zehn bis zwanzig Millionen Jahre lang. Sie haben ein Drittel bis die Hälfte ihres Lebens schon hinter sich, sind ähnlich alt und bilden die OB-Assoziation OB1, eine lose Ansammlung von blauen Sternen, die gemeinsam entstanden sind; auf lange belichteten Aufnahmen wie oben sieht man noch das umgebende rot leuchtende Wasserstoffgas, das sie weggeblasen haben und das von ihrem UV-Licht zum Leuchten angeregt wird.
O und B sind Spektralklassen, welche die Farbe und damit letztlich nichts anderes als die Oberflächentemperatur der Sterne angeben. O und B sind die dabei heißesten Sterntypen überhaupt. Die Spektralklassen setzen sich zu abnehmender Temperatur hin fort mit A, F, G, K und M für die normalen Sterne und L, T und Y für die Braunen Zwerge. Um noch feiner zu unterteilen werden oft Ziffern von 0 bis 9 angehängt, wobei 0 heißer und 9 kühler bedeutet, also ist etwa O9 schon fast B0. Um zwischen Riesen und Zwergen gleicher Temperatur zu unterscheiden, wird normalerweise noch die Leuchtkraftklasse mit angegeben, die von I (Überriesen; manchmal weiter unterteilt in helle Überriesen Ia und normale Überriesen Ib) über II (helle Riesen), III (normale Riesen), IV (Unterriesen), V (Zwerge) bis IV (Unterzwerge) und VII (Weiße Zwerge) reicht. Unsere Sonne ist vom Typ G2 V.
Es sind genau solche Sterne wie die hellsten im Orion, welche die Spiralarme von Galaxien bläulich hervortreten lassen. Sie entstehen in den Spiralarmen und verlöschen auch dort nach einem kurzen Leben, während die Sternentstehungszone sich langsam weiterbewegt und immer neue O- und B-Sterne hervorbringt. Daneben entstehen natürlich in der großen Mehrzahl auch kleinere, kühlere und leuchtschwächere Sterne, die viel länger leben, aber eben nicht solche Powerhäuser sind, die einen Spiralarm hervortreten lassen. Die hellen Sterne des Orion befinden sich auf der uns zugeneigten Seite des Orion-Spiralarms der Milchstraße, der dem galaktischen Zentrum gegenüber steht – wir blicken hier also in den nächstäußeren Spiralarm der Milchstraße.
Beteigeuze
Farblich aus der Reihe fällt Beteigeuze (abgeleitet von yad al-ǧauzāʾ, arabisch für “Hand der Riesin”), der schon weiter entwickelt ist. Er ist ein Roter Überriese (Spektralklasse M1 Ia) mit 15 Sonnenmassen. Seine Helligkeit schwankt unregelmäßig um eine volle Größenklasse zwischen 0,2 und 1,2 Größenklassen, was einem Leuchtkraftunterschied von 2,5x entspricht. Er hat etwa die 20.000-fache Leuchtkraft der Sonne. Befände er sich in einer Entfernung von 10 parsec (32,6 Lichtjahre), dann wäre er eine Größenklasse heller als der Planet Venus im größten Glanz. Beteigeuze ist so hell, weil er riesengroß ist und damit eine enorm große leuchtende Fläche hat; er gehört zu den größten Sternen überhaupt. Während unsere Sonne ca, 1,4 Millionen km durchmisst, sind es bei Beteigeuze ca. 1,3 Milliarden km, ungefähr das 900-fache, was ihn in unserem Sonnensystem bis knapp zur Jupiterbahn reichen ließe. Er ist so groß, dass man ihn, trotz seiner Entfernung von 720 Lichtjahren[1], mit irdischen Teleskopen als flächiges Objekt auflösen kann. Wie man an solchen Aufnahmen sieht, ist der Durchmesser nicht scharf definiert und auch nicht kugelförmig, sondern das Gas verdünnt sich nach außen immer mehr und verformt sich durch Sternwinde. In anderen Wellenlängen (z.B. radioteleskopisch) misst man einen anderen Durchmesser, weshalb die Angaben in der Literatur schwanken. Beteigeuze befindet sich am Ende seines Lebens und kann im Prinzip jederzeit, oder auch erst in 100.000 Jahren, als Supernova explodieren. Er ist einerseits weit genug entfernt, dass uns dies nicht schaden würde, andererseits nahe genug, dass seine Supernova am hellen Tag zu sehen wäre. Bei der Explosion würde als Rest ein Neutronenstern übrig bleiben – für ein schwarzes Loch ist selbst Beteigeuze nicht massiv genug.
Rigel
Schräg gegenüber Beteigeuze befindet sich Rigel, der mit 860 Lichtjahren etwas weiter als Beteigeuze entfernt ist. Sein Name ist abgeleitet vom arabischen Rijl Jauzah al Yusrā, was so viel wie “linker Fuß des Jauzah” bedeutet, wobei Jauzah im 10. Jahrhundert der arabische Name des Orion war. Rigel ist ein Blauer Überriese der Spektralklasse B8 Ia: er hat die 120.000-fache Leuchtkraft der Sonne, was im Schnitt noch heller als der nähere Beteigeuze ist, der ihn am Himmel aber im Maximum geringfügig übertreffen kann. Er ist mit 23 Sonnenmassen auch deutlich massiver als Beteigeuze (bei Rigel dürfte es eines Tages zum schwarzen Loch gereichen). Rigel ist zwar deutlich kleiner als Beteigeuze, hat aber immer noch den ca. 100-fachen Durchmesser der Sonne, was ihn im Sonnensystem fast bis zur Erdbahn reichen ließe. Seine Temperatur ist mit 12.000 K doppelt so heiß wie die der Sonne, was seine weißblaue Farbe verursacht. Rigel ist, anders als Beteigeuze, kein Einzelstern: der hellere Rigel A, von dem bisher die Rede war, hat einen Begleiter Rigel B, der in guten Amateurteleskopen aufgelöst werden kann – was nicht ganz einfach ist, da Rigel A 500mal heller als Rigel B ist und ihn gewissermaßen in seinem Licht ertränkt. Rigel B erweist sich bei der Spektralanalyse seines Lichts selbst als Doppelstern Ba und Bb mit knapp 4 bzw. 3 Sonnenmassen.
Mit 8 Millionen Jahren ist Rigel etwas jünger als Beteigeuze. Verfolgt man seine Bewegungsrichtung um die entsprechende Zeit rückwärts am Himmel, so führt dieser in die Nähe des doppelt so weit von uns entfernten Orionnebels (s.u.). Rigel ist das uns nächstgelegene Mitglied der Orion OB1-Assoziation.
Rigel beleuchtet in seiner Nähe den Gasnebel IC 2118, der als Hexenkopfnebel bezeichnet wird, in dem sein Licht gestreut wird. Der Nebel erscheint bläulich und ist oben im Artikelbild rechts unten neben Rigel gut zu sehen. Allerdings ist er nur mit Kamerahilfe sichtbar zu machen – fürs bloße Auge keine Chance, auch nicht durch eine Optik. Die blaue Farbe entsteht ähnlich wie die des blauen Himmels: da die Staubpartikel im Nebel ähnlich klein wie die Wellenlänge des Lichts sind, wird blaues Licht stärker zur Seite (also auch in unsere Richtung) abgelenkt als grünes, gelbes oder rotes Licht.
Bellatrix und Saiph
Auch bei den beiden anderen Ecksternen handelt es sich um blaue Riesen. Oben rechts findet man Bellatrix, lateinisch für Kriegerin, einen Stern der Klasse B2 III, welcher der dritthellste im Orion ist. Bellatrix ist uns wesentlich näher als die übrigen hellen Sterne und nur rund 250 Lichtjahre entfernt, d.h. sie gehört nicht zur OB1-Assoziation. Sie hat knapp 9 Sonnenmassen, eine Temperatur von 22.000 K, 9000 Sonnenleuchtkräfte und den knapp 6-fachen Sonnendurchmesser, was sie zu einem normalen Riesen macht. Der Stern war ursprünglich einmal als Standardstern für die Messung von Sternhelligkeiten vorgesehen, bis sich erst 1988 zeigte, dass er geringfügig variabel ist. Seine Helligkeit schwankt zwischen 1,59 und 1,64. Er sollte auch als Standardstern für die Spektralklasse B2 III verwendet werden, erwies sich jedoch nachdem die Entfernung besser bekannt war als eine Größenklasse heller als für diesen Sterntyp in dieser Entfernung erwartet wurde. Man nimmt an, dass er einen unsichtbaren Begleiter hat, der zur Gesamthelligkeit beiträgt. Bisher konnte ein solcher jedoch nicht durch Beobachtungen bestätigt werden.
Links unten im Orion findet sich Saiph, arabisch für “Schwert des Riesen”. Saiph gehört zur OB1-Assoziation, ist 650 Lichtjahre entfernt und vom Spektraltyp B0.5 Ia, also noch ein Blauer Überrriese mit 28 Sonnenmassen und 22 Sonnendurchmessern. Er hat rund 60.000 Sonnenleuchtkräfte. Obwohl er nur 6 Millionen Jahre alt ist, hat er bereits den Wasserstoff in seinem Kern verbraucht und ist auf dem Weg zum Roten Überriesen. Derzeit verliert er durch seinen starken Sternenwind rund 1 Sonnenmasse in 1,1 Millionen Jahren. Aber bis dahin wird er wohl schon als Supernova explodiert sein.
Orions Gürtel
In der Mitte des Sternbilds findet sich der berühmte Gürtel des Orion, der auch als 3 Könige, 3 Schwestern, Jakobsstab (ein altes astronomisches Instrument zur Winkelmessung) oder Jakobsleiter bekannt ist. Die drei Sterne Alnitak, Alnilam und Mintaka stehen nicht zufällig zusammen, sondern sind Mitglieder des offenen Sternhaufens Collinder 70.
Der mittlere Gürtelstern Alnilam ist mit 1350-2000 Lichtjahren (je nachdem, welche Hipparcos-Auswertung zugrunde gelegt wird) weiter als seine beiden Nachbarn (ca. 800 und 1200 Lichtjahre) und Rigel entfernt und auch massiver (30 – 64,5 Sonnenmassen) und leuchtstärker (500.000 bis 800.000 Sonnenleuchtkräfte), je nach zugrunde gelegter Entfernung. Seine Oberflächentemperatur beträgt rund 27000 K, was ihn in die Spektralklasse B0 Ia einreiht. Er ist nur knapp 6 Millionen Jahre alt.
Mintaka oben rechts im Gürtel ist mit 24 Sonnenmassen und 190.000 Sonnenleuchtkräften mit Rigel vergleichbar, aber heißer (29.500 K) und kleiner (16,5 Sonnendurchmesser). Er fällt damit in die Spektralklasse O9.5 II (heller Riese). Was ihn auszeichnet ist, dass er ein Bedeckungsveränderlicher ist. Er hat einen Begleiter, der ihn eng umkreist und alle 5,73 Tage teilweise bedeckt, so dass seine Helligkeit um 0,2 Größenklassen sinkt. Die beiden Sterne haben noch einen dritten, nahen Begleiter, der wie sie im Teleskop nicht aufzulösen ist und noch zwei entferntere, wobei nicht völlig klar ist, ob der entfernteste wirklich an die anderen gebunden ist.
Der linke untere Gürtelstern Alnitak ist ein wenig schwerer als Mintaka (30 Sonnenmassen), etwas größer (20 Sonnendurchmesser) und heller (250.000 Sonnenleuchtkräfte). Er fällt damit unter die Blauen Überriesen, Klasse O9,5 Iab (Übergang zwischen Ia und Ib). Er ist ein Mehrfachstern. Ein enges Paar Aa und Ab umkreist sich in etwa 7,6 Jahren und kann nur spektroskopisch an einer periodischen Aufspaltung der Spektrallinien erkannt werden (wenn der eine Stern sich uns nähert und der andere entfernt, unterliegen die Linien im Spektrum einer verschiedenen Dopplerverschiebung – man spricht von einem spektroskopischen Doppelstern). Außerdem findet man im Teleskop zwei Begleiter B und C in 2,4 und 57 Bogensekunden Entfernung.
Ganz in der Nähe von Alnitak befindet sich der berühmte Pferdekopfnebel, der von Alnitaks Licht zum Leuchten angeregt wird. Oder besser gesagt, Alnitak beleuchtet die Gaswolke IC 434 hinter dem Pferdekopf, der als Dunkelwolke im Vordergrund eine Silhouette bildet. Mit dem bloßen Auge ist er nur unter optimalen Bedingungen mit großen Teleskopen und speziellem Filter (H-Beta) zu erahnen. Im lange belichteten Artikelbild sieht man den dunklen Pferdekopf unterhalb von Alnitak. Etwas größer zeigt er sich in seiner vollen Pracht:
Orions Schwert
Links unterhalb des Gürtels findet man drei schwache Sterne, die auch als Schwert des Orion bekannt sind. Tatsächlich handelt es sich um eine ganze Gruppe von Sternen, die sich um den Großen Orionnebel (Messier 42) scharen. Schon ein Feldstecher zeigt, dass der mittlere der Gürtelsterne ein Nebelwölkchen ist, und Amateurfernrohre zeigen eine löwenkopfförmige Gaswolke, die von manchen Beobachtern vor allem in großen Teleskopen auch leicht rötlich und grünlich wahrgenommen wird, eines der ganz wenigen farbigen Deepsky-Objekte am Himmel. Es soll übrigens helfen, vorher kurz in eine nicht zu helle, weiße Lichtquelle wie etwa einen Handybildschirm zu schauen, was die Tagadaption des Auges hervorruft und die Farben des Nebels angeblich einfacher erkennen lässt.
Ein kleines Teleskop zeigt schon zahlreiche Sterne innerhalb des Nebels, unter anderem die als Trapez bekannte Gruppe aus den Sternen des θ1 (Theta-1) Orionis-Mehrfachsystems. Es handelt sich um ein instabiles Mehrfachsystem, das bald in Einzelsterne zerfallen wird. θ2 gleich nebenan ist ein leicht zu trennender Doppelstern.
Der Orionnebel, der weiter in die beiden Nebel Messier 42 und 43 unterteilt wird ist mit rund 1300 Lichtjahren Entfernung das uns nächste Sternentstehungsgebiet. Hier wird Wasserstoff (lat. Hydrogenium, chemisches Zeichen daher H) vom Licht heißer Sterne ionisiert, das heißt, die Elektronen werden von Ultraviolettlicht-Photonen vom nur aus einem einzelnen Proton bestehenden Atomkern gelöst. Wenn sie von einem anderen Proton wieder eingefangen werden und in Stufen auf die innerste Umlaufbahn fallen, strahlen sie ein charakteristisches Licht aus, so dass der Nebel leuchtet. Astronomen nennen neutralen Wasserstoff HI und ionisierten HII, daher sprechen sie hier auch von einer HII-Region. Das ganze Sternbild wird von diesen Regionen durchzogen, wie man oben im Artikelbild sieht. Der halbkreisförmige Bogen links heißt Barnard’s Loop, die große Region oben im Bild Sharpless 264 oder Lambda Orionis Ring.
Im Orionnenbel findet man zahlreiche entstehende Sterne, die noch in ihren Staubkokons stecken oder Jets aus diesen herausschießen, während noch frisches Material aus einer Akkretionsscheibe auf sie herunter fällt, wie in diesem wunderschönen Foto des Hubble-Weltraumteleskops zu sehen ist.
Dies waren nur die bekanntesten Juwelen des himmlischen Jägers, es gibt dort noch viel mehr zu entdecken. Orion ist ein Sternbild voller Wunder, das keine Entsprechung am Sternhimmel findet. Benutzt einmal einen kleinen Feldstecher und schaut Euch den Orionnebel und Collinder 70 an. Vielleicht seht Ihr das Sternbild von nun an mit anderen Augen, wenn Ihr am nächsten klaren Abend nach Südwesten schaut.
[1] Falls Ihr andere Zahlen findet: viele der Daten hängen empfindlich von der Entfernung ab, die bei sehr weit entfernten und dann auch noch sehr hellen Objekten extrem schwierig zu messen ist – über die Entfernungsmessung werde ich noch berichten. Daher schwanken die Angaben über die Entfernung zwischen den Quellen. Ich habe mich an der Wikipedia mit relativ aktuellen Originalquellen orientiert.
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