Navcam-Aufnahme von Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko aus 88 km Entfernung am 27. April 2015. Bild: ESA/Rosetta, Rosetta Image Archive, public release/allowed for educational purposes. Kontrast vom Autor nachbearbeitet

Einige haben vielleicht schon das nette Video gesehen, das Twitter-User landru79 letzte Woche online gestellt hat. Wer’s noch nicht gesehen hat, hat was versäumt, das holen wir jetzt nach. Netterweise hat “Bad Astronomer” Phil Plait das Video noch etwas bearbeitet (verlangsamte Versionen angehängt) und auf Youtube gestellt:

Das Video besteht aus ca. 20 Einzelaufnahmen, die am 1. Juni 2016 von der Raumsonde Rosetta aus 13,6 km Entfernung vom Kometenkern von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko mit der OSIRIS-Narrow-Angle-Kamera aufgenommen wurden. Diese hat ein Blickfeld von etwa 2°, vier Vollmonddurchmesser. Die Bilder wurden gemäß der stringenten Veröffentlichungspolitik des OSIRIS-Teams erst ein Jahr nach Erstellung freigegeben, sind aber mittlerweile online verfügbar. Das OSIRIS-Archiv ist hier zugänglich, die entsprechenden Rohbilder für die Animation oben findet man dort (und auch die hier zitierten Aufnahmedetails).

Was zeigen die Bilder? Zunächst einmal einen Bildausschnitt mit der Oberfläche des Kometenkerns. Vorne scheinen Schneeflocken wie vom Wind gepeitscht durch das Bild zu huschen und im Hintergrund schneit es scheinbar stetig. Auf dem Kometen können jedoch keine Schneeflocken fallen und schon gar nicht so schnell, dafür ist seine Schwerkraft zu gering und eine Atmosphäre, Wind oder Wolken, aus denen Schnee fallen könnte, gibt’s natürlich auch nicht. Im Hintergrund sieht man vielmehr den Sternenhimmel, der sich von Bild zu Bild verschiebt, während die Sonde den Kometenkern umkreist und den Bildausschnitt des Kometenkerns konstant zu halten versucht. Das erweckt den Eindruck des fallenden Schnees. Man sieht links kurz vor Ende der Sequenz einen Sternhaufen von oben ins Bild kommen und hinter einem Berg wieder verschwinden. Phil Plait hat den Himmelsausschnitt rekonstruiert und ihn im Großen Hund, Canis Major, verortet. Der Sternhaufen ist NGC 2362 und der hellste Stern rechts (zweiter von unten in einer senkrechten Viererkette) ist ω CMa.

Was vorne durchs Bild huscht und ein wenig an die Spuren kosmischer Strahlen auf einem Bildsensor erinnert, sind aber wirklich Partikel des Kometen, aber eher Staub als Eis, das im Weltraum rasch zu Gas sublimieren würde. Durch die lange Belichtungszeit von 12,5 s werden die im Vordergrund noch im Sonnenlicht befindlichen Partikel bei ihrer Bewegung zu Strichen auseinander gezogen, die sich über mehrere Bilder fortsetzen. Somit können sie klar keine Einschläge von kosmischen Teilchen sein, die man ansonsten jeweils nur auf einem Bild finden würde. Durch die lange Belichtungszeit, mit dem hier ein im Schatten liegender, indirekt von einem beleuchteten Teil des Kometenkerns angestrahlter Ausschnitt aufgenommen wurde, sind diese Teilchen wie auch der Sternenhintergrund sichtbar. Zu Beginn der Sequenz sieht man oben links noch einen kleinen überbelichteten Teil des Kometenkerns im Sonnenlicht. Die Teilchen wurden vom Kometen unter der Wärme der Sonne freigesetzt und umschwirren ihn nun. Die zur Orientierung von Rosetta dienenden Star Tracker wurden ein ums andere Mal von solchen Partikeln verwirrt. Die Gesamtheit aller dieser Teilchen und seines freigesetzten Gases bilden Koma und Schweif des Kometen, die ihn von der Erde überhaupt erst sichtbar machen, weil sie ein riesiges Volumen um den Kometenkern ausfüllen (bei manchen Kometen so groß wie die Sonne), das im Sonnenlicht widerscheint. Hier sieht man also die Koma gewissermaßen unter dem Mikroskop.

Es gibt noch eine zweite Version des Videos, das den Sternenhintergrund ortsfest hält, so dass man das Rollen des Kometenkerns aufgrund der sich ändernden Perspektive der Sonde aus sehen kann:

Die Originalsequenzen von landru79, der auch andere nette Animationen in seinem Twitter-Feed veröffentlicht hat, findet man hier und hier.

Es ist ein bisschen schade, dass die Bilder nun erst mit Verzögerung veröffentlicht werden und nicht damals, als die Augen der Welt auf den Kometen gerichtet waren, aber Dank engagierter Amateure wie landru79 bekommen wir sie jetzt doch noch zu sehen.

Wir leben in einer faszinierenden Zeit, in der uns künstliche Augen in Welten versetzen, die einstmals mystisch und unerreichbar schienen.

Kommentare (5)

  1. #1 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/03/31/sprachpolizei/
    1. Mai 2018

    Selbst wenn es Schnee wäre, wäre es Schneefall, aber doch kein Schneesturm.

  2. #2 tomtoo
    1. Mai 2018

    Ach was, alles in Kanada gedreht. ; )

  3. #3 Alderamin
    1. Mai 2018

    Vorne wirbelt’s doch.

  4. #4 Alderamin
    1. Mai 2018

    Und wo sind die Elche und Bären? 😉

  5. #5 tomtoo
    1. Mai 2018

    @Alderamin
    Na, bei dem Sauwetter haben die sich natürlich auch einen netten Platz gesucht. ; )