Das Weltraum-Teleskop Kepler hat mittlerweile, kurz vor Ende seiner Mission (ihm geht gerade der Treibstoff aus) 2652 bestätigte Planeten um andere Sterne aufgespürt, sowie weitere 2737 Kandidaten, die noch bestätigt werden müssen, die aber zu weit mehr als 90% echt sein dürften. Was Kepler nicht gefunden hatte waren Monde von Exoplaneten – bis im Sommer vor einem Jahr eine Arbeit davon berichtete, dass man möglicherweise fündig geworden sei, aber das Signal war nicht sehr stark und wurde in Zweifel gezogen [4] – wir erinnern uns an den mutmaßlichen Planeten um α Centauri B, der sich schließlich als Flop erwies 1. Was die Aussage so unwahrscheinlich machte: der Mond sollte einen Planeten von ungefähr Jupitergröße umkreisen – und etwa so groß sein wie der Gasriese Neptun!
Was dies in der Praxis bedeutet, zeigt ein Größenvergleich zwischen Jupiter, Neptun, der Erde und einem der Jupitermonde (im folgenden Bild vertreten durch den ähnlich großen Merkur und einen Mondschatten auf dem Planeten):
Schattenspiele
Kepler entdeckt Planeten (genau wie TESS) bekanntlich aufgrund einer winzigen Verdunklung ihres Sterns, wenn sie im sogenannten Transit vor diesem vorbei ziehen. Ein Planetenmond würde sich dann verraten, wenn neben der Hauptverfinsterung durch den Planeten noch eine zweite, kleinere erfolgt, die bei wiederholten Transits zu verschiedenen Zeiten relativ zum Haupttransit, aber stets in dessen Umfeld stattfindet – der Mond umkreist den Planeten und kann mal vor ihm, mal nach ihm oder mal mit ihm zusammen vor dem Stern hindurch ziehen. Eine anderer, weniger eindeutiger Hinweis wäre eine Variation der Transitzeit (Transit Time Variation, TTV): wenn der Mond hinreichend groß ist, liegt der Schwerpunkt von Mond und Planet ein wenig gegenüber dem Planeten verschoben, und es ist dieser Schwerpunkt, der den Stern mit einer festen Periode umkreist. Je nachdem, wo der Planet sich in Bezug auf den Schwerpunkt befindet, kann der Transit dann ein wenig früher oder später stattfinden.
Konkret geht es hier um den knapp 8000 Lichtjahre entfernten Stern Kepler-1625 (KIC 4760478), der sich im Beobachtungsfeld der Kepler-Hauptmission2 im Sternbild Schwan befindet. Der sonnenähnliche Stern hat 1,04 Sonnenmassen, 1,8 Sonnenradien, ist mit 9 Milliarden Jahren jedoch deutlich älter als die Sonne und befindet sich schon auf Weg zum Riesen, was den großen Radius erklärt. Kepler beobachtete 3 Transits des Planeten Kepler-1625b, der ein Gasriese mit Jupiters Durchmesser ist, und seinen Stern in 0,98 AE Abstand umkreist, wofür er 287 Tage braucht – deswegen gibt es nur drei von Kepler aufgezeichnete Transits. Hier die drei Lichtkurven aus der Originalarbeit [1]:
Man sieht, weniger in den Rohdaten, aber stark im schwarz durchgezogenen Fit, eine zusätzliche Delle in der Lichtkurve, die mal vor dem Haupttransit beginnt, mal an dessen Ende (und darüber hinaus), und im dritten Bild vorher beginnt und später endet.
Der wahrhaftige “Supermond”
Neben der Mond-Hypothese erwogen die Autoren auch Pixelfehler der Kepler-Kamera, Sternflecken oder einen Planetenring. Sie untersuchten andere mit den gleichen Pixeln aufgenommene Bilder und fanden keine Auffälligkeiten oder “bad data”-Markierungen seitens Kepler. Ein Ring hätte bei allen Ereignissen eine ähnliche, symmetrische Lichtkurve ergeben müssen (bestenfalls wenn die Ringebene rasch präzedierte und sich von Transit zu Transit in verschiedenen Ansichten präsentierte, wären unterschiedliche Lichtkurven zu erklären, was jedoch recht unwahrscheinlich ist). Sternflecken können aufgrund der Form der Lichtkurve auch ausgeschlossen werden. Bleibt also ein Mond, der die Bezeichnung Kepler-1625b i erhielt. Der Mond hätte demnach etwa Neptuns Durchmesser (knapp 50.000 km oder 3,9 Erddurchmesser).
Ein so riesiger Mond kommt unerwartet. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass vor der Entdeckung der Exoplaneten auch niemand “heiße Jupiter” erwartet hatte, also Planeten, die aufgrund ihres Reichtums an flüchtigen Gasen in einer kalten Region ihres Sternsystems entstanden sein müssen, ihren Stern aber nun in der Gluthitze von wenigen Sternradien Entfernung binnen Tagen umkreisen. Und es ist logisch, dass man (wie bei den heißen Jupitern) die größten Objekte zuerst findet, denn sie sind am leichtesten zu erkennen.
Ein solcher Mond kann aber weder durch einen Planetoiden-Einschlag, wie der Erdmond, entstanden sein, noch in einer Akkretionsscheibe um den Planeten, der sich das verfügbare Gas viel schneller einverleiben würde als der kleinere Mond, für den dann nicht viel übrig bliebe. Möglich wäre hingegen ein Einfang, z.B. während der Wanderung des Planeten durch die planetare Scheibe. So hat sich bei uns der Neptun einst den Ex-Zwergplaneten Triton eingefangen, der ihn nun in der falschen Richtung, gegen den Drehsinn des Planeten um sich selbst und um die Sonne, umkreist. Allerdings halten Kritiker [4] auch einen Einfang für nicht sehr plausibel. Eine vierte Möglichkeit wäre eine Interaktion des Jupiters mit einem Planetenpaar aus dem heutigen Mond und einem ähnlich massiven Objekt, etwa einer Supererde. Auch dies ist nicht fürchterlich wahrscheinlich. Aber was wissen wir schon…
Zwei Teleskope sehen besser als eins…
Um restliche Zweifel zu beseitigen, sicherten sich die Autoren für den 28./29. Oktober 2017, als wieder ein Transit erwartet wurde, 40 Stunden Beobachtungszeit auf dem Hubble-Weltraumteleskop, das weitaus bessere Lichtkurven als Kepler aufzeichnen kann. Und veröffentlichten nun die Ergebnisse [2].
Trotz einiger (vorher bekannter) systematischer Fehler der Wide Field Camera 3 gelang mit geeigneten Kompensationsverfahren die Aufnahme einer Lichtkurve, die 3,8-fach feiner in der Helligkeitsabstufung aufgelöst ist, als die Kepler-Messungen. Einziger Wermutstropfen war das vorzeitige Ende der Beobachtungszeit – vom Transit des Mondes, der 3,5 Stunden nach dem Ende des 19-stündigen Planetentransits einsetzte, fehlt der Schluss, aber die Daten reichen aus, um die Existenz und Größe des Mondes zu bestätigen.
Der Transit kam 77,8 Minuten früher als erwartet, was eine Transit Time Variation aufgrund des Umlaufs des Planeten um den gemeinsamen Schwerpunkt mit dem Mond nahe legt. Oder die auch der Effekt eines noch nicht entdeckten weiteren Planeten sein könnte, der mit seiner Schwerkraft an Kepler-1625b zieht. Ein solcher ist nicht bekannt, und die mutmaßliche Verdunklung durch den Mond fand erwartungsgemäß erst nach dem Planetentransit statt – der mutmaßliche Mond befand sich also relativ zum Planeten wie erwartet auf der gegenüberliegenden Seite des gemeinsamen Schwerpunkts: Planet verfrüht, Mond hinkt hinterher.
Die Lichtkurve war übrigens identisch für verschiedene Lichtfarben, wie man das für ein solides Objekt, das die Sicht auf einen Teil der Sternoberfläche blockiert, erwartet (aber z.B. nicht für Sternflecken, die nicht vollkommen dunkel sind, sondern nur etwas kühler und damit rötlicher als die Umgebung). Im folgenden Bild sieht man, wie man sich den Transit plausiblerweise vorstellen kann:
Die neuen Daten
Die Transitkurven bestätigen einen Planeten von 11,4±1,5 Erddurchmessern (Jupiter: 11,2) und einen Mond von 4 (Neptun: 3,9). Während die Durchmesser der Objekte durch die Tiefe der Verfinsterung recht zuverlässig zu bestimmen sind, ist dies bei den Massen anders, da noch keine hochauflösenden Spektren des “Wackelns” des Sterns aufgenommen wurden. Relativ einfach lässt sich aus der TTV das Massenverhältnis des Mondes zum Planeten bestimmen, das (je nach Modell für den Fit) zwischen 1,4% und 2% der Planetenmasse liegt (im Vergleich: der Erdmond hat 1,2% der Erdmasse). Mit Hubble wurden ein paar Spektren gezogen, die allerdings mangels Auflösung nur Aussagen über die Gasdichte des Planeten machen können, aus der sehr indirekt eine grobe Masse von mindestens 0,4 Jupitermassen gefolgert werden kann. Ansonsten verwendeten die Autoren das Größenverhältnis von Planet zum Stern und vom Mond zum Planeten unter gewissen plausiblen Annahmen über den Planetenaufbau. Je nach Fit der Transitkurven ergaben sich verschieden streuende Planetenmassen zwischen 0,2 und 12,5 Jupitermassen mit einem Mittelwert, der für alle Fits bei rund 1000 Erdmassen/3 Jupitermassen konvergierte. Das ergäbe rund 14-20 Erdmassen für den Mond – sehr plausibel bei einer Neptunmasse von 17 Erdmassen und ein klarer Hinweis darauf, dass der Mond ein Gas”planet” sein muss.
Die Autoren leiten ab, dass die Mondbahn an die 45° gegen die Planetenebene gekippt sein dürfte. Ob der Umlauf prograd (im Drehsinn des Planeten um den Stern) oder retrograd (andersrum) ist, können sie nicht entscheiden. Die große Bahnneigung, die auch der von Neptun eingefangene Triton hat, könnte auch hier für ein Einfangszenario sprechen – es sei denn, die Planetenachse hätte die gleiche Neigung wie die Mondbahn, wie es bei Saturn oder Uranus und ihren Monden der Fall ist, dann spräche es für eine gemeinsame Entstehung; leider ist die Neigung der Planetenachse unbekannt. Der Bahnradius wird mit 40 Planetenradien angegeben, was dann etwa 3 Millionen km entspräche und stabil innerhalb des Hill-Radius des Planeten (200±50 Planetenradien) läge. Dies würde sogar einen Mond des Mondes, einen Exomond-Mond, erlauben, wie @BadAstronomer Phil Plait auf Twitter spekuliert. Die Gleichgewichtstemperatur der beiden Objekte läge für ihren Sternabstand und einer realistischen Albedo (Reflexionsvermögen) bei ungefähr 300K (knapp 30°C), was noch in der habitablen Zone sein könnte, wobei der Stern vorher Milliarden Jahre lang kühler war, was eine günstigere Temperatur von 250K bedeutet hätte (vergleichbar mit derjenigen der Erde, die nur aufgrund des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre wärmer ist). Wobei allerdings weder der Planet noch der Mond als Gaswelten eine bewohnbare Oberfläche hätten, aber vielleicht andere Monde oder Mond-Monde ihres Systems.
Zum Abschluss ihrer Arbeit bewerten die Autoren die Signifikanz ihrer Beobachtung und räumen ein, dass die Kepler-Daten nach einer jüngeren Überarbeitung derselben den Planetenmond eher weniger wahrscheinlich gemacht haben, die Hubble-Beobachtung jedoch stark dafür spreche. Allerdings sei die Auswertung der Daten und die Korrektur von systematischen Fehlern sehr komplex gewesen und wenn man irgendetwas übersehen habe, dann könne sich das Signal auch schnell wieder in nichts auflösen. Insofern sei es geboten, der Analyse mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Die endgültige Bestätigung des ersten Exomondes werde noch viele Jahre weiterer Beobachtungen, auch anderer vergleichbarer Objekte, benötigen. Ein bescheidenes, mutiges Statement.
Referenzen
[1] Alex Teachey, David M. Kipping, Allan R. Schmitt, “HEK VI: On the Dearth of Galilean Analogs in Kepler and the Exomoon Candidate Kepler-1625b I“, The Astronomical Journal, Volume 155, Number 1, 22. Dezember 2017; arXiv:1707.08563.
[2] Alex Teachey, David M. Kipping, “Evidence for a large exomoon orbiting Kepler-1625b“, ScienceAdvances, Vol. 4, No. 10, eaav1784, 03. Oktober 2018.
[3] HubbleSite, “Astronomers Find First Evidence of Possible Moon Outside Our Solar System“, Space Telescope Science Institute, 3. Oktober 2018.
[4] René Heller, “The nature of the giant exomoon candidate Kepler-1625 b-i“, Astronomy & Astrophysics, Volume 610, 26. Februar 2018; arXiv:1710.06209.
[5] Katherine Brown (Eidtor), “Astronomers Find First Evidence of Possible Moon Outside Our Solar System“, NASA Press Release 18-081, 3. Oktober 2018.
1 Vorsicht, es geht hier nicht um den unzweifelhaften Begleiter von Proxima Centauri.
2 Kepler starrte die ersten drei Jahre auf ein Feld mit rund 180.000 Sternen in der Nähe von Deneb im Schwan, um auch mehrfache Transits von Planeten, die über ein Jahr für einen Umlauf brauchen, zu beobachten; als 2 von 4 Drallrädern ausgefallen waren, deren 3 zur Lagestabilisierung in drei Achsen nötig sind, wurde die Sonde auf Sterne in der Ebene der Erdbahn ausgerichtet; der Sonnenwind wirkte dann nicht mehr so destabilisierend auf die Ausrichtung wie vorher, und man konnte mehrere Monate lang mehrere Felder in der Ekliptik beobachten. So wurden noch einmal 493 Planetenkandidaten und 325 bestätigte Planeten aufgespürt werden.
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