Alles im Weltall dreht sich. Ohne Ausnahme (ja, auch der Mond). Sogar Schwarze Löcher. Und zwar verdammt schnell. Woher wissen wir das? Und was dreht sich da eigentlich – der Ereignishorizont ist doch bloß ein Stück leerer Raum? Wir werden das im Folgenden klären, aber es geht nicht ganz ohne ein paar Vorkenntnisse. Daher hat der Artikel 2 Teile: der erste beschreibt die Theorie der rotierenden Schwarzen Löcher, der zweite die eigentlichen Messungen.
Ewiger Drehwurm
Drehimpuls ist eine Erhaltungsgröße. Was einmal in Drehung versetzt wird, hört nicht mehr damit auf. Oder doch? Ein Kreisel, den man auf der Erde in Drehung versetzt, bleibt doch nach einer Weile stehen? Richtig, aber der Drehimpuls bleibt trotzdem erhalten, er wechselt nur den Besitzer: Der Kreisel gibt seine Drehung an die Luft und (in geringem Maße) an den Untergrund, also die Erde, ab, denn Reibung an diesen Medien bremst die Drehung ab und insbesondere die Luft wird dabei mitgerissen und verwirbelt. Im Vakuum des Weltraums ist es deutlich schwieriger, seinen Drehimpuls loszuwerden. Der Drehimpuls der Erde sorgt dafür, dass diese sich seit 4,5 Milliarden Jahren um sich selbst dreht, und er sorgt (zusammen mit der Energieerhaltung) dafür, dass die Planeten sich auf Ellipsenbahnen bewegen, und zwar umso schneller, je näher sie der Sonne sind.
Für einen Massenpunkt mit Masse m ist der Drehimpuls L das Produkt aus der Masse m, seinem Abstand r zu einer Drehachse und der zur Drehachse tangentialen Geschwindigkeit vT. Wenn r kleiner wird, m konstant ist und L erhalten bleiben soll, muss vT folglich größer werden (Pirouetteneffekt – ein Eisläufer dreht sich schneller, wenn er Arme und Beine näher an den Körper heran holt).
Da Sterne aus riesigen Gaswolken entstehen, die unter ihrer Schwerkraft kollabieren, werden kleinste Turbulenzen und Scherbewegungen des Gases enorm verstärkt. Beliebig schnell kann die Drehung nicht werden, sonst stoppen die Fliehkräfte den Kollaps, aber so entstehen Gasscheiben, in denen lokal wieder kleinere Objekte durch Kollaps entstehen können: so entstand die Milchstraße, so entstanden Doppel- und Mehrfachsterne, und natürlich Planetensysteme um Sterne. Im Sonnensystem trägt der Jupiter rund 60% des Gesamtdrehimpulses des Sonnensystems, 25% der Saturn und die Sonne mit ihrer rund 30-tägigen Rotation nur 1,1%. Ihre Masse ist 500 mal größer als die aller Planeten zusammen, aber ihr Radius nur 1/270 von Jupiters Bahnradius. Die Bildung von Planeten ist somit ein effektiver Weg für einen Stern, seinen Drehimpuls loszuwerden.
Wir haben auch schon gelernt, dass massive Sterne sich oft sehr schnell drehen – die Be-Sterne (wie die Plejaden) sind blaue Sterne mit so hoher Rotation, dass sie am Äquator Gas durch die Fliehkraft verlieren. Das Gas absorbiert in der Durchsicht Sternenlicht und verursacht dunkle Spektrallinien, aber es strahlt das Licht in anderen Richtungen wieder ab, deswegen verursacht es neben dem Stern eine helle Emissionslinie, die wegen seiner raschen Rotation Doppler-verschoben ist: die Linie hat (vor allem auf der blauen Seite) eine “Emissionskante”, und das kleine “e” in Be bezieht sich auf diese Emission. An der Dopplerverbreiterung der Spektrallinien kann man die Rotation von schnell rotierenden Sternen bestimmen.
Zerreißprobe
Gerade solche massiven Sterne enden ihr Leben als Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Neutronensterne wurden als erstes in Form von Pulsaren aufgespürt, pulsierenden Quellen von Radiostrahlung. Die Pulse dauern nur Sekunden bis einige Tausendstel Sekunden. Wir wissen heute, dass es sich hierbei um Neutronensterne mit einer gegen die Rotationsachse verkippten Magnetfeldachse handelt. Wenn einer der Magnetpole sich durch unser Blickfeld dreht, dann wird Radiostrahlung in unsere Richtung gesendet. Die Pulsare verraten uns somit, wie schnell sie sich drehen.
Nicht alle Neutronensterne sind Pulsare, aber alle drehen sich sehr schnell. Neutronensterne sind die kollabierten Kerne massereicher Sterne. Sie durchmessen nur um die 20-30 km, daher können sie den von ihrem Mutterstern geerbten Drehimpuls nur durch rasende Rotation aufrecht erhalten. Die meisten drehen sich etwa einmal pro Sekunde.
5% von ihnen werden durch von einem Doppelsternbegleiter zufließende Materie aber noch weiter beschleunigt. Der schnellste bekannte Millisekundenpulsar XTE J1739-285 dreht sich 1122mal pro Sekunde – eine Umdrehung in 0,89 ms! Am Äquator rotiert die Oberfläche mit 70500 km/s, das sind 23,5% der Lichtgeschwindigkeit. Vor seiner Entdeckung hatte man angenommen, mehr als 760 Umdrehungen pro Sekunde müssten einen Pulsar zerreissen.
Auf den Punkt gebracht
Wenn der Kern eines massereichen Sterns schwer genug ist, dann kollabiert er nicht zum Neutronenstern – die starke Kernkraft, die stärkste der 4 Grundkräfte, die die Neutronensterne noch stabilisieren kann, kann der Schwerkraft von mehr als 2,9 Sonnenmassen nicht standhalten, und so bricht die Masse vollkommen in sich zusammen. Es gibt nichts, was sie aufhalten könnte – Materie besteht am Ende nur aus punktförmigen Elementarteilchen, die lediglich durch Kraftfelder auf Abstand gehalten werden. Es entsteht ein Schwarzes Loch.
Was ist ein Schwarzes Loch? Betrachten wir der Einfachheit halber zuerst die einfachsten, idealisierten Schwarzen Löcher, die aus einer nicht rotierenden Masse entstehen (würden). Diese werden durch die sogenannte Schwarzschild-Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben (nach ihrem Entdecker Karl Schwarzschild benannt, der sie schon 1915 fand). Bei solchen fällt – zumindest nach der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), der besten, die wir für solche Fälle haben – die Masse zu einem Punkt, einer (Punkt-) Singularität zusammen, aber die Masse selbst bleibt (ungefähr) gleich groß. Da die Schwerkraft mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, nimmt sie zur Singularität hin ins Unermessliche zu, man kommt ja beliebig nahe an die Masse heran (und das ist der wesentliche Unterschied zu normaler Materie: die ist ausgedehnt und man kann nicht gleichzeitig der ganzen Masse beliebig nahe kommen, das meiste davon ist immer ein gutes Stück entfernt).
Aber die Schwerkraft wird aber schon auf eine gewisse Entfernung zur Singularität so groß, dass die Fluchtgeschwindigkeit dort die Lichtgeschwindigkeit erreicht und weiter innen übertreffen müsste, wenn man dem Schwarzen Loch entkommen wollte, aber gemeinerweise kann sich nach der Relativitätstheorie nichts schneller als das Licht durch den Raum bewegen. Und so geht es jenseits dieses Ereignishorizonts nur noch nach innen, so als ob man versucht, in einem reißenden Wasserfall nach oben zu schwimmen. Es entkommt von dort und weiter innen selbst kein Licht mehr. Die Singularität bleibt verborgen.
Diese Entfernung (der Schwarzschildradius rs) ist übrigens ziemlich klein, ca. 3 km · Masse in Sonnenmassen (rs=2·GM/c² mit der Gravitationskonstanten G=6,674·10-11 m³/(kg s²), der Masse M des Schwarzen Lochs in kg und der Lichtgeschwindigkeit c=3·108 m/s). Außerhalb des ursprünglichen Radius des Sterns ist die Schwerkraft dieselbe wie vorher. Um dem Schwarzen Loch so nahe zu kommen, dass es einen zerreisst und verschluckt, müsste man sich der Singularität auf ein paar Kilometer nähern – da wäre man beim Ursprungsstern schon tief im Inneren und bei ein paar zehn Millionen K instantan verdampft…
Wichtig für den hiesigen Artikel sind noch die möglichen Orbits um das Schwarze Loch. Am Ereignishorizont bleiben Photonen, die dem Schwarzen Loch radial entkommen wollen, stehen, da kann nichts kreisen. Aber in 1,5 rs = 3·GM/c² kann Licht gerade noch kreisen, das ist die Photonensphäre – ein Lichtstrahl, der hier tangential zum Ereignishorizont eingeschossen würde, könnte unendlich lange um das Schwarze Loch kreisen. Jedes Eindringen eines Orbits in den Bereich innerhalb der Photonensphäre führte aber unweigerlich in einer Spirale näher und näher zum Ereignishorizont und schließlich in das Schwarze Loch hinein.
Bei 3 rs = 6·GM/c² liegt der innerste stabile Orbit, den ein massebehaftetes Teilchen annehmen kann. Hier ist die Summe aus Bewegungsenergie und potenzieller Energie im Schwerefeld am kleinsten. Engere Orbits sind zwar möglich, aber nicht stabil – jede kleine Störung würde das Teilchen entweder in das Schwarze Loch stürzen oder ins Unendliche katapultieren. Man erwartet deshalb nicht, irgendwelche Materie dauerhaft näher als 3 rs am Schwarzen Loch anzutreffen.
Kann “Nichts” rotieren?
Nun legt die Drehimpulserhaltung nahe, dass auch Schwarze Löcher rotieren sollten – irgendwo muss der Drehimpuls ja bleiben. Aber eine Punktsingularität hat keine Ausdehnung und kann daher auch keinen Drehimpuls haben. Deswegen gibt es solche Schwarzen Löcher in der Realität nicht oder bestenfalls angenähert – alles dreht sich, wenigstens ein bisschen (und wie wir noch sehen werden liegt “ein bisschen” bei Schwarzen Löchern immer noch über der Drehfrequenz der meisten Neutronensterne).
Rotierende Schwarze Löcher werden vielmehr durch die Kerr-Lösung beschrieben (nach Roy Kerr, der sie 1963 entwickelte). Bei der Kerr-Lösung ergibt sich ein abgeplatteter Ereignishorizont, der kleiner als der Schwarzschildradius ist. Bei der Kerr-Lösung ergibt sich außerdem keine Punkt-Singularität, sondern eine Ringsingularität, ein unendlich dünner Reifen, der rotiert – ein Reifen kann Drehimpuls haben.
Je schneller die Rotation, desto größer wird der Radius der Ringsingularität und desto kleiner der Ereignishorizont. Im Extremfall berührt die Ringsingularität den Ereignishorizont bei 1/2 rs und die Rotationsgeschwindigkeit am Ereignishorizont erreicht Lichtgeschwindigkeit. Man nimmt an, das Schwarze Löcher nicht schneller rotieren können, denn ansonsten würde die Ringsingularität den Ereignishorizont überschreiten und schneller als mit c rotieren müssen. Man gibt die Rotation eines Schwarzen Lochs mit einem Wert a (Kerr-Parameter) an, der den Bruchteil dieser maximalen Geschwindigkeit angibt. Die Rotationsgeschwindigkeit am Ereignishorizont beträgt für 0≤ a < 1
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Aber was heißt “Rotationsgeschwindigkeit am Ereignishorizont”? Da ist doch – nichts!?
Jede rotierende Masse zieht die umgebende Raumzeit ein wenig mit sich mit, was dafür sorgt, dass ein Beobachter, der sich gemäß eines Gyroskops in der rotierenden Raumzeit nicht drehen würde, dies dennoch gegenüber den fernen Sternen tun würde. Mit der Raumsonde Gravity Probe B war dieser nach seinen Entdeckern benannte Lense-Thirring-Effekt an der Präzession eines Kreisels im Erdorbit gemessen worden – er betrug nur 37,2 Millibogensekunden Präzessionsdrehung im Jahr.
Um ein rotierendes Schwarzes Loch dreht sich die Raumzeit erheblich schneller, umso schneller, je näher man ihm kommt. Man definiert den Bereich außerhalb des Ereignishorizonts, innerhalb dessen ein Objekt (etwa eine Rakete) aus Sicht eines fernen Beobachters nicht mehr auf der Stelle still stehen kann, als Ergosphäre. Ergo heißt im Griechischen Energie – die gesamte Rotationsenergie des Schwarzen Lochs steckt in diesem Bereich und ist damit (anders als die Ringsingularität) zugänglich, sie kann erhöht oder verringert werden. Teilchen, die in die Ergosphäre hineinfallen, gewinnen Energie, und da sie dabei beschleunigt werden und sich außerhalb des Ereignishorizonts befinden, können sie somit fortkatapultiert werden, was den Drehimpuls des Schwarzen Lochs verringert. Dieser Vorgang des Abbremsens der Rotation eines Schwarzen Lochs wird nach seinem Entdecker Roger Penrose als Penrose-Prozess bezeichnet. Er reicht jedoch nicht dazu aus, um aus einem Kerr-Loch ein Schwarzschild-Loch zu machen.
Schwarze Löcher, die wir aufspüren können, sind von einer Scheibe aus einfallendem Gas umgeben (Akkretionsscheibe). Fällt Materie im Drehsinn (prograd) zum Schwarzen Loch ein, so kann es dieses enger umkreisen. Der innerste stabile Orbit liegt näher am Zentrum des Schwarzen Lochs, als bei einem Schwarzschild-Loch, umso enger, je größer der Kerr-Parameter a ist. Für gegen den Drehsinn (retrograd) umlaufende Materie gilt das Gegenteil, sie kann nur weiter außen noch stabil um das Schwarze Loch kreisen. Durch die Beobachtung der Akkretionsscheiben eines Schwarzen Lochs können wir also lernen, wie schnell sich ein Schwarzes Loch dreht und in welcher Richtung die Materie einfällt. Und das schauen wir uns im nächsten Teil des Artikels an.
So, und jetzt darf Pete Burns noch sein Liedchen zu Ende singen 😉
Referenzen
- Benedikt Hampe, “Die Welt der Pulsare“, Vortrag, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
- David Madore, “Kerr black holes images and videos“.
- Kerr (spinning) black holes, Vortrag, Stony Brook Astronomy, State University of New York at Stony Brook (SBU).
- Fraser Cain, “How Fast do Black Holes Spin?“, Universe Today, 13. Februar 2014
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