Unsere Sonne ist ein Stern vom Spektraltyp G2V. Nur knapp 8% aller Sterne haben den Spektraltyp G, der Oberflächentemperaturen von 5200 bis 6000 K und Massen von 0,8 bis 1,04 Sonnenmassen aufweist. Die Lebensdauer auf der Hauptreihe (Wasserstoffbrennen, stabile Strahlung) liegt bei 10 bis 20 Milliarden Jahren. Sterne der nächstheißeren Klasse F sind nur halb so häufig und leben im Schnitt weniger als 5 Milliarden Jahre; damit sind sie als Muttersterne für belebte Exoplaneten weniger geeignete Kandidaten. Das gilt erst recht für Sterne noch heißerer Spektralklassen (O, B und A).
Die Roten Funzeln
Wesentlich häufiger als G-Sterne sind die Roten Zwerge der Klasse M. 3/4 aller Sterne sind von diesem Typ, der Massen von 8%-50% der Sonnenmasse und Oberflächentemperaturen von 2400 bis 3700 K aufweist – etwa die Temperatur des Glühfadens einer Vintage-Glühlampe. So ungefähr müssen wir uns auch die Farbe ihres Lichts vorstellen. Rote Zwerge sind außerdem kleiner als die Sonne – sie haben Durchmesser zwischen 70% des Sonnendurchmessers und dem Durchmesser des Planeten Jupiter.
Die Leuchtkraft eines Sterns skaliert mit seiner Oberfläche (also dem Quadrat seines Durchmessers) und der vierten Potenz seiner Temperatur (Stefan-Boltzmann-Gesetz) – aus diesem Grund sind Rote Zwerge ziemliche Funzeln. Unser nächster Nachbarstern, Proxima Centauri, ist ein Roter Zwerg, der nur 4,2 Lichtjahre von uns entfernt ist – und dennoch so lichtschwach, dass er einen Faktor 100 unterhalb der Sichtbarkeitsschwelle fürs bloße Auge liegt. Er hat weniger als 1/70.000 der Helligkeit unserer Sonne.
Trotzdem werden Rote Zwerge häufig als hoffnungsvolle Kandidaten für planetarische Begleiter gehandelt, auf den Leben existieren könnte. TRAPPIST-1 mit seinen 7 Planeten, von denen mindestens 2, wenn nicht 4 in der habitablen Zone liegen und die zwischen 0,76 und 1,13 Erddurchmessern haben, ist ein bekanntes Beispiel. Auch Proxima hat einen Planeten in der habitablen Zone. Was den Roten Zwergen an Leuchtkraft fehlt, das machen sie wett, indem sie steinalt werden – wobei dieser Begriff bestenfalls metaphorisch zu verstehen ist. Die ältesten Steine auf der Erde sind gute 4 Milliarden Jahre alt – die Lebenserwartung mancher Roter Zwerge wird in Billionen Jahren gemessen. Das liegt einerseits daran, dass sie ihren Brennstoff auf sehr kleiner Flamme verbrennen (weil der Druck im Kern geringer als bei der Sonne ist) und andererseits daran, dass sie voll konvektiv sind – das heiße Gas aus dem Kern steigt bis zur Oberfläche auf und das Gas an der Oberfläche wird bis in den Kern hinunter gezogen, so dass sie ihren gesamten Wasserstoffvorrat zur Fusion im Kern nutzen können. Die Sonne ist hingegen nur in der obersten Schicht konvektiv, und da entsteht auch ihre Aktivität.
Planetarische Scheuklappen
Dass der Fokus für die Suche nach Leben auf Exoplaneten derzeit bei den Roten Zwergen liegt, liegt einerseits an deren Häufigkeit und andererseits an einem Auswahleffekt. Bei einem Stern wie der Sonne liegt die habitable Zone, also derjenige Bereich um den Stern, in dem auf einem hinreichend großen Planeten Wasser in flüssiger Form an der Oberfläche bestehen könnte, so weit außen, dass dieser Planet annähernd ein Jahr für einen Umlauf braucht. Bei den leuchtschwachen Roten Zwergen liegt die habitable Zone hingegen so nahe am Stern, dass der Planet nur ein paar Tage für einen Umlauf benötigt.
Die meisten Planeten hat das Weltraumteleskop Kepler entdeckt, das zunächst im Sternbild Schwan ein Sternfeld für ungefähr 3 Jahre beobachtet hat, bevor es mit nur dreimonatigen Beobachtungsperioden ein gutes Dutzend Felder in der Ekliptik beobachtete. Sein Nachfolger TESS scannt den gesamten Himmel in Streifen mit sogar nur 27 Tagen ununterbrochener Beobachtungszeit ab – nur an den Ekliptikpolen überlappen sich die Streifen zu längeren Beobachtungsdauern. Um einen Planeten sicher zu erkennen, muss er dreimal vor seinem Stern vorbeigezogen sein, das sind zwei komplette Umlaufperioden, und das dauert bei habitablen Planeten um sonnenähnliche Sterne 2-3 Jahre. Und wenn der Planet so weit wie die Erde von der Sonne entfernt ist, reicht eine kleine Verkippung seiner Bahn gegen die Sichtlinie, und er zieht unbemerkt oberhalb oder unterhalb des Sterns durch. Bei Roten Zwergen ist die Umlaufbahn der habitablen Planeten viel enger und damit die Chance größer, dass er tatsächlich vor seinem Stern durchzieht. Wir finden deshalb überdurchschnittlich viele habitable Planeten um Rote Zwerge. Das ist eine schlechte Nachricht.
Will man da wohnen?
Wenn Rote Zwerge so tolle Kandidaten für Leben wären, dann kann man sich fragen, warum die Sonne keiner ist, sondern ein vergleichsweise seltenerer Sterntyp (auf jeden G-Stern kommen 10 Rote Zwerge). Eine Erklärung könnte sein, das Planeten in der habitablen Zone von Roten Zwergen gebunden rotieren müssen – sie zeigen ihrem Stern stets die gleiche Seite, wie der Mond es bei der Erde tut, weil die Gezeitenkräfte in der Nähe des Sterns so groß sind, dass sie die Drehung des Planeten in wenigen Millionen Jahren in die gebundene Rotation abgebremst haben. Die eine Seite des Planeten hätte dann ewigen Tag, die andere ewig Nacht. Vom Erdmond, der immerhin wechselnde 14tägige Tag- und Nachtperioden hat, wissen wir schon, dass die Temperatur auf der Sonnenseite auf bis zu 130°C ansteigen und auf der Nachtseite auf -180°C fallen kann. Man könnte also annehmen, dass die Atmosphäre eines solchen Planeten auf der Nachtseite gefriert und dort als Eispanzer endet, während die Meere auf der Tagesseite verkochen. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass eine Atmosphäre die Wärme effizient zwischen den beiden Hälften austauschen kann. Der Erdmond hat diesen Luxus nicht.
Ein anderes Argument gegen die Bewohnbarkeit von Roter-Zwerg-Planeten ist die Flare-Aktivität solcher Sterne. Wie schon angedeutet rührt die Aktivität der Sonne von ihrer konvektiven Schicht her. Hier ist elektrisch leitendes Plasma in Bewegung, und dies erzeugt elektrische Ströme, die Magnetfelder hervorbringen, die wiederum auf die Ströme zurückwirken. Die Aktivität auf der Sonnenoberfläche, die Protuberanzen, Sonnenflecken und Fackeln, die Flares und koronalen Massenauswürfe sind alle Phänomene, die durch den Magnetismus hervorgerufen werden, der in der konvektiven Zone seinen Ursprung hat. Flares entstehen beispielsweise, wenn eine magnetische Zone auf der Sonne instabil wird und die im Magnetfeld gespeicherte Energie schlagartig freisetzt, was zu einem Aufleuchten der Oberfläche und zu einem Auswurf von Plasma in den Weltraum führt (koronaler Massenauswurf). Flares erzeugen große Mengen an Röntgen- und extremer UV-Strahlung, die die oberen Schichten der Erdatmosphäre ionisieren können und die koronalen Massenauswürfe erodieren die Atmosphäre zusätzlich mit ihrer Teilchenstrahlung.
Rote Zwerge sind, wie gesagt, voll konvektiv und das macht ihre Flares umso heftiger, insbesondere, wenn sie schnell rotieren, was offenbar zu zusätzlichen Turbulenzen in der Sternatmosphäre führt. Ein Projekt, das den gesamten Himmel automatisch überwacht, erwischte Proxima Centauri im März 2016 bei einem Superflare, der fürs bloße Auge sichtbar gewesen wäre, hätte jemand darauf geachtet – der also 100mal heller war, als der gesamte Stern sonst! So einen Flare will man schon auf der Sonne nicht haben, geschweige denn auf Proxima, wenn man auf dem mutmaßlich habitablen Planeten Proxima Centauri b lebt, der den Stern 20mal näher umrundet als unsere Erde die Sonne. Solche Flares wiederholen sich alle paar Jahre und erodieren auch Planeten mit starkem Magnetfeld langfristig die Atmosphäre weg. Aber nicht alle Roten Zwerge sind so aktiv, solche, die langsamer rotieren (und meist älter als eine Milliarde Jahre sind) sind magnetisch ruhiger. Die Atmosphäre auf Planeten solcher Sterne könnte später wieder durch Asteroiden und Kometen aufgefrischt werden.
Neue Arbeiten haben nun aber zwei weitere Argumente aufgezeigt, die höheres Leben auf den Planeten Roter Zwerge unwahrscheinlich machen.
Kein Treibhauslicht
In ihrer Arbeit “Photosynthesis on habitable planets around low-mass stars” haben Manasvi Lingam und Abraham Loeb [1] berechnet, welche Masse (und damit Leuchtkraft) ein Stern haben muss, damit in seiner habitablen Zone genug Strahlung im Bereich 700 nm-400 nm (ungefähr dem sichtbaren Licht entsprechend) vorhanden ist, um die “Netto-Primärproduktivität” (Net Primary Productrivity, NPP) der pflanzlichen Biosphäre der Erde zu erreichen, wobei die Erde alleine aufgrund des Lichteinfalls 2,5mal produktiver wäre, wenn die Photosynthese nicht durch die verfügbaren Nährstoffe begrenzt wäre. Die Autoren errechneten, dass Sterne von weniger als 21% der Sonnenmasse den NPP der Erde nicht erreichen. Mehr noch, Sterne von weniger als 13% der Sonnenmasse würden der Biosphäre ihrer Planeten nicht ermöglichen, deren Atmosphäre mit Sauerstoff anzureichern. Der Sauerstoffabbau durch Verwitterungsprozesse und vulkanische reduzierende Gase wäre größer als der potenzielle Sauerstoffeintrag durch die Biosphäre. Die Autoren betonen allerdings, dass gemäß einiger Studien Photosynthese auch mit Infrarotlicht möglich sein könnte, aber dies sind theoretische Erwägungen, auf der Erde gibt es solche Organismen nicht.
Das heißt per se noch nicht, dass auf so einem Planeten kein Leben entstehen könnte. Auf der Erde entstand das Leben in einer sauerstofflosen, reduzierenden Atmosphäre. Allerdings entstand bei uns höheres, mehrzelliges Leben erst, als die Atmosphäre mit Sauerstoff angereichert war. Sauerstoff ermöglicht es, effizienter Energie aus dem Verbrennen von Kohlenwasserstoffen zu gewinnen, als dies in einer Atmosphäre ohne Sauerstoff möglich wäre. Möglicherweise käme das Leben auf den Planeten von massearmen Roten Zwergen nicht über das Einzeller-Stadium hinaus. Und unter den Roten Zwergen sind die meisten so massearm. Sowohl Proxima (12,3%) als auch TRAPPIST-1 (8,2%) haben weniger Masse. Für Sterne mit Massen zwischen 13% und 21% der Sonnenmasse würde die Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff zwar möglich sein, aber viel länger als auf der Erde dauern, möglicherweise länger als das bisherige Alter des Universums. Für Rote Zwerge höherer Masse wäre eine sauerstoffbasierte Biosphäre wie auf der Erde denkbar, falls keine anderen Faktoren wie die verfügbaren Nährstoffe die Produktivität weiter begrenzen würden.
Exoplanetarischer Föhn
Als wenn das nicht schon hinreichend schlechte Nachrichten wären, berichtete ein Team aus US-amerikanischen und europäischen Astronomen beim Winter-Treffen der American Astronomical Society am 8. Januar 2019 in Seattle über Beobachtungen der protoplanetaren Scheibe des Roten Zwergs AU Microscopii [2], der sich in 32 Lichtjahren Entfernung von der Erde befindet und mit 31% der Sonnenmasse zu den Schwergewichten unter den Roten Zwergen gehört. Wir blicken genau auf die Kante der Scheibe. Bisher wurden darin noch keine Planeten entdeckt, die aber durchaus in der Scheibe enthalten sein könnten bzw. aus dieser entstehen.
Was die Astronomen jedoch entdeckten waren Verdichtungen in der Scheibe, die sich von 2011 bis 2017 deutlich nach außen bewegt haben. Es deutet alles darauf hin, dass der junge Stern mit seinen Superflares das flüchtige Material in der Scheibe nach außen bläst. Man fand 6 Blasen mit Durchmessern von 5 AE (das ist etwa die Entfernung von Jupiter zur Sonne). Die Astronomen haben berechnet, dass die Scheibe bei diesem Erosionstempo binnen 1,5 Millionen Jahren von flüchtigen Stoffen befreit sein wird. Von massiveren Sternen weiß man, dass die Scheiben dort viel langlebiger sind. Beobachtungen anderer junger Roter Zwerge legen nahe, dass AU Mic kein Einzelfall ist.
Die Erde erhielt ihr Wasser wahrscheinlich nicht bei der Entstehung, als sie noch glutflüssig war, sondern erst nachdem die Oberfläche abgekühlt war aus dem Bombardement von wasserhaltigen Asteroiden und Kometen. Wenn nun aber ein Stern wie AU Mic seine protoplanetare Scheibe frühzeitig trocken föhnt, dann ist später nichts mehr da, um einen trockenen erdähnlichen Planeten mit Ozeanen auszustatten. Was bliebe, wäre ein tote, trockene Welt.
Es spricht also wenig dafür, dass höheres Leben auf Planeten von Roten Zwergen entstehen könnte. Damit dürfte die Chance dafür, dass unsere Erde als Heimat einer hoch entwickelten Biosphäre einen Gelben Zwerg statt eines Roten umkreist, keinem 1:10 Losglück zu verdanken sein, sondern einfach einer Notwendigkeit (sonst gäbe es uns gar nicht). Wir sollten intensiver nach Planeten längerer Umlaufzeit in der habitablen Zone um G- und K-Zwerge suchen, damit wir in ein paar Jahren lohnende Ziele für die neuen Großteleskope wie TMT, GMT und ELT haben, die ihre Atmosphären auf Sauerstoff und Methan untersuchen könnten, welche gemeinhin als Indikatoren für Bioaktivität gelten.
Referenzen
[1] Manasvi Lingam, Abraham Loeb, “Photosynthesis on habitable planets around low-mass stars”, eingereicht bei Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Preprint 4. Januar 2019; arXiv:1901.01270.
[2] Hubblesite News Release, “Young Planets Orbiting Red Dwarfs May Lack Ingredients for Life“, American Astronomical Society Meeting, 8. Januar 2019, Seattle/WA.
Kommentare (36)