Dragonfly-Aufnahme des Feldes um NGC1052 (negativ, schwarze Sterne auf weißem Grund, außer um die Galaxien der NGC1052-Gruppe). Darin mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop aufgenommene Ausschnitte der Zwerggalaxien NGC1052-DF2 und NGC1052-DF4. Bild: [2], arXiv, gemeinfrei.

Tja. Kaum dass mein Artikel über die jüngste MUSE-Messung der “Galaxie ohne Dunkle Materie” NGC 1052-DF2 hier im Blog erschien, da kamen von Pieter van Dokkums Team, das die ursprüngliche Arbeit zu DF2 veröffentlicht hatte, gleich zwei neue Arbeiten. Zum Einen haben sie sich DF2 noch einmal vorgeknöpft, und zwar mit der gleichen Methode, wie das MUSE-Team, aber am Keck-Riesenteleskop auf Hawaii mit dem neuen Keck Cosmic Web Imager. Und dann fanden sie DF4. Da komme ich natürlich nicht umhin, diese Seite auch noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Das Thema lässt uns nicht los.

 

Ein messerscharfer integrierter Feldspektrograph

Auf Hawaiis höchstem Berg, dem Mauna Kea, stehen die beiden benachbarten Keck-Teleskope, die mit ihren 10-m Segmentspiegeln gleich nach dem Gran Telescopio Canarias gemeinsam an zweiter Stelle der Liste der größten Teleskope der Welt stehen. Im Januar 2017 erhielt Keck-II ein nagelneues Instrument, den Keck Cosmic Web Imager (KCWI), einen integralen Feldspektrographen wie MUSE: er kann gleichzeitig zahlreiche Spektren in einem ausgedehnten Blickfeld aufnehmen, beispielsweise dem Ausschnitt einer Galaxie. Seinen Namen erhielt KCWI, weil damit die Rotverschiebung fernster Galaxien zu deren Entfernungsbestimmung gemessen werden soll, um so das kosmische Gespinst aus Galaxien und Voids auszuloten. Er ermöglicht die Messung sehr lichtschwacher Objekte bei hoher Auflösung des Spektrums, d.h er vermag nahe beieinander liegende Lichtfrequenzen noch zu trennen.

Die spektrale Auflösung eines Spektrographen wird durch den Parameter R angegeben, der das Verhältnis der Lichtwellenlänge zur kleinstmöglich noch trennbaren Differenz der Wellenlängen angibt. R=1000 für 500 nm sagt beispielsweise, dass bei türkisfarbenem Licht von 500 nm Wellenlängendifferenzen von 500/1000 = 0,5 nm noch getrennt werden können. Für rotes Licht von 800 nm wären 0,5 nm dann R=1600 – die spektrale Auflösung ändert sich mit der Wellenlänge. R ist wichtig, weil es angibt, mit welcher Genauigkeit sich Radialgeschwindigkeiten messen lassen. R=10.000 bedeutet z.B., dass man Geschwindigkeiten von 1/10.000 der Lichtgeschwindigkeit auflösen kann, das wären 30 km/s. Bei einem rotierenden Objekt wie einer Galaxie, bei dem die eine Hälfte sich dem Beobachter nähert und die andere sich entfernt, kann man theoretisch noch halb so große Rotationsgeschwindigkeiten messen, denn die Differenz der Geschwindigkeiten auf beiden Seiten ist doppelt so groß wie die Rotationsgeschwindigkeit selbst. In der Praxis ist die Rechnung etwas komplizierter, R=10.000 bedeutet nicht, dass man exakt 15 km/s messen kann, sondern es handelt sich hierbei um den mittleren Messfehler, der mit der tatsächlichen Dispersion (Streuung) der Sterngeschwindigkeiten kombiniert werden muss, um die beobachtete Linienverbreiterung zu ergeben (Fehlerrechnung).

Das MUSE-Instrument hat R-Werte von 1770 (480 nm) bis 3590 (930 nm). KCWI erreicht hingegen je nach Lichtwellenlänge und verwendetem Gitter R-Werte bis über 20.000. Deswegen, so hat van Dokkums Team dem Blogger Ethan Siegel erzählt, hätten sie nicht MUSE, sondern KCWI verwendet.  Die Autoren haben an zur Kalibrierung des Geräts verwendeten Lichtquellen Auflösungen von R=9.100 bei 480 nm und R=11.600 bei 530 nm gemessen. Während MUSE nur 35 bis 85 km/s genau misst, konnten die Autoren Geschwindigkeiten mit einer Genauigkeit von 11 bis 14 km/s messen. Durch Kombination vieler Messungen kann der Fehler auf ein paar hundert m/s verkleinert werden. Das klingt jetzt ein wenig dünn im Vergleich zu den bei der Planetensuche verwendeten Spektrographen wie HARPS mit einer Genauigkeit 0,3 m/s (!), aber mit HARPS misst man sehr helle Objekte, man hat Licht genug, das Spektrum weit auseinander zu ziehen, während MUSE und KCWI von ihren Zielobjekten beinahe jedes Photon persönlich mit Handschlag begrüßen können.

 

Die Außenseiterin

Mit der höheren Genauigkeit von KCWI haben Shany Danieli, Pieter van Dokkum et al. [1] etwas andere Ergebnisse als Emsellem et al. erzielt:

Gemessene Geschwindigkeitsdispersionen σintr (intrinsisch = ohne Bewegung der Galaxie) in NGC 1052-DF2: nur Sterne / neue Arbeit (roter Stern), nur Sterne / Arbeit von Emsellem (grauer Stern), Kugelsternhaufen und Planetarische Nebel / Arbeit von Emsellem (grauer Kreis) und Kugelsternhaufen / ursprüngliche Arbeit von van Dokkum (schwarzer Kreis). Die grauen senkrechten Balken geben an, wie die Geschwindigkeitsdispersionen aussehen würden, wenn die Galaxie keine Dunkle Materie enthielte (links, “stars alone”) bzw. wenn sie einen normalen Dunkle-Materie-Halo hätte (rechts, “normal halo”). Bild: [1], arXiv, gemeinfrei.

Werden nur die Sterne gemessen, dann ergibt sich ein Wert von 8,4±2,1 km/s für die Streuung der Geschwindigkeiten aufgrund der Rotation der Galaxie (roter Stern). In der Arbeit von Emsellem et al. waren es 16,3±5 km/s, fast das Doppelte und mit doppelt so großen Fehlern (grauer Stern). Die Messung der Kugelsternhaufen, die van Dokkum et al. in ihrer ursprünglichen Arbeit gemessen hatten, passt zur Messung der Sterne (schwarzer Kreis), während die Messung von Emsellem, die neben Kugelsternhaufen auch planetarische Nebel mit einschloss, ebenfalls näher an diesem Wert liegt (grauer Kreis). Betrachtet man die theoretische Geschwindigkeitsdispersion, die sich alleine aus der Sternenmasse ohne Dunkle Materie ergäbe (grauer senkrechter Balken links), so liegen die Messungen von van Dokkum sehr nahe an diesem Wert.

Hätte die Galaxie einen gewöhnlichen Anteil an Dunkler Materie in einem umgebenden Halo mit NFW-Verteilung, dann sollte die Geschwindigkeit zwischen ca. 30 und 40 km/s liegen (grauer Balken rechts). Tatsächlich sieht es jedoch so aus, als sei fast keine Dunkle Materie vorhanden.

Stellt man NGC 1052-DF2 den Zwerggalaxien der lokalen Gruppe gegenüber, und zwar in Masse, Durchmesser und Geschwindigkeitsstreuung, dann sieht man, wie ungewöhnlich die Galaxie ist – sie liegt weit abseits “von Gut und Böse” an der theoretischen Linie, wo Galaxien keine Dunkle Materie enthalten sollten. Viel leuchtende Masse, großer Durchmesser, aber geringe Geschwindigkeiten der Sterne.

Zwerggalaxien der Lokalen Gruppe und NGC 1052-DF2 dargestellt in Bezug auf ihre leuchtende Masse (x-Achse, Zehnerlogarithmus der Masse in Sonnenmassen, also 8 ≙ 108=100 Millionen Sonnenmassen), Geschwindigkeitsdispersion (y-Achse) und Ausmaßen (dargestellter Durchmesser). NGC 1052-DF2 fällt aus dem Rahmen und liegt in der Nähe der unteren Massengrenze ohne Dunkle Materie. Bild: [1], arXiv, gemeinfrei.

Ein Doppelgänger kommt selten allein

Schon in der ursprünglichen Arbeit fragten sie sich, ob es noch mehr solche Galaxien gibt – und nun fanden sie eine gleiche nebenan! Die ultra-diffuse Galaxie (UDG) NGC 1052-DF4 (ebenso wie DF2 nach dem Dragonfly-Teleobjektiv-Array benannt, mit dem das Team die Galaxie aufgespürt hat) liegt in der gleichen Galaxiengruppe, dem Winkelabstand nach etwa doppelt so weit von NGC 1052 entfernt wie DF2 in der Gegenrichtung liegend (siehe Artikelbild, rund 170 kpc = 550.000 LJ in der Projektion). DF4 ist etwa so groß wie DF2 (Halbwertsradius 5200 LJ vs. 7700 bei DF2) und hat eine vergleichbare Helligkeit (23,7m/Bogensekunde² vs.  24,4m) und Farbe (= Alter der Sterne, ca. 11 Milliarden Jahre). Sie hat etwa 77 Millionen Sonnenleuchtkräfte (vs. 100 Millionen). Die reine Sternenmasse dürfte daher bei 150 Millionen Sonnenmassen liegen (vs. 200 Millionen bei DF2).

Das van-Dokkum-Team [2] maß auch hier mit dem Keck-Teleskop die Geschwindigkeitsdispersion, allerdings nicht mit KCWI am Keck-II, sondern mit dem Low Resolution Imaging Spectrometer LRIS (R=300-5000) am Keck-I – man muss ja auch zuerst einmal Beobachtungszeit am entsprechenden Teleskop bekommen und LRIS ist für die hochauflösende Spektroskopie an lichtschwachen Objekten trotz seines anderslautenden Namens das am besten geeignete Instrument am Keck-I. Das Team identifizierte 7 Kugelsternhaufen von DF4 und maß deren Geschwindigkeiten.

Geschwindigkeitsdispersion der Kugelsternhaufen von NGC1052-DF4. Links die Radialgeschwindigkeiten der Kugelsternhaufen von DF4 und im Vergleich darunter DF2, relativ zu ihren jeweiligen Mittelwerten, mit Fehlerbalken. Rechts die aus den Messwerten ermittelte statistisch verteilte Schätzung für die Streuung der 3D-Raumgeschwindigkeiten für zwei verschiedene Auswertungsverfahren (durchgezogene und gestrichelte Linien), die wegen der kleinen Zahl von Kugelsternhaufen etwas voneinander abweichen. Am wahrscheinlichsten sind die Spitzen der Kurven, wie im Diagramm angegeben. Die reine Sternenmasse ergibt schon einen höheren Schätzwert von 7,3 km/s (senkrechte gestrichelte Linie). Bild: [2], arXiv, gemeinfrei.

Wie das Bild oben links zeigt, sind die Radialgeschwindigkeiten (also diejenigen auf den Beobachter zu oder von ihm weg; nur diese kann man im Spektrum messen) sehr klein; kleiner noch als bei DF2, wie im letzten Jahr gemessen. Man beachte die kleineren Fehlerbalken bei DF4. Aus den wenigen Datenpunkten wurde dann auf zwei Weisen eine statistische Verteilung für die Wahrscheinlichkeit der räumlichen Geschwindigkeitsstreuung ermittelt (man sieht ja nur die radiale Komponente der Bewegung, nicht die in der Himmelsebene), deren Maxima nahe beieinander liegen. Ein kleiner Unterschied verbleibt, weil 7 Datenpunkte eine recht karge Statistik sind. Die wahrscheinlichsten Werte an der Spitze der Kurven sind 3,8 bzw. 4,2 km/s. Der theoretische Wert für eine Galaxie nur mit Sternen der entsprechenden leuchtenden Masse liegt mit 7,3±1,9 km/s (senkrechte gestrichelte Linie) sogar noch höher, aber man darf nicht vergessen, dass es sich hier um statistische Ergebnisse handelt. Mit 95% Wahrscheinlichkeit liegt die tatsächliche Geschwindigkeitsdispersion niedriger als 10,4 km/s. Ein normal großer NFW-Halo für diese leuchtende Masse würde hingegen eine Geschwindigkeitsdispersion von rund 30 km/s erwarten lassen. Die Autoren drücken es vorsichtig aus: die Hypothese, dass die Galaxie keinerlei Dunkle Materie enthält, ist durch die Daten nicht widerlegt. Oder anders gesagt, es sieht so aus, als sei diese Galaxie wirklich komplett ohne Dunkle Materie.

 

Rätselhafter Ursprung

Damit ist die Schlussfolgerung einiger Kritiker, die behaupteten, die Kugelsternhaufen von DF2 bewegten sich in einer Ebene und nur weil man diese zufällig von steil oben betrachte erschienen die Radialgeschwindigkeiten sehr klein, unwahrscheinlicher geworden, denn nun müsste diese Annahme zufällig gleich für zwei weit voneinander entfernte, unabhängige Galaxien zutreffen, was viel unwahrscheinlicher ist als in nur einem Fall.

Eine Möglichkeit, solche Dunkle-Materie-armen Galaxien zu bilden, wäre eine Interaktion einer gasreichen Galaxie mit einer sie nahe passierenden zweiten Galaxie, so dass durch Gezeitenkräfte ein Teil des Gases aus der ersten Galaxie herausgerissen würde, jedoch nur wenig Dunkle Materie (dann wären sie sogenannte “Gezeitenzwerge”).  Dann sollten sich aber schon in der Ursprungsgalaxie entstandene und von Supernovae freigesetzte schwere Elemente im Licht der Sterne wiederfinden, und das tun sie nicht. Man sieht hier auch keine anderen Überreste einer Interaktion, wie man dies von anderen Gezeitenzwergen kennt. Die Autoren mutmaßen, dass die ungewöhnlich großen und hellen Kugelsternhaufen beider Galaxien irgendetwas mit deren Ursprung zu tun haben könnten. Beide Galaxien haben zusammen 18 bestätigte Kugelsternhaufen heller als -8,5m absoluter Helligkeit – die 100mal schwerere Milchstraße hat deren nur 18. Die Kugelsternhaufen tragen ganze 3% zur Gesamthelligkeit des Gesamtsystems bei, und die beiden äußersten der 7 betrachteten Kugelsternhaufen von DF4 alleine 70% der Gesamthelligkeit außerhalb von 15.000 LJ Radius! Das ist ziemlich ungewöhnlich.

 

Und was ist mit MOND?

Zu Modifizierter Newtonscher Dynamik MOND äußert sich van Dokkum diesmal ausdrücklich nicht, in keiner der beiden Arbeiten. Van Dokkum sah in der Abwesenheit Dunkler Materie in DF2 in seiner Arbeit vom letzten März einen Beleg dafür, dass sie ein separater Stoff sei, der unabhängig von der Sternenmasse existieren und daher auch fehlen kann – warum auch immer. Einige MOND-Anhänger sehen in den geringen, rein Newtonschen Geschwindigkeiten von DF2 und DF4 hingegen einen Beleg für MOND, weil der externe Feldeffekt durch die benachbarte Galaxie NGC 1052 MOND hier unwirksam mache und daher das “MO” von MOND wegfalle – eben reine Newtonsche Dynamik. DF4 liegt mit mindestens 550.000 LJ viel weiter von NGC 1052 entfernt als DF2 (260.000 LJ), hat aber in der kleineren NGC 1035 eine möglicherweise nur 75.000 LJ entfernte Nachbarin  (siehe Artikelbild) – so genau weiß man das jedoch nicht, weil die genauen Entfernungen in der Tiefe des Raums nicht bekannt sind. Beide Galaxien bewegen sich zumindest mit recht unterschiedlichen Radialgeschwindigkeiten, gehören daher offenbar nicht zusammen und sind (wenn überhaupt) nur gerade zufällig benachbart, wenn dies etwas zu sagen hat (der externe Feldeffekt wäre damit nur temporär wirksam, das müsste die Dynamik der Galaxie ziemlich durcheinander bringen).

So kann jede Seite hier einen Punkt für sich reklamieren – man beachte die argumentatorische Ironie: DM belegt, weil sie hier fehlt und MOND belegt, weil sie hier nicht wirkt! – und der letztendliche Gegenbeweis gegen MOND ist in diesem Galaxienhaufen wohl nicht geführt. Aber vielleicht in Carina und Draco?

 

Referenzen

[1] Shany Danieli, Pieter van Dokkum et al., “Still Missing Dark Matter: KCWI High-Resolution Stellar Kinematics of NGC1052-DF2”, eingereicht bei Astrophysical Journal Letters, 11. Januar 2019; Preprint arXiv:1901.03711.

[2] Pieter van Dokkum, Shany Danieli et al., “A second galaxy missing dark matter in the NGC1052 group”, eingereicht bei Astrophysical Journal Letters, 17. Januar 2019; Preprint arXiv:1901.05973.

[3] Rebecca Boyle, “Ghostly Galaxies Hint at Dark Matter Breakthrough“, Scientific American, 25.01.2019.

[4] Tomer Yavetz, “Where Did All the Dark Matter Go?“, Astrobites, 30.01.2019.

Kommentare (23)

  1. #1 Spritkopf
    8. Februar 2019

    Ich bin immer wieder beeindruckt darüber, wie tiefschürfend deine Artikel sind und in welch kurzen Abständen du sie raushaust (wenn du dich nicht gerade in einer Phase akuter Zeitnot befindest). Allein deine Artikelserie zur Dunklen Materie hat mir schon beim Überfliegen (mehr kriege ich derzeit leider nicht hin – wg. ebenfalls Zeitnot) mehr darüber beigebracht als alles, was ich vorher darüber gelesen habe. Vor allem, weil du nicht darauf eingehst, was gemessen wurde, sondern auch, wie gemessen wurde und warum es gemessen wurde.

    Gratulation auch nachträglich zum hundertsten hundertundersten Artikel.

    OTPS*): Deine Teleskopempfehlung wird jetzt bestellt.

    *) Offtopic-Postscriptum

  2. #2 Spritkopf
    8. Februar 2019

    Vor allem, weil du nicht darauf eingehst

    Tsst, das muss natürlich heißen: “Vor allem, weil du nicht nur darauf eingehst”

  3. #3 Mars
    8. Februar 2019

    ja, bin ebenfalls begeistert,
    auch das Thema ist ja ein faszinierendes, da es ‘open end’ ist. aber man muss es auch rüberbringen können.
    und mir gefallen dann solche sätze, die das lesen – trotz fakten und zahlen – flüssig halten und freudig stimmen:
    “”…wie HARPS mit einer Genauigkeit 0,3 m/s (!), aber mit HARPS misst man sehr helle Objekte, man hat Licht genug, das Spektrum weit auseinander zu ziehen, während MUSE und KCWI von ihren Zielobjekten beinahe jedes Photon persönlich mit Handschlag begrüßen können.””

    es mag ja unwissentschaftlich formuliert sein, aber so hält man seine Leser an der kurzen leine

    mich hast du da schon lange gewonnen.
    faszinierend!

  4. #4 Alderamin
    8. Februar 2019

    Dank an Euch beide. Das Schreiben macht besonders viel Spaß, wenn nicht nur ein paar hundert, sondern ein paar tausend Leute den Artikel dann lesen und das passiert seit Dezember öfters. Ich lerne übrigens auch dabei viel über die Methodik, und das, was ich gelernt habe, möchte ich weitergeben.

    Es war mir von Anfang an ein Anliegen zu vermitteln, wie Astronomen arbeiten und wie sie ihre Erkenntnisse gewinnen (eben nicht durch Grübeln in einer stillen Kammer, wie viele Cranks sich das anscheinend vorstellen). An manchen Dingen in Papers beiße ich mich dann stundenlang fest, z.B. woher die 11,4 bis 14 km/s Messgenauigkeit bei R=10000 kommen, wenn ich nur auf höchstens 15 km/s komme.

    @Spritkopf

    Viel Spaß mit dem Gerät, wenn es da ist. Lass’ mal was von Dir hören, was Du damit alles “entdeckst”. Vielleicht kannst Du mit der Begeisterung des Einsteigers noch ein paar andere hier infizieren. 🙂

  5. #5 Spritkopf
    8. Februar 2019

    @Alderamin

    Lass’ mal was von Dir hören, was Du damit alles “entdeckst”. Vielleicht kannst Du mit der Begeisterung des Einsteigers noch ein paar andere hier infizieren.

    Gern. Habe direkt einen C-Mount-Adapter mitbestellt und werde mich auch ein bißchen an der Astrofotografie versuchen, wenn das Gerät da ist (und der Nachthimmel mitspielt).

  6. #6 flow
    DUNKLE MATERIE ! Ein interessantes Rätsel
    8. Februar 2019

    Da wir aber gar nicht wissen ob es die Dunkle Materie
    überhaupt gibt kann sie natürlich nicht zurückschlagen.
    Bin gespannt was dahintersteckt, würde mich freuen
    wenn das Rätsel in den nächsten 10 Jahren gelöst wird.

  7. #7 Oliver Müller
    9. Februar 2019

    Werde nächste Woche dazu einen wissenschaftlichen Artikel einreichen, um ein paar Punkte zu relativieren. 🙂

    Aber was mir im Text aufgefallen ist. Die Milchstrasse hat etwa 100+ bestätigte Kugelsternhaufen, sicher nicht nur 18, siehe zum Beispiel Baumgardt & Hilker (2018, https://arxiv.org/abs/1804.08359)!

    Das mit der argumentatorischen Ironie gefällt mir. 🙂

  8. #8 Alderamin
    9. Februar 2019

    @Oliver Müller

    Das mit den 18 Kugelsternhaufen stand so im Paper.

  9. #9 Alderamin
    9. Februar 2019

    @Oliver Müller

    Korrektur, da steht “Kugelsternhaufen heller als -8,5m“, das muss ich noch nachtragen. Muss aber jetzt weg.

  10. #10 Spritkopf
    9. Februar 2019

    Hier ein interessanter Artikel zum Dragonfly-Teleskop von Pieter van Dokkum (welches er auch bei arxiv beschrieben hat).

  11. #11 Karl Mistelberger
    9. Februar 2019

    > #7 Oliver Müller, 9. Februar 2019
    > Das mit der argumentatorischen Ironie gefällt mir.

    Bei MOND hört der Spaß auf. Das Argument lautet: Wir ändern das Gravitationsgesetz ein wenig und schon passt fast alles. Tatsächlich hat die Änderung was von einem schlechten Witz.

    – Bei kleinen Distanzen bleibt alles beim Alten.

    – Bei größeren Distanzen ist das Gegenteil der Fall: Bei kleinen Feldstärken ändert sich die Kraft gegenüber Newton.

    – Die Beiträge einzelner Massen wechselwirken auf geheimnisvolle Weise miteinander, so dass sich für den Aufpunkt wiederum Newton ergibt, wenn die Summe der einwirkenden Massen einen bestimmten Wert erreicht oder überschreitet.

    Ein so paradoxes Verhalten braucht schon eine direkte experimentelle Bestätigung.

  12. #12 Oliver Müller
    Basel
    11. Februar 2019

    @ Karl Mistelberger

    Bei kleinen Distanzen bleibt alles beim Alten.

    Falsch.

    Bei größeren Distanzen ist das Gegenteil der Fall: Bei kleinen Feldstärken ändert sich die Kraft gegenüber Newton.

    Falsch.

    Die Beiträge einzelner Massen wechselwirken auf geheimnisvolle Weise miteinander, so dass sich für den Aufpunkt wiederum Newton ergibt, wenn die Summe der einwirkenden Massen einen bestimmten Wert erreicht oder überschreitet.

    Falsch.

    Ein wenig Sachverständnis würde gut tun, bevor Sie mit ihrem üblichen MOND Bashing anfangen. Ich kann folgende Lektüre gut empfehlen (https://arxiv.org/pdf/1112.3960.pdf). Auch wenn Sie meine Erklärung zur Herleitung von MOND lesen (https://prosaderphysik.wordpress.com/2017/08/18/mond-ein-gesetz-sie-alle-zu-binden-die-herleitung/), werden Sie sehen, dass all Ihre drei Punkte weit von der Realität entfernt sind (Stichwort, es geht um “Beschleunigung”, nicht um “Distanz”, wie Sie es beschreiben).

    Ein so paradoxes Verhalten braucht schon eine direkte experimentelle Bestätigung.

    Hunderte Messungen konnten schon die Vorhersagen von MOND über viele Grössenordnungen hinweg bestätigen. 😉
    Jede neue Geschwindigkeitsmessung in galaktischen Objekten ist ein solch experimenteller Test.

  13. #13 Zhar
    11. Februar 2019

    ich denke da gab es ein Missverständnis er meinte sicher nicht MOND sondern SUN, So Ungefähr Newton. Diese These kam ja schon im 17Jhd auf und alles schien sich darum zu drehen, aber sie wurde nach wenigen jahren durch Newton ersetzt.

  14. #14 Karl Mistelberger
    11. Februar 2019

    > #12 Oliver Müller, Basel
    > Ein wenig Sachverständnis würde gut tun, bevor Sie mit ihrem üblichen MOND Bashing anfangen.

    Mein Sachverstand datiert aus 2002: https://www.spektrum.de/magazin/gibt-es-dunkle-materie/829190

    Dreimal laut “Falsch” zu rufen beeindruckt mich nicht. Die von Milgrom selbst angesprochenen Bedenken allerdings sehr.

  15. #15 Alderamin
    11. Februar 2019

    @Karl Mistelberger

    Angesichts dessen, dass den Teilchenphysikern langsam die Ideen ausgehen, woraus die DM bestehen könnte, ist es sinnvoll, dass sich Leute auch mit Alternativen beschäftigen. Ich würde selbst zwar keinen dreistelligen Betrag auf MOND wetten (auf DM durchaus), aber ich finde es vollkommen in Ordnung und wichtig, dass Wissenschaftler wie Oliver (oder Sabine Hossenfelder) sich alternativer Theorien angenommen haben. Und Oliver kennt sich ganz bestimmt wesentlich besser in DM und MOND aus, als wir alle zusammen.

  16. #16 Karl Mistelberger
    12. Februar 2019

    > #15 Alderamin, 11. Februar 2019
    > Angesichts dessen, dass den Teilchenphysikern langsam die Ideen ausgehen, woraus die DM bestehen könnte, ist es sinnvoll, dass sich Leute auch mit Alternativen beschäftigen.

    Der oben verlinkte Übersichtsartikel von Famaey und McGaugh zeigt detailliert auf, mit welchen Schwierigkeiten die Alternativen zu kämpfen haben.

    Ich wiederhole mich:

    https://scienceblogs.de/alpha-cephei/2019/01/08/dunkle-materie-mond-shootout-in-draco-und-carina/#comment-4457

    Apropos: https://www.zdf.de/wissen/frag-den-lesch/komplex-oder-kompliziert—was-macht-den-unterschied-100.html

  17. #17 Spritkopf
    16. Februar 2019

    @Oliver Müller

    Werde nächste Woche dazu einen wissenschaftlichen Artikel einreichen, um ein paar Punkte zu relativieren.

    Ist der Artikel schon veröffentlicht und wenn ja, kann man ihn auch im Internet lesen?

    @Alderamin

    Viel Spaß mit dem Gerät, wenn es da ist. Lass’ mal was von Dir hören, was Du damit alles “entdeckst”.

    Mache justamente – noch im Hellen – als “First Light” einen Mondspaziergang damit. 🙂

  18. #18 Karl-Heinz
    16. Februar 2019

    @Alderamin

    Und Oliver kennt sich ganz bestimmt wesentlich besser in DM und MOND aus, als wir alle zusammen.

    Ich glaube jeder hier kennt Oliver Müller. Und sowie ich den Karl Mistelberger einschätze ist Oliver auch für ihn kein Unbekannter.

    Also liebe Leute, falls jemand Oliver nicht kennen sollte: https://astro.physik.unibas.ch/people/bruno-binggeli/oliver-mueller.html

  19. #19 Oliver Müller
    Basel
    17. Februar 2019

    Ist der Artikel schon veröffentlicht und wenn ja, kann man ihn auch im Internet lesen?

    Leider verzögert sich der Artikel, weil sich – ich kann es fast nicht glauben – gerade eine Seifenoper in der Autorenschaft abspielt. Würde ich beschreiben, was hinter den Kulissen passiert, niemand würde mir glauben, zu skurril ist das Ganze. 🙂

    Ich glaube jeder hier kennt Oliver Müller. Und sowie ich den Karl Mistelberger einschätze ist Oliver auch für ihn kein Unbekannter.

    Schon so berüchtigt? 🙂

    Also liebe Leute, falls jemand Oliver nicht kennen sollte: https://astro.physik.unibas.ch/people/bruno-binggeli/oliver-mueller.html

    Meine neue Website lautet übrigens: https://oliver-mueller.ch/ da ich die Uni Basel Adresse nicht mehr bearbeiten kann (da ich nicht mehr an der Uni Basel bin).

  20. #20 Till
    1. April 2019

    Jetzt hat auch SPON mitbekommen, dass das eine spannende Geschichte ist.
    @Alderamin: Respekt, dass Du fast 2 Monate schneller warst! 😉

  21. #21 Alderamin
    1. April 2019

    @Till

    Das ist der Unterschied zwischen arXiv-Preprint und eigentlicher Veröffentlichung. 🙂

  22. #22 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    5. Juni 2019

    “A group of researchers from the Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) has clarified a 2018 mystery in the field of extragalactic astrophysics: The supposed existence of a galaxy without dark matter.

    Galaxies with no dark matter are impossible to understand in the framework of the current theory of galaxy formation, because the role of dark matter is fundamental in causing the collapse of the gas to form stars. In 2018, a study published in Nature announced the discovery of a galaxy that apparently lacked dark matter.

    Now, according to an article published in the Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (MNRAS) a group of researchers at the Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) has solved this mystery via a very complete set of observations of KKS2000]04 (NGC1052-DF2).”

    https://phys.org/news/2019-06-mystery-galaxy-dark.html

  23. #23 Alderamin
    9. Juni 2019

    @Karl Mistelberger

    Über den Preprint der Arbeit hatte ich letztes Jahr schon geschrieben, und sie ist kein Gegenbeleg zur Hauptaussage der van-Dokkum-Arbeit, dass NGC 1052-DF2 arm an Dunkler Materie ist, wenn auch nicht in dem extremen Maß, wie von van Dokkum angenommen. Außerdem gibt es mittlerweile noch einen weiteren Kandidaten ohne DM, DF4, der dann ebenfalls in der falschen Entfernung sein müsste. Im MOND-Lager wird die Trujillo-Arbeit auch nicht unbedingt beklatscht, denn wenn die Galaxie so viel näher wäre als die mutmaßliche NGC-1052-Muttergalaxie, dann fiele natürlich auch das Argument mit dem externen Feldeffekt weg – NGC 1052 soll ja wegen ihrer Nähe zu DF2 dafür sorgen, dass die Sterne sich in letzterer gemäß Newton bewegen. Ethan Siegel hat gestern auch einen kritischen Artikel zu Trujillos Arbeit geschrieben. Van Dokkum hat Ende des Jahres Beobachtungszeit auf dem Hubble-Teleskop bekommen, so dass sich die Entfernungsfrage vielleicht bald durch die Beobachtung von Cepheiden ein für allemal klären lässt.