Heute geht es um Sport und um’s Abnehmen. Die Frage ist einfach, die Antwort für viele möglicherweise verblüffend. Wenn wir abnehmen, wohin verschwindet dann eigentlich das Gewicht?
[Edit:] Netterweise erscheint dieser Artikel mit Florians Zustimmung ab sofort in der Reihe “Running Research – Denken beim Laufen”. [/Edit]
Wie nimmt man überhaupt ab?
Die Formel zum Abnehmen ist ziemlich einfach. Die Energiebilanz des Körpers ist aufgenommene Energie minus verbrauchte Energie:
ERest = Ein – Eout
Wenn ERest im Schnitt 0 ist, man also genau so viel verbraucht, wie man zu sich nimmt, hält man sein Gewicht. Es spielt dabei keine Rolle, in welcher Form man seine Kalorien zuführt – ob man Schokolade oder Obst der gleichen Kalorienmenge isst, ist letztlich vollkommen egal; allerdings macht diejenige Menge Schokolade, die einer bestimmten Kalorienzahl entspricht, nicht so satt, wie die entsprechende Menge Obst, so dass man eher zu viel Schokolade essen wird. Das ganze Geheimnis der Diäten ist, solche Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die mit möglichst wenig Kalorien ein möglichst lange anhaltendes Sättigungsgefühl erzeugen.
Wenn ERest positiv ist, nimmt man zu: der Körper bunkert die überschüssige Energie kurzfristig als Glykogen, das sind Glukose- (Zucker-) moleküle, die zu Stärke aneinander gekettet werden, welche in den Muskeln und der Leber gelagert wird (ein kleiner Teil Glukose ist als Blutzucker im Blut gelöst). Überschüssiges Glykogen oder Eiweiß (Protein) wird längerfristig in Körperfett umgewandelt und in Fettzellen gespeichert oder der Körper bildet aus Proteinen Gewebe, z.B. Muskeln, wenn man trainiert. Durch die Gewichtszunahme wird die Belastung des Körpers gleichzeitig höher, man muss mehr Gewicht bewegen und mehr Körpermasse mit Energie versorgen, der Grundumsatz steigt und so endet die Gewichtszunahme irgendwann, wenn Eout so weit angestiegen ist, bis ERest wieder 0 ist. Es mag dabei sein, dass manche Menschen Nahrung anders verwerten als andere und deswegen potenziell gefährdeter sind, zuzunehmen, dann ist bei ihnen Ein für die gleiche Nahrung größer als für andere Menschen. Es mag auch sein, dass dies teilweise der Darmflora geschuldet ist und somit beeinflusst werden kann.
Ist ERest negativ, dann muss der Körper trotzdem den angefallenen Bedarf Eout decken und baut die Vorräte wieder ab. Dabei greift er zuerst vorwiegend auf das Glykogen zurück. Die Vorräte an Glykogen reichen ca. für 90 Minuten intensiver körperlicher Anstrengung (z.B. Dauerlauf) [2]. Schon während der Kohlehydratverbrennung, und fast ausschließlich nach deren Ende verbrennt der Körper aber parallel das gebunkerte Körperfett, das weniger Energie liefert und mehr Sauerstoff zu seiner Nutzung verbraucht, und durch entsprechendes Training und mäßige Belastung kann man den Punkt, wo das Glykogen aufgebraucht ist, herauszögern. Aus dem Fett kann der Körper bei großer Anstrengung viele Stunden lang seinen Bedarf decken. 1 kg Körperfett speichert ungefähr 7000 kcal. Und wenn auch das Körperfett erschöpft ist, was erst nach langem Hungern und Magersucht der Fall ist, wird Eiweiß abgebaut, das ist die Körpersubstanz selbst (z.B. Muskeln, Organe, Blutkörperchen), dann wird es irgendwann gefährlich.
Man hat also zwei Stellknöpfe zur Gewichtsregulierung: Weniger Energieaufnahme, das ist der schwierigere Weg. Eine Diät wirkt immer nur so lange, wie man sie einhält, der Körper stellt dann den Stoffwechsel auf Sparflamme um und nach dem Ende der Diät füllt er zuerst wieder die Fettzellen auf, die er vor der Diät gebildet hatte, der berühmte Jojo-Effekt. Also muss man seine Ernährung umstellen. Das schaffen dauerhaft aber nur sehr, sehr wenige Menschen (2% las ich mal irgendwo).
Der andere Stellknopf ist der Verbrauch, an dem habe ich selbst vorwiegend gedreht, und mir fiel dies erheblich leichter, als es mit Einschränkungen beim Essen zu versuchen (was ich zusätzlich noch getan habe, jedenfalls eine Weile). Wer mehrmals pro Woche Ausdauer- oder Kraftsport betreibt, erhöht den Verbrauch.
Der reine Energieverbrauch einer Ausdauertätigkeit ist zunächst nicht sehr hoch. Eine halbe Stunde Laufen oder eine Stunde Bahnenschwimmen verbrennen ungefähr 500 kcal, entsprechend ca. 90 Gramm Vollmilchschokolade. Aber dadurch baut man Muskeln auf, und die sind anspruchsvoller als Körperfett und haben einen höheren Grundumsatz – der Körper verbraucht dann auch in Ruhe mehr Energie und man nimmt weiter ab außerhalb der Sporteinheiten.
Macht man es sich zur Gewohnheit, regelmäßig Sport zu treiben, dann stellt sich Routine ein, man freut sich auf den Sport und druckst nicht herum, wenn man mal keine Lust hat. Mit ein bisschen Ehrgeiz und sich einstellendem Erfolg bei der Leistungsfähigkeit und der Gewichtsabnahme geht dann bald eine Steigerung der Häufigkeit, Strecke und Dauer einher. In meinem Fall kam alleine durch die drei wöchentlichen Einheiten (2x Laufen, 1x Schwimmen) rund 3000 kcal pro Woche an Mehrverbrauch zusammen, das sind bei mir etwa 1,5 Tages-Grundumsätze und entspricht damit knapp 20% meines Energieverbrauchs pro Woche. Der Erfolg war, dass ich jeden Monat ca. 1 kg abnahm, über 18 Monate von 103 kg auf 83 kg (das entspricht bei meiner Größe gerade dem Normalgewicht), ohne mich in der Ernährung sehr einschränken zu müssen; ich habe allerdings auch weitgehend, aber nicht komplett, auf Süßkram verzichtet, und ihn durch Nüsse und Obst zu ersetzen versucht, was langfristig, wie befürchtet, nicht so gut gelang, und so kamen dann wieder 6 kg hinzu. Nach einer längeren Verletzungspause, in der ich keinen Sport machen durfte, kamen weitere 5 kg dazu, mit denen ich aktuell zu kämpfen habe. Aber da ich wieder mit meinen drei Einheiten pro Woche begonnen habe, werde ich die wohl in einem halben Jahr wieder los sein.
Wie verliert man Gewicht?
Nach diesem schnellen Exkurs über das Abnehmen zurück zur Frage: wenn ich also durch Sport oder weniger Essen Gewicht abbaue, wohin verschwindet es? Eine in meiner Quelle [1] von Ruben Meerman und Prof. Andrew Brown, zwei Forschern der School of Biotechnology and Biomolecular Science der University of New South Wales, Australien, vorgestellte Umfrage unter mutmaßlichen Fachleuten erbrachte folgendes interessantes Ergebnis:
Gefragt wurden jeweils 50 Hausärzte, Ernährungsberater und “Personal Trainer”, also Leute, die eigentlich wissen sollten, wie Abnehmen funktioniert (ich vermisse lediglich die 107 Lungenärzte…). Schauen wir uns die Antworten einmal näher an.
Wärme
Wenn wir wissen wollen, wieviel wir zu- oder abnehmen, rechnen wir gerne in Kalorien. Dabei wird häufig der Faktor 1000 geschludert, eigentlich meinen wir, wenn irgendein Nahrungsmittel 200 Kalorien habe, dass es 200 kcal, also Kilokalorien sind. In Wahrheit reden wir uns also 200.000 Kalorien klein, weil 200.000 nach so unglaublich viel klingt. Kalorien sind ursprünglich ein Energiemaß aus der Wärmelehre: es braucht 1 cal, um 1 Gramm Wasser um 1 °C (oder Kelvin, egal) zu erwärmen. Mit 100 cal kann man also einen Kubikzentimeter Wasser von 0°C bis kurz vor dem Kochen bringen (das Kochen selbt benötigt nochmal sehr viel mehr Kalorienzufuhr), mit 100 kcal entsprechend einen Liter. Das ist eine Menge Energie: 90 Gramm Schokolade liefern ja, wie oben beschrieben, bereits 500 kcal.
Man kann daraus auch mechanische Energie machen – in der Physik gibt es verschiedene Formen von Energie, die sich aber alle ineinander umwandeln lassen, und deswegen rechnen Physiker heute lieber überall mit der Einheit Joules. 1 Joule ist die Energie, die es braucht, um eine (Zug-)Kraft von 1 Newton über eine Wegstrecke von 1 m auszuüben (die Zeit spielt keine Rolle, die kommt erst ins Spiel, wenn es um die Leistung geht, den Energieverbrauch pro Sekunde, gemessen in Watt). Newton (N) ist eine Krafteinheit, die über die Beschleunigung von 1 kg Masse um 1 m/s in einer Sekunde definiert ist; da ein Kilogramm im Schwerefeld der Erde mit 9,81 m/s in einer Sekunde beschleunigt wird, beträgt die Gewichtskraft von 1 kg Masse 9,81 N. Und da eine Kalorie 4,18 Joules mechanischer Energie entspricht, kann man mit 100 kcal 1 kg Masse ganze 42,651 Kilometer hoch heben – die halbe Strecke zum Weltraum und höher als die höchsten Wetterballons aufsteigen.
Wenn man dann noch weiß, dass der Körper durch die Erzeugung von Wärme eine Menge Energie verbraucht (das ist Teil des Grundumsatzes von 1200-3000 kcal/Tag, je nach Gewicht und Geschlecht), dann kann man schon nachvollziehen, dass 32 Ärzte, 33 Ernährungsberater und 26 Trainer sich für diese Option entschieden.
Ist aber falsch. Weil: die Energie, die bei der Kohlehydrat- und Fettverbrennung frei wird, ist chemische Energie, es ist Bindungsenergie von Molekülen, wie bei jeder chemischen Reaktion. Diese mindert aber die Masse nicht (messbar), es sind nachher dieselben Atome vorhanden, wie vorher, nur in neuen Verbindungen, die ein wenig geringere Energien für die äußeren (Valenz-) Elektronen mit sich bringen. Genau diese Energie wird frei und sie ist diejenige, die der Körper nutzen kann. Aber die Rückstände der Verbrennung bleiben übrig. Siehe unten.
Würde man tatsächlich die Masse von z.B. 1 kg Fett komplett in Wärme umwandeln, dann käme gemäß Einsteins Formel E=mc² eine Energiemenge von 90.000.000.000.000 (in Worten: 90 Billionen) Kilojoules heraus. Das entspricht 21,5 Megatonnen TNT, so viel wie die Energiefreisetzung einer großen Wasserstoffbombe. Und man würde in der Tat dabei auch radioaktiv strahlen. Nein, so funktioniert das Abnehmen zum Glück nicht.
Fäkalien
“Mann nimmt in 5 Minuten 3 kg ab” – uralter Kalauer. Zwar nimmt man ein wenig Gewicht ab, wenn man sich erleichtert, aber das ist kein verlorenes Körperfett, sondern Verdauungsreste, die als durchlaufender Posten eben gerade nicht als Kohlehydrate, Körperfett oder Eiweiße eingelagert worden sind. Könnten aber nicht die Rückstände der Fettverbrennung im Darm enden? Nein, die enden im Blutkreislauf. Damit lagen auch nur ein Hausarzt (vermutlich kein Internist), 3 Ernährungsberater und immerhin 8 Personal Trainer daneben. Griff ins Klo, sozusagen.
Wird zu Muskeln
Nun gut, ein wenig Fett wird tatsächlich zu Muskeln umgebaut, wenn man kräftig trainiert, aber es werden ja nicht endlos Muskeln aufgebaut, die Verbrennungsrückstände des Fettes müssen ja irgendwann mal aus dem Körper raus, sonst würde man ja mit jeder Mahlzeit immer schwerer werden. Das glauben dann auch nur 3 Trainer, 2 Ernährungsberater und immerhin 1 Arzt. Vielleicht ein Grund, die Praxis zu wechseln.
Schweiß/Urin
Sagen wir mal, warm: zumindest ein Teil der Nahrung (auch der festen) ist flüssig, und bei der Fett- und Kohlehydratverbrennung entsteht auch ein Anteil Wasser. Dieses endet zum Teil über den Blutkreislauf in den Nieren und der Harnblase. Auch durch Schwitzen verlieren wir Wasser, einen kleinen Teil über den Darm, und gewichtstechnisch völlig bedeutungslos sind Speichel und Tränen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Wassers landet jedoch in der Lunge, die sehr viel Oberfläche hat und in welcher trockene Luft einen beträchtlichen Teil Wasser aufnehmen kann, weshalb der Atem in kalter Luft so schön dampft. Überraschenderweise fand diese zum Teil richtige Antwort wenig Anklang bei unseren Experten. Nicht ein einziger (!) Ernährungsberater (!!) konnte sich dafür erwärmen, und nur ein Arzt. Aber das ist ja noch nicht die volle Antwort.
Atmung
Verbleibt also nur noch die Atmung (die anderen Antworten können es ja nicht sein, auch wenn viele Ärzte offenbar andere Ursachen vermuteten – ich weiß nicht, ob sie da konkrete Ideen hatten oder sich einfach nicht trauten “weiß nicht” anzukreuzen, was nämlich merkwürdigerweise gar kein Arzt tat).
Und ja, tatsächlich, den mit Abstand größten Teil des abgenommenen Gewichts atmen wir aus. Zum Einen den bereits erwähnten Anteil Wasser, das bei der Fett- und Kohlehydratverbrennung entsteht. Aber bei der Verbrennung entsteht auch Kohlendioxid – eigentlich sollte jeder einmal davon gehört haben, dass in der ausgeatmeten Luft CO2 enthalten ist. Schon der Name Kohlen-hydrate besagt, dass da Kohlenstoff drin steckt, und der ist im Vergleich zum Wasserstoff, lateinisch Hydrogenium, welcher in den Hydraten drin steckt, 12mal schwerer pro Atom.
Meerman und Brown erklären in ihrer Analyse [1], dass überschüssige Kohlenhydrate und Eiweiße aus der Nahrung in Triglyceride, Blutfette, umgewandelt werden, die dann als kleine Tröpfchen in den Fettzellen eingelagert werden. Wenn Fett verbrannt werden soll, müssen die Triglyceride nur chemisch in Fettsäuren (überwiegend Oleat, Palmitat und Linoleat) aufgebrochen und dann vom Körper mit eingeatmetem Sauerstoff über Enzyme buchstäblich verbrannt werden. Die Durchschnitts-Summenformel für das menschliche Triglycerid lautet:
C55H104O6
Also 55 Kohlenstoffatome, 104 Wasserstoffatome und 6 Sauerstoffatome. Diese werden mit 78 Sauerstoffmolekülen O2 verbrannt zu
55 CO2 + 52 H2O
Wer nachrechnet, findet 55 Kohlenstoffatome, 52·2=104 Wasserstoffatome und 2·55+52=162=2·78+6 Sauerstoffatome, es ist also kein Atom verloren gegangen oder in “Wärme umgewandelt” worden – die fällt, wie bei jeder Verbrennung, als Endprodukt der Energieumwandlung sowieso an.
Wasserstoff hat das Atomgewicht 1, Kohlenstoff 12, Sauerstoff 16. Triglycerid hat demnach ein Atomgewicht von 55·12+104·1+16·6=860.
Lässt man den eingeatmeten Sauerstoff, der auch nach der Reaktion als Bestandteil der Reaktionsprodukte Wasser und Kohlendioxid sofort wieder ausgeatmet wird, außen vor, dann gehen, so Meerman und Brown, die 55 Kohlenstoffatome und 4 der Sauerstoffatome in CO2 über, und die haben zusammen ein Atomgewicht von 55·12 + 4·16 = 724. 724 der 860 Atomgewichtseinheiten enden als Kohlendioxid, das sind gut 84% der Masse der ursprünglichen Triglyceride.
104 Wasserstoffatome und die verbliebenen zwei Sauerstoffatome werden im Wasser gebunden, das sind 104·1 + 2·16 = 136. 136 der 860 Atomgewichtseinheiten des Triglyceride gehen als Wasser verloren, das sind knapp 16% der Masse des Triglycerids.
78·2·16=2496 Atomgewichtseinheiten Sauerstoff werden eingeatmet, das sind bezogen auf 860 Teile Triglycerid 290%. 10 kg Fett werden also mit 29 kg Sauerstoff verbrannt. 19,6 kg dieses Sauerstoffs werden im Kohlendioxid gebunden, 9,4 kg im Wasser.
Der weitaus größte Massenanteil des Körperfetts wird also als Kohlendioxid ausgeatmet, ein kleiner Teil wird als Wasser über Atmung, Urin oder Schweiß ausgeschieden.Na, wer hat’s gewusst? Von den befragten Ärzten und Trainer leider kein einziger…
Referenzen
[1] Ruben Meerman, Andrew J Brown “When somebody loses weight, where does the fat go?“, The British Medical Journal BMJ 2014;349:g7257.
[2] Herbert Steffny, Das große Laufbuch, 5. Auflage 2015, ISBN 978-3-517-08642-2.
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