Und weiter geht’s mit Belegen für den Urknall. Die Steady-State-Theorie behauptete, dass das Universum schon ewig bestanden habe. Demnach gab es schon immer Sterne und durch irgendwelche Prozesse (Weiße Löcher oder “Mini-Bangs”) entstehe irgendwo stets frische Materie.
Kosmische Dreckschleudern
Denn, das wusste auch ihr lautester Proponent Fred Hoyle, Sterne verbrauchen Wasserstoff und produzieren Helium und schwerere Elemente, letztere werden von den Astronomen allesamt Metalle genannt (Bor, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Fluor, Neon – für Astronomen alles Metalle). Rote Riesensterne sind tief konvektiv und würgen aus ihrem Kern frisch fusionierten Kohlenstoff, Sauerstoff und andere Elemente an die Oberfläche, die ihr Sternwind dann ins All bläst. Supernovae bringen einen ganzen Stern zur Explosion, der sich vorher bis zum Eisen im Kern hochfusioniert hat und erzeugen dabei noch weitere Elemente wie Kobalt und Nickel. Und seit kurzem wissen wir, dass kollidierende Doppelneutronensterne bei der explosiven Verschmelzung (Kilonova) viele Elemente mit hohen Neutronenzahlen produzieren, so zum Beispiel Platin, Gold und Silber, und in großen Mengen ins All blasen (siehe auch letztes Bild ganz unten).
So wird das interstellare Gas mit der Zeit immer “dreckiger”, neue Sterngenerationen entstehen mit mehr Metallgehalt als vorherige. Normale Hauptreihensterne produzieren noch keine Metalle, nur Helium, welches sie in ihrem Inneren bis zur Riesenphase, wenn sie mit der Metallproduktion beginnen, unter Verschluss halten. Die Atmosphären der Hauptreihensterne zeigen also noch den Metallgehalt des Gases, aus dem die Sterne ursprünglich entstanden. Diesen kann man aus den Spektren der Sterne ermitteln und ihrem Alter gegenüber stellen, das man bei Sternhaufen sehr gut bestimmen kann (wie? Kommt im nächsten Teil…). Der Metallgehalt wird von den Astronomen meist als das Verhältnis der Eisenmenge zur Menge des Wasserstoffs angegeben ([Fe/H] als Zahlenverhältnis der jeweiligen Atome pro Volumenelement), und dies im Vergleich zum entsprechenden Wert der Sonne. Und davon der Zehnerlogarithmus. Hat also ein Stern die doppelte Eisenmenge im Vergleich zum Wasserstoff wie die Sonne, dann ist das Verhältnis zur Sonne log10 2 = 0,3. Hat der Stern die Hälfte der solaren Eisenmenge, dann ist es log10 (1/2) = -0,3.
Sternbevölkerungen
Kugelsternhaufen sind sehr alt und die Sterne darin enthalten einen Metallanteil von -2 bis -1, also 1/100 bis 1/10 der Metallizität (so spricht der Fachmann) der Sonne. Solche Sterne zählt man zur sogenannten Population II. Die jüngere Sonne zählt zur metallreicheren Population I, und die Sterne in offenen Sternhaufen, den Kinderstuben der Sterne, liegen mit -0,6 bis 0,2 im Bereich zwischen 0,25- und 1,6-facher Metallizität der Sonne (d.h. die Metallizität des Gases in der Milchstraße ist seit der Entstehung der Sonne nur noch wenig angestiegen, davor jedoch enorm, was auf eine heftige Sternentstehung in der jungen Milchstraße hindeutet – mehr dazu in Teil 6).
Daraus folgt, dass die Milchstraße einst aus sehr metallarmem Wasserstoff-Helium-Gas entstand und mit der Zeit immer mehr Metalle hinzu kamen. Man geht davon aus, dass es zu Beginn noch metallärmere Sterne einer Population III gegeben haben muss, die so rein waren, dass sie riesengroß werden konnten. Denn das Sternwachstum wird im wesentlichen dadurch begrenzt, dass der Stern die Fusion zündet, deren Intensität mit zunehmendem Druck und Temperatur extrem ansteigt. Der Strahlungsdruck bremst dann den Einfall weiteren Materials, heizt das Gas auf und ionisiert es, und bläst es mit seinem Sternenwind schließlich fort. Je nachdem wie heftig der Materieeinfall ist, entstehen kleinere oder größere Sterne, aber Sterne von mehr als 100 Sonnenmassen können bei metallreichem Gas nicht entstehen, denn die Metalle machen das Gas weniger transparent so dass es sich stärker aufheizt. Der Einfall von Material wird früher unterbunden. Bei den vermuteten Population-III-Sternen wurde vom einfallenden Gas weniger Strahlung absorbiert und sie konnten wesentlich massereicher werden – mehrere hundert bis zu 1000 Sonnenmassen, ergeben Berechnungen. Und weil sie so groß wurden, brannten sie so heiß und heftig, dass sie nach 2 bis 5 Millionen Jahren schon als Supernova explodierten, deshalb finden wir heute keine mehr in der Milchstraße vor. Bisher haben wir auch in fernsten Galaxien noch keine Population-III-Sterne gefunden, aber man geht davon aus, dass die kommende Generation von Riesenteleskopen sie dort aufspüren wird.
Im Universum saugt niemand Staub…
Die Milchstraße belegt mit ihrer Geschichte, dass sie metallarm begann und mit der Zeit immer mehr Metalle produzierte. Wer ein ewiges Universum postuliert, muss sich überlegen, woher das frische Gas kommen soll und wohin die Metalle verschwinden, damit immer wieder neue Galaxien mit geringem Metallanteil entstehen können.
Schon in den Sternen der Population II findet sich das Element Helium. Es macht etwa 25% der Masse des Gases aus, aus dem die Sonne besteht und wurde im Spektrum der Sonne gefunden, noch bevor man es auf der Erde fand – eben daher der Name Helium, der sich vom griechischen Helios (Sonne) ableitet. Woher stammt das Helium? Entstand beim Urknall nicht nur Wasserstoff?
Die Urknalltheorie besagt, dass es während einer Fusionsphase in den ersten Minuten nach dem Urknall entstanden ist, als das Gas heiß und dicht genug war, der sogenannten primordialen Nukleosynthese (engl. Big Bang Nucleosynthesis, BBN). Die Physik der Fusionsprozesse ist sehr gut bekannt und weit weniger spekulativ als die Entstehung der ersten Quarks, daher lässt sich vorhersagen, welche Elemente in welcher Menge erzeugt werden sollten, wenn man die Baryonendichte, das Verhältnis von Strahlung zu den Baryonen und die Expansionsrate kennt, z.B. aus Messungen der Hintergrundstrahlung. Die Dunkle Materie spielte bei den Reaktionen keine unmittelbare Rolle, hatte aber einen Einfluss auf die Expansionsrate und damit auf den Druckabfall und die Dauer der BBN.
Der erste Fusionsreaktor
Etwa eine Sekunde nach dem Urknall hörten demnach die Protonen und Neutronen auf, sich durch heftige Kollisionen ständig ineinander umzuwandeln und sie begannen, sich zu Deuterium (schwerer Wasserstoff, ein Proton und ein Neutron im Kern, Schreibweise 2H oder D) zu verbinden, das durch Zusammenstöße zunächst gleich wieder zerbrach. Nach 10 Sekunden Expansion war die Dichte des Gases so weit gefallen, dass die Deuteriumkerne die Zusammenstöße zu überleben begannen und anfingen, zu Helium 3 (2 Protonen und 1 Neutron, 3He) und Tritium (überschwerer Wasserstoff, 1 Proton und 2 Neutronen, 3H oder T) zu verschmelzen Im ersten Fall gab ein Deuteriumkern dabei ein Neutron ab, im zweiten ein Proton. Aus Tritium + Deuterium und 3He + Deuterium entstand dann das “gewöhnliche” Helium 4He mit zwei Neutronen und zwei Protonen im Kern.
Im obigen Bild sieht man, dass auch noch einige schwerere Elemente entstanden, Beryllium (Be) und Lithium (Li), wobei die schwarzen Kästen stabile, die grauen instabile Kerne darstellen, die bald zerfallen. Die Farben der Pfeile sollen die Größenordnung der Prozesse in Zehnerpotenzen versinnbildlichen. Schwerere Elemente entstanden beim Urknall nicht.
Gemäß der Baryonendichte, die das Weltraumteleskop PLANCK aus der Hintergrundstrahlung ermittelt hat (siehe BAO-Artikel) kann man berechnen, dass bei der BBN 24,69% Massenanteile 4He entstanden sein sollten (diese Zahl wird oft als Yp angegeben), und Mengenverhältnisse1 von 3,14…3,25 · 10-5 Deuterium zu Wasserstoff, 1,46…1,50 · 10-5 3He zu Wasserstoff und 1,62…1,90 · 10-10 7Li zu Wasserstoff.
Kann man das belegen?
Soweit die Theorie. Was sagen die Beobachtungen? Die Arbeit von Hou et al. [1] zitiert 4 frühere Arbeiten: Aver et al. haben in Sternentstehungsregionen metallarmer Galaxien den Heliumanteil gemessen und schließen auf 25,66% ±0,28% 4He. Olive et al. haben die Messungen 10 anderer Arbeiten ausgewertet und einen Mittelwert von 3,02 ±0,23 · 10-5 für D/H gefunden. Bania et al. haben aus planetarischen Nebeln und der Sternentwicklungstheorie auf 1,1 ±0,2 · 10-5 3He/H geschlossen. Und Sbordone et al. fanden in alten Zwergsternen im Milchstraßenhalo einen Lithiumanteil von 1,58 ±0,31 ·10-10 7Li/H. Angesichts der über zehn Größenordnungen reichenden Werte ist das eine hervorragende Übereinstimmung mit der Vorhersage, wenn die 1-σ-Fehlerbalken auch nicht in allen Fällen die Vorhersagen mit einschließen.
In allen Fällen wurden die Messungen an alten Sternen durchgeführt, deren Kernfusion von der Oberfläche isoliert abläuft, die aber alle schon Population-II sind und damit nicht aus wirklichem primordialem Gas bestehen. Aussagekräftiger wäre es, unverändertes Gas im Raum zwischen den Galaxien direkt zu untersuchen. Das intergalaktische Gas ist jedoch kalt und neutral und damit sehr schwer aufzuspüren, da man normalerweise von interstellarem Gas nur Emissionen nach Anregung durch UV-Licht oder Wärmestrahlung von Sternen sieht. Wenn man das Gas jedoch in der Durchsicht vor einem fernen leuchtenden Objekt findet, etwa einem Quasar2, dann produziert es dunkle Emissionslinien im Quasarlicht, und liegt die Gaswolke deutlich näher als der Quasar, dann haben diese eine andere Rotverschiebung als Linien aus der Umgebung des Quasars und können somit isoliert betrachtet werden.
Genau das haben Ryan Cooke und Michele Fumagalli von der Universität Durham in Großbritannien kürzlich getan [2]. Sie haben Wasserstoff- und Heliumlinien einer intergalaktischen Gaswolke bei einer Rotverschiebung von z=1,724 (ca. 3,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall) vor dem Quasar HS1700+6416 bei z=2,7348 identifiziert und aus der Tiefe der Linien einen Massenanteil des Heliums von 25,0% +3,3/-2,5% ermittelt. Dieser Wert passt hervorragend zu den rechnerisch ermittelten 24,69% aus der Nukleosynthese der Urknalltheorie gemäß [2], und er ist auch erwartungsgemäß etwas kleiner als im Gas der Population-II-Sterne. Leider haben Cooke und Fumagalli außerdem nur Kohlenstoff, und Silizium, aber kein Deuterium oder Lithium gefunden, um diese Häufigkeiten ebenfalls zu verifizieren. Dafür reichte die Genauigkeit der Messungen am schwachen Quasarlicht offenbar nicht aus.
Ein perfekt passendes Puzzleteil
Zusammengefasst ergibt also die aus der Hintergrundstrahlung ermittelte Baryonendichte zusammen mit der Hubble-Expansionrate während der ersten Minuten des Universums, wie sie ebenfalls aus der Hintergrundstrahlung oder auch aus den Fluchtgeschwindigkeiten der näheren Galaxien rückgeschlossen werden kann, unter Berücksichtigung wohlbekannter Kernprozesse ein Mengenverhältnis der beim Urknall gebildeten Elemente über 10 Zehnerpotenzen (!), welches mit den Messungen der heutigen Anteile dieser Elemente in weitgehend unverändertem primordialem Gas hervorragend übereinstimmt. Dabei muss man sich klar machen, dass die Baryonendichte und die Expansionsrate aus Messungen geschlossen wurden, die mit der Nukleosynthese nicht das geringste zu tun haben – hier werden also keine Modelle an Daten angepasst. Dies ist ein weiteres starkes Argument für die Urknalltheorie. Die Steady-State-Theorie hat hingegen noch nicht einmal ein plausibles Modell dafür, woher das primordiale Gas stammen soll, geschweige denn ist es in der Lage, eine überprüfbare Vorhersage der Elementhäufigkeiten zu machen (um gar nicht erst von pseudowissenschaftlichem Unfug à la “Elektrisches Universum” zu reden…).
Aber damit noch nicht genug: es gibt noch weitere Argumente für den Urknall. Z.B. das Alter der ältesten Sterne.
Eine Übersicht und Zusammenfassung aller Artikel dieser Reihe gibt es hier.
Referenzen
[1] S.Q. Hou, J.J. He et al. “Non-extensive Statistics Solution to the Cosmological Lithium Problem“, The Astrophysical Journal, Volume 834, Number 2, 11. Januar 2017; arXiv:1701.04149.
[2] Ryan Cooke, Michele Fumagalli, “Measurement of the primordial helium abundance from the intergalactic medium“, Nature Astronomy Volume 2, S. 957–961, 15. Oktober 2018; arXiv:1810.06561.
[3] Evan Gough, “The Universe Has A Lithium Problem“, Universe Today, 17. Februar 2017.
[4] Denise Chow, “Primordial Gas Clouds Reveal Glimpse of Big Bang’s Aftermath“, Space.com, 10. November 2011.
[5] en.wikipedia.org, “Big Bang nucleosynthesis“, Wikipedia.
[6] de.wikipedia.org, “Primordiale Nukleosynthese“, Wikipedia.
1 Aus historischen Gründen gibt man bei Helium den Anteil der Masse an, bei anderen Elementen die Zahl der Teilchen relativ zum Wasserstoff.
2 Ein Quasar ist eine Galaxie in der Entstehung mit aktivem Kern, in dem ein Schwarzes Loch immense Mengen Materie verschluckt, die kurz vor dem Verschlucktwerden heller aufleuchtet, als die ganze restliche Galaxie, welche vollkommen überstrahlt wird. Deshalb sieht man von der Galaxie nur den punktförmigen Kern, der wie ein Stern aussieht – und außerdem Radiowellen aussendet, daher der Name quasistellare Radioquelle oder kurz Quasar.
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